Franz Grillparzer                   An einen geschiedenen Freund

1791 – 1872

Bist du gegangen, müd der ew’gen Kriege,

Die Einsicht mit der Torheit flicht und schlägt,

Und hast, verzweifelnd an dem späten Siege,

Die wohlgebrauchten Waffen hingelegt?

 

Wohl gut! denn ob man steh, ob unterliege,

Der Feind bleibt ewig ganz und unbewegt;

Ist Allgemeinheit der Gemeinheit Wiege,

Tilgt man ein Kraut, des Same wieder trägt.

 

Dir stand es frei, du hast mit eignem Wählen

Der Waffen edlen Dienst dir ausersehn,

Auf Freigescharte darf das Heer nicht zählen.

 

Doch wir, die zu der Fahne wir geschworen,

Uns ziemt es bis zum letzten Hauch zu stehn,

Daß, ob der Sieg, die Ehre nicht verloren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Franz Grillparzer

1791 – 1872

Mein Freund, du hast Talent! Ich sehe dich erblassen,

Und wie der Zorn dir drauf im Antlitz brennt;

„Weißt du mein Lob nicht höher aufzufassen

Als mich benennend, wie man jeden nennt?“

 

Freund, hör solch Lob nur ruhig und gelassen,

Groß ist’s für jeden, der die Zeit erkennt,

Denn das Genie, es läuft in allen Gassen,

Doch seltener als je ist das Talent.

 

Es hat der Geist, so will es mich gemahnen,

So wie der Körper seine Eisenbahnen,

In zwanzig Stunden fährt sich’s bis nach Prag.

 

Doch wo man hingehn muß mit eignen Füßen,

Wird sich die Kraft wie früher spannen müssen,

Der Weg ward kürzer nicht um einen Tag.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Franz Grillparzer                   Versäumt

1791 – 1872

Auf Kresna-Hora, hütend seine Kühe,

Stand jener Hirt, da wollt es ihn bedünken,

Er säh es aus dem Erdreich guldig blinken,

Im Dämmerlicht von Tages erster Frühe.

 

Mit kurzem Atem eilt er hin, und, siehe!

Dem Grund entsprießen wirklich goldne Zinken,

An Wurzeln, die noch tief und tiefer sinken,

Reich lohnend seines Grabens leichte Mühe.

 

Doch wie er gräbt, wird ängstlich ihm und enge,

Er muß sein Glück vertraun, nach Beistand laufen;

Er bricht den Stab entzwei auf Mannes Länge,

 

Und eilt ins Dorf. Ihm folgt hinaus der Haufen,

Und sucht und wühlt mit Hebel, Karst und Winden:

So Platz, als Gold, war nicht mehr aufzufinden.