1815 – 1884
Es hat das Meer mit seinem
Wogenschlage,
Es hat der Wald mit seinen
grünen Zungen
Bis diesen Tag dasselbe Lied
gesungen,
Das einst sie angestimmt am
Schöpfungstage.
Wie sich auch wandeln möcht’
in Kampf und Plage
Die Welt umher, von
Menschenwitz bezwungen:
Noch klingt der Gruß, der
dermaleinst erklungen,
Von Flut zu Flut, von Blatt zu
Blatt im Hage.
Drum, wenn ich sinnen will von
ew’gen Dingen,
Such ich den alten Forst an
hoher Küste,
Wo Meer und Wald ihr rauschend
Wort verschlingen;
Mir ist es, wenn ich dort zum
Werk mich rüste,
Als ob des Weltgeists Stimme
zu mir dringen
Und mich sein Odem nah
durchschauern müßte.
1815 – 1884
Jetzt erst erkenn’ ich euren
Wert, ihr Alten,
Seit ich auf eurem heil’gen
Boden schreite;
Lebendig wandelt ihr mir nun
zur Seite,
Ein hoher Chor befreundeter
gestalten.
Nun lehret mich der Götter
ew’ges Walten
Der Greis von Chios in der
Helden Streite,
Und mächtig trägt mich Bindars
Lied ins Weite,
Dem wie im Sturm die Flügel
sich entfalten.
Sanft spielt Horaz mit seinem
leichten Spotte
Mir um die Brust, indes den
Blitz ergrimmet
Sich Juvenal erborgt vom
Donnergotte.
Doch wehmutsvoll zu süßer
Klage stimmet
Tibull die Zither in umlaubter
Grotte,
Wenn fern im Blau der
Abendstern entglimmet.
1815 – 1884
Weil ihren Witz dein hoher
Sinn vernichtet
Und ihre Schmeichelei für dich
verloren,
So heißt dich marmorn dies
Geschlecht von Toren,
Das frostig jede große Seele
richtet.
Doch willig hast du auf ein
Lob verzichtet,
Das für den Kern die Schale
stets erkoren;
Du gleichst dem Wein, der,
äußerlich gefroren,
So Geist als Glut im Innersten
verdichtet.
Heil aber jenem, der dich
einst erkennet,
Und, in der Seele stillen Reiz
versunken,
Nicht eher rastet, bis er sein
dich nennet!
Bei deinem Kuß empfinden wird
er trunken,
Um wie viel heißer heimlich
Feuer brennet,
Als was für jeden sich
versprüht in Funken.
1815 – 1884
Wenn auch nur wen’ge deine
Größe ahnen
Von jenem Volk, für das du
hast gesungen,
Für das du hast gefochten und
gerungen,
Voran ihm wandelnd auf der
Schönheit Bahnen:
Doch sammelt schon im Schatten
deiner Fahnen
Ein Häuflein sich von edlem
Mut durchdrungen,
Und ob dein eigner Feldruf
auch verklungen,
Wir schlagen fort die Schlacht
für deine Manen.
Wir sind die Schar, die nie
von Schrecken bleiche,
Die mitten durch des Feinds
gesenkte Speere
Den Weg erkämpft für eine
Königsleiche.
Verpfändet haben wir die eigne
Ehre,
Daß keines Buben Hand mit
frechem Streiche
Die Schulter, die den Purpur trug, versehre.
1815 – 1884
Wer hat der Sorge je sein Herz
verschlossen?
Und flöhn wir zu des Poles
eis’gen Strecken,
Sie würde dort auch uns vom
Lager schrecken,
Wenn auf die Wimper kaum sich
Schlaf ergossen.
Wir sehn von hellem
Kerzenglanz umflossen
Sie flattern an des Prunksaals
goldnen Decken;
Dem Schiffer folgt sie durch
das Meer, dem kecken,
Den Reiter holt sie ein auf
flücht’gen Rossen.
Drum suche nicht ihr töricht
zu entfliehen,
Mit Lächeln wolle das Geschick
versöhnen,
Da keinem noch ein reines
Glück gediehen.
Doch kannst du dich der Klage
nicht entwöhnen,
So reife sie zum Lied, der dir
verliehen,
Der leise Hauch der
griechischen Kamönen.
1815 – 1884
Es nahn und fliehn die
wechselnden Gestalten,
Und was wir kaum im Herzen
lieb gewannen,
Die Ferne führt es neidisch
uns von dannen,
Im Lauf der Stunden muß er
rasch veralten.
Da greift der Künstler in des
Schicksals Walten;
Ein Zaubrer weiß er Raum und
Zeit zu bannen,
Er weiß den Augenblick, den
wir umspannen,
In lichten Farben selig
festzuhalten.
So hast nun du mit
schöpfrischem gemüte
Die schönste Ros’ auf Hellas
schönen Auen,
Dahingebannt in ewger
Jugendblüte.
Und staunend wird es noch der
Enkel schauen,
Dies Angesicht voll Majestät
und Güte,
Der Königin der Griechen und
der Frauen.
1815 – 1884
Wenn sich ein Geist erhebt in
ungeschwächter
Erhabner Würde mit gewalt’gem
Schritte,
Zu stolz, daß er des Haufens
Gunst erbitte,
So wird er oft dem niedern zum
Gelächter.
So gingest du, der treue
Kronenwächter
Altdeutscher Gottesfurcht und
edler Sitte,
Verkannt durch deiner
Zeitgenossen Mitte,
Doch nur ein Lächeln gönnend
dem Verächter.
Still schmückest du indes mit
Kreuz und Blume
Den Dom, an dem du bautest,
den weiten,
Zu Gottes Ehre, deinem Volk
zum Ruhme.
Zwar sahst du nicht das Werk
zum Ende schreiten,
Doch ragt’s gleich jenem
Kölner Heiligtume
Ein riesig Bruchstück in den Strom der Zeiten.
1815 – 1884
Bei euch, ihr hohen Säulen,
laßt mich weilen,
Ihr stummen Zeugen
wechselvoller Tage,
Und laßt sich mein Gemüt
ergehn in Klage,
Das nichts entrinnen mag des
Schicksals Pfeilen.
Die Zeit des Glanzes saht ihr
schnell enteilen
Und was ihr dann geschaut, war
eitel Plage;
Kaum les ich noch die
tausendjähr’ge Sage
Des Ruhms in euren
unterbrochnen Zeilen.
Es will das Herz mir
schauerlich bewegen,
Wenn ich betrachte solche
Weltgeschicke,
Wie hier das freiste Volk dem
Fluch erlegen.
Und wenn ich dann in meine
Seele blicke,
Scheint mir der eigne Schmerz
so klein dagegen,
Daß ich ihn lächelnd in der Brust ersticke.
1815 – 1884
Wenn einer starb, den du geliebt
hienieden,
So trag hinaus zur Einsamkeit
dein Wehe,
Daß ernst und still es sich
mit dir ergehe
Im Wald, am Meer, auf Steigen
längst gemieden.
Da fühlst du bald, daß Jener,
der geschieden,
Lebendig dir im Herzen
auferstehe;
In Luft und Schatten spürst du
seine Nähe,
Und aus den Tränen blüht ein
tiefer Frieden.
Ja, schöner muß der Tote dich
begleiten,
Um’s Haupt der
Schmerzverklärung lichten Schein,
Und treuer – denn du hast ihn
alle Zeiten.
Das Herz auch hat sein Ostern,
wo der Stein
Vom Grabe springt, dem wir den
Staub nur weihten;
Und was du ewig liebst, ist
ewig dein.
1815 – 1884
O zieht nur an den flatternden
Standarten!
Ruft euren Übermut von allen
Zinnen!
Haut, wie Sir John, mit prahlendem
Beginnen
Die Klinge, die zum Spiel ihr
führt, voll Scharten!
Kampflieder auch stimmt an von
allen Arten,
Indes statt blutes Ströme
Weines rinnen!
Mir däucht es würd’ger, mit
gefaßten Sinnen
Den größten Tag des Schicksals
zu erwarten.
Er bleibt nicht aus. Doch
seine Donner töten
Mit ihrem ersten Hall den Lärm
der schreier,
Und seine Blitze sind wie
Morgenröten.
Dann will ich fragen euch, ihr
Weltbefreier:
Habt ihr ein Schwert in eures
Volkes Nöten?
Und für die Schlachten habt
ihr eine Leier?
1815 – 1884
O Tod, du bist der wahre Fürst
der Welt,
Der Priester bist du, der mit
reinen Händen
Den Kranz der bleichen Stirn
vermag zu spenden,
Und heil’ge Namen schreibt ans
Sternenzelt.
Das Linnentuch, zu deinem
Dienst bestellt,
Ein Purpur wirds, den Keiner
wagt zu schänden,
Ein Demantschild, gesenkt an
allen Enden,
Von dem zurück der Pfeil des
Spottes schnellt.
Wohl höhnt die Welt in bloßem
Frevelmute
Manch großes Herz, das ihr
doch Alles gab,
Was reich und schön in seiner
Tiefe ruhte;
Da schwebet, ein Trostesengel,
du herab,
Und rührst es sacht, daß es
nicht fürder blute –
Und pflanzest ew’gen Lorbeer
auf das Grab.
1815 – 1884
Es gibt ein Königsschloß in
alten Sagen,
Durch Zauberbann in wüsten
Schutt zerfallen,
Doch wenn die rechten
Lösungsworte schallen,
So steigt’s empor wie in der
Vorzeit Tagen.
Da glänzt der Saal, die
goldnen Zinnen ragen,
Jasmin und Ros’ umblühn die
Säulenhallen,
Es tanzen Mädchen,
Purpurkleider wallen,
Und Silberharfen hörst du
lieblich schlagen.
Den Trümmern glich mein Herz.
Es mußte lange
In Graus und Finsternis
verödet liegen,
Und drinnen war es leer und
dumpf und bange.
Da sprachest du, den Bannfluch
zu besiegen,
Das Lösungswort, und sieh mit
hellem Klange
Ist draus der Liebe
Zauberschloß gestiegen.
1815 – 1884
Dem Winde möcht ich meine
Sorgen geben,
Daß er hinaus ins weite Meer
sie trüge,
Ich möchte, meiner Jugend
Traumesflüge
Erneuernd, wieder kühn ins
Blaue streben.
Doch ernster ward und bittrer
ward das Leben,
Es gibt uns Seufzer statt der
Atemzüge,
Ist jede Lust doch eine halbe
Lüge,
Wenn Wetter so wie jetzt am
Himmel schweben.
Der Lenz hat seinen Rosenduft
verloren;
Die Hoffnung selbst, die
jugendliche rasche,
Pocht wie ein Kind nur
schüchtern an den Toren.
Die Lust versieget mit dem
Gold der Flasche,
Und nur der Schmerz steigt
ewig neugeboren
Ein dunkler Phönix wieder aus
der Asche.
1815 – 1884
Glaubt mir, dafern in
Deutschlands Eingeweide
das Schwert ihr kehrt und
schürt des Kriegs Verderben:
Nicht Freiheit werden eure
Kinder erben;
Zum Baume tragt ihr selbst des
Beiles Schneide.
Es wird ein Kampf von
unermeßnem Leide,
Darin die Besten auf der Wahlstatt
sterben:
Der Slave wird zuletzt das
Reich erwerben,
Daß er auf Gräbern seine Rosse
weide.
Schon hör ich als der
Knechtschaft Siegeszeichen
Prophet’schen Ohrs den Klang
von seinen Hufen –
Ihr aber glaubt es nicht, und
ich muß schweigen.
So schwieg Kassandra auf des
Tempels Stufen,
Da sie im Geist sah Trojas
Flamme steigen,
Und niemand hört es, daß sie
Weh gerufen.
1815 – 1884
Ich will es immerhin euch gern
erlauben,
Daß ihr mich rechnet als der
Schwachen einen;
Doch sollt ihr meinem Auge
nicht das Weinen,
Noch meinem Mund der Freude
Lächeln rauben.
Zu eurer Höhe kann ich mich
nicht schrauben,
Wo statt der Sonne frost’ge
Sterne scheinen;
Ich kann nicht hassen bloß und
bloß verneinen;
Dies Herz bedarf’s, zu lieben
und zu glauben.
Daß ihr euch Heiden nennt,
hör’ ich sagen,
Doch jene sahn den Gott im
Sturm der Meere,
Den Gott im Donner und im
Sonnenwagen.
Ihr aber möchtet frech mit
erznem Speere
In Trümmer jedes Götterbild
zerschlagen –
So bleibt euch nichts denn,
als die große Leere.