1815 – 1884
Seitdem die Liebe dir genaht,
der reinen,
Ist’s wie ein Zauber über dich
gekommen;
In süßem Feuer ist dein Aug
erglommen,
Doch schöner blickt es noch in
sel’gem Weinen.
Oft, wenn du wandelst, wil es
mir erscheinen,
Als sei die ird’sche Schwere
dir genommen;
Dein Tun ist, wie der Blumen
Blühn, der frommen,
Und wie der Engel ist dein
Wunsch und Meinen.
Das Wort erblüht von selbst
dir zum Gedichte,
Doch schweigst du, strahlt,
die Rede zu ergänzen,
Von deiner Stirn die Lieb’ im
reinen Lichte.
So sah dereinst, entrückt der
Erde Gränzen,
Auf Beatricens schönem Angesichte
Den Strahl des Paradieses
Dante glänzen.
1815 – 1884
Die du den Blick mir zugewandt
voll Güte
Da mich die Andern in den
höflich glatten
Prunkvollen Sälen stolz
vergessen hatten,
Wie dank’ ich deinem freundlichen
Gemüte!
Du botest lächelnd mir des
Herzens Blüte,
Mit süßem Wort erquickest du
den Matten;
So mag ein Quell in hoher
Palmen Schatten
Den Pilger laben, der von
Durst erglühte.
Und doch! Nicht folgen darf
ich jenem Glücke,
Das deine Kunst so reich mir
zugewogen!
Mich hält das Herz, mich hält
die Pflicht zurücke.
Denn zwischen uns ist eine
Kluft gezogen,
Die sich verbinden läßt durch
keine Brücke,
Und die noch keiner glücklich
überflogen.
1815 – 1884
Wen einst die Muse mit dem
Blick der Weihe
Mild angelächelt, da er ward
geboren,
Der ist und bleibt zum Dichter
auserkoren,
Ob auch erst spät der Kern zur
Frucht gedeihe.
Des Lebens Pfade zeigt in
bunter Reihe
Ihr ihm umsonst; er wandelt
wie verloren,
Es klingt ein ferner Klang in
seinen Ohren,
Er sinnt und sinnt, daß er
Gestalt ihm leihe.
Der Lenz erscheint mit seinen
Blütenzweigen:
Er fühlt so seltsam sich vom
Hauch durchdrungen;
Die Liebe kommt: er weiß nicht
mehr zu schweigen.
Und wie ein Quell, der lang’
ans Licht gerungen,
Bricht’s nun hervor gewaltig,
tonreich, eigen,
Und sieh, er hat sein erstes
Lied gesungen
1815 – 1884
Wenn kaum erwacht die lauen
Lüfte gehen,
Da singt der Dichter schon von
Maienwonnen;
Er glaubt beim ersten blassen
Strahl der Sonnen
Die Welt im Glanz der
Pfingsten schon zu sehen.
So spricht er auch von
Liebes-Lust und Wehen,
Wenn kaum ein flüchtig Lächeln
er gewonnen;
Die Blüte, die zu knospen nur
begonnen,
Sieht er in Pracht als volle Rose
stehen.
Darum, o Freund, verwundre
dich mit nichten,
Daß oft ein freudig Lied ihm
jetzt beschieden,
Wiewohl sich kaum der Zeit
Gewitter lichten.
Mag er bei Tag noch rüstig
Waffen schmieden:
Nachts winkt ihm fernste
Zukunft mit Gesichten,
Und was er schaut, ist
Frieden, goldner Frieden.
1815 – 1884
Das Meer ist oben glatt und
spiegeleben,
Doch bunte Gärten trägts auf
seinem Grunde;
Goldwälder, Purpurstauden
stehn im Sunde,
Darinnen Perlen statt des Taues
beben.
Das ist ein heimlich Glühn,
ein farbig Leben,
Doch selten wird dem
Schiffenden die Kunde;
Ein Sonntagskind nur sieht in
guter Stunde
Die Wipfel dämmernd aus der
Tiefe streben.
So blüht auch dir ein Garten
im Gemüte;
Allein die Welt, getäuscht von
deinen Scherzen,
Ist blind für seine wundersame
Blüte.
Der Dichter nur, vertraut mit
Lust und Schmerzen,
Las was im Dunkel deines Auges
glühte
Und ahnt die Zauberwelt in
deinem Herzen.
1815 – 1884
Blick um dich her! Es redet
dir vom Lieben
Was du nur schaust in aller
Höh’ und Tiefe;
Die Rose läge still im Moos
und schliefe,
Wenn sie die Liebe nicht ans
Licht getrieben.
Es wäre stumm die Nachtigall
geblieben,
Wenn Sehnsucht ewig nicht zu
Liedern riefe,
Ja, selbst der Himmel ward zum
Liebesbriefe,
Mit Silberschrift auf blauem
grund geschrieben.
O sieh, wie so die Welt in
süßem Zwange
Sich dreht, wie selbst das
Seelenlose gerne
Sich überläßt dem allgemeinen
Drange.
Drum länger nicht vom Strahl
des Lebens ferne
Verschließ dein Herz; laß
glühen diese Wange,
Und tu wie Rose, Nachtigall und Sterne!
1815 – 1884
Ich wähle mir den Liebesgott
zum Schenken,
Er füllt den Becher mir aus
Zauberkrügen
Und weiß das Herz in seliges
Genügen,
den Sinn in süßen Taumel zu
versenken.
Auch lehrt er mich zu holdem
Angedenken
Den Wein zu schlürfen in
bedächt’gen Zügen,
Zu zartem Gruße Reim in Reim
zu fügen,
Und sanft der Musen weißes Roß
zu lenken.
Und wenn des Abends Schatten
sich verbreiten
Und müd’ ich ruhe von des Tags
Genusse,
Erregt er sacht der Zither
goldne Saiten.
Da muß im Schlaf, gleich
Wimpeln auf dem Flusse,
Manch holdes Traumbild mir
vorübergleiten,
Bis mich der Morgen weckt mit ros’gem Kusse.
1815 – 1884
Nach so viel trüben, trüben
Nebeltagen,
Du goldner Schein, der aus dem
Blauen fließt
Und klär durch meine Seele
sich ergießt,
O Schein des Trosts, laß
meinen Gruß dir sagen!
Ich war mit Angst und Traurigkeit
geschlagen,
Doch nun ist’s gut, da sich
der Strahl erschließt;
Und leise, leise, wie die Rose
sprießt,
Darf Luft und Hoffnung
aufzublühen wagen.
O scheltet nicht, daß ich ein
Sohn der Erde
Und tief im Wesen der Natur
vereint,
Von ihrem Angesicht geleitet
werde!
Ihr seht ja doch, daß, wenn
die Mutter weint,
Das Kind verstummt mit
trauriger Geberde
Und wieder lächelt, wenn sie
froh erscheint.
1815 – 1884
Die Freiheit hab’ ich stets im
Sinn getragen,
Doch haß’ ich eins noch
grimmer als Despoten:
Das ist der Pöbel, wenn er
sich den roten
Zerfetzten Königsmantel
umgeschlagen.
Die kleinen Seelen glühn in
solchen Tagen,
Sich aufzuspreizen als des
Himmels boten,
Und frech verlästern sie die
großen Todten,
Denn Sünde ward es, aus dem
Schwarm zu ragen.
Ja wem das Herz nur höher wagt
zu pochen,
Aus wem der Geist, der
heil’ge, gottgesandte,
erhaben zürnt, sein Urteil ist
gesprochen.
Hat doch der Pöbel einst, der
wutentbrannte,
Ob Aristides Haupt den Stab
gebrochen,
Und ins Exil verstoßen einen Dante.
1815 – 1884
Wenn ich im Lenz durch Grün
und Rosen walle
Da wird mir oft zu Sinn, als
müßt ich klagen,
Daß ich geboren bin n solchen
Tagen,
Die rauh erdröhnen von der
Waffen Schalle.
Ich hätte gern ein freudig
Lied für Alle
Voll Gottesfrieden in der Luft
getragen,
Ich hätte gern im Zauberwald
der Sagen
Ein weißes Edelwild gebracht
zu Falle.
Umsonst! Es ziemt uns nicht im
Kranz der Reben
Mit goldnen Mährchen das
Geklag zu würzen:
Dem diese Zeit ist wie die
Sphinx von Theben.
Wer’s heute wagt, als Dichter
sich zu schürzen,
Ihr Rätsel wird sie ihm zu
raten geben,
Und löst er’s nicht, ihn in
den Abgrund stürzen.
1815 – 1884
Wenn nach des Tags Verbluten
weit und breit
Die Finsternis sich
schauervoll ergießet,
Daß Berg und Tal in wüstes
Schwarz zerfließet,
Da tritt hervor der Sterne
Heiterkeit.
Und wenn ein Volk in trotz’gem
Widerstreit
Dem gottgesandten Strahl das
Herz verschließet,
Um Hütt und Schloß der Lügen
Unkraut sprießet,
Das ist der Seher, der
Propheten Zeit.
Herr, flieh gen Himmel uns die
Arme strecken!
Hör’ unser heißes Flehen früh
und spat:
Du wolltest einen Retter uns
erwecken!
Dies Volk ist irr und irr der
hohe Rat –
O laß ihn nahn im Donner
deiner Schrecken,
Die Spreu zu scheiden von der
guten Saat!
1815 – 1884
O wie so leicht in seligen
Genüssen
Sich mir die stunden jetzt
dahin bewegen!
Ins Auge schau ich dir, bist
du zugegen,
Und von dir träum ich, wenn
wir scheiden müssen.
Oft zügeln wir die Sehnsucht
mit Entschlüssen,
Doch will ich stets ein neu
Verlangen regen,
Und wenn wir kaum verständiger
Rede pflegen,
Zerschmilzt sie wieder uns und
wird zu Küssen.
Der erste weckt Begier nach
tausend neuen,
Es folgt auf Liebeszeichen
Liebeszeichen,
Und jedes scheint uns höher zu
erfreuen.
Nun erst begreif’ ich ganz den
Lenz, den reichen,
Wenn er nicht endet Rosen
auszustreuen,
Die alle schön sind und sich
alle gleichen.
1815 – 1884
Ich hör’ es wohl, es rufen die
Partei’n:
„Komm her, und woll uns
endlich angehören!
Der rüstge Harfner sei zu
unsern Chören,
Und schling als Kranz dein
Lied um unsern Wein.“
Mein ewig Echo bleibt ein
ruhig: Nein!
Denn zu der Fahnen keiner kann
ich schwören;
Den Gott im Busen darf kein
Schlagwort stören,
Ich folge meinem Stern und
geh’ allein.
Dem Wandrer bin ich gleich am
Felsenhang,
Dem schroff die Wand sich
türmt zur rechten Seite,
Zur Linken braust der See mit
dumpfem Klang.
Doch rühr’ ich fromm die
Saiten, wie ich schreite,
Und oftmals will’s mir dünken
beim Gesang,
Daß mich wie Kaiser Max ein
Engel leite.
1815 – 1884
Die ihr den Geist zu fernen
Bahnen lenket
Und nächtlich sinnt bis zu des
Tags Erröten,
Vergeßt nicht, daß ein Andres
noch vonnöten,
Und daß des Lebens Gold euch
nicht geschenket.
Und die ihr euch in Scherz und
Lust versenket,
Mit kurzem Rausch die kurze
Zeit zu töten,
Verstummen heißet die Musik der
Flöten,
Setztab den Becher, und des
endes denket!
Auch euer wartet jene große
Lücke;
Ein Abgrund bleibt der Tod,
ein ewig trüber,
Wie schön mit Blumen ihn der
Dichter schmücke.
Kein Liedchen tändelt fort das
Gegenüber,
Kein Schluß der Weisheit schlägt
die kühne Brücke,
Und nur des Glaubens Flügel trägt hinüber.
1815 – 1884
Dem Mondesaufgang wandl’ ich
gern entgegen,
Wenn alles schlummert, durch
die stillen Gassen;
Des Marktes Brunnen rauchet
noch verlassen,
Sonst tiefes Schweigen rings
auf allen Wegen.
Da spricht die Nacht auch über
mich den Segen;
In sanfte Wehmut schmilzt das
trotz’ge Hassen,
Die Liebe naht, mich gläubig
zu umfassen,
Und will das Haupt an meine
Schulter legen.
Mir ist’s als käme mir die
Jugend wieder,
Und wieder streben in
sehnsücht’ger Weise
Aus dieser Brust zur heimath
meine Lieder.
So schwingt von Schwänen eine
Schar sich leise
Aus dunklem See auf wallendem
Gefieder,
Wenn sie beginnt nach Süden ihre Reise.