1815 – 1884
Verhalle nun Gesang der
Liebesklagen,
Du langes Echo meiner Leiden!
Der Tag erscheint, die trübe
Nacht muß scheiden,
Die Stunde der Erlösung hat
geschlagen.
Nicht länger sollt ihr
Trauerfarben tragen,
Ihr meine Lieder! Nein, in
bunte Seiden,
In Gold und Purpur will ich
nun euch kleiden
Zu würd’ger Feier diesen
Jubeltagen.
Auf denn ! Im Festgewandt den
Tanz zu schlingen,
kränzt euch mit Blumen, zündet
luft’ge Kerzen,
Die vollsten eurer Töne laßt
erklingen!
Nun gilt es leicht in holder
Form zu scherzen;
Denn Frühling kam auf
Regenbogenschwingen
Und Frühling blüht und
leuchtet mir im Herzen.
1815 – 1884
O schöne Zeit, da mich noch
jede Stunde
Zu einer frischerschloßnen
Blüte rief
Da jeder tag, ein goldner
Freudenbrief,
Sich vor mir auftat mit
beglückter Kunde;
Da, wie die Ros’ in dunklem
Alpengrunde,
Ihr liebes Bild mir blüht im
Herzen tief,
Und ich mit ihrem Namen sanft
entschlief,
Als würd’ er zum Gebet in
meinem Munde!
Du bist dahin, und doch du
bist noch mein:
Es fließt das Lied von deinen
Nachtigallen
Ein Frühlingsgruß in meinen
Herbst herein.
Allabendlich, wenn Stadt und
Flur verhallen,
Kehrt die Erinnrung tröstend
bei mir ein,
Mit mir im Traume durch die
Nacht zu wallen.
1815 – 1884
Das Fest der Pfingsten kommt
im Hall der Glocken,
Da jauchzt in
Frühlingsschauern die Natur;
Auf jedem Strauch des Waldes
und der Flur
Schwebt eine Ros’ als Flamme
mit Frohlocken.
O Geist, der einst in goldnen
Feuerflocken
Aufs Haupt der Jünger brausend
niederfuhr,
Von deinem Reichtum einen
Funken nur,
Hernieder send ihn auf des
Sängers Locken!
Ich weiß es wohl, nicht würdig
bin ich dein;
Doch hast du nie die Tugend ja
gemessen,
Der Glaube zieht, die
Sehnsucht dich allein.
Der Armen hast du nimmermehr
vergessen;
Du kehrtest in der Fischer
Hütten ein,
Und an der Sünder Tisch bist du gesessen.
1815 – 1884
Kalt sind sie, kalt, und kalt
ist ihr Gedicht;
Sie waren nie vom Hauch des
Frühlings trunken,
Nie in des Gottes Melodie
versunken,
Der durch die heil’ge Nacht
vernehmbar spricht.
Auch fühlen sie’s, was ihrem
Lied gebricht,
Und lassen zum Ersatz der
Lebensfunken
Mit Schmink’ und Flittergold die
Leiche prunken,
Mit eitlem Schimmer, der den
sinn besticht.
Doch wen der Geist beseelet,
unerschrocken
Verschmähen mag er, was der
Markt erhebt,
Und dennoch, singt er, bleibt
kein Auge trocken.
Dem Gotte gleicht er, den der
Aar umschwebt;
Er schüttelt leise nur die
dunklen Locken,
Und der Olymp und jedes Herz
erbebt.
1815 – 1884
O eine Eiche pflanzt auf
diesen Hügel!
Die grünste sucht, so weit die
Amsel ruft!
Sie streue Schatten auf des
Helden Gruft,
Und Lieder rausch in ihr des
Windes Flügel.
Dem gleich dem Roß, das
knirschet in die Zügel,
Und scharrt und stampfet,
spürt es Morgenluft:
So wittert’ er zuerst der
Freiheit Duft,
Da Alles schwieg und schwang
sich in die Bügel.
Fürwahr, o Schill, du warst
ein echter Reiter,
Und schneller als die Zeiten
rittst du gern,
Mit dir wie Blitze deine
blanken Streiter.
Dein Jagthorn klang: „Der Tag
ist nicht mehr fern!“
Da ging der Morgen auf so rot
und heiter;
Doch unter gingst du, schöner
Morgenstern.
1815 – 1884
In Teppichzelten, die zum
Schlummer taugen,
Am Spiele der Gedanken sich
vergnügen,
Dazwischen dann und wann in
langen Zügen
Den kühlen Rauch der
Wasserpfeife saugen,
Bald einsam träumen von
geliebten Augen
Und mit dem Traum die Gegenwart
betrügen,
Bald mit den Freunden bei
gefüllten Krügen
In leichtem Witz der Toren
Werk durchlaugen,
Das ist das Einz’ge, was in
diesen Tagen,
Wo alle Blumen vor der Sonne
flüchten,
Mir tunlich noch erscheint und
zu ertragen.
Doch wollt mich drum des
Leichtsinns nicht bezüchten;
Ein Dichter darf schon
auszuruhen wagen,
Denn auch sein Müßiggang ist reich an Früchten.
1815 – 1884
Bist du als Künstler, als Poet
gesendet,
O laß dich nicht vom Preis des
Marktes leiten!
Denn sinnlos hat die Welt zu
allen Zeiten
An Mittelmäß’ges ihre Gunst
verschwendet.
Zeig’ ihr ein Bild vom Genius
vollendet,
Drauf alle Himmel stille
Glorien breiten,
Und eins, wo grell und roh die
Farben streiten:
Du wirst es sehn, wohin ihr Herz
sich wendet.
Nein, ihrem Tadeln lächle,
ihrem Loben;
Du hast genug der Wonnen
eingetauscht,
Kam dir der sel’ge
Schöpfungsdrang von oben.
Der Nachtigall sei gleich, die
duftberauscht
Noch stets dem Lenz den
Brautgesang erhoben,
Ob ihr auch niemand als die
Nacht gelauscht.
1815 – 1884
Es treibt mich stets ein
wechselndes Verlangen;
Bald möcht’ ich unter meiner
Heimat Linden
Am eignen Herd ein schattig
Plätzchen finden,
Um dort zu rasten ohne Wunsch
und Bangen;
Bald wieder möcht ich,
sonnverbrannt die Wangen,
Des Südens Meer durchschweifen
mit den Winden,
Bis Ferne, wo die letzten
Pfade schwinden,
Der Wüste Palmenschatten mich
umfangen.
Der jähe Wechsel ruht auf
einem Grunde;
Zur Heimat leitet mich ein
süßes Träumen,
Sie bringe mir ein Wort aus
liebem Munde.
Doch bin ich dort, so fühl ich
ohne Säumen:
Noch immer nicht erschien das
Glück zur Stunde,
Und wieder such’ ich’s in den
fernsten Räumen.
1815 – 1884
Das Alles uns so rasch
vorübereilet,
Und sich die Zeit nicht läßt
in Fesseln schlagen,
Es war mir nimmermehr ein
Grund zu klagen,
Wenn ich im Kreis der
Fröhlichen verweilet.
Denn öfter noch hat mir es
Trost erteilet,
Wenn auf der Seele tiefe
Schatten lagen;
Der bangen durft’ ich dann
vertrauend sagen:
Getrost! Der Sand verrinnt,
die Wunde heilet.
So hofft’ ich stets dem jungen
Lenz entgegen,
War ich vom Frost des Winters
kalt umschauert,
Und sah mit Ruh den Herbst ins
Grab sich legen.
Nur Eines hab ich immer tief
betrauert,
Daß auch die schönste Blum’
auf unsern Wegen,
Die Liebe selbst nur zwei Minuten dauert.
1815 – 1884
Du willst dich nicht bei
unserm feste zeigen,
Wo auf dem Rasen unter grünen
Bäumen
Guitarren klingen und Pokale
schäumen,
Und Reb’ und Rose sich zum
Kranz verzweigen.
Du fliehst den scherz, den
Becherklang, den Reigen,
Um stumm daheim von nicht’gem
Leid zu träumen;
Des Lebens Liebesblick willst
du versäumen,
Um einem Luftgebild das Ohr zu
neigen.
Du willst an schöner Augen
Blitz nicht glauben,
Und wendest scheu dich ab von
den Genüssen,
Die uns gewährt, der süße Gott
der Trauben.
So sei dir ewig denn von jenen
Küssen
Die Glut verschlossen, die so
sanft sich rauben,
Und ewig sollst du Wasser
trinken müssen.
1815 – 1884
In Blüten sah ich Tal und
Hügel prangen
Und tief im Grün die Spur des
Winters schwinden,
Da ist auch mir mein Denken
und Empfinden,
Luft, Zorn und Lieb’ in
Liedern aufgegangen.
Oft ließ ich auch die Laut’ am
Aste hängen;
Da kam der Lenz und harfte mit
den Winden
Ein Stück dazwischen, eins von
seinen linden,
Die wundermild das Menschenohr
befangen.
Die Lieder alle hab ich hier
gereiht:
Es ward ein Kranz – ich wand
ihn leicht und lose –
Bunt wie mein Herz und bunt
wie diese Zeit.
Die heiße Tulpe flammt bei
dunklem Moose,
Beim Blütenschnee trägt die
Zypresse Leid
Und unter wilden Nesseln
lauscht die Rose.
1815 – 1884 Der
Acker, ewig umgewühlt vom Pfluge,
Erschöpft sich endlich, gute
Frucht zu tragen:
So wird zuletzt nach höchster
Blüte Tagen
Der Geist der Völker siech und
lahm im Fluge.
Das Wissen überschärft sich
selbst zum Luge,
Die Kunst wird Machwerk, alles
Glauben Fragen,
Und Zweifel, wägend stets
anstatt zu wagen,
Würgt jede Tat beim ersten
Atemzuge.
Ausging die Zeugung, während
tausend Zungen
Von Freiheit, Kraft und Größe
prahlend dichten,
Als sei der Menschheit Gipfel
nun erschwungen.
Doch plötzlich dann mit
donnerndem Vernichten
Erbraust der Strom der
Völkerwanderungen,
Aus Weltenschutt ein Brachfeld
aufzuschichten.
1815 – 1884
Es sprach der Herr zu uns in
Krieges Lohen:
seid einig, und wir waren’s
eine Stunde,
Doch lachten wir des Worts aus
seinem Munde,
Da kam Gewölk der Glutschein
kaum entflohen.
Nun läßt er wieder seine
Stimme drohen,
Und mahnt uns festzustehn im
guten Bunde.
O hört den Ruf ihr Niedern in
der Runde,
Und beugt euch ihm auf eurem
Thron, ihr Hohen!
Denn also spricht Er: Habet
ihr danieden
Vergessen schon der Trübsal
eurer Herzen,
Die auf euch kam, da ihr euch
jüngst geschieden?
Seid Eins, sonst muß Ich euch
gleich spröden Erzen
Zerbrechen oder neu
zusammenschmieden
Im Feuer meines Zorns und
eurer Schmerzen.
1815 – 1884 1849
Ein Jahr lang rangest du in
bittren Wehen
gleich einem Weibe, das da
will gebären,
hinströmen sah ich deine
blut’gen Zähren,
und deine Seufzer,
Deutschland, hört’ ich gehen.
Wohl trug ich Leid, dich so in
Qual zu sehen,
doch eine Hoffnung wagt ich
fromm zu nähren,
es werd aus deines Schoßes
dunklem Gären
die Eintracht wie ein lächeln
Kind erstehen.
Mich trog ein Wahn. Dein
Weinen ging verloren,
verloren alle Not, so du
erlitten;
doch die darüber jauchzen,
acht ich Toren.
Denn Ahnung sagt mir, stets
umsonst bestritten,
nun werde solche Frucht einst
ungeboren
mit scharfem Stahl aus deinem
Leib geschnitten.
1815 – 1884
Wenn Kinder weinen, pflegt’s
nicht lang zu währen,
Getröstet sind sie bald mit
bunten Flittern,
Und Thränen, die in
Mädchenaugen zittern,
Sind Perlen, die die Schönheit
nur verklären.
Doch anders ist es mit des
Mannes Zähren;
Vom Schmerz erpreßt, vom
langgenährten bittern,
Sind sie den Tropfen gleich,
die vor Gewittern
Unheilverkündend sprühn auf
Laub und Aehren.
O böse Zeit, wo solch’ ein
heißer Regen
An tausend Wimpern hängt, daß
wir mit Zagen
Allstündlich schaun dem
Wellenschlag entgegen!
Die Donner raunen fern, die
Wolken jagen;
Und wogt auch heute noch der
Felder Segen:
Was morgen übrig ist, wer mag
es sagen!
1815 – 1884
Der Zweifel ist ein Falk mit
starken Klauen;
Des Glaubens weiße Taube sieht
er kaum,
So beizt er nieder durch den
luft’gen Raum,
Die Krallen in ihr zitternd
Fleisch zu hauen.
Da flockt zerrupft hernieder
aus dem Blauen
Das schimmernde Gefieder Flaum
für Flaum,
Mit jeder Feder fällt ein
Gottestraum
Und langsam blutet hin das
Gottvertrauen.
Ein Engel sieht herab vom
Himmelszelt
Und wendet trüb’ mit fragenden
Geberden
Das Angesicht empor zum Herrn
der Welt,
Der aber spricht: Der Falk hat
Macht auf Erden,
Doch seine Marken sind auch
ihm bestellt;
Denn jede Taube kann zum Adler
werden.
1815 – 1884
O wär’
es eine Schuld nur, was uns trennte,
Und
stände vorn sie in der Sünden Reihen:
Die
Lieb’ ist Gnad’ und könnte sie verzeihen,
Wenn
sie im Andern nur die Lieb’ erkennte.
Doch
wo ist Feuer, das im Wasser brennte,
Wo
Wasser, das in Flammen mag gedeihen?
Was
uns für heut’ und immer muß entzweien,
Ist
Widerspruch wie der der Elemente.
Du
folgtest deinen Sternen, ich den meinen –
Seit
man und schied – im Glauben, Denken, Lieben.
Ach,
daß die Sterne so verschieden scheinen!
Nun
muß dein Wort mir, leerer Schall, verstieben
Und
meines dir. Wir aber stehn und weinen,
Daß
nichts gemein uns als dies Leid geblieben.
1815 – 1884
O,
Muttersprache, reichste aller Zungen,
Wie
Lenzwind schmeichelnd, stark wie Wetterdröhnen,
In
deren dreimal benedeiten Tönen
Zuerst
erfrischt das Wort des Herrn erklungen.
Mit
ehrnen Banden hälst du uns umschlungen,
Uns alle,
die du zählst zu deinen Söhnen,
Daß
keiner sich dem Machtspruch mag gewöhnen,
Der
ihm mit anderm Laut ins Ohr gedrungen.
Nun
aber wollen dir die Weltgestalter
Entziehn
ein ganz Geschlecht nach ihren Launen,
Und
dänisch welschen solls im neuen Alter.
Wohl
mag dich, Mutter, fassen drob ein Staunen,
Doch
zage nicht! Nein, greif auf deinem Psalter
Ein
wehrhaft Lied, schmetternd wie Kriegsposaunen!