Andreas Gryphius                  

1616 – 1664

Ade! Begriff der Welt! Stadt, der nichts gleich gewesen
Und nicht zu gleichen ist, in der man alles sieht,
Was zwischen Ost und West und Nord und Süden blüht,
Was die Natur erdacht, was je ein Mensch gelesen.


Du, deren Aschen man nur nicht vorhin mit Besen
Auf einem Haufen kehr, in der man sich bemüht,
Zu suchen, wo dein Graus (flieht, trübe Jahre! flieht!),
Bist nach dem Fall erhöht, nach langem Ach genesen.


Ihr Wunder der Gemäld’, ihr Kirchen und Paläst,
Ob den die Kunst erstarrt’, du stark-bewehrte Fest’,
Du herrlichs Vatikan, dem man nichts gleich kann bauen,


Ihr Bücher, Gärten, Grüft’, ihr Bilder, Nadeln, Stein,
Ihr, die dies und noch mehr schließt in die Sinnen ein,
Fahrt wohl! Man kann euch nicht satt mit zwei Augen schauen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Andenken eines auf der See ausgestandenen

1616 – 1664                              gefährlichen Sturms

 

O Gott! was rauhe Not! Wie schaumt die schwarze See

Uns sprützt ihr grünes Salz! Wie reißt der Zorn die Wellen

Durch nebelvolle Luft! Wie heult das wüste Bellen

Der tollen Stürm uns an! Die Klippe kracht von Weh.

 

Wir fliegen durch die Nacht und stürzen von der Höh

In den getrennten Grund. Die often Stöße fällen

Den halbzuknickten Mast; die schwache Seiten prellen

Auf die gespitzte Klipp. O Himmel, ich vergeh!

 

Der dicke Querbaum bricht und schlägt den Umgang ein;

Das Segel flattert fort; der Schiffer steht allein

Und kann noch Bootsmann mehr, noch Seil, noch Ruder zwingen.

 

Wir missen Glas, Kompaß und Tag und Stern und Nacht;

Tot war ich vor dem Tod. Doch Herr! du hasts gemacht,

Daß ich dir lebend und errettet Lob kann singen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An die Sternen

1616 – 1664

Ihr Lichter, die ich nicht auf Erden satt kann schauen,

Ihr Fackeln, die ihr Nacht und schwarze Wolken trennt,

Als Diamante spielt und ohn Aufhören brennt,

Ihr Blumen, die ihr schmückt des großen Himmels Auen,

 

Ihr Wächter, die als Gott die Welt auf- wollte bauen,

Sein Wort, die Weisheit selbst, mit rechten Namen nennt,

Die Gott allein recht mißt, die Gott allein recht kennt,

(Wir blinden Sterblichen, was wollen wir uns trauen!)

 

Ihr Bürgen meiner Lust, wie manche schöne Nacht

Hab ich, indem ich euch betrachtete, gewacht?

Herolden dieser Zeit, wenn wird es doch geschehen,

 

Daß ich, der eurer nicht allhier vergessen kann,

Euch, derer Liebe mir steckt Herz und Geister an,

Von andern Sorgen frei werd' unter mir besehen?

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An eine Geschminkte

1616 – 1664

Was ist an Euch, daß Ihr Euch eigen möget nennen?

Die Zähne sind durch Kunst in leeren Mund gebracht,

Euch hat der Schminke Dunst das Antlitz schön gemacht.

Daß Ihr tragt fremdes Haar,kann leicht ein jeder kennen

 

Und daß Eur Wangen von gezwungner Röte brennen,

Ist allen offenbar. Des Halses falsche Pracht

Und die polierte Stirn wird billig ausgelacht,

Wenn man die Salben sich schaut um die Runzeln trennen.

 

Wenn dies von außen ist, was mag wohl in Euch sein

Als List und Trügerei. Ich bild mir sicher ein,

Daß unter einem Haupt, das sich so falsch gezieret,

 

Auch ein falsch Herze steh, voll schnöder Heuchelei.

Samt eim geschminkten Sinn und Gleisnerei darbei,

Durch welche, wer Euch traut,wird jämmerlich verführet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An einen unschuldigen Leidenden

1616 – 1664

Ein Brandpfahl und ein Rad, Pech, Folter, Blei und Zangen,

Strick, Messer, Hacken, Beil, ein Holzstoß und ein Schwert

Und siedend Öl und Blei, ein Spieß, ein glühend Pferd

Sind den’n  nicht schrecklich, die, was schrecklich, nicht begangen.

 

Wer um die Tugend leid’t, um Rechttun wird gefangen

Und, wenn es not, sein Blut, doch ohne Schuld, gewährt,

Dem wird für kurze Pein unendlich Preis beschert,

Er wird den Ehrenkranz, der nicht verwelkt, erlangen.

 

Er lebt, indem er stirbt; er steigt indem er fällt;

Er pocht, was tödlich ist, und trotzt die große Welt

Und küßt die Ewigkeit, die er ihm anvertrauet.

 

Hat nicht der Höchste selbst sein höchstes Wunderwerk

Auf Salems Schädelberg vollbracht in höchster Stärk?

Der ist kein echter Christ, dem vor dem Kreuze grauet

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An Eleandrum

1616 – 1664

Du fragst, wie Biblus die Zeit zu Rom vertreibe.

Er sucht kein alte Schrift, noch Bild, noch Buch wie du,

Er kümmert sich nicht viel, was man zu Hofe tu,

Er fragt nicht, ob der Papst Bann oder Ablaß schreibe.

 

Er acht’ kein Vatikan, da ich voll Wunder bleibe,

Er spricht Gesandten nicht, nicht Kardinälen zu,

Er gönnt Gelehrten wohl die hochgewünschte Ruh,

Du weißt, daß er sich nicht an Ketzermeister reibe.

 

Von Kirchen hält er nichts, von Gärten nicht zu viel,

Er lacht, wenn ich die Gruft der Märtrer suchen will,

Gut ist’s, daß er sich nicht auf Lieben hat verliebet.

 

Kein Schauplatz steht ihm an, kein Singen geht ihm ein,

Er schläft, wenn man dem Volk ein künstlich Feurwerk gibet.

Was hält ihn denn zu Rom lang auf? Albaner Wein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An Eugenien

1616 – 1664

Gleich als ein Wandersmann, dafern die trübe Nacht
Mit dicker Finsternis, Luft, Erd, und See verdecket,
Betrübt irr't hin und her, und mit viel Frucht erschrecket,
Nicht weiß wohin er geht, noch was er läßt und macht:


So eben ists mit mir: doch wenn der Mond erwacht
Und seiner Strahlen Kerz im Wolkenhaus anstecket;
Bald find't er Weg' und Rat: so wird mein Geist erwecket;
Nun mich der neue Trost aus eurem Brief anlacht.


Doch - warum heißt ihr mich dies schöne Pfand verbrennen?
Wollt ihr in meiner Nacht mich bei der Glut' erkennen?
Dies, meines Herzens Feu'r entdeckt ja wer ich sei.


Soll Schönste, dies Papier nur meine Brust berühren:

So wird es alsobald in Aschen sich verlieren
Wo von der Flamm' es nicht durch mein Weinen frei.

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   An sich selbst

1616 – 1664

Mir grauet vor mir selbst, mir zittern alle Glieder,

Wenn ich die Lipp und Nas und beider Augen Kluft,

Die blind vom Wachen sind, des Atems schwere Luft

Betracht und die nun schon erstorbnen Augenlider.

 

Die Zunge, schwarz vom Brand, fällt mit den Worten nieder

Und lallt, ich weiß nicht was; die müde Seele ruft

Dem großen Tröster zu, das Fleisch reucht nach der Gruft;

Die Ärzte lassen mich, die Schmerzen kommen wieder.

 

Mein Körper ist nicht mehr als Adern, Fell und Bein;

Das sitzen ist mein Tod, das Liegen meine Pein;

Die Schenkel haben selbst nun Träger wohl vonnöten.

 

Was ist der hohe Ruhm und Jugend, Ehr und Kunst?

Wenn diese Stunde kommt, wird alles Rauch und Dunst,

Und eine Not muß uns mit allem Vorsatz töten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Auf Herrn Herings Hochzeit. An die Braut

1616 – 1664

Obzwar die schöne Zeit der Erden neues Leben,

Den Menschen neue Lust, den Bäumen neue Zier

Und Früchte wieder schenkt, doch traurt ihr für und für

Und wollt euch, Jungfrau braut, zu keiner Lust erheben.

 

Wie, daß man euch doch sieht in steten Schmerzen schweben?

Wo rührt dies Übel her? Mich dünkt, ich merke schier

Den Ursprung aller Pein. Dir, dir, Cupido, dir

Schreibt man die Plage zu! Doch kann ich Rettung geben,

 

So sprach er und warf Pfeil und Fackel aus der Hand

Und wagt sich auf die See, der Mutter Vaterland,

Als da er (was ihr wünscht) den Hering hat gefangen.

 

O mehr denn fremder Fall! Soll dies ein Mittel sein,

Was Seuch und Feber bringt? Ja, schrie er, dies allein

Ist, was die Kranke sucht und was sie soll empfangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Ebenbild unsers Lebens

1616 – 1664

Der Mensch, das Spiel der Zeit, spielt, weil er allhie lebt

Im Schauplatz dieser Welt; er sitzt, und doch nicht feste.

Der steigt, und jener fällt, der suchet die Paläste

Und der ein schlechtes Dach, der herrscht, und jener webt.

 

Was gestern war, ist hin; was itzt das Glück erhebt,

Wird morgen untergehen; die vorhin grünen Äste

Sind nunmehr dürr und tot; wir Armen sind nur Gäste,

Ob den’ ein scharfes Schwert an zarter Seide schwebt.

 

Wir sind zwar gleich am Fleisch, doch nicht vom gleichen Stande:

Der trägt ein Purpurkleid, und jener gräbt im Sande,

Bis nach entraubtem Schmuck der Tod uns gleiche macht.

 

Spielt denn dies ernste Spiel, weil es die Zeit noch leidet,

Und lernt, daß, wenn man vom Bankett des Lebens scheidet,

Kron, Weisheit, Stärk und Gut sei eine leere Pracht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Einsamkeit

1616 – 1664

In dieser Einsamkeit der mehr denn öden Wüsten,

Gestreckt auf wildes Kraut, an die bemooste See,

Beschau ich jenes Tal und dieser Felsen Höh,

Auf welchen Eulen nur und stille Vögel nisten.

 

Hier, fern von dem Palast, weit von des Pöbels Lüsten,

Betracht ich, wie der Mensch in Eitelkeit vergeh,

Wie auf nicht festem Grund all unser Hoffen steh,

Wie die vor Abend schmähn, die vor dem Tag uns grüßten.

 

Die Höhl, der rauhe Wald, der Totenkopf, der Stein,

Den auch die Zeit auffrißt, die abgezehrten Bein

Entwerfen in dem Mut unzählige Gedanken.

 

Der Mauren alter Graus, dies unbebaute Land

Ist schön und fruchtbar mir, der eigentlich erkannt,

Daß alles, ohn ein Geist, den Gott selbst hält, muß wanken.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Es ist alles eitel

1616 – 1664

(zu Prediger 1,2)

 

Du siehst, wohin du siehst nur Eitelkeit auf Erden.
Was dieser heute baut, reist jener morgen ein:
Wo itzund Städte stehn, wird eine Wiese sein
Auf der ein Schäferskind wird spielen mit den Herden:


Was itzund prächtig blüht, soll bald zertreten werden.
Was jetzt so pocht und trotzt ist Morgen Asch und Bein
Nichts ist, das ewig sei, kein Erz, kein Marmorstein.
Jetzt lacht das Glück uns an, bald donnern die Beschwerden.


Der hohen Taten Ruhm muß wie ein Traum vergehn.
Soll denn das Spiel der Zeit, der leichte Mensch bestehn?
Ach! was ist alles dies, was wir für köstlich achten,


Als schlechte Nichtigkeit, als Schatten, Staub und Wind;
Als eine Wiesenblum’, die man nicht wiederfind't.
Noch will was ewig ist kein einig Mensch betrachten!

 

 

(andere Version: Vanitas, vanitatum et omnia vanitas)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Menschliches Elende

1616 – 1664

Was sind wir Menschen doch! ein Wohnhaus grimmer Schmerzen?
Ein Ball des falschen Glücks, ein Irrlicht dieser Zeit,
Ein Schauplatz aller Angst, und Widerwärtigkeit,
Ein bald verschmelzter Schnee, und abgebrannte Kerzen,


Dies Leben fleucht davon wie ein Geschwätz und Scherzen.
Die vor uns abgelegt des schwachen Leibes Kleid,
Und in das Toten Buch der großen Sterblichkeit
Längst eingeschrieben sind; find uns aus Sinn' und Herzen:


Gleich wie ein eitel Traum leicht aus der acht hinfällt,
Und wie ein Strom verfleust, den keine Macht auffhällt;
So muß auch unser Nam’, Lob, Ehr und Ruhm verschwinden.


Was itzund Atem holt; fällt unverseh’ns dahin;
Was nach uns kommt, wird auch der Tod ins Grab hinziehn,
So werden wir verjagt gleich wie ein Rauch von Winden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Schluß des 1648sten Jahres

1616 – 1664

Zeuch hin, betrübtes Jahr! Zeuch hin mit meinen Schmerzen!

Zeuch hin mit meiner Angst und überhäuftem Weh!

Zeuch so viel Leichen nach! Bedrängte Zeit vergeh

Und führe mit dir weg die Last von diesem Herzen!

 

Herr! vor dem unser Jahr als ein Geschwätz und Scherzen,

Fällt meine Zeit nicht hin wie ein verschmelzter Schnee?

Laß doch, weil mir die Sonn gleich in der Mittagshöh,

Mich noch nicht untergehn gleich ausgebrannten Kerzen!

 

Herr, es ist genung geschlagen,

Angst und Ach genung getragen,

Gib doch nun etwas Frist, daß ich mich recht bedenke!

 

Gib, daß ich der Handvoll Jahre

Froh werd eins vor meiner Bahre!

Mißgönne mir doch nicht dein liebliches Geschenke!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Tränen des Vaterlandes

1616 – 1664

Wir sind doch nunmehr ganz, ja mehr denn ganz verheeret!
Der frechen Völker Schar, die rasende Posaun
Das vom Blut fette Schwert, die donnernde Karthaun
Hat aller Schweiß, und Fleiß, und Vorrat aufgezehret.


Die Türme stehn in Glut, die Kirch' ist umgekehret.
Das Rathaus liegt im Graus, die Starken sind zerhaun,
Die Jungfern sind geschänd't, und wo wir hin nur schaun
Ist Feuer, Pest, und Tod, der Herz und Geist durchfähret.


Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von Leichen fast verstopft, sich langsam fort gedrungen.


Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod,
Was grimmer denn die Pest, und Glut und Hungersnot,
Daß auch der Seelen Schatz so vielen abgezwungen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Tränen in schwerer Krankheit, anno 1640

1616 – 1664

Mir ist, ich weiß nicht wie; ich seufze für und für.

Ich weine Tag und Nacht, ich sitz in tausend Schmerzen

Und tausend fürcht ich noch; die Kraft in meinem Herzen

Verschwindt, der Geist vershmacht’, die Hände sinken mir.

 

Die Wangen werden bleich, der muntern Augen Zier

Vergeht gleich als der Schein der schon verbrannten Kerzen.

Die Seele wird bestürmt gleichwie die See im Märzen.

Was ist dies Leben doch, was sind wir, ihr und ich?

 

Was bilden wir uns ein?  was wünschen wir zu haben?

Itzt sind wir hoch und groß und morgen schon vergraben;

Itzt Blumen, morgen Kot; wir sind ein Wind, ein Schaum,

 

Ein Nebel und ein Bach, ein Reif, ein Tau, ein Schatten;

Itzt was und morgen nichts, und was sind unsre Taten

Als ein mit herber Angst durchaus vermischter Traum!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Über die Geburt Jesu

1616 – 1664

Nacht, mehr denn lichte Nacht! Nacht, lichter als der Tag!

Nacht, heller als die Sonn, in der das Licht geboren,

Das Gott, der Licht in Licht wahrhaftig, ihm erkoren!

O Nacht, die alle Nächt und Tage trotzen mag!

 

O freudenreiche Nacht, in welcher Ach und Klag

Und Finsternis und was sich auf die Welt verschworen

Und Furcht und Höllenangst und Schrecken war verloren!

Der Himmel bricht; doch fällt nunmehr kein Donnerschlag.

 

Der Zeit und Nächte schuf, ist diese Nacht angekommen

Und hat das Recht der Zeit und Fleisch an sich genommen

Und unser Fleisch und Zeit der Ewigkeit vermacht.

 

Die jammertrübe Nacht, die Nacht der Sünden,

Des Grabes Dunkelheit muß durch die Nacht verschwinden.

Nacht, lichter als der tag! Nacht, mehr denn lichte Nacht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Über die unterirdischen Grüfte

1616 – 1664                              der heiligen Märtyrer zu Rom

 

Hier beuge Knie und Haupt! die unter ird’schen Gänge
Die Grüfte sonder Licht / die du bestürzter Christ /
Nicht ohn Entsetzen siehst / die waren als die List
Und Macht Gott Krieg anbot / nicht Tausenden zu enge.


Die Leichen sonder Zahl / der heiligen Körper Menge
Sind die / auf die sich Höll und Welt umsonst gerüßt /
Die Pein und Tod gepocht / die Pfahl und Schwert geküßt /
Die nach der Qual getrennt mit fröhlichem Gedränge.


Hier ists wo Christus Kirch / mit feurigen Gebeten /
Von Blut und Tränen naß / Gott vor Gesicht getreten
Die stets der Welt abstarb / mußt unter Leichen sein.


Die ewig wachsen sollt; mußt allhier Wurzel finden /
In dieser finstern Nacht mußt ihr Licht sich entzünden /
Die auf den Fels gegründt / wohnt’ unter lauter Stein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Andreas Gryphius                   Vanitas, vanitatum et omnia vanitas

1616 – 1664

                                                               Ich seh, wohin ich seh, nur Eitelkeit auf Erden.

Was dieser heute baut, reißt jener morgen ein,

Wo itzt die Städte stehn fo herrlich, hoch und fein,

Da wird in kurzem gehn ein Hirt mit seinen Herden.

 

Was itzt so prächtig blüht, wird bald zutreten werden.

Der itzt so pocht und trotzt, läßt übrig Asch und Bein.

Nichts ist, das auf der Welt könnt unvergänglich sein.

Itzt scheint des Glückes Sonn, bald donnert’s mit Beschwerden;

 

Der Taten Herrlichkeit muß wie ein Traum vergehn.

Sollt denn die Wasserblas, der leichte Mensch bestehn?

Ach, was ist alles dies was wir vor köstlich achten,

 

Als schlechte Nichtigkeit, als Heu, Staub, Asch und Wind,

Als eine Wiesenblum, die man nicht wiederfindt.

Noch will, was ewig ist, kein einzig Mensch betrachten

 

 

 

(Andere Version: Es ist alles eitel)