1616 – 1664
Ade, Begriff der Welt, Stadt,
der nichts gleich gewesen
Und nichts zu gleichen ist, in
der man alles sieht,
Was zwischen Ost und West und
Nord und Suden blüht,
was die Natur erdacht, was je
ein Mensch gelesen.
Du, derer Aschen man nur nicht
vorhin mit Besen
Auf einen Haufen kehrt, in der
man sich bemüht
Zu suchen, wo dein Graus
(flieht, trüben Jahre, flieht),
Bist nach dem Fall erhöht,
nach langem Ach genesen.
Ihr Wunder der Gemäld, ihr
prächtigen Paläst,
Ob den die Kunst erstarrt’, du
stark bewehrte Fest,
Du herrlichs Vatikan, dem man
nichts gleich kann bauen,
Ihr Bücher, Gärten, Grüft, ihr
Bilder, Nadeln, Stein’,
Ihr, die dies und noch mehr
schließt in die Sinnen ein,
Ade! Man kann euch nicht satt
mit zwei Augen schauen.
1616 – 1664
Wie kommt’s, Callirrhoe, was
mag die Ursach sein,
Daß du mich gestern hast so
traurig angeblicket,
Wie, daß du alle Lust und
Freundlichkeit verschicket?
War meine Gegenwart ein
Ursprung neuer Pein?
Verdroß dich Flacci Kuß?
Fürwahr, ich meine nein.
Hat dich der süße Schlaf
verzaubert und umstricket?
Hat dich der grimme Schmerz,
die Liebespest gedrücket?
Mißfiel dir, was ich sprach?
Mir fällt die Ursach ein,
Da als dein Schlafgemach ward
von uns eingenommen,
Da sind wir, werte Nymph, dir
viel zu nahe kommen.
Wohl, folge meinem Rat, wo du
dich rächen willt.
Wenn sich die schwarze Nacht
wird für dem Monden schämen,
Magst du mein Schlafgemach, ja
selbst mein Bett einnehmen.
Die Rach ist mehr denn recht,
die gleich mit gleich vergilt.
1616 – 1664
Du fragst, wie Bibulus die
Zeit zu Rom vertreibe.
Er sucht kein’ alte Schrift,
noch Bild, noch Buch wie du,
Er kümmert sich nicht viel,
was man zu Hofe tu,
Er fragt nicht, ob der Papst
Bann oder Ablaß schreibe.
Er acht’ kein Vatikan, da ich
voll Wunder bleibe,
Er spricht Gesandten nicht,
nicht Kardinälen zu,
Er gönnt Gelehrten wohl die
hochgewünschte Ruh,
Du weißt, daß er sich nicht an
Ketzermeister reibe.
Von Kirchen hält er nichts,
von Gärten nicht zu viel,
Er lacht, wenn ich die Gruft der
Märter suchen will,
Gut ist’s, daß er sich nicht
auf Lieben hat verliebet.
Kein Schauplatz steht ihm an,
kein Singen geht ihm ein,
Er schläft, wenn man dem Volk
ein künstlich Feurwerk gibet.
Was hält ihn denn zu Rom lang
auf? Albaner Wein.
1616 – 1664
Zeit, mehr denn über Zeit, die
Brüste zu verdecken,
Indem der Jahre Reif sich an
die Schläfe legt.
Deckt zu, was Grauen, Haß und
keine Lust erregt!
Verdeckt, vor was Ihr selbst
(beschaut Euch!) mußt erschrecken!
Der Rosen Schnee ist weg,
versteckt die dörren Hecken!
Ob Chloris, ob Dian nackt
einzuziehen pflegt,
Steht’s dennoch der nicht an,
die nichts als Knochen trägt,
Gehüllt in schrumpfend Fell
voll schwärzlich gelber Flecken.
Legt ein, Eur Markt ist aus.
Schließt Kram und Laden zu!
Fragt nicht, was Lieben sei!
Denkt an die lange Ruh!
Doch nein, was fällt mir ein?
Entblößet Hals und Brüste!
Entdeckt (damit Ihr noch was
nützet auf der Welt),
Wie Seuch und lange Zeit und
Schmink hab Euch verstellt,
Dämpft durch dies fremde Bild
der tollen Jugend Lüste.
1616 – 1664
Gehabt euch alle wohl! O
Erden, gute Nacht!
Ihr Himmel, ich vergeh!
Umsonst hat meine Wunden
Mit soviel wertem Fleiß Callirhoe
verbunden.
Man hat umsonst an mich so
liebe Schreiben bracht.
Uranie, umsonst hab ich so
viel gewacht!
Eugenie, ich bin eh als Ihr
meint verschwunden.
Die kalte Brust erstarrt, der
Puls wird mehr nicht funden,
Die Augen brechen mir, der
matte Geist verschmacht.
Soll ich, mein Vaterland, soll
ich dich nicht mehr schauen?
Soll ich mein totes Pfand der
fremden Gruft vertrauen?
Scheid ich, Eugenie, ohn Euren
Abschied-Kuß?
Mein Licht, Ihr werdet mir die
Augen nicht zudrücken
Und mit Zypressen mich und
Lorbeerzweigen schmücken,
Der Myrten acht ich nicht,
weil ich verwelken muß.
1616 – 1664
Ihr glaubet’s wahrlich nicht,
wie schön es sei zu sehen,
Wenn Ihr den krumen Hals noch dreimal
krümmer macht
Und durch den weiten Mund so
wunderlieblich lacht,
Mit dem Ihr jedes Mal wißt
höhnisch zu verschmähen.
Der weiß vor Hoffart nicht,
wie ihm doch sei geschehen,
Und zeucht zu närrisch auf mit
seiner neuen Tracht.
So hat Euch jener nicht des
Grußes wert geacht’,
Dem mußt Ihr seine Sprach und
alle Wort verjähen.
Dem mangelt’s an der Stirn,
und jener sieht nicht recht,
Der dort ist gar zu schön, der
hier ist gar zu schlecht.
Weil aber Ihr so klug seid,
Mängel anzuschauen,
So faßt den Spiegel doch in
Eure schwarze Hand,
Ich weiß, eh denn Ihr Euch
sollt haben drin erkannt,
Werd’ Ihr mehr Mängel sehn,
denn Ihr wohl itzt dörft trauen.
1616 – 1664 (Eugenien)
Ein wohlgestalter Leib ist
billig zu erheben,
Noch billiger, wenn er von
edlem Blut herrührt
Und ein geschickte Seel in
selbten einlosiert,
Welch einig sich bemüht der
Weisheit nach zu streben.
Der Weisheit, so uns lehrt der
Richtschnur gleiche Leben,
Die Frömmigkeit ausstreckt, so
mag ein solche Zierd
Durch keine Menschenzung recht
werden ausgeführt.
Ist denn Aufrichtigkeit ihm
noch darzu gegeben
Und Demut, die man kaum bei
hohen Leuten find’,
Und Freundlichkeit, die fast
bei Reich und Arm verschwind’
So mag die schöne Welt wohl
solche Schönheit nennen
Das schönste Wunderwerk. Wer
dies zu schaun begehrt,
Wird seines Wunsches sein zum
Uberfluß gewährt,
Wofern er Euch nur kann, o
Schönste, recht erkennen.
1616 – 1664
Was wundert ihr euch noch, Ihr
Rose der Jungfrauen,
Daß diese Purpurros, die Ihr
kaum aufgefaßt
In Eur schneeweißen Hand, so
unversehs erblaßt?
So wird Eur schöner Leib,
nachdem er abgehauen
Von Todes scharfer Sens, in
kurzem sein zu schauen.
Dies, was Ihr itzt an Euch so
lieblich fünkeln laßt,
Der Hals, der Mund, die Brust,
soll werden so verhaßt,
Daß jedem, der sie sieht,
davon wird heftig grauen.
Eur Seufzer ist umsonst!
Nichts ist, das auf der Welt,
So schön es immer sei, Bestand
und Farbe hält.
Wir sind im Mutterleib zum
Untergang erkoren.
Mag auch an Schönheit was der
Blum zu gleichen sein,
Doch eh sie recht noch blüht,
verwelkt und fällt sie ein.
So greift der Tod nach uns,
sobald wir sind geboren.
1616 – 1664
Was ist Eur zarter Mund? Ein
Köcher voller Pfeile,
Dardurch manch weiches Herz
wird bis in Tod verletzt.
Der hellen Augen Glanz ist
Flammen gleich geschätzt,
An welchen jeder sich
verbrennt in kurzer Weile.
Die wunderschönen Haar sind
lauter Liebesseile.
Wer durch der Stirnen Glanz
nicht wird in Euch verhetzt,
Wer sich den Lilien des Halses
widersetzt,
Muß doch gewärtig sein, daß
ihn der Blitz ereile,
Der von der bloßen Brust
herstrahlt so unverdeckt.
So sprecht Ihr, und ist wahr,
wer voll von Zunder steckt,
In dem kann auch ein Funk
leicht großes Feur erregen.
Wer aber bei sich selbst, dies
was Ihr so hoch acht’,
Die schöne Nichtigkeit und was
Ihr seid, betracht’,
Den sollt Ihr, glaubt mir’s
fest, zu keiner Brunst bewegen
1616 – 1664
Du falscher, böser Mensch, aus
dessen krummen Rachen
Die schwarzen Schlangen sehn,
in dessen schlimmen Mund
Das Natterzischen pfeift, du
mehr als tober Hund,
Du ganz verschalkter Fuchs, du
Haus der grimmen Drachen,
Will dir denn nicht einmal der
Leib vor Gift zukrachen?
Es ist ja nichts an dir (ich
red’s mit gutem Grund)
Von deinem Lästerkopf bis auf
die Zeh gesund.
Du bist so teufelschwarz als
du dich weiß kannst machen,
Ein jeder Wort aus dir
schmerzt als ein schneidig Schwert.
Du leichter Ehrendieb bist Rad
und Feuers wert.
Ja, so Gerechtigkeit hier auf
dem Erdkreis wohnet,
So wird es deiner Zung so ubel
noch ergehn,
Daß jeder, der dich sieht, mit
Zittern soll gestehn,
Daß der sonst sanfte Gott dir
schrecklich abgelohnet.
1616 – 1664 welcher
sich in unzeitige Ehe eingelassen
Daß du, mein Pöte, nun die
Musen pflegst zu hassen
Durch Weiberlist verführt,
auch aller Einsamkeit
Und Keuschheit abgesagt, im
Lenzen deiner Zeit,
Und dich durch schnöde Lust
und Geld betören lassen,
Meinst du sei wohlgetan, ja
daß auf allen Gassen
Ein jeder nur von dir und
deinem Glücke schreit.
Schau, daß dir’s nicht zu bald
von Herzen werde leid,
Daß dein verblendet’ Geist
sich itzt so läßt anfassen.
Was deucht dich, wenn hernach
dir deine Braut vorsingt,
Daß dies ihr Teller sei, der
auf dem Tische klingt;
Wenn nicht ihr Taler wär, so
mußt du Hungers sterben.
Wie wird dir sein zumut? Du
meinst, wie möcht’s geschehn?
Sie liebt mich viel zu sehr,
sonst pfleget’s so zu gehn,
Wenn nicht ein Ehmann kann
sein eigen Brot erwerben.
1616 – 1664
Ich finde mich allein und leb
in Einsamkeit,
Ob ich schon nicht versteckt
in ungeheure Wüsten,
In welchen Tigertier und wilde
Vögel nisten.
Ich finde mich allein,
vertieft in herbes Leid,
Ach mitten unter Volk, das ob
der neuen Zeit
Des Friedens sich ergetzt in
jauchzenvollen Lüsten,
Find ich mich doch allein.
Wir, die einander küßten
In unverfälschter Gunst, sind
leider nur zu weit.
Ich finde mich allein und
einsam und betrübet,
Weil sie so fern von mir, mein
Alles und mein Ich,
Ohn die mir auf dem Kreis der
Erden nichts beliebet.
Doch tritt ihr wertes Bild mir
stündlich vor Gesichte.
Sollt ich denn einsam sein?
Ihr Bild begleitet mich.
Was kann sie, wenn ihr Bild
mein Trauren macht zunichte.
1616 – 1664 In
schwerer Krankheit
Als ich mit Blut bedeckt, bei
noch nicht hellem Tage
Nächst aus dem Schlaf Euch
jagt’, habt Ihr mir, was verletzt,
Verbunden und was sich den
Schmerzen widersetzt,
Hervorbracht und in Eil
gewendet Weh und Klage.
Itzt nun ich Hitz und Angst
und Ach und Pein ertrage,
Nun sich die grimme Not und
Seuch auf mich verhetzt,
Nun der gerufte Tod auf mich
die Pfeile wetzt,
Schickt Ihr bald dies bald
das, zu wenden meine Plage.
Wenn hab ich wohl verdient,
daß Eure Gunst so fest
Und standhaft bei mir hält,
nun Freund und Feind mich läßt?
Wenn werd ich und mit was die
Wohltat je vergelten?
Mein Untergang ist dar, mich
schmerzt der Tod nicht sehr,
Weil alles doch vergeht. Dies
schmerzt mich vielmal mehr,
Daß man mich in der Gruft noch
wird undankbar schelten.
1616 – 1664 Auf
seinen Namenstag
Der, welchen Euch ein Herz und
Treu verbunden,
Den Ihr zwar unerkennt, doch
mehr denn hochgeliebt,
Gibt, weil bei grauen Frost Euch
Frankreich Blumen gibt,
Was weniger anitzt als Blumen
wird gefunden.
Die Pracht der alten Welt ist
mit der Welt verschwunden;
Die Hoheit wird durch Fall und
grimmen Sturm betrübt;
Die Zeit hat ganze reich als
Asch in Wind gesiebt,
Was tausend Jahre baun,
vergeht in wenig Stunden.
Nichts ist ohn seinen Tod, nur
treue gunst besteht,
Wenn Pergamus in Glut und Rom
in Staub vergeht,
In Staub der Tiber Last, das
Gaukelspiel der Winde.
Sie kennt, was ewig ist, und
pocht der Gräber Not,
Macht Menschen Göttern gleich,
sie macht den Tod ohn Tod.
Durch sie lebt, was nur lebt,
die ist’s, mit der ich binde.
1616 – 1664 als
er auf seinen Namenstag von dreien Freunden in Frankreich gebunden
Drei Seelen binden dich, die
ein’ in einem Mund,
Drei Geister, doch ein Herz,
drei haben dies geschrieben,
Doch nur durch eine Faust,
dir, den sie einig lieben,
Verknüpft durch eine Treu und
ewig festen Bund.
Drei binden mit sich selbst,
drei wünschen dich gesund,
Drei geben, was bisher nach
Leichen überblieben,
Was keiner Zeiten Grimm, was
keine Pest vertrieben,
Freundschaft, die über Tod und
Leben, Zeit und Stund.
Dies, was der Himmel kennt,
was in den Lüften schwebt,
Was durch die Wasser geht, was
auf der Erden lebt,
Dies alles, was du siehst,
Herr Bruder, muß verschwinden.
Doch Freundschaft pocht den
Tod und trotzt die Ewigkeit.
Sie ist das stärkste Band, sie
lacht in höchstem Leid
Und zwingt dich selbst, mein
Freund, den drei nur können binden.
1616 – 1664 über
meine Zurückkunft in Deutschland
Der, den Ihr oft gewünscht,
der, der Euch oft begehret,
Der unter fremder Schar den
neunten Frühling zählt,
Den seiner Grenzen Angst
abwesend auch gequält,
Der, den der Feinde Neid, der
Freunde Tod beschweret;
Der, nun der Erden Haupt ihm
sein Gesicht gewehret,
Nun nach der röm’schen Pracht
kaum was zu schauen fehlt,
Nun sich ihm Thetis nicht und Vesta
nicht verhöhlt,
Hat seinen Weg zurück ins
Vaterland gekehret.
Ins Vaterland, ach nein, er
misset die Bekannten,
Er findet kaum die Gruft so
vieler Anverwandten,
Weil auch die Erden selbst
durch Glut und Flut vergeht.
Was will er denn bei Euch? Was
hat er vorgenommen?
Er sucht den Geist, der noch,
nun alles um ist kommen,
Auf fester Treue Grund
aufrichtig vor ihm steht.
1616 – 1664
Nachdem das müde Land in
harter Dienstbarkeit,
In Schmerzen, Krieg und Ach
und unerschöpften Tränen
Schier zweimal sechzehn Jahr
geschmachtet, hört auf Sehnen,
Auf Seufzen, auf Gebet der
Herzog aller Zeit.
Er reißt die Fahnen ab und
bricht den grimmen Streit
Und will uns selbst den Weg
zum süßen Friede bähnen.
Die Zunge will sich schon ans
Lobgeschrei gewehnen
Und singt vom neuen Jahr des
friedens weit und breit.
Herr, muß ganzer Länder
Kriegen
Auf dein Wort in Ruh
verfliegen,
Ach warum denn willst du nicht
mein bestritten Herz erquicken?
Soll in dem Jubeln aller
Heiden
Nur einig meine Seele leiden,
Oder willst du mit Ergetzen
auch ein Jubeljahr zuschicken?
1616 – 1664 den
11. Octobr. St. Gregor
Komm, Mitternacht, und schleuß
dies tränenreiche Jahr,
Die schmerzenvolle Zeit, die
mich so tief verletzet,
Die dich, mein Bruder, hat in
jenes Reich versetzet
Und, Schwester, deine Leich
gestellet auf die Bahr.
Die Zeit, die auf mich Angst
und grimmer Seuchen Schar
Und Trauren und Verdruß und
Schrecken hat verhetzet.
Wer hat noch neulich mich
nicht schon vor tot geschätzet,
Da, als ich mir nicht mehr im
Siechbett ähnlich war.
Wenn deine Treu, o Gott, mich
nicht mit Trost erquicket,
Als so viel grause Not den
blöden Geist verstricket,
So wär ich ganz in Angst
ertrunken und verschmacht’.
Herr, dessen linde Faust
wischt die betränten Wangen,
Laß doch nach so viel Sturm
mich linder Zeit anfangen
Und heiß die herben Jahr
vergehn mit dieser Nacht.
1616 – 1664
Kann Rom dich nicht gelehrt
und nicht geschickter machen
Wo es an keiner Kunst, an
keiner Weisheit fehlt,
Wo die Scharfsinnigkeit selbst
ihren Sitz erwählt,
Wo die Vernunft durchsucht der
Fürsten höchste Sachen?
Was täglich wächst, was steht,
was sich dem grimmen rachen
Der Zeit, die alles frißt,
entzeucht, was sich vermählt
Der greisen Ewigkeit, was
lange Jahre zählt,
Siehst du; doch wer dich
sieht, muß deiner Grobheit lachen.
Hier haut man Marmel aus, hier
schleift man Diamant,
Porphyr, wie hart er auch,
weicht der gelehrten Hand.
Von welchem Steinriß hat man
dein Gehirn genommen?
Man glaubt, daß diese Luft den
Fremden schädlich sei.
Ich schau das Widerspiel, ich
bin von seuchen frei,
Dir ist die röm’sche Luft in
Wahrheit nicht bekommen.
1616 – 1664 Jungfr. Annae Mariae Gryphiae Hochzeit
In dieser Kriegesernt und
überheißen Zeit,
In der man, was man schaut,
vor Hitze schaut verschmachten,
Seid Ihr, o Jungfrau Braut,
glückselig wohl zu achten,
Weil Euch der Liebe Glut
selbst Schatten hat bereit’.
Ihr sitzt bei Eurem Baum und
trotzt das grimme Leid,
Das unser Vaterland, eh als
wir noch gedachten,
Versenget und verbrannt, das,
was die Felder brachten,
Was in den Gärten blüht, mit
Schwert und Flammen mait.
Der Baum, den Ihr erkiest,
wird jederzeit euch decken,
euch wird kein trüber Sturm,
kein Ungewitter schrecken,
Die Zweige werden stets voll
schöner Blätter stehn.
Die Äste, die ihr schon seht
voll von Blüten schweben,
Die werden künftig Euch
gewünschte Früchte geben,
Dies Laub wird, glaubt gewiß,
von keinem Frost vergehn.
1616 – 1664 Ratsverwandten zu Freystadt
als er zum ersten nach dem Brande
der Stadt geheiratet und gebauet
Stellt eure Schmerzen ein,
obschon das grimme Toben
Der Flammen eure Stadt zu
Aschen hat gemacht,
Ob Kirch und Held gleich hin,
obschon in einer Nacht,
Was so viel Zeit gebaut, in
Rauch und Glut verstoben.
Obgleich der Mauren Pracht,
der Türme Last von oben
Nun auf die Erde stürzt, die
Gutsche doch bedacht,
Wie, was die Glut auffraß,
euch werde wiederbracht.
Weint nicht mehr über die, die
wir im Grab auch loben!
Grüßt den, der so mit Rat als
Tat sein Haus aufbaut
Und mit dem Ehgemahl, die
gestern ihm vertraut,
itzt ratschlägt, wie er mög
auch junge Bürger geben.
Ja freilich wird er’s tun.
Mein Phoebus zeigt mir an,
Daß, eh’r der Mond neunmal
besucht den Wassermann,
Was mehr noch werd als itzt
auf seiner Gutsche leben.
1616 – 1664
In Angst, in trüber Not, in
Hoffnung, Schmerz und Pein,
In Sorgen und in Ach, hab ich
dies kurze Leben,
Wofern es Leben heißt, der
Eitelkeit gegeben.
Hab ich von Ach und Furcht je ledig
mögen sein?
Ade Welt, Gunst, ade, jetzt
bin ich nicht mehr dein.
Ich will den freien Geist nun
wehmutfrei erheben,
Ich will mit freiem Sinn weit
uber alle schweben.
Die strenge Dienstbarkeit
schleußt in viel Ketten ein!
Mich soll kein Glimpf, kein Schimpf,
kein Weh und Wohl mehr binden,
Man soll fortan mich frei von
Zweifelstricken finden,
Ich mag nicht toller Lust mehr
zu Gebote stehn.
Gib allzeit freier Gott, der
du dich frei heißt ehren,
Daß ich dich mög allzeit mit
freien Ohren hören,
Bis ich durch dich zu dir werd
in die Freistatt gehn.
1616 – 1664
Mehr hat ich vor der Faust,
doch wer tar hier was schreiben,
Wenn eine Frau dem Mann ein
Leinentuch versagt
Ins Grab, und wenn sie kaum den
andern hat, der Magd
Beut hundert Taler an, daß sie
ihn helf aufreiben,
Durch Lügen oder ja durch
Zeugnüs Eil zutreiben
Dem Henker in sein Schwert;
und hier kein Armut klagt,
Die doch wohl sonst für Gott
nicht einen Kreuzer wagt,
Will sie doch, daß ihr Tun
soll ungetadelt bleiben.
So geht es hin und her, man
sündigt frei hinein
Ganz ohne Scheu und Scham und
soll doch niemand sein,
Der dies, was jeder tut, dörft
öffentlich erzählen.
Denn Wahrheit schmerzt und
reißt, doch kommt gar oft an Tag
Dies, was nach vieler Sinn gar
tief verborgen lag,
Und muß der Wahrheit nie Luft,
Red und Freiheit fehlen.
1616 – 1664 Psal.
XXXI
Mit Tränen und mit Ach, mit
Arbeit, Weh und Zagen
Verschließ ich Stund und Tag.
Der Feber grimmes Leid
Nimmt mit dem Jahr mich hin;
die Flucht der schnellen Zeit
Läßt mich mein herbes Weh,
mein Elend kaum beklagen.
Sobald die Sonn uns bringt den
lichten Tag getragen,
Ruft Jammer mich zu Kampf.
Dafern mir in dem Streit
Die Hoffnung Hülf einspricht,
fällt der erhitzte Neid
Mich mehr denn hündisch an und
läßt nicht ab, zu nagen.
Wenn Cynthie ihr Horn steckt
auf den Abend an,
Ist nichts, das mich mit Ruh
und Rat ergetzen kann.
Wie lange soll ich noch in diesem
Kummer stecken?
Ich weine, doch umsonst; sooft
die schwarze Nacht
Den trüben Sternen ruft und
wenn Matuta lacht,
Kein Abend deckt die Not, kein
Tag kann Trost erwecken.
1616 – 1664
Kein Freud ist ohne Schmerz,
kein Wollust ohne Klagen,
Kein Stand, kein Ort, kein
Mensch ist seines Kreuzes frei.
Wo schöne Rosen blühn, stehn
scharfe Dorn dabei,
Wer außen lacht, hat oft im
Herzen tausend Plagen,
Wer hoch in Ehren sitzt, muß hohe
Sorgen tragen,
Wer ist, der Reichtum acht’
und los von Kummer sei?
Wer auch kein’ Kummer hat,
fühlt doch, wie mancherlei
Traurwürmlin seine Seel und
matte Sinn durchnagen.
Ich sag es offenbar, so lang
der Sonnen Licht
Vom Himmel hat bestrahlt mein
bleichs Angesicht,
Ist mir noch nie ein Tag, der
ganz ohn Angst, bescheret!
O Welt, du Tränental, recht
selig wird geschätzt,
Der, eh er einen Fuß hin auf
die Erden setzt,
Bald aus der Mutter Schoß ins
Himmelslusthaus fähret.
1616 – 1664
Ach und Weh !
Mord! Zeter! Jammer! Angst!
Kreuz! Marter! Würme! Plagen!
Pech! Folter! Henker! Flamm!
Stank! Geister! Kälte! Zagen!
Ach vergeh!
Tief und Höh!
Meer! Hügel! Berge! Fels! Wer
kann die Pein ertragen?
Schluck Abgrund! ach schluck
ein! die nichts denn ewig klagen!
Je und Eh!
Schreckliche Geister der dunkelen Höhlen, ihr, die ihr martert und Marter erduldet,
Kann denn der ewigen Ewigkeit
Feuer nimmermehr büßen dies, was ihr verschuldet?
O grausam Angst, stets sterben
sonder Sterben!
Dies ist die Flamme der
grimmigen Rache, die der erhitzete Zorn angeblasen!
Hier ist der Fluch der
unendlichen Strafe, hier ist das immerdar wachsende Rasen!
O Mensch! Verdirb, um hier
nicht zu verderben!
1616 – 1664
Ist’s? oder ist’s ein Wahn,
daß Anverwandter Blut
Sei kräftig, unsern Geist
durch fremde Macht zu rühren?
Soll, wenn mein Freund
betrübt, ich mich bekümmert spüren
Obschon mir nicht entdeckt
wird seiner Schmerzen Glut?
Soll, wenn sein Körper fault,
mein hochbestürzter Mut
In unbekannter Angst sich
kränken und verlieren?
Soll mich sein Bild zu Nacht
in Lust und Schrecken führen
Und trösten in der Pein und
raten, was mir gut?
Mein Bruder, ehe man mir
deinen Tod entdecket,
Hast du drei Nächte mich aus
meinem Schlaf erwecket
Und mein unendlich Leid zu
lindern dich bemüht.
Du hast mir Zeit und Ort der
abgelegnen Reisen,
Da ich nicht reisen wollt,
ausdrücklich wollen weisen.
Ist’s oder wissen wir weit minder,
als man sieht?
1616 – 1664
Nach Leiden, Leid und Ach und
letzt ergrimmten Nöten,
Nach dem auf uns gezuckt- und
eingestecktes Schwert,
Indem der süße Fried ins
Vaterland einkehrt
Und man ein Danklied hört
statt rasender Trompeten,
Indem wir eins aus Lust und
nicht durch Glut erröten,
Schließ ich dies rauhe Jahr
und was mein Herz beschwert,
Mein Herz, das nicht die
Angst, die unser Land verheert,
Vermocht durch rauhen Sturm und
linde Gift zu töten.
Gott, wir haben dies erlebet,
was du uns verheißen hast,
Daß der unerhörten Schmerzen
und der überhäuften Last
Letztes Ziel ist angebrochen.
Bisher sind wir tot gewesen,
kann nun Fried ein Leben geben,
Ach so laß uns, Friedenskönig,
durch dich froh und friedlich leben,
Wo du Leben uns versprochen!
1616 – 1664 A.
1636. Mense Febr.
Ich
bin nicht, der ich war. Die Kräfte sind verschwunden,
Die Glieder
sind verdorrt, wie ein verbrannter Graus.
Hier
schaut der schwarze Tod zu beiden Augen aus,
Nichts
wird als Haut und Bein mehr an mir ubrig funden.
Der
Atem will nicht fort, die Zung steht angebunden,
Mein
Herz, das ubersteht numehr den letzten Strauß,
Ein
jeder, der mich sieht, spürt, daß das schwache Haus,
Der
Leib, wird brechen ein gar inner wenig Stunden.
Gleich
wie die Wieenblum früh mit dem Licht der Welt
Hervorkommt
und, noch eh der Mittag weggeht, fällt,
So bin
ich auch benetzt mit Tränentau ankommen,
So
sterb ich vor der Zeit. O Erden, gute Nacht!
Mein
Stündlein lauft herbei! Nun hab ich ausgewacht
und
werde von dem Schlaf des Todes eingenommen.
1616 – 1664
Wir
sind doch nunmehr ganz, ja mehr als ganz verdorben.
Der
frechen Völker Schar, die rasende Posaun,
Das
vom Blut feiste Schwert, die donnernde Kartaun,
Hat
alles dies hinweg, was mancher saur erworben.
Die
alte Redlichkeit und Tugend ist gestorben,
Die
Kirchen sind vorheert, die Starken umgehaun,
Die
Jungfraun sind geschänd’, und wo wir hin nur schaun
Ist
Feur, Pest, Mord und Tod. Hier zwischen Schanz und Korben,
Dort
zwischen Maur und Stadt, rinnt allzeit frisches Blut.
Dreimal
sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut
Von so
viel Leichen schwer, sich langsam fortgedrungen.
Ich
schweige noch von dem, was stärker als der Tod,
Du,
Straßburg, weißt es wohl, der grimmen Hungersnot,
Und
daß der Seelenschatz gar vielen abgezwungen.
1616 – 1664
Den Schauplatz alter Welt, im
welchem noch zu finden,
Was harter Flammen Grimm und
rauher Feinde Schwert,
Was der geschwinde Blitz und
lange Zeit verkehrt,
Schleußt Ortels Hand hier auf.
Muß gleich Athen verschwinden,
Bricht Pergamus schon ein, ob
die von stolzen Winden
Hoch aufgeschwellte See weit
uber Länder fährt,
Wird von der Erden Schlund die
Erden selbst verzehrt,
Ist doch ein freier Sinn durch
keine Macht zu binden.
Er reißt die Schranken durch,
in den ihn Fleisch und Not
Und Sterben pochen will und
pocht den blassen Tod,
Find’t alles in sich selbst
und find’t sich selbst in allen.
Er sieht, was nicht mehr ist
und was noch kommen soll,
Ihm ist im Untergang und Weh
der Erden wohl
Und kann, obgleich der Leib,
sein Wohnhaus, fällt, nicht fallen.
1616 – 1664 aus
A. Gryphii Meletomenus ersten Buch
Ihr irrt,
indem ihr lebt; die ganz verschränkte Bahn
Läßt
keinen richtig gehn. Dies, was ihr wünscht zu finden,
Ist
Irrtum; Irrtum ist’s, der euch den Sinn kann binden.
Was
euer Herz ansteckt, ist nur ein falscher Wahn.
Schaut,
Arme, was ihr sucht! Warum so viel getan?
Um
dies, was Fleisch und Schweiß und Blut und Gut und Sünden
Und
Fall und Weh nicht hält? Wie plötzlich muß verschwinden,
Was
diesen, der es hat, setzt in des Todes Kahn.
Ihr
irrt, indem ihr schlaft, ihr irrt, indem ihr wachet,
Ihr
irrt, indem ihr traurt, ihr irrt, indem ihr lachet,
Indem
ihr dies verhöhnt und das für köstlich acht’,
Indem
ihr Freund als Feind und Feind als Freunde setzet,
Indem
ihr Lust verwerft und Weh vor Wollust schätzet,
Bis
der gefundne Tod euch frei vom Irren macht.