Carl Hauptmann                   Dort wo im Sumpf die Hürde steckt

1858 – 1921

                                                              

Wie fremder Blume jungfräulich Gesicht

in Nacht blüht – so ein Weib, dess’ leiser Gang

sandalenweich fortschwebt wie ein Gesang –

fortschwebt in Nacht und stillem Sternenlicht.

 

„Du tränenlose Frau, der nie gebricht

der Leiden tiefstes Leid – die ewig bang

durch Nächte fortschwebt – ewig schönheitskrank!

Wohin enteilst Du? warum weilst Du nicht?“

 

Des Wahnes sehnsuchtsvoller Tochter Schweigen

fortschwebt zu dunklen Wassern, drin ihr Bild

aus Nachtglanz herirrt – tief – im Sternenreigen –

 

und weist zum Grund der Flut, die ganz gestillt –

und spricht mit brünstigem Flehn -: „Das bin ich! – sieh,

die Nächte blühen! -: Oh, Geliebter, flieh!“

 

 

 

Wer sagt mir, was so hinzog zu Dir hin,

Wähnen und Atmen, liebe, dunkle Fraue?

Wer sagt mir, warum ich zu Dir hinschaue,

in Rätselglück verwoben Seel’ und Sinn

 

von Deiner Stimme Klang? – warum ich bin

liedweich umsungen, als ob wieder laue

Lenzlüfte gingen -: und die Totenstürme

wehn hart und hohl den Herbst – und wirbeln hin.

 

Nie will ich nennen, wie mich je beglückt

Trank Deiner Seele? – warum braune Hand,

die widerwilligen Strähn aus der Stirne

 

aufnestelte, hold däuchte wie ein Lied,

fast süßer noch -: und ich nicht Frieden fand,

von Schönheit wund, seitdem ich von Dir schied.

 

 

 

Im Trauermantel warst Du eingetreten –

und goldne Blätter trieben mit herein -:

es war, als träte still mein Schicksal ein,

als sie zu bleiben deine Huld gebeten.

 

Und deine jungen Blicke achtlos mähten

die Blüten meiner Wünsche – kühlen Wein

sog ich der heitren Worte Schwermut ein,

die süßer Einsamkeiten Rätsel säten.

 

Nun weiß ich, deine sanften Hände spinnen

voll duftiger, goldner Fäden das Gewände -:

Du brachtest von dem nie erschauten Hügel

 

die Seligkeit -: ich küsse deine Hände -:

Nicht mit des Sturm’s ergrautem Wolkenflügel

könnt deinem Zauberbanne ich entrinnen.

 

 

 

Ich steh in weicher Nacht am Birkenbaum,

der funkenhell besät – der zitternd ragt –

ein silbern Schemen -: dessen Rieseln nagt

wie nie erlöste Feier -. Hoher Raum

 

wölbt Stern an Stern -: als wenn der Lippe Saum

noch flüsterte: - umsonst! – die Seele klagt

nach Deiner Augen blinkem Tau – sie klagt

lautlos in weiten Schweigens schweren Traum –

 

Und horcht vergebens hin den Nachtgeräuschen,

ob noch des Nackentuches Zipfel flattern

im Nachtwind, wo in Fluten Sterne spiegeln -?

 

Und fühlt nicht Deines sanften Ganges keuschen,

geliebten Schatten -: und desw Grames Nattern

vergiften meine Nacht und ihr Beflügeln. –

 

 

 

Wenn wir in weiten Heiden schweigend gingen,

da war’s, als wenn aus Deinem Herzen leise

ein Glöcklein tönte – und die Glockenweise

das Glück der Sonnen und den Duft des Haar’s

 

des Schweigens Ton vermählte -: - Also war’s

ob Deiner Seele ungesprochne, leise

nie ausgesungne, nie erhörte Weise

ein glockenreines, sanftes, einiges Klingen

 

erschauert, mir im Herzen und den Dingen.

Und also bebte zaubersam der Ton

aus Deinen jungen, knospenscheuen Tiefen,

 

das meine Sehnsüchte, die niemals schliefen,

und Gram und wirre Finsternisse flohn –

und alle Seligkeiten mit uns gingen.

 

 

 

Nun bist auch Du nicht dort – und Stürme tosen

um Deiner Sommerheimat blinde Scheiben -:

Kastanienwipfels braune Blätter treiben

ums stille Gartentor-. Lang sind die Rosen

 

zu Staube worden. Harsche Lüfte zausen

erstarrte, dürre Stöckchen noch. es treiben,

die sich ins Wesenlose nur hinschreiben

und schon verweht sind – Klagen in dem Tosen.

 

Doch Deiner Nächte Traum wird auferwachen

und heimlich beben um das stille Haus –

und wie in Nebelkleidern dort umwehen -:

 

und Deiner jungen Schwermut kindlich Lachen

wird wieder klingen, wenn im Nachtgetümmel

auch meinen Schatten Du am weg gesehen.

 

 

 

Ich schlief in Grabeskammer. Starr und leer –

und uferlos – und stumm war Zeit und Stunde -:

Traum halb, halb Ewigkeit -: Nur heiße Wunde

brannte mein Herz -: Ein wesenloses Heer

 

umschwebte stillen Fluges ernst und schwer

die Finsternis. Ich lag mit starrem Munde,

vom Tod geschlossen. In der Höhlen Grunde

ruht’ Schweigen-: Nur das heiße Herz brennt sehr. –

 

Und dann standst weinend Du an meinem Grabe.

Aus Deinen jungen Traueraugen fielen –

das heiße Herze mitleidig zu kühlen –

 

wie ewig – viele klare, stille Tränen -: -

Und sanft erschaudernd tief in meinem Grabe

entschlief das Herze ganz von seinem Sehnen.

 

 

 

Und dann lag ich ohn’ Grenzen, Ziel und Zeit -:

nur sanft gebettet schien’s. in süßen Schmerzen

erwuchs ein Rosenstock im toten Herzen. –

Das rote Blut quoll ganz ohn’ Laut und Leid

 

in seiner Purpurblüten glühes Kleid.

Und du brachst von dem Rosenstock -: mit Scherzen,

so dachten, die Dir fremd – und trugst am Herzen

die Blumen meiner toten Seligkeit.

 

Und niemand wußte, was Du heimlich littest,

wenn Du, wo Fremde gingen, heiter schrittest,

am Herzen Rosenglut -: wer so beglückte

 

die Trauernde? – ach, niemand kannt’ Dein Wähnen,

und daß Du Rosen brachst mit tausend Tränen,

die Rosen, damit totes Herz Dich schmückte.

 

 

 

Nun wach’ ich neu -:- Noch hüllen Deiner leisen,

verhaltnen Stimme süße Melodieen

die ganz versunkne Seele -:- Es verblühen

wie Blumen einer Wildnis, die Dich preisen,

 

Die letzten Reste Traum -: Und wieder kreisen

um Deine Hulden – die aus Gram auffliehen

in Deinen Morgenglanz – die heißer glühen

wie irdische Feuer – meiner Sehnsucht Weisen.

 

Ob Tag, ob Nacht verzehrt mich das Verlangen -:

ich sehe Dich im Abendwinde schreiten –

ich seh’  Dich hingegeben nächtiger Feier

 

hinein in glüher Moore Dunkelheiten -:

und Deine Rätselstimme wird noch scheuer –

und wie von bronzenem Glanz glühn Deine Wangen.

 

 

 

Die Sonne fällt aus bunten Fensterscheinen

auf Kruzifix und Goldkelch und Altar –

durchfunkelt und umfließt das rote Haar

des Mönches, der da kniet -: und stille einen

 

sich hohen Wölbungen, die also scheinen

wie kühler Schatten Grab, ganz wunderbar

die Flüsterworte, die die stumme Schar

der demütigen Beter Gott vereinen.

 

Der Mönch hebt jetzt das Brot empor – und klingen

hört man des Meßnerglöckleins heiliges Zeichen -:

Das Wunder – das geschah -: Zu Gott ward Speise.

 

So wandelt Liebe eitel-irdische Weise,

wenn junge, selige Hand des Dichters Stirn

zärtlich berührt, in erdentrücktes Singen.

 

 

 

Dein kleiner, stolzer Brief -: liebreiche Kunde!

ist von Aromen süß, wie Sommerauen –

sagt Wunder mir ins Blut -: ich höre tauen

die Tropfen, Reif vom Nachtfrost -: und der Wunde,

 

die heimlich brennt – aus Deinem jungen Munde

fließt Balsam Trost -: ich lebe jene lauen

Herbstnächte wieder, Dunkelste der Frauen!

am Nachgewässer jene stillste Stunde.

 

Und plötzlich will’s aus allen Zeiten schreien,

die Deiner keuschen Hände Schrift beschrieben:

daß, ob ich lohe Flammen Dir tät weihen,

 

seit ich Dich damals sah zu ersten Malen -:

ich nur noch einsamer zurückgeblieben -:

Du Stolze heimlich lächelst meiner Qualen.

 

 

 

Mir däucht’, ich säh Dich, wo dem Blätterreigen

und goldnen Schimmerlüften Du geneigt

Dein dunkles Haupt – wo knarrende Weide zweigt

und schüttelt goldnes Laub ins sonnige Schweigen -:

 

dort, wo im Sumpf die Hürde steckt – aus Zweigen

laut kreischend dunkle Vögel ziehn – und äugt

ein braunes Füllen, das aus Sumpfe steigt –

leicht horchend Deiner Stimme -: wie wenn Geigen

 

den sanften Rhythmus ferner Sehnsucht tragen,

geliebte, dunkle Frau! – Viel Goldgespinste

umfließen Deiner Schatten Melodien -:

 

Und mir entquellen unergründlich Klagen,

daß solcher Wonnen Süße nur noch blühen

als meiner Träume zärtliche Gewinste.

 

 

 

Der Abend glühte. Junger Stimme Schleier –

wie wenn im Herbstwind goldnes Blätterbeben

herniederrauscht aus Astwerk, sanft verschweben

auf düstrem Moorweg. Veilchenfarbene Feier

 

blinkt im Gewässer -: Deiner Augen scheuer,

verhaltner Blick, der Dämmrung hingegeben,

erfunkelt wie ein Stein -: Inbrünstig beben

lautlose Melodieen -: und wie Feuer

 

verglühen weite Moore in die Nacht -:-

Und meiner Sehnsucht Qual ist aufgewacht –

ganz plötzlich – wie der Krähe schrilles Schrein -:

 

von Deinen offnen, glühen Lippen Liebe

zu trinken, sehnsuchtsvolle, dunkle Fraue! -:

und stand doch einsam und erstarrt zu Stein.

 

 

 

Nicht frühlingliche, kleine Primelblume,

noch voller, sanfter, roter Blühbusch Heide

kann Dich beglücken -: Kinder weiter Weide

sind nicht genug zu Deiner Schönheit Ruhme -:

 

ich will ins Knisterhaar die glühste Blume

aus Indiens Tempelgärten, Steingeschmeide

der Göttin – goldne Garbe von Getreide

in Deine braune Hand -: von Heiligtume

 

will ich die goldbrokatnen Tücher rauben,

um Deinen süßen, bronzenen Leib zu schmücken.

Und will von ferne stehen und hinblicken,

 

wenn Du kleinodenblitzend schlank hinschreitest

durch Moor und Heide – und wie mythisch reiche,

verträumte Königin sanft die Arme breitest.

 

 

 

Von unserer holdseligen, lieben Frauen

Maria hört ich einst ein Wunder sagen:

Ein Sünder, der in seinen tollen Tagen

manch Abenteuer lebte, wollt nicht trauen,

 

sich rück zu wenden zu der lieben Frauen,

und tät vor ihr zu knieen nicht mehr wagen -:-

Bis eines Tags – dort, wo im Walde ragen

viel hohe Föhren, auch der lieben Frauen

 

geheime Wonne weht – er tief ergeben

im Waldgras betete um neues Leben -:-

Er betet Wunder! – wie mit zartem Kosen

 

pflückt Blumen ihm vom Mund die Königinne -:-

So werden, Fraue, auch von Deiner Minne

der Sehnsucht Klageworte glühe Rosen.

 

 

 

Und wieder trieb’s mich in die Nacht hinaus,

wo auf die bleichen Wege Blätter fielen -:

Und in der silbern-reinen, weiten, kühlen,

verträumten Herbstnacht träumte still dein Haus.

 

Und warm und weich und golden fließt heraus

durch Schattenblätter Schein – und ruhlos spielen

die Wildweinranken, die in Lüfte fühlen

wie Hände Blinder – tastend – leis und los.

 

Es war wie ewig, daß im Geisteratem

der Nacht ich stand, wo ich in mildem Scheine

dein braun Gesicht gesehn umflossen ragen -:

 

Der Stirne sanftes Licht zum Buch geneigt -: -

Dann hab ich mich durch Dunkel fortgetastet,

das selige Bild in meinen Traum getragen.

 

 

 

In klaren, stummen Nächten, wenn die Weiten

der Dunkel sich mit bleichen Sternen leise

auslegen – und vom Flusse dunkle Weise

herübertönt -: wenn stille Kähne gleiten –

 

und stumme Fischer durch die Dämmerzeiten

vereinsamt ziehen -: wenn im Wirbelkreise

sich Blätter, wie Gespenster, lose, leise

erheben – und ersterben, wie im Streiten -:

 

In solchen Nächten bist du wunderreich

erblüht, wie keusche, schneeige Blumenschale

in Ophirs Gärten schweigt im dunklen Teich -:

 

die bleichen Sterne rings ihr Silber tauchen -:

und über Deine Reinheit zärtlich hauchen

viel süße Heimlichkeiten Silbermale.

 

 

 

Blaublüten – teppichweich – als wogte sacht

ein Stück Himmel auf Erden – blühen weit –

darüber spielt mit Düften Heiterkeit –

und tönen Lerchen schon von Mitternacht

 

ihr erstes Lied -: Die ganze Frühlingspracht

ist meiner Frauen Seele -: Alle Zeit

schluchzt hoch das Lied – blühn Blumen – weich und breit

sich dehnend. - - Nacht und Tag und wieder Nacht

 

steh ich ohn’ Regung – wie der frühe Dieb,

der Flachs zu stehlen in dem Felde stand,

und dem ein Hexenspruch die Glieder bannt’.

 

O löse, gütigste, holdseligste Frau,

den harten Bann! – Liebe um Liebe gib,

daß ich verklärt hinwandle durch die Au!

 

 

 

 

Der Herbst hinwirbelte – sang hohle Lieder

des Wehs. Auf Deine Trauer tanzt’ manch’ Rotblatt

aus losen, wehen Lüften. Dumpf und matt

summen Kiefern. Du kniest demütig nieder

 

letzte Blumen zu brechen. Immer wieder

quillt Dir Träne um Träne -:- Still und satt

um einen fernen, lieben Toten hat

die Liebe sie geweint auf Blumen nieder.

 

Und plötzlich neidet’ ich den stummen Toten,

dem Du den letzten, reichen Kranz zu binden

gegangen, Beeren, Busch und Blumen finden -:

 

Da lächelt’st Du, in Tränen Deine Wangen,

und leis’ von junger brust, aus glühstem Prangen,

reicht’st Du mir zärtlich Nelken, von den roten.

 

 

 

Sturm heult in hohler Weide. Wege hin

spielt längst der Tod mit goldnem Blatt. Es neigen

in tollster Unruh – die aus Sumpf aufsteigen,

der alten Knorren Äste sich – und knarren. –

 

Und ich – in stummer Liebe mit Dir – ward

des Todes und der Flucht gewahr -: In Schweigen

starrst Du in Ferne, wo von Dächern steigen

die Säulen Rauch, zerweht und bald dahin.

 

Quirlt eine Federflocke wie aus Seide

hernieder, wohl aus Kiebitz’ Silberkleide

geweht -: greift sie – nimmst achtlos zwischen Lippen

 

den Flaum. – Ich sorge, eh’s der Sturm vertriebe:

„Gib mir das Kleinod!“ – und Du, wie im Traum -:

ein Lächeln – Du hauchst’s fort-: „Sieh! So ist Liebe!

 

 

 

Fledermäuse hasten um die Zinnen –

gen bleichen Vollmond ragend – überm Tal.

Prunklichter zittern aus dem Vätersaal

der Burg – durch Eichen Schatten werfend -:- Innen

 

zu trunknem Taumelspiel im Leichenlinnen

ist neu von goldnem Schragen zag’ Gemahl –

davor der Ritter tags in harter Qual

geweint – lächelnd erwacht -: o Wonne-sinnen!

 

So jede Nacht wird Blut der Mund – und Blut

die Wange – und der Hände Kelche schweigen

rosenfingrig an Ritters Nacken -: Glut

 

lebt ihm die Tote, die im Morgen bleicht. –

Aus Dorf und Stadt vom sehr geschäftigen Reigen

kein schriller Laut des Siedels Burg erreicht.

 

 

 

Vernebelt ruht die dämmerdunkle Nacht -:

kaum erst ein blasser Goldstreif, ahnend leise,

durchsickert grauses Nichts. Die weite Reise

währt manchen Tag und Nacht schon -: Pferd hat Mühe –

 

der Reiter träumt -:- Da plötzlich schimmert’s glühe

von naher Weinbergsmauer -: und sehr leise

her schreitest Du wie auf dem Morgenwind –

und greifft auch Tieres Zügel gleich – ohn’ Acht.

 

Des Pferdes Atem schnaubt Dich an. Blaßglühe

umfließt Dein Dunkel, Schwester ersten Strahles!

Du schreitest sicher, führend steinigen Steg.

 

Dein seliger Gang hebt schweigend aus des Tales

Graunebeln sich -. Du führst ohn’ Acht und Mühe

heimlich Entzücken auf den Sonnenweg.

 

 

 

O Herrin, bleibe mir! geh nicht! Mein Reich

ist Melodie. – Mit Blüten wunderbar

bestreu’ ich jeden Weg – und in Dein Haar

brech’ ich die glühsten Rosen Dir -: Mein Reich

 

ist Deiner Schönheit Schale -:- Durch mein Reich

trägst Du die stolze Königsblume -:- Bar

und kalt wird’s, wenn Du gehst -: o ganz und gar

hinsiecht mein trunknes Herz – mein Haar wird bleich.

 

Und eh’ Du wiederkehrst, ist alles tot -:

stumm Melodie – dürr, was Dir blühend quoll –

verhärmt die Lippe, die so sehnsuchtsvoll

 

die Schönheit rühmte – Deine dunkle Pracht! –

Wenn so versank der Liebe goldne Macht,

taucht nimmer sie zurück ins Morgenrot.

 

 

 

 

Drück mir die braunen Hände, dunkle Fraue.

lang auf die Augen! – o die sanften Hände!

Und dann – Du junge Lippe – spende spende

den süßen Wohllaut - : also daß ich schaue

 

an grenzenlosen Wassern weite Aue,

wo Liebe ohne Gram und unermessen

aus Opferfeuern aufweht! – spende, spende

den Traum – den die gestillten – dunkle Fraue!

 

Denn Deiner jungen, keuschen Lippen Laut

ist wie ein Lied von seltsam fernen Dingen,

von Paradiesen, ewig heiß begehrt -:

 

Hör Deiner Lippen Laut ich – o dann klingen

Blumen und Stein und Sterne tief vertraut –

und es erbebt mein Herz, das sich verzehrt.

 

 

 

Wie Taubenflug stumm weht, lag Einsamkeit,

rein wie ein Flügelflaum, ohn’ Laut. Es lagen

Gräber in Schnee versunken – einsam lagen

verschneite Kreuze rings – stumm – ohne Leid.

 

Von fernher – tief verlorner Seligkeit

voll – kaum geahntes, nie erhörtes Klagen

von Glocken -: und ein goldnes Cruzifix

glänzt in die Grauluft – einzig weit und breit.

 

Die stille Welt ringsum ganz weiß, ganz leer,

drin ich ans Kreuz geheftet jenen ragen

sah – jenen Sehner -: - Da! – leis wehend – her,

 

wie Blüten oder auch wie Flocken fallen,

schwebt Engelschar - : Maria wandelt still

zum Kreuze – süße Stimmen hör’ ich hallen.