1813 – 1863
Im Morgenwinde sah ich Blumen
wanken
Und sah, wie sie den Tau der goldnen Frühe,
Daß jede voller dufte, tiefer glühe,
Mit heißem Mund begierig in sich tranken.
Gesättigt sah ich bald die
meisten schwanken,
Als glaubten sie, daß keine nun verblühe,
Die Rosen tranken fort mit süßer Mühe,
Bis ihre Kelche fast zur Erde sanken.
Die andern wiegten sich in
Lustgefühlen,
Sie wollten eben lauten Spott erheben,
Da schoß die Sonne ihre Flammen-Pfeile.
Die Rosen löschten sie im Tau,
dem kühlen,
Doch jenen drangen sie in Mark und Leben,
Man sah sie hingewelkt nach kurzer Weile.
1813 – 1863
Beim Dämmerlicht des Mondes
schau' ich gerne
Der grauen Weltstadt bröckelnde Ruinen,
Die uns als Maß für ihre Größe dienen,
Woran der Mensch sich selber messen lerne;
Denn dieses Licht, das einem trüben Sterne
Entfließt, hat ihre Schlachten nie beschienen,
Nur die Gefallnen mit den ehrnen Mienen,
Umstanden von des Heeres bestem Kerne.
Jetzt trägt sie selbst, wie die, den
Todesstempel,
Drum ziemt sich's, daß dasselbe Licht ihr leuchte,
Dann träumt vielleicht ein Dichter, daß die Sonnen
Erlöschen, wie Paläste hier
und Tempel
Zusammenstürzen, und der oft verscheuchte
Vernichtungsengel jetzt den Sieg gewonnen!
1813 – 1863
Einst bin ich unterm Maienbaum
gelegen,
Und, wie ich lag, hat sich ein Wind erhoben!
Wie sind die Blüten da um mich gestoben!
Wie unermeßlich schien des Frühlings Segen!
Jetzt, deucht mir, seh' ich
einen gleichen Regen,
Doch von Gestalten, Licht und Glut gewoben!
Als hätten sich die goldnen Sterne droben
Geschüttelt, welche alles Höchste pflegen.
Vom stillen Reizenden zum
Blendend-Schönen,
Es fehlt kein Glied der holden Formenkette,
Und meinen Augen scheint sie nicht zu enden,
Drum reicht den Kranz, die
Königin zu krönen,
Nicht mir; denn eh' ich sie gefunden hätte,
Wär' er gewiß verwelkt in meinen Händen!
1813 – 1863
Du lässest uns die Blüte alles
Schönen
Und seines Werdens holdes Wunder sehen;
Die Stirn' ist streng, man sieht's in ihr entstehen,
Wo es noch ringen muß mit herben Tönen.
Die Wange will sich schon mit
Anmut krönen,
Doch darf sie noch im Lächeln nicht zergehen,
Der Mund jedoch zerschmilzt in süßen Wehen,
Daß Ernst und Milde sich im Reiz versöhnen.
Erst keusches Leben,
wurzelhaft gebunden,
Dann scheuer Vortraum von sich selbst, der leise
Hinüberführt zur wirklichen Entfaltung;
Und nun ist auch der
Werdekampf verwunden,
Man sieht nicht Anfang mehr, noch Schluß im Kreise,
Und dieses ist der Gipfel der Gestaltung.
1813 – 1863
Dem Weibe ist ein schönes Los
beschieden,
Was sie auch hat, sie hat es ganz und immer,
Sie freut sich an des fernsten Sternes Schimmer,
Allein sie schließt sich ab in klarem Frieden.
Der Mann wird nie so sehr vom
Glück gemieden,
Als er es meidet, denn er faßt es nimmer,
Gleichgültig, wird es besser, wird es schlimmer,
Er hört nicht auf, das Dasein umzuschmieden.
Ihr ist es, wie ein
zugeworfner Faden,
Sie hält sich dran, und schaudert vor den Wogen,
Die unten dräun, und trinkt des Himmels Lüfte.
Er widersteht nicht, sich im
Meer zu baden,
Und forscht, vom hellen Leben abgezogen,
Ob Gott sich nicht verbirgt im Schoß der Grüfte.
1813 – 1863
Ich möchte auch einmal von
Freiheit singen,
Doch, ist der Drang auch groß, den ich verspüre,
Wer sagt mir, wie viel Odem ihm gebühre?
Mir deucht, zuvor muß ich den Flamberg schwingen.
Der Tag erst, wo um mich die
Schwerter klingen,
Wo ich, so wie ich jetzt die Saiten rühre,
Mit eigner Faust mein gutes Eisen führe,
Der Tag erst wird die rechte Antwort bringen.
Auch dann noch fecht' ich
still und stumm, gleich allen,
Die schweigend ihren Haß und Grimm getragen,
Doch endlich wird mein Glut die Erde färben.
Dann soll der Freiheit mein
Päan erschallen,
Denn so viel Worte, glaub' ich, darf ich wagen,
Als Odem zwischen Fallen bleibt und Sterben.
1813 – 1863
Oh, könnte ich den Faden doch
gewinnen,
Der, mich mit Gott und der Natur verknüpfend,
Und, abgewickelt, das Geheimste lüpfend,
Verborgen sitzt im Geist und in den Sinnen!
Wie wollte ich ihn mutig
rückwärts spinnen,
Bis er mir, endlich von der Spindel hüpfend,
Und in den Mittelpunkt hinüberschlüpfend,
Gezeigt, wie All und Ich in eins zerrinnen.
Nur fürchte ich, daß, wie ich
selbst Gedanken,
Die gleich Kometen blitzten, schon erstickte,
Eh' ich verging in ihrem glühnden Lichte,
So auch das All ein Ich, das,
seiner Schranken
Vergessen, an das Welten-Rätsel tickte,
Aus Notwehr, eh' es tiefer dringt, vernichte.
1813 – 1863
Jüngst ward das Gold, das
edle, hart gescholten,
Die andern Erden schmähten es und riefen:
Wir sind's, in denen Baum und Blume schliefen,
Die jegliches Geschöpf erquicken sollten;
Wenn dich auch alle Sonnen
küssen wollten,
Die jemals um das ew'ge Zentrum liefen,
Sie weckten nichts in deines Schoßes Tiefen,
Drum hast du uns auch stets für nichts gegolten!
Nun sprach das Gold: ich bin
das längst gewesen,
Was ihr jetzt seid, und wenn euch so viel Lenze,
Wie mir, entkeimten, werdet ihr mir gleichen;
Von mir sind keine Früchte
mehr zu lesen,
Weil ich schon frei im eignen Dasein glänze,
Drum blüht und duftet fort, mich zu erreichen!
1813 – 1863
Wie läßt die echte Schönheit
sich erproben?
Wohl einzig an dem selbstbewußten Frieden,
Der sie umfließt, weil sie sich wie geschieden
Von allen Kämpfen fühlt, die sie umtoben.
Ihr steht er, wie ein
Sternenkranz von oben,
Den, da sie ganz den innern Zwist gemieden,
Der alles übrige verwirrt hienieden,
Die ew'ge Mutter selbst für sie gewoben.
Doch wehe ihren
Afterschwestern allen,
Die ihr nicht gleichen und sich selber krönen,
Weil Faun und Satyr ihnen Beifall zollen!
Sie können nur, wenn sie sich
nicht gefallen,
Mit ihrem halben Dasein uns versöhnen,
Nur, wenn sie zeigen, daß sie weiter wollen.
1813 – 1863
Es ist die Zeit des stummen
Weltgerichts;
In Wasserfluten nicht und nicht in Flammen:
Die Form der Welt bricht in sich selbst zusammen,
Und dämmernd tritt die neue aus dem Nichts.
Der Dichter zeigt im Spiegel
des Gedichts,
Wie Tag und Nacht im Morgenrot verschwammen,
Doch wird er nicht beschwören, nicht verdammen,
Der keusche Priester am Altar des Lichts.
Er soll mit reiner Hand des
Lebens pflegen,
Und, wie er für des Frühlings erste Blüte
Ein Auge hat und sie mit Liebe bricht:
So darf er auch des Herbstes
letzten Segen
Nicht übersehn, und die zu spät erglühte
Nicht kalt verschmähen, wenn den Kranz er flicht.
1813 – 1863
Von einer Wunderblume laßt
mich träumen!
Der Tag verschwendet seine reichsten Strahlen,
In aller Farben Glut sie auszumalen;
Die Nacht versucht, mit Perlen sie zu säumen.
Bald wird das Leben in ihr
überschäumen,
Und brennend, die Gestirne zu bezahlen,
Verströmt sie aus der Kelche Opferschalen
Den flammenheißen Duft nach allen Räumen.
Doch, daß einmal das Schönste
sich vollende,
Verschließt der Himmel seine durstgen Lippen
Vor ihrem Opfer, und es senkt sich wieder.
Wie sie den Duft in jede Ferne
sende,
Nicht Mond, noch Sonne, nicht ein Stern darf nippen,
Er wird zu Tau und sinkt auf sie hernieder.
1813 – 1863
Im großen ungeheuren Ozeane
Willst du, der Tropfe, dich in dich verschließen?
So wirst du nie zur Perl' zusammenschießen,
Wie dich auch Fluten schütteln und Orkane!
Nein! öffne deine innersten
Organe
Und mische dich im Leiden und Genießen
Mit allen Strömen, die vorüberfließen;
Dann dienst du dir und dienst dem höchsten Plane.
Und fürchte nicht, so in die
Welt versunken,
Dich selbst und dein Ur-Eignes zu verlieren:
Der Weg zu dir führt eben durch das Ganze!
Erst, wenn du kühn von jedem
Wein getrunken,
Wirst du die Kraft im tiefsten Innern spüren,
Die jedem Sturm zu stehn vermag im Tanze!
1813 – 1863
Er war ein Dichter und ein
Mann, wie Einer,
Er brauchte selbst dem
Höchsten nicht zu weichen,
An Kraft sind Wenige ihm zu
vergleichen,
An unerhörtem Unglück, glaub ich
Keiner.
Er stieg empor, die Welt ward
klein und kleiner,
Und auf der Höhe, die wir
nicht durch Schleichen,
Die wir nur fliegend, oder nie
nie erreichen,
Ward über ihm der Äther immer
reiner.
Doch, als er nun die Welt
nicht mehr erblickte,
Da hatte sie ihn längst nicht
mehr gesehen
Und frech ihm selbst das
Dasein abgesprochen!
Nun mußt’ er darben, wie er
einst erstickte,
Ihm blieb nichts übrig, als
zurück zu gehen,
Doch lieber hat er seine Form
zerbrochen
1813 – 1863
Sie hielt mich fest und
inniglich umfangen,
Sie freute sich und nannte
sich beglückt,
Dann hat sie stumm zum Himmel
aufgeblickt,
Da faßte mich ein seltsames
Verlangen.
Sie war mir rein und göttlich
aufgegangen,
Sie schien dem Kreis des
Lebens still entrückt,
Und menschlich weinend, aber
doch entzückt,
Als sanfte Mittlerin des Herrn
zu prangen.
Ich sagte: bitt fürmich in
dieser Stunde!
Da fühlte ich mich glühender
umwunden
Und heiß, wie nie, geküßt von
ihrem Munde,
Indes ihr Auge himmlisch sich
verklärte,
Und, was sie betete und Gott
gewährte,
Das hab ich tief an ihrem Kuß
empfunden!
1813 – 1863
Zwei Pole sinds, die hin und
wieder stoßen,
Und gleich dem Pendel, dessen
ewges Schweben
Nie ruht im Schwerpunkt,
schwankt und schweift das Leben
Von dem zu dem im kleinen wie
im großen.
Und magst du, wenn dein Blick
noch an der bloßen
Erscheinung haftet, dumpf
entgegenstreben,
Bals schaust du tiefer in der
Kräfte Weben,
Und das Gesetz wird dich nicht
mehr erboßen.
Die sanfte Linie der
Unterscheidung,
Der holde Keim verborgner
Möglichkeiten:
Das Dasein war nicht anders zu
erkaufen.
Bewegung ist die einzige
Umkleidung
Der innern Lücke; sollte es
nicht schreiten,
So mußt es stockend in sich selbst
verlaufen.