1817 – 1875
I.
Was schmerzlich oft die Seele
mir durchwühlte
Und drin in stillen Nächten
sich bewegte,
Wie meine Mutter mich, die
Zeit, erregte,
Was ich für sie, was ihr zum
Trotz ich fühlte –
Hier ist es, wie ich’s aus der
Brust mir spülte,
Wie ich’s in scharfgeschliffne
Formen legte,
Vor roher Hand mit einem Zaun
umhegte,
Beglückt, daß ich das Herz mir
endlich kühlte.
Doch schaudert mich, so wild
sind meine Musen,
Ein toll Geschlecht, gleich
jener Rotte Kora,
Abscheuliche, versteinernde
Medusen –
Allein nur zu – periculum in
mora –
Fort mit den Ungeheuern aus
dem Busen,
Und aufgetan die Büchse der
Pandora!
II.
Ja, ich bekenn’s, die Stimme
Gottes ist
Des Volkes Stimme! und wer ihr
vertraut,
Der hat sein Haus auf Felsen
sich gebaut,
Indes der Zorn des Herrn die
Frevler frißt.
Dem Sänger Heil, der ihrer nie
vergißt,
Dem nur des Volkes Schmerz vom
Auge taut,
Der nicht im eignen Jammer
sich beschaut
Und selbstgefällig seine
Silben mißt!
Doch sollt’ er drum nur
Waffenträger sein,
Der dienend hinter seinem
Heere steht
Und, wenn es not tut, reicht
ein Schwert hinein?
Der nicht voran, ein
Feuerzeichen, geht,
Und Seher ist wie sonst? Ich
rufe: Nein!
Und dreimal: Nein! und stimme
für Prophet!
III.
Der Gott des Friedens will uns
nimmer segnen,
Den Ölzweig weinend auf die
Seite legen;
Vom Nil zum Tajo höret man
schon regen
Die Kriegsdämonen sich, die
wildverwegnen.
Und mancher sieht im Geist nur
Helden regnen,
Die sollen auf den Spitzen
ihrer Degen
Der Völker künftige Geschichte
wägen
Und so dem Sturme stürmisch
auch begegnen.
Der Dichter aber denkt man
nicht, der stillen,
Wenn blutig weithin sich die
Felder röten
Und Unheil alle finstern
Mächte brauen.
Und doch – nur sie verstehn
der Gottheit Willen;
Jetzt, eben jetzt sind Seher
uns vonnöten,
Den Flug der Adler wieder zu
beschauen!
IV. An A. A. L. Follen
in Zürich,
als er nach Deutschland übersiedeln wollte.
Manch böser Geist haust in
Helvetiens Schlünden,
Manch schlimmer Pfaffe keucht
den Berg hinan,
Der Teufel bricht sich mit dem
Kreuze Bahn,
Der Teufel in den frommen
Talesgründen.
Doch lieb’ ich sie mit allen
ihren Sünden.
Ha! klebt nicht Winkelriedens
Blut daran?
Hier ist die Wüste und das
Kanaan,
Um ein Prophet der Welt das
Heil zu künden.
Hier fliegen noch die Adler,
mein Follen –
Hier rauschen sie noch über
deinem Haupte –
Was willst du tot sie und
gefangen sehn?
O laß den Traum, an den der
Jüngling glaubte,
Vergiß, wo frische Alpenrosen
stehn,
Der deutschen Freiheit Rose,
die bestaubte!
V.
Wer etwas auf dem Herzen hat,
der eile,
Es noch beizeiten vor sein
Volk zu bringen;
Schon rührt der Hader seine
schwarzen Schwingen,
Schon liegt das Haupt des
Friedens unterm Beile.
Der Henker harrt, daß er’s vom
Rumpfe teile,
Bald wird der Blutstrahl in
die Lüfte dringen,
Verharschte Wunden werden
wieder springen,
Und fehlen wird der Arzt dann,
der sie heile.
Schon hör’ ich ferne die
Kanonen brummen,
Die Säbel klirren und die
Trommeln schallen,
Kein Vogel will im Wald sein
Lied mehr summen.
Noch eine Nacht – die Würfel
müssen fallen;
Dann gibt’s ein trübes,
trauriges Verstummen,
Des Hahnen Ruf verscheucht die
Nachtigallen.
VI.
Ich zähle gerne mit bei guten
Christen
Und streite ritterlich undohne
Wanken,
Wenn sie und wollen das Gemüt
abdanken,
Die unausstehlich pfiffigen
Sophisten.
Doch hass’ ich das Gemüt der
Pietisten,
Das, frech getreten aus des
Anstands Schranken,
Uns möcht’ die reinsten
himmlischen Gedanken
Mit seinen Nebelworten
überlisten.
Auch mir hat sich das Aug’
schon oft genetzt,
Sah ich das Herz mißhandelt
und zerschlagen
Und von den Rüden des
Verstands gehetzt.
Es darf das Herz wohl auch ein
Wörtchen sagen;
Doch ward es weislich in die
Brust gesetzt,
Daß man’s so hoch nicht wie
den Kopf soll tragen
VII.
Nie wurden noch der Silben
mehr gemessen,
Und glaubt man unserm
kritischen Gelichter,
So wäre schier der dritte Mann
ein Dichter
Von Thule bis zum Lande der
Tscherkessen.
Und alle nur auf eitel Ruhm
versessen,
Ein jeglicher Poet begehret,
spricht er
Zwei Verse nur, gleich
Publikum und Richter,
Und würd’ sein Pfeifen anders
bald vergessen.
Doch mir deucht nur ein
Dichter, der noch sänge,
Der seinen Wohllaut noch
verstömen müßte,
Wo keines Menschen Stimme zu
ihm dränge:
In stillen Meer an unwirtbarer
Küste –
Zuhörer nur die wilden
Felsenhänge –
Und in Arabiens grauenvoller
Wüste.
VIII.
Von Büchern liegt vor mir ein
Perserheer,
Doch keins kann mir den Unmut
ganz verwischen;
Der will den Geist auf Reisen
sich erfrischen,
Der holt sich seinen Helden
über Meer.
Unwillig schwingt der Kritiker
den Speer:
Warum die fremde Kost auf
unsern Tischen?
Warum nach Gold in fremden
Flüssen fischen?
Ist unsre Heimat, unser Herz
so leer?
Geh wieder in dein Kämmerlein
und dichte!
Brauchst keinen Turban, keine
welschen Blusen;
Zund deinen Zunder an am
eignen Lichte!
Greif, Sänger, wieder in den
eignen Busen,
In deines eignen teuern Volks
Geschichte!
Da oder nirgens wohnen deine
Musen.
IX. Den Naturdichtern
Titan und Zwerg, das Große wie
das Kleine,
Ist Poesie, und Poesie im
Halme,
Wie in des Orientes stolzer
Palme,
Und Poesie noch in der Weisen
Steine;
Und Poesie die Mück’ im
Sonnenscheine,
Und Poesie in eines
Dampfschiffs Qualme,
Und Poesie auf einer
Schweizeralme,
Und Poesie vor allem auch im
Weine.
Wo euch des Himmels heil’ge
Luft umweht,
Da rauscht die Poesie mit
ihren Schwingen;
Sie sehlet nie, oft fehlt nur
der Poet.
Wie Gott, ist sie zuletzt in
allen Dingen:
Doch wenn einmal ein Löwe vor
euch steht,
Sollt ihr nicht das Insekt auf
ihm besingen.
X.
Ein Glück, ihr Götter, oder
nur ein Leiden,
Ein himmlisch würdig Leiden
eurem Sohne!
Im Grunde ist es doch die
Dornenkrone,
Um die wir eure Lieblinge
beneiden.
Ich kann das Glück mit stummem
Lächeln meiden –
Naht’ ich mich je, ein Sklave,
seinem Throne? –
Nur eines wünsch’ ich, daß ich
einst nicht ohne
Des Unglücks Weihe mög’ von
hinnen scheiden.
Ich bin entsagend gern
zurückgeblieben,
Wenn blühendrot das Volk sich
auf den Straßen,
Mit seinen Dirnen schäkernd,
umgetrieben;
Doch manch ein stilles Antlitz
von den blassen,
War’s auch nur um ein
unglückselig Lieben,
Es mußte sich von mir beneiden
lassen.
XI. Shelley
Um seinen Gott sich doppelt
schmerzlich mühend,
War er ihm, selbsterrungen,
doppelt teuer,
Dem Ewigen war keine Seele
treuer,
Kein Glaube je so ungeschwächt
und blühend.
Mit allen Pulsen für die
Menschheit glühend,
Saß immer mit der Hoffnung er
am Steuer,
Wenn er auch zürnte, seines
Zornes Feuer
Nur gegen Sklaven und Tyrannen
sprühend.
Ein Elfengeist in einem
Menschenleibe,
Von der Natur Altar ein reiner
Funken,
Und drum für Englands
Pöbelsinn die Scheibe;
Ein Herz, vom süßen Duft des
Himmels trunken,
Verflucht vom Vater und
geliebt vom Weibe,
Zuletzt ein Stern im wilden
Meer versunken.
XII.
Die ihr voll Mut zu schleudern
euch nicht scheuet
Ein blitzend Wort in unsres
Lebens Schwüle,
O Glück, wenn ihr euch auf dem
Sterbepfühle
Vom Neid zerstückter Kränze
noch erfreuet!
Wie haben Ruhm in Scheffeln
sich erbeutet,
Die ruhig trabten ihren Weg
zur Mühle
Und immer hübsch die
trunkensten Gefühle
Gleich tauben Blüten aus dem
Korn gereutet!
Brauch deine Hand, die ist der
Welt genug,
Und Kopf und Herz sind beide
überflüssig;
Man will den Flaum vom Vogel,
nicht den Flug.
Kannst du nur dichten, gege
lieber müßig;
Die Welt, die stets das
Ungereimte trug,
Ist des Gereimten schnell sehr
überdrüssig.
XIII.
O lobt euch nur des Westes
Schmeichelwehen,
Wenn träufelnd er ob blauen
Flächen zittert
Und kaum dem Schilf ein welkes
blatt zerknittert –
Ihr stillen Seelen, mög’s euch
wohl ergehen!
Ich aber muß das Meer im
Sturme sehen,
Wenn Segel reißen, wenn der
Mast zersplittert,
Wenn’s in mir, um mich, über
mir gewittert,
Wenn Luft und Wasser hell im
Brande stehen.
Ihr mögt ein ungleich größer
Glück erfahren,
Daß eure Gluten lange schon
verlodert,
Eh’ euer Leib im Schoß der
Erde modert.
Ich werd’ nun einmal wilder
mit den Jahren,
Die Leidenschaft ist mein
Eliaswagen,
Und Feuer nur kann mich zum
Himmel tragen.
XIV.
Auch ich wär’ nach der süßen
Ruhe lüstern,
Auch ich möcht’ unter
Blütenbäumen liegen,
Ein treues Liebchen in den
Armen wiegen,
Statt also mir das Leben zu
verdüstern!
Ließ nur, wie sonst, der
Lorbeer sich erflüstern,
Ließ nur, wie sonst, die Palme
sich ersiegen,
Das Musenpferd muß jetzt zum
Ziele fliegen
Mit wildem Hufschlag,
flammensprühnden Nüstern.
Die große Zeit zertrümmerte
die Flöte,
Sie braucht Posaunen und den
tiefsten Basso,
Und schwarze Nacht statt
milder Abendröte.
Die Losung ist nun Dante und
nicht Tasso.
Was sollen uns noch Schiller
oder Goethe?
Was soll uns gar der Pascha
Semilasso?
XV.
Wie blinkend sie von eurem
Ruder triefe,
Die Perle stammt doch oft aus
dunkler Quelle,
Klar scheint in flacher Hand
so manche Welle,
Die doch geschöpft aus
grauenvoller Tiefe.
Schließt, wie’s auch einer
Welt zuwiderliefe,
Aufs heiligtum nie von der
blanken Schwelle,
Das Einzelwort mag fasslich
sein und helle,
Der ganze Geist bleibt eine
Hieroglyphe.
O denket immer bei des
Dichters Pracht,
Bei allen seinen funkelnden
Gesteinen,
Daß ihre Mutter ist die
heil’ge Nacht!
Sein Rauschen mögt ihr zu
verstehen meinen;
Er selbst birgt sich ein See
im Felsenschacht,
Der ewig sieht des Himmels
Sterne scheinen.
XVI.
Ich kann oft stundenlang im
Strome stehen,
Wenn ich entflohen aus der
Menschen Bann;
Er plaudert hier wie ein
erfahrener Mann,
Der in der Welt sich tüchtig umgesehen.
Da schildert er mir seiner
Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen
erst gewann,
Ermattet drauf im Sande schier
verrann,
Und jedes Wort fühl’ ich zum
Herzen gehen.
Wie wallt er doch so sicher
seine Bahn!
Bei allem Plänkeln, Hin- und
Wiederstreifen
Vergißt er nie: „Ich muß zum
Ozean!“
Du, Seele, nur willst in der
Irre schweifen?
O tritt, ein Kind, doch zur
Natur heran,
Und lern die Weisheit aus den
Wassern greifen!
XVII.
Die uns als wilde, rohe
Zweifler hassen,
Und drob manch derben Fluch
uns schon gespendet,
Die frommen Leute – wie sind
sie verblendet;
Der Glauben ist’s, von dem wir
nimmer lassen.
Zieht erst der Frühling
jubelnd durch die Straßen,
Wie wird des Herzens eitler
Trotz gewendet,
Daß sich’s mit jedem Strauch
nach oben wendet,
Ein Stück des schönen Himmels
zu erfassen!
Ja, naht des Jahres Fürst mit
seinem Hof,
Und jauchzt der Lenz auf
Bergen und in Klüften,
Wo klagend kaum der Nebel
niedertroff –
Schlief auch sein Glaube dann
in Todesgrüften,
Der ew’ge Faust, der stolze
Philosoph,
Er hascht ihn wieder aus den
blauen Lüften.
XVIII.
Der Tod, ihr Freunde, ja, der
Tod soll leben !
Ich hab’ ein glühend Lied in
tiefster Nacht
Dem treusten Freund der Erde
angefacht;
Die Toten will ich und den Tod
erheben!
Wir sind nur Kinder, die mit
Widerstreben,
Gleich Tropfen von dem Meer,
sich losgemacht,
Und die vom Tode werden
heimgebracht
Und liebend an das All
zurückgegeben.
Vernichtung dünkt euch eine
herbe Pille?
Doch – heischt’ das Element
nicht diesen Zoll,
Das Sterben würde unser eigner
Wille.
Das Sterben macht das Leben
ganz und voll;
Erst sei das Herz in unsrem
Busen stille,
Wenn’s in der Brust der
Menschheit schlagen soll.
XIX. Die Alpen
Von Hermelin den Mantel
umgeschlagen,
Das trunkne Haupt weit über mir
im Blauen,
Die Alpen – wie so stolz
darein sie schauen,
Als wüßten sie, daß sie den
Himmel tragen!
Gleich leichtbeschwingten
Liebesboten jagen
Die Silberströme hin durch
Nacht und Grauen,
Dem Ozeane von den hohen
Frauen
Manch einen sehnsuchtsvollen Gruß
zu sagen.
Die Herden läuten und die
Adler fliegen,
Das ist ein ewig Rauschen,
ewig Rinnen,
Als könnt’ das Leben nimmer
hier versiegen.
Läßt sich ein schöner, schöner
Bild ersinnen?
Und doch hab’ ich das Schönste
noch verschwiegen:
Den frommen, stillen Friedhof
mitten drinnen!
XX.
Der Freiheit Priester, der
Vasall des Schönen,
So wird der Dichter in die
Welt gesandt;
Ein Troubadour zieh’ er von
Land zu Land,
Das Herrlichste mit seinem
Lied zu krönen.
Die Heldentat gewinn’ in
seinen Tönen
Für alle Zeiten sicheren
Bestand,
Den eignen Kummer schreib’ er
in den Sand,
Des eignen Herzens mög’ er
sich entwöhnen.
Ein Gärtner, dem der Garten
nur gegeben,
Für fremde Busen Blumen draus
zu pflücken,
Ein Winzer, der für Fremde
baut die Reben –
Sei all sein Trost, nur andre
zu beglücken;
Dem armen Taucher gleich, wag’
er das Leben,
Mit seltnen Perlen seine Zeit
zu schmücken.
XXI.
O Freiheit, Freiheit !
Nicht wo Hymnen schallen,
In reichgeschmückten
fürstlichen Arkaden –
Freiheit! Du wohnst an einsamen
Gestaden,
Und liebst die Stille, wie die
Nachtigallen.
Du fliehest das Geräusch der
Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer sich im
Weine baden,
Du läßt in Hütten dich zu
Gaste laden,
Wo Tränen in die leeren Becher
fallen.
Ein Engel nahst du bei verschloßnen
Türen,
Stellst lächelnd dich an
deiner Treuen Bette,
Und horchst der himmlischen
Musik der Kette.
Nicht stolze Tempel wollen dir
gebühren,
Drin wir als Opfer unsern
Stolz dir bieten –
Wärst du die Freiheit, wenn
wir vor dir knieten?
XXII. Die Geschäftigen
Nicht einen Hauch vergeuden
sie, nicht einen,
Nein, alles wird gleich für
den Markt geboren,
Kein Herzensschlag geht ohne
Zins verloren,
Die Herren machen Brot aus
ihren Steinen.
Sie machen Brot aus Lachen und
aus Weinen –
Ich hab mir die Beschaulichkeit
erkoren,
Und niemals streng gerechnet
mit den Horen,
Ich denke fromm: „Gott gibt’s
im Schlaf den Seinen!“
Ich kann des Lebens
banggeschäftig Rauschen,
Dies laute Tun und Treiben
nicht verstehn,
Und möcht’ mein einsam Glück
nicht drum vertauschen.
Laßt mich die stillen Pfade
weitergehn,
Der Wolken und der Sterne Zug
belauschen,
Und schönen Kindern in die
Augen sehn!
XXIII.
Sei mir gesegnet, frommes Volk
der Alten,
Dem unglückselig sein hieß:
selig sein,
Das jedes Haus, in das der
Blitz schlug ein,
Für ein dem zeus geweihtes
gehalten!
Du fühltest wohl, des Himmels
heimlich walten
Enthüll’ sich den Geschlagenen
allein,
Und da leucht’ erst der
Wahrheit voller Schein,
Wo sich das Herz, der Wolke
gleich gespalten.
O sprecht, war’s nicht zumeist
des Unglücks Stunde,
Die euch hinan zum Ewigen
gehoben,
Der Himmelsoffenbarung klang
vom Munde?
Der Frieden nicht, der Sturm
trägt uns nach oben,
Die höchsten Freuden sind auf
dunklem Grunde,
Gleichwie des Äthers Sterne,
eingewoben.
XXIV.
Nimm nicht als Himmel an die
Wolkenschichte,
Erprobe selbst dein jugendlich
Gefieder,
Wirf mutig in die schwanken
Schalen nieder
Des Zweifels deine eigenen
Gewichte!
Erwärm den Geist am
selbstgeschaffnen Lichte,
Und forsche heut und forsche
morgen wieder,
Senk nie zufrieden deine
Augenlider,
Ruf deinen Glauben täglich zu
Gerichte!
Doch was du immer wagest, o
beschönig’s
Nie vor den Menschen durch ein
zaghaft Schweigen,
Bekenn es mit dem Freimut
eines Königs!
Ob sie dir flammend auch den
Holzstoß zeigen;
Mit Flammen tauft der Ewige
den Phönix,
Der stolz soll über ihre
Wasser steigen.
XXV.
Am schönsten Tag um einen
Wunsch betrogen,
Und eine Niete jede, jede
Karte,
An meinem Schwerte Scharte nur
an Scharte,
Wenn einmal aus der Scheide
ich’s gezogen.
Doch halt’ ich mutig über
allen Wogen
Die Poesie, die leuchtende
Standarte,
Durch sie versöhn’ ich mein
Geschick, das harte,
Den rauhsten Sturm mit ihrem
Regenbogen.
Nie tönte meiner Leier Tod und
Fluch,
Nie schnitt ich aus des
Hyperioniden
Purpur ein traurig-düstres
Leichentuch;
Der Herr hat mir ein frommes
Herz beschieden,
Die Welt ist mir ein heilig,
heilig Buch,
Drin alle Blätter flüstern:
Frieden! Frieden!
XXVI.
Wir haben, was auch eine Sage
schreibe,
Den Funken des Prometheus
nicht gepachtet;
So tief wir unter uns das Weib
geachtet,
Die reinste Flamme wohnt in
seinem Leibe.
Und wer dem selbstisch
frostigen Getreibe,
Das ihm des Herzens liebste
Kinder schlachtet,
Wer dieser Kälte zu entrinnen
trachtet,
Wo flöh’ er hin, als zu dem
treuen Weibe?
Ein Felsen ist der Mann, der
nur erglüht,
Wenn trotzig er gen Himmel
sich erhoben,
Zurück ihm schleudernd seiner
Sonne Strahlen;
Ein stiller See des Weibes
weich Gemüt,
Das fromm in sich empfängt das
Licht von oben,
Drin sich die Himmel
himmlischer noch malen.
XXVII.
Tot ist die
Freundschaft ! wer mag sie noch singen?
Mit manchen Göttern ward in
unsern Tagen
Auch diese Göttin von dem Volk
erschlagen,
Und niemand will ihr mehr ein
Opfer bringen.
Allein mußt du entfalten deine
Schwingen,
Allein nach deinen Idealen
jagen,
Allein dich auf die See des
Lebens wagen,
Allein, allein nach deinem
Himmel ringen.
Der Alten denkt man wohl in
manchen Stunden,
und auch ihr Geist, so gern
man sich’s erhehlte,
Ist aus der Jugend noch nicht
ganz verschwunden;
Doch hin das Herrlichste, was
sie beseelte;
Würd’ ein Aristogiton heut
gefunden,
Ich glaube, daß ihm der
Harmodius fehlte.
XXVIII.
Du willst den Lorbeer auf die
Locken drücken,
Nicht einsam mehr in stillen
Nächten beten,
Hin auf den Markt mit deinen
Tränen treten,
Ein müßig Volk mit deinem
Schmerz beglücken?
Nur Rosen sollten deine Stirne
schmücken,
Und nicht die Martyrkrone des
Poeten,
Das ist fürwahr der Mund nicht
zum Propheten,
Und würd’ mit Küssen leichter
uns entzücken.
Daß meine Naschtigall im
Dunkeln bliebe!
Schwer wird die Höh’, nach der
du strebst, erklommen,
Wär’s auch, daß dich ein
starker Genius triebe.
Nur Hekatomben werden
angenommen
Auf dem Altar des Ruhms, auf dem
der Liebe –
- O liebe! – ist ein
Scherflein auch willkommen.
XXIX.
Tief, tief im Meere sprach
einst eine Welle :
Wie glücklich müssen meine
Schwestern leben,
Die droben strahlend auf und
nieder schweben;
O dürft ich einmal an des
Tages Helle!
Wie sie gebeten, so geschah
ihr schnelle,
Sie durfte aus dem dunklen
Schoß sich heben;
Doch kaum war ihr ein
Sonnenstrahl gegeben,
Lag sie schon sterbend an des
Ufers Schwelle.
O mögen alle doch ihr
Schicksal loben,
Die still geheim des Lebens
Kreis beschreiben
Und nie die Wut der offnen See
erproben.
O mögen sie in tiefer Nacht
verbleiben,
Und ihrer keiner streben je
nach oben,
Um mit den Winden auf den Sand
zu treiben.
XXX. Freiligrath
Der Himmel fing von neuem an
zu blauen,
Der Winter sich zum Abmarsch
anzuschicken, -
Die Erde sich mit jungem Grün
zu sticken –
Ich nahm dein Buch, recht tief
darein zu schauen.
Und mich erfaßt ein heimlich
lüstern Grauen;
Ich seh’ die alten
Straußenfedern nicken,
Und glaub’ in Tausend eine
Nacht zu blicken –
Hier, denk’ ich, wären so für
mich die Frauen!
Da bringt mein Mädchen mir die
ersten Veilchen,
Im blauen Schal, im leichten
Rosakleide,
Die weiche Hand das einzige
von Seide.
Dein Orient ruht wieder auf
ein Weilchen;
Mein Herz, kaum nach der
Fremde so begehrlich,
Bleibt gern im lande nun und
nährt sich ehrlich.
XXXI. Unseren Künstlern
Das Leben hat am Ende doch
gewonnen,
Und all die überhimmlischen
Gestalten,
Verklrten Leiber und
verklärten Falten,
Die schattenhaft
durchsichtigen Madonnen,
Aus Ätherduft und Veilchenblau
gesponnen,
Die nur auf Rosen und auf
Lilien wallten –
Sie konnten sich nicht mehr
zusammenhalten
Und sind in Andacht gottvollst
nun zerronnen.
Doch, liebe Künstler, drum kein
Klaggestöhn!
Die Erde mag noch viel des
Guten treiben,
Verlasset nur die schroffen,
kühlen Höhn;
Sucht wieder Gott der Welt
einzuverleiben!
Das Heilige gelingt so selten
schön,
Das Schöne nur wird ewig
heilig bleiben.
XXXII.
Wie Jakob hab ich oft mit Gott
gerungen,
Oft fühlt’ ich meinen Glauben
zweifelnd stocken,
Und oftmals haben eure
Kirchenglocken,
Ich leugn’ es nicht,
verdrießlich mir geklungen.
Ich habe gern mein eigen Lied
gesungen,
Gesponnen gern von meinem
eignen Rocken,
Bin nie nach eines Priesters
schmalen Brocken,
Ein hungeriger Zionsheld,
gesprungen.
Doch scheint auch ihr mir
nicht vom besten Stempel,
Und so verschmerz’ ich euer
pfäffisch Schnauben
Und euere für mich
verschloßnen Tempel.
Wär’ ich wie Schlangen klug und
fromm wie Tauben,
Würd’ ich ein Heiliger gar zum
Exempel –
Ihr steinigtet mich wohl um
meinen Glauben!
XXXIII. Russophobie
Die Einen:
Wie gehet ihr nur so verkehrte
Bahnen!
Ihr hättet besser ewig sie
gemieden,
Euch gänzlich von der Politik
geschieden,
Ihr Geisterseher, ihr
Baschkiromanen!
Ihr möchtet gern Europas
Zukunft ahnen?
Ich sag’ euch, unsre Freiheit
wird hienieden
Kein Zar an seinen Kaukasus je
schmieden,
Ihr Geisterseher, ihr
Baschkiromanen!
Die Andern:
Ihr werdet sie zu frühe nur
verlieren,
Und neuer Spott wird in sich
selbst zunichte,
Denn alles, alles deutet auf
Baschkiren.
Reißt man sich nicht um
russische Gedichte?
Wird Raupach wohl umsonst
dramatisieren
Schon jetzt die ganze
russische Geschichte?
XXXIV. Pferdeausfuhrverbot
Wir müssen uns beizeiten
tüchtig rühren,
Und können drum, trotz manchem
schönen Gulden,
Getreue Untertanen, nimmer
dulden,
Daß Franken eure Pferde uns
entführen.
Wir wollen nicht zu früh das
Feuer schüren,
Wir tun nur, was wir unsern
Lieben schulden,
Beschlossen demgemäß in allen
Hulden,
Also zu steuern solchen
Ungebühren:
Habt uns ein Aug’ auf jede
Mäklerschar,
Daß sie uns keinen Huf
konterbandieren,
Vom Karrengaule bis zum
Bairaktar!
Doch naht sich eins von unsern
Flügeltieren,
Die sind zum Kriegsdienst
völlig unbrauchbar –
Laßt sie die Grenzen immerhin
passieren!
XXXV. Franz Dingelstedts
Jordanslied.
Die Nachtigall hat für den Aar
gesungen,
Der, fortgeflogen aus dem
Alpenlande,
Verschmachtend lag in unserm
deutschen Sande,
Weil er sich hatt’ zu hoch
hinangeschwungen.
Wem wäre nicht ihr Lied ans
Herz gedrungen,
Ihr grollend, rührend Lied von
unsrer Schande?
Doch sprecht, wann sind bei
uns des Freien Bande
Von eines Sängers Liede je
gesprungen?
Du sankest, schier ein Knecht,
am Throne nieder,
Damit der Freie bälder
auferstände;
Geh hin, mein Freund, und frag
nach Jahren wieder!
Statt seiner Alpen bleiben ihm
vier Wände;
Die Macht, sie lächelt über
deine Lieder,
Und wäscht noch, ein Pilatus,
sich die Hände.
XXXVI. Ludwig Uhland
Nur selten noch, fast graut’s
mir, es zu sagen,
Nehm’ ich der Freiheit
Evangelium,
Den Schatz von Minne und von
Rittertum
Zur Hand in unsern hartbedrängten
Tagen.
Wie hab’ ich einst so heiß
dafür geschlagen!
Wie hastig dreht’ ich Blatt um
Blatt herum!
Ich kann nicht mehr – ich kann
nicht – sei es drum!
Es soll doch niemand mich zu
schelten wagen.
Ein ander Hassen und ein ander
Lieben
Ist in die Welt gekommen, und
von allen
Sind wenig Herzen nur sich
gleich geblieben.
So sind auch deine Lieder mir
entfallen;
Ein einziges steht fest in mir
geschrieben;
Kennst du das Lied: „Weh euch,
ihr stolzen Hallen!“
XXXVII. Deutsche und französische
Dichter
Gemälde, Spiegel, Uhren und
Tapeten,
Und rings, wie bei dem
türkischen Sultane,
Von Samt und Seide strotzende
Diwane,
Auch Kruzifixe, nie davor zu
beten.
So lieben’s überm Rheine die
Poeten;
Ums Haupt gewunden farbige
Turbane,
Durch Wolken Weihrauchs
rauschend im Kaftane –
Sind das noch Dichter, noch
Anachoreten?
Hoch über meinem Volk, in der
Mansarde,
Umduftet von des Gartens
blühndem Flieder,
Am Hut von Rosen eine
Festkokarde,
Indes die jungen Spatzen auf
und nieder
Vorm Fenster schildern, eine
Ehrengarde –
So schreib’ ich für mein
deutsches Mädchen Lieder.
XXXVIII.
O hätten sie mir doch ihr Ohr
geliehen
In jenen ersten unglücksel’gen
Stunden,
Da ich die Spur der Herrlichen
gefunden,
Und sprach: Ihr Freunde, laßt mich
weiterziehen!
Sie lachten aber meiner nur
und schrieen:
Pah! ein paar kleine, leichte
Liebeswunden?
Der Vogel ist nun einmal
festgebunden
Und soll sobald nicht wieder
uns entfliehen.
Jetzt wollen alle die Gefahr
erkennen;
Sie führen mir den Engel aus
dem Haus,
Da mir die Kraft versagt, um
mich zu trennen.
Läuft darauf alle Weisheit
denn hinaus?
Ihr laßt en Schmetterling
getrost verbrennen,
Und löscht voll mitleid dann
die Kerzen aus!
XXXIX.
O heiß’ mich nicht von deinem
Antlitz fliehn,
Auf dem der Liebe heilige
Gedanken
Gleich goldnen Sternen auf und
nieder schwanken,
Die still und furchenlos am
Himmel ziehn!
Hier ist mein Tempel und hier
will ich knier,
Um diesen Altar meine Arme
ranken,
In diesen Armen meinen Göttern
danken,
Daß sie mir ihre Seligkeit
verliehn!
Bist du, mein Herz, selbst
wider dich im Bunde?
Was soll der volle schäumende
Pokal,
Was die Unendlichkeit dem Mann
der Stunde?
Begehre nicht die Herrlichkeit
zumal!
Bitt’ um ein Wort nur aus dem
lieben Munde,
Ein halbes Lächeln, einen
Sonnenstrahl!
XL.
Ob die Locken eine Glorie
quellen
Um dein Antlitz und du
himmlisch mild
Auf mich blickst, ein stumm
Marienbild,
Das zwei blaue Sterne fromm
erhellen,
Ob dein Haar in ungebundenen
Wellen
Um den Nacken flutet, stolz
und wild,
Und deine Aug’ ein harter
Demantschild,
Dran die kühnsten Wünsche jach
zerschellen;
Ob ich sehe mit dem
Heil’genscheine
Dich, ob mit des Unmuts
düstrer Falte,
Ewig, ewig fleh’ ich nur das
eine:
Daß dein schöner Mund doch nie
erkalte,
Daß dein schönes Auge niemals
weine,
Und mir Gott dein schönes Herz
erhalte.
XLI.
„Eins – zwei – drei- vier –
nun eine hübsche Schar!
Mein guter Freund, Ihr treibt
das Ding ins Große;
Heut ist es diese, morgen jene
Rose:
Mit Eurem Herzen steht es
sonderbar.“
Der Dichter ist der Sultan
Scheriar
Und liebt, wie dieser Herr,
das Grandiose;
Der ruht’ auch zweimal nie im
selben Schoße,
Bis er Scheherazaden ward
gewahr.
Ich sah wohl manch ein schönes
Angesicht,
Das ich besungen und belobt;
nur schade,
Das, was ich suchte, war es
immer nicht.
Und alles, alles mord’ ich
ohne Gnade,
Was meinem Ideale
widerspricht:
Wann kommst du endlich, o
Scheherazade?
XLII.
Ich tue jedermänniglich zu
wissen,
Daß ich den finstern Unmut
sehr bereue
Und mich von Herzen meines
Lebens freue,
Daß ich erlöst von allen
Kümmernissen.
Mein liebes Fischchen hat nun
angebissen
Und schwört mir über alle
Maßen Treue,
Es herzt und herzt und herzt
mich stetz aufs neue
Und drückt mich schmeichelnd
in die Sofakissen.
Ich lad’ euch, meine Freunde,
sämtlich ein,
Mir eine frohe Stunde mal zu
schenken;
Doch laßt mir dann die tolle
Frage sein:
Wann wir uns wohl zu eh’lichen
gedenken?
Solange noch der ganze Himmel
mein,
Will ich mich nicht auf Haus
und Hof beschränken.
XLIII. Zwei Glocken
Ich stand auf einem Berg, da hört’
ich singen
Zur Linken plötzlich ernste,
trübe Lieder;
Ein Opfer war es für die Erde
wieder,
Ich kannte wohl der Glocken
dumpfes Klingen.
Zur Rechten sah ich einen
Sugling bringen;
Wie eines Schmetterlinges bunt
Gefieder,
Viel lust’ge Bänder wehten auf
und nieder,
Ein Glöckchen wollt’ vor
Freude schier zerspringen.
Die Andacht wagt’ kein Wesen
rings zu stören:
Die Herden hielten still auf
ihren Weiden,
Wie fromme Beter flüsterten
die Föhren.
Als ob die Glocken sich
umarmt, die beiden,
Konnt’ ich bald einen süßen
Klang nur hören
Und Tod und Leben nicht mehr
unterscheiden.
XLIV.
Erreichbar nur dem Sturm und
Sonnenbrand,
Von keines Wandrers Fuße
umgebogen,
In scheuen Kreisen nur vom Aar
umflogen,
Wie ein Johannes in der Wüste,
stand
Ein Blümchen einst auf kahler
Alpenwand;
Der Himmel hatte, doppelt ihm
gewogen,
Es seinem Herzen näher
auferzogen,
Doch nur mit Klagen schaut’ es
in das Land.
„Warum, o Gott, in eines
Felsen Schoß?
Warum o Gott, mir solch ein
einsam Los?
Was sterb’ ich nicht in holder
Schwestern Mitten?“
Still meine Blume still! Was
klagst du noch?
Wohl bist du einsam, aber
sicher doch
Vor Menschenhänden und vor
Menschentritten.
XLV. Der Gefangene
Der uns die Freiheit einst so
kühn gelehret,
Hört ihr ihn hinter jenem Gitter
wohl,
Dran spottend noch des
Glaubens rauh Symbol,
Manch eisern Kreuz, das ihm
die Flucht verwehret?
Das also ist der Lohn, der ihm
bescheret
Ward von dem angebeteten Idol?
Die Wangen blaß, die Augen
trüb und hohl,
Die Augen, die er – nicht zum
Himmel kehret.
Seit Jahren sah er keine Wolke
schweben,
Seit Jahren kein Gestirn in
blauer Ferne
Die goldne, taubeglänzte
Schwinge heben.
Die Erde – ach! er ließ’ sie
euch so gerne;
Doch sprecht, ihr Herrn, wer
hat euch Macht gegeben,
Die Hand zu legen auf des
Himmels Sterne?
XLVI. Einem Schauspieler
Ja, ich will Kugeln gießen aus
den Lettern,
Hör’ ich die Stunde der
Erlösung schlagen,
Und du auch wirst in solchen
großen Tagen
Die Welt nicht suchen mehr auf
deinen Brettern.
Gilt es, der Erde Götzen zu
zerschmettern,
Ich kenne dich, du wirst dein
Leben wagen.
Wer unsers Friedens drückend
Joch getragen,
Dem graut auch wahrlich nicht
vor Sturm und Wettern.
Bis dahin aber opfere dem
Schönen
So treu, wie jetzt, und heiße
nicht despotisch
Dein Herz zu früh desselben
sich entwöhnen.
So manche macht die Freiheit
jetzt zelotisch,
Daß sie, Barbaren gleich, die
Kunst verhöhnen;
Sei lieber goethisch, teurer
Freund, als gotisch!
XLVII.
Nach langem Ringen ist der Tag
gewichen;
Ein reizend Weib im leichten
Silberflor,
Tritt Luna hinter dem Gebirge
vor,
Der Ostwind ist ihr neckend
nachgestrichen.
Und eine bunte Schar von
wunderlichen
Gestalten taucht vor meinem
Blick empor,
Sie kommen zaghaft, wie ein
Mädchenchor,
Und wie auf Zehen zu mir
angeschlichen.
Ein Rauschen naht von tausend,
tausend Schwingen,
Ich fühl’, wie Geister meine
Stirne küssen
Und mir die Hände legen auf
das Haupt.
Ich hör’ die Sterne aus den
Lüften singen:
„Wohl dem, den wir noch wachen
Augs begrüßen,
Der an die Nacht, die heilige,
noch glaubt!“
XLVIII. Hölderlin
Den Klugen leiten sicher stets
die Horen,
Nur mit dem Genius spielen oft
die Winde;
Daß er, so Glück wie Unglück,
früher finde,
Wird er mit Schwingen in die
Welt geboren.
Doch bleibt ihm treu die
Gottheit zugeschworen;
Sie legt am bösen Tag dem
armen Kinde
Mit weicher Hand ums Aug des
Wahnsinns Binde,
Daß es nie sehe, was das Herz
verloren.
Die Götter haben freundlich
dein gedacht,
Die du so fromm gehalten einst
in Ehren,
Und lebend schon dich
aus der Welt gebracht.
Nichts Irdisches kann fürder
dich versehren,
Und reiner, denn ein Stern zum
Schoß der Nacht,
Wirst du zurück zur großen
Mutter kehren.
IL.
Trüg’ ich ein Schwert als Krieger
um die Lenden,
Ging’ ich als Landmann hinter
einem Pfluge,
Dann säß ich abends froh bei
meinem Kruge,
Um mit dem Tag mein Tagewerk
zu enden.
So aber, wenn sie sich zur
ruhe wenden,
Schweift mein Geist noch auf
irrem Wanderzuge,
Und meine Seele kreist in
stetem Fluge,
Ihr will kein Abend seinen
Frieden spenden.
Dem Himmlischen erbaun wir
keine Schranken,
Es folgt uns nach ins laute
Weltgetriebe
Und wird im Schlummer auch
nicht von uns wanken.
Kein Ort – daß ich vor ihnen
sicher bliebe!
Gleich Blitzen zücken um mich
die Gedanken
Und treffen mich selbst in dem
Arm der Liebe.
L.
So redet nur! Ihr sollt mich
nicht bekehren.
Er ist in eurer Hütte nie
gestanden,
War euch nie weihend, segnend
nie zuhanden,
Mein Genius – ergab euch niemals
Lehren.
Was man nicht kennt, das mag
man leicht entbehren.
Doch mir geht ohne ihn mein
Werk zuschanden,
Indes die Nüchternen in allen
Landen,
Die Gottentfremdeten, die
Schätze mehren.
Behagt euch wohl im
friedlichen Genuß,
Das bißchen Witz, es bleib’
euch unbenommen,
Das auf die Frone wie ein
Sklave muß.
Mir aber mag nur Zeus, der
Donnrer, frommen,
Zu meinem Werke muß ein
Himmelsgruß,
Ein heil’ger Sturm mein Herz
erst überkommen.
LI. Byrons Sonett an Chillon
(Bekanntlich haßte B. das
Sonett.)
Dein himmlisch Lied – Es hat
schon manche Labe
In schwarzen düstern Stunden
mir bereitet,
Und wie den Jüngling treulich
du begleitet,
So freute dein sich schon der
wilde Knabe.
Die Besten haben über deinem
Grabe
Wetteifernd Lorbeerkränze
hingebreitet,
Ach! wo ein Lob das andre
niederstreitet,
Wie wenig ist’s, was ich zu
bieten habe!
Wenn ich mich zu
Sonettendichtern wende,
Die auch die Reime sträubend
nur verschlungen,
Seh’ ich vor allem Goethes
kleine Spende;
Doch hat er nicht, wie du, den
Groll bezwungen,
Der seines Liebes Anfang noch
und Ende,
Der noch die Freiheit im
Sonett besungen.
LII. Grabschrift
Sein oder Nichtsein ist hier
keine Frage;
Ich bin gewesen, was ich
konnte sein.
Kein Schelm und Schuft, bei
Gott! ein Narr allein,
Der auch sein Lämpchen brannt’
am hellen Tage.
Kein Turner, aber doch von
deutschem Schlage;
Und wär’ mein Vers wie meine
Hände, rein,
So ruhete dies dichterlich
Gebein
Dereinst in einem stolzen
Sarkophage.
Ich nahm das Leben für ein
Würfelspiel,
Das keinem seine stete Gunst
geschworen,
Doch oft hatt’ ich der Augen
noch zuviel;
Ich trieb’s, ein Tor, wie
tausend andre Toren,
Und, glücklicher als weiland
Freund Schlemihl,
Hab’ niemals meinen Schatten
ich verloren.