1874-1929
Unser Leiden, unsre Wonnen
Spiegelt uns die Allnatur,
Ewig gilt es unsrer Spur,
Alles wird zum
Gleichnisbronnen:
Erstes Grün der frischen Flur,
Mahnst an Neigung zart
begonnen,
Heißes Sengen reifer Sonnen,
Bist der Liebe Abglanz nur!
Schlingt sich um den Baum die
Winde,
Denken wir an uns aufs neue,
Sehnen uns nach einer Treue,
Die uns fest und zärtlich
binde...
Und wir fühlen uns verwandt,
Wie wir unser Bild erkannt.
1874-1929
Willensdrang von tausend Wesen
Wogt in uns vereint, verklärt:
Feuer loht und Rebe gärt
Und sie locken uns zum Bösen.
Tiergewalten, kampfbewährt,
Herrengaben, auserlesen,
Eignen uns und wir verwesen
Einer Welt ererbten Wert.
wenn wir unsrer Seele
lauschen,
Hören wirs wie Eisen klirren,
Rätselhafte Quellen rauschen,
Stille Vogelflüge schwirren...
Und wir fühlen uns verwandt
Weltenkräften unerkannt.
1874-1929
Schön ist mein Garten mit den
goldnen Bäumen,
Den Blättern, die mit
Silbersäuseln zittern,
Dem Diamantentau, den
Wappengittern,
Dem Klang des Gong, bei dem
die Löwen träumen,
Die ehernen, und den
Topasmäandern
Und der Voliere, wo die Reiher
blinken,
Die niemals aus dem
Silberbrunnen trinken...
So schön, ich sehn mich kaum
nach jenem andern,
Dem andern Garten, wo ich
früher war.
Ich weiß nicht wo ... Ich
rieche nur den Tau,
Den Tau, der früh an meinen
Haaren hing,
Den Duft der Erde weiß ich,
feucht und lau,
Wenn ich die weichen Beeren
suchen ging...
In jenem Garten, wo ich früher
war...
1874-1929
Sie trug den Becher in der
Hand
- Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand -,
So leicht und sicher war ihr Gang,
Kein Tropfen aus dem Becher sprang.
So leicht und fest war seine
Hand:
Er ritt auf einem jungen Pferde,
Und mit nachlässiger Gebärde
Erzwang er, daß es zitternd stand.
Jedoch, wenn er aus ihrer Hand
Den leichten Becher nehmen sollte,
So war es beiden allzu schwer:
Denn beide bebten sie so sehr,
Daß keine Hand die andre fand
Und dunkler Wein am Boden rollte.
1874-1929
Und richtend wird es euch
entgegendröhnen:
„Verfluchte Schar von
Gegenwartsverächtern!
Gewandelt seid ihr zwischen
den Geschlechtern,
Den Vätern fremd und fremd den
eignen Söhnen;
Ihr schwanket kläglich
zwischen den Verfechtern
Von neuen Farben, neuen eignen
Tönen,
Von neuem Zweifeln, Suchen,
Lachen, Stöhnen
Und zwischen des Ererbten
starren Wächtern.
In Unverstehen seid ihr
hingegangen
Durch aller Stürme heilig
großes Grauen,
Durch aller Farben glühend
starkes Prangen
In taubem Hören und in blindem
Schauen:
all-Eines ist der Anfang und
das Ende,
Und wo du stehst, dort ist die
Zeitenwende!“
1874-1929
Merkst du denn nicht, wie
meine Lippen beben?
Kannst du nicht lesen diese
bleichen Züge,
Nicht fühlen, daß mein Lächeln
Qual und Lüge,
Wenn meine Blick forschend
dich umschweben?
Sehnst du dich nicht nach
einem Hauch von Leben,
Nach einem heißen Arm, dich
fortzutragen
Aus diesem Sumpf von öden,
leeren Tagen,
Um den die bleichen, irren
Lichter weben?
So las ich falsch in deinem
Aug, dem tiefen?
Kein heimlich Sehnen sah ich
heiß dort funkeln?
Es birgt zu deiner Seele keine
Pforte
Dein feuchter Blick? Die
Wünsche, die dort schliefen,
Wie stille Rosen in der Flut,
der dunkeln,
Sind, wie dein Plaudern:
seellos ... Worte, Worte?
1874-1929
Was ist die Welt? Ein ewiges
Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit
strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit
schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu
uns spricht
Und jedes Menschen wechselndes
Gemüt,
Ein Strahl ist’s, der aus
dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend
andre flicht,
Der unbemerkt verhallt,
verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für
sich allein,
Voll süß-geheimer, nie
vernommner Töne,
Begabt mit eigner,
unentweihter Schöne,
Und keines Andern Nachhall,
Widerschein.
Und wenn du gar zu lesen drin
verstündest,
Ein Buch, das du im leben
nicht ergründest.
1874-1929
Heiligen Mitleids rauschende
wellen,
Klingend an jegliches Herze
sie schlagen;
Worte sind Formeln. die
könnens nicht sagen,
Können nicht fassen die
Geister, die hellen.
Frei sind die Seelen, zu
jubeln, zu klagen,
Ahnungen dämmern und Kräfte
erschwellen:
Töne den Tönen sich zaubrisch
gesellen:
Gilt es dem Heute, den
kommenden Tagen?
Wer will es deuten, - ein
gärendes Wühlen,
Regellos göttlich, - wer will
erlauschen
Heldenhaft höchstes und
heißestes Fühlen,
Feuerlodern und
Stromesrauschen ...?
Doch es beherrscht das
Titanengetriebe
Bebende Ahnung erlösender
Liebe.