1806 – 1882
Jannuar Den edlen Frauen
Vom Paradies kommt Poesie
gegangen,
Wie blühen unter ihrem Fuß die
Auen,
In Lüften jubeln Sänger hoch
im Blauen,
An Wunderbäumen goldne Früchte
prangen.
Doch ach, die Welt trägt nicht
nach ihr Verlangen,
Und freut sich nur an
Wirklichkeit, der grauen;
Da flüchtet schüchtern hin zu
holden Frauen,
Das fremde Kind mit
schamerglüh’ten Wangen.
In ihrem Kreise fühlt sie sich
geborgen,
Ein lichtes Reich des Schönen
baut sie auf,
Weit außen liegen Erdenmüh’
und Sorgen.
Sie adelt des gemeinen Lebens
Lauf,
Und jeden Zwiespalt löst sie leis’
und linde;
So naht sie euch, seid
freundlich mit dem Kinde.
Ein Götterhaupt mit idealen
Zügen,
Wie Ariadne träumerisch und
schön,
Von Strom bespült, von
weinumlaubten Höh’n
Bekränzt, seh’ ich im Thal
dich vor mir liegen.
Die Lippen schwellt ein
lächelndes Genügen
Armida dir! Gefährlichste der
Fee’n!
Rinald wird jeder, der dich
nur geseh’n,
Und Heldenkraft weißt du in
Schlaf zu wiegen.
Du schönes Haupt! ach, leider
nur Fragment;
Die einst dich trugen, stolze
starke Glieder,
Zerstreut sind sie, wie du vom
Leib getrennt.
Doch in den Trümmern noch
erkenn’ ich wieder
Der Götterbildung ewig
Element,
Urschönheit, die kein
Schicksal beugt darnieder.
Berlin
In weitgestreckter Ebne, eine
See
Von Häusern und von stolzen
Prachtpalästen,
Von Kirchen und von
hochgetürmten Vesten,
Die Riesenbärin ruht am Strand
der Spree.
Hier grünt nicht üppig Baum
und Gras und Klee,
Gemächlich darf sich nicht die
Trägheit mästen,
Fleiß, rascher Witz gedeiht
allein zum Besten
Und rüst’ger Muth bekämpft des
Mangels Weh.
Kraft ringt mit Noth und
zeitigt Frucht und Blüten,
Und Gärten sprießen aus dem
dürren Sand;
Des Himmels Ungunst muß die
Kunst vergüten.
Doch Schönheit bleibt ein
freies Götterpfand,
Auf jäher Klippe muß der Adler
horsten,
Die Nachtigall liebt laubig
dunkle Forsten.
März Schildwacht
„Das Leben ist nur
Kriegerdienst,“ der alte,
Geplagte Hiob sprach’s vor
tausend Jahren;
Bist du ein Mensch und hättest
nicht erfahren,
Daß es sich heut noch ebenso
verhalte?
Bald faßt von vorne dich der Feind,
der kalte,
Der Rücken mußt du vor dem
Freunde wahren,
Aus blauem Himmel selbst, dem
gleißend klaren,
Zuckt rasch ein Blitz, daß er
dein Haupt zerspalte.
Schildwacht halt aus! steh’
fest am Schild der Ehre!
So laß sie kommen denn, die
dunkle Stunde,
Was kann sie mehr als nur das
Leben kosten?
fest faßt die Faust im Tode
noch die Wehre,
Vorn auf der Brust schmückt
dich die Todeswunde,
Geblieben bist du – doch auf
deinem Posten!
Juni Apollo und Amor
Zum letztenmal, dort wo die
alten Rüstern
Mit grauen Weiden mischen
dunkles Laub,
Schleichst du,
sumpfqualmerzeugter Wurm, auf Raub,
Zum letzenmal nach
Menschenblute lüstern!
Schon nah’t Apoll mit
zorngeschwellten Nüstern,
So schreitet Kraft, die für
Gefahren taub,
Es schwirrt sein Pfeil, Python
sinkt in den Staub,
Ein Sonnenstrahl durchbricht
der Wolken Düstern!
Stolz blickt der Gott, doch
Amor spricht mit Lachen,
„Du trafest gut, laß
Brüderschaft und machen,
Ich übe mich auf Herzen, du
auf Drachen!“
Des Siegers Lippe zuckt des Kindes
Scherzen,
Da trifft ihn Amor’s Pfeil im
tiefsten Herzen;
Der Python schlug, erliegt der
Liebe Schmerzen!
Du alter Baum, prahlst noch
mit jungen Trieben,
Jetzt da der längste Tag doch
schon vorbei,
Erneu’st der Hoffnung grüne
Livery
Und kränzest dich, wie für ein
neues Lieben!
Ist dir noch so viel
Lenzesmuth geblieben,
Träumst du zurück dir deinen
Wonnemai?
Ach, bald ist’s Herbst, der
Winter kommt herbei,
Dann wird dein Hochzeitskranz
verdorrt zerstieben!
Und zürnend schüttelt er die
mächt’ge Krone:
„Was kümmert mich der Herbst,
du Menschenkind!
Ich grün’ und blühe nicht nach
Witz und Lohne,
Tief innen lebt, was außen
Schein gewinnt!
So oft sich neu im Mark die
Säfte rühren,
Muß ich mich neu mit Blatt und
Blüte zieren!“
An deinem Busen, heimathliche
Erde,
Laß ruh’n mich unter Aehren
und Cyanen,
Den Hauch der Kindheit laß
mich süß gemahnen,
Daß ich zu deinem Kinde wieder
werde!
Wie trug mein Herz nur
lastende Beschwerde,
Seit ich gesucht mir, fern von
hier, die Bahnen,
Seit gefolgt des eitlen
Weltsinns Fahnen,
Dem Ehrgeiz und der
Ruhmessucht Gefährde.
Hier weht mir näher doch des
Geistes Wehen,
Was fern ich suchte, lern’ ich
hier verstehen!
Ein Himmel ist’s, der über
Allen blaut!
Dieselbe Sonne, die Sankt
Peter schaut,
In deren strahlen Kreuz und
Kuppel blitzen,
Vergoldet hier des Grases
zarte Spitzen!
Das ist der kleine, kluge
Knirps Verstand,
Der sich im Oberstübchen
eingemiethet
Und Instrument und Bücher viel
zur Hand,
Still über allerlei Probleme
brütet.
Und das Gefüht, das schöne
Flügelkind,
In einer andern, sel’gen Welt
geboren,
Das tausend holde Märchen sich
ersinnt,
Hat sich das untere Geschoß
erkoren.
Beglücktes Haus, wo beide sich
vertragen,
Wo friedlich eins dem andern
Hülfe bringt,
Verstand sich liebend und
Gefühl durchdringen!
Weh’, wo sie täglich neue
Schlachten schlagen,
Bis eines ganz das andere
bezwingt,
Nie kann das Lebenskunstwerk
da gelingen!
Original
An deiner Brust hab ich, dein
Kind, gelegen
Du unbegreiflich Wunder,
Erdenleben!
Du bunter Stoff, aus dem die
Parzen weben
Ein Runenhemd zum Unheil und
zum Segen!
Schon geh’ ich abwärts jetzt
auf stillen Wegen
Und deutlicher nur fühl’ ich
noch das Streben,
Ganz wie ich bin, einfältig,
mich zu geben,
Den Stempel meines Seins
scharf auszuprägen.
„Und kann die Blume einzig so
nur blühen,
Wie in der Wurzel schon ihr
vorgeschrieben,
So wird mein Geist auch ohne
eitel Mühen
Entfalten sich den ureigenen
Trieben!
Nicht nach Botanik darf die
Blume fragen,
Sie läßt sich ruhig in’s
Register tragen!
Du wunderst dich noch, Freund,
in aller Güte,
Daß uns’re Baukunst sich nicht
kann erheben
Zu eignem Stil, daß ihr
urwüchsig Leben,
Der künstlerische Ausdruck
fehlt, die Blüte?
Seit eignes Haus geworden ist
zur Mythe,
Wie kann die Kunst dir etwas
Eignes geben?
Was hilft ihr kritisch
wiederholtes Streben,
Sie wohnt in Rom und in Athen
zur Miethe!
Das eigenste der Menschheit
ist vergessen,
Schablonenhaft lebt unser ganz
Geschlecht;
Statt Kleider auf den Leib
sich anzumessen,
Macht man sie massenhaft und
kaufgerecht –
Haus ist nur Kleid von Stein,
anstatt von Faden,
Bald, wett ich, kauft man
Häuser auch im Laden!
Du bist der blanke Stahl, will
mich bedunken,
Ich bin der harte, dunkle
Feuerstein;
Still liegt er, kalt und
unbemerkt, allein,
Von dir berührt sprüht er die
lichten Funken.
So bin ich gleich von
Dichterwonne trunken,
Trifft nur ein Blatt von dir
beschrieben ein,
Es braust und gährt in mir wie
Feuerwein
Und Schätze heben sich, die
tief versunken.
Doch wie sie lodern, sinken
bald die Flammen
Von schwerer trüber
Alltagslust erdrückt,
Dann seufz’ ich wohl, „ach
wären wir beisammen,
Nicht Einer so vom Andern weit
entrückt!“
Geduld! Laß fließen uns nach
allen Winden,
Im Meer der Liebe müssen wir
uns finden!
September Orakelspruch
Was rauscht ihr dumpf ihr
altersgrauen Eichen,
Was ächzen eure Wipfel bang im
Winde?
Klagt ihr des deutschen Volkes
Schand und Sünde
Und seines einst so hellen
Sterns Erbleichen?
Dodonna’s heil’ge Stimmen,
gebt ein Zeichen,
Das mir der Zukunft düstres
Räthsel künde,
Ob einen Trost das müde Herz
noch finde
Eh’ aller Muth und jede
Hoffnung weichen.
Da klingt es hell und heller
aus den Zweigen:
„Im eignen Busen ruht des
Glückes Loos,
Wo reiner Sinn des Schicksals
Tücke sühnt.
Was ihm gebührt, wird Jedem
nur zu eigen,
Und nur das Volk wird mächtig,
frei und groß,
Das mächtig, frei und groß zu
sein verdient.“