1806 – 1882
Juni Nachfrühling
Es mußte enden, all’ das bunte
Blüh’n,
Das ungestüme sich zum Lichte
Drängen,
Das täglich frisch erneute
Knospen.Sprengen;
Weithin ruht nun ein Meer von
Hoffnungsgrün.
Herr! laß die Stürme still
vorüberziehn,
Die Blitze rüh’n in dunkeln
Wolkenhängen,
Laß unter jubelfrohen
Luftgesängen
Sie Saaten reifen, Frücht’ in
Zweigen glüh’n!
Dann bietet sich ein seliges
Genügen
Ringsum den wonnetrunknen
Blicken dar,
Gesegnet dampft nach ernstem
Sä’n und Pflügen
Die Erde dir, ein ein’ger
Dankaltar!
Stiftshütte, decken aller
Himmel Zelt
Dein Allerheiligstes – die
ganze Welt!
Juli Die heiße Quelle
I.
Schalk Amor hat sich unter
Myrtenbäumen
Behaglich schlummernd sicher
hingestreckt,
Die Fackel glimmt zur Seite
halb versteckt,
Von neuen Siegen scheint er
süß zu träumen.
Da naht sich Psyche still den
dunklen Räumen,
Sie hat die Fackel kaum von
fern entdeckt,
Als sie die Glut, die sie so
oft geschmeckt,
Verlöschen will auf immer,
ohne Säumen.
Sie taucht sie in den Quell! –
Das Element,
Sonst feucht und kalt, zischt,
dampft, als ob es brennt;
Die arme Psyche starr vor
Schrecken findet
Die Fackel unverlöscht, den
Quell entzündet!
„Ach!“ seufzt sie, eingedenk
der eignen Schmerzen,
„Wenn Wasser selber brennt –
was sollen Herzen?“
II.
Heiß wallt der Quell – und
Amor’s Fackel zündet
So gut wie sonst, und Psyche
fühlt es tief!
Was half es ihr, daß Amor
scheinbar schlief,
Ach! seine Sicherheit war
allzuwohl begründet.
Zwar bleibt ein Trost – daß
mancher Heilung findet
Am heißen Quell, der vorher
krumm und schief
Seit manchem Jahr nur an der
Krücke lief,
Taub an den Ohren war, am Aug’
erblindet.
Gewiß, ich hüte mich damit zu
scherzen,
Denn immer ist es eine
Gottergunst,
Daß Amor’s Fackel, tödtlich
für die Herzen,
Den Körper heilt in heißer
Quelle Brunst.
Doch krankt das Herz, erlischt
das Lebenslicht,
Und Herzen leider heilt die
Quelle nicht!
November Liebfrauenmilch
O! welch’ ein Wunder steigt
zur Erde nieder!
Die runde Beere wird zum
Brüstelein,
Zur milden Muttermilch der
Feuerwein,
Und alte Zecher werden Kinder
wieder!
Ein kindlich Lallen gilt für
hohe Lieder,
Und, wie am Mutterbusen keusch
und rein,
Wir Kindlein schlafen
liebeselig ein,
Ein süß Vergessen löset sanft
die Glieder.
Liebfrauenmilch! wer mag dich
würdig preisen,
Du machst die starren Herzen
liebeweich,
Dein Wundertrank schafft aus
den Ueberweisen
Einfält’ge Kinder für das
Himmelreich.
So kommt, ihr Freunde, trinkt
euch selig jung
Und Gott gesegn’ euch solchen
Kindertrunk!