Julius Hübner                         1859

1806 – 1882

 

September                                              Lebensregel

 

Hast zu verhandeln du etwa, mein Kind,

Und sollst du deine Meinung sagen,

So mußt du stets zuvor die Andern fragen,

Die Mächtigsten – und horch’ mir auf den Wind.

 

Weißt du nur erst genau, wie sie gesinnt,

Dann stimmst du mit, du wirst dabei nichts wagen.

Zum Teufel leere Beutel, leere Magen!

Gewissen?  Dummkopf, schlag es taub und blind!

 

Verfährst du so, kommst du mir nicht zu Schaden

Und wirst der Lebensfreuden friedlich froh;

Vor bösen Hunden wahrt man sich die Waden,

 

Die guten beißen doch nicht – so wie so!

Befolge dies, geehrt gehst du zur Gruft,

Das Mittel ist so einfach: „Sei ein Schuft!“

 

 

 

Dezember                                              Jenseitige Gedanken

 

Wie lange, lange wär’ ich schon verdorben,

Wenn an versagten Wünschen man verdürbe,

Wenn man an unerfüllter Hoffnung stürbe,

Wie lange, lange wär’ ich schon gestorben!

 

Entsagung hab’ ich mir statt Tod erworben,

Das Kleinod, was man anders nicht erwürbe,

Doch ward im Kampf die Lebenskraft mir mürbe,

Schon bin ich halb der Erde abgestorben.

 

Der sonst so feste Tritt beginnt zu schwanken,

Der Blick wird trübe, stumpf das scharfe Ohr,

Die Zeit versinkt, das Ew’ge steigt empor.

 

Die Morgendämmerung der neuen Welt

Erzittert schon am nächt’gen Sternenzelt,

Erweckt in mir jenseitige Gedanken.