1806 – 1882
Juli Madonna
Maria mit dem Kinde, reinste
Blüte,
Tiefster Gedanke, den die
Kunst erkannte,
An dem sie sich zu höchster
Kraft ermannte
Wie sie ihn zu gestalten treu
sich mühte.
Da sank ein Strahl der höchsten
Vatergüte,
Die einst ihr Kind zur dunkeln
Erde sandte,
Ins Menschenherz, das
wonnevoll entbrannte,
In tausend Bildern wunderbar
erglühte.
Sie steh’n auf der
Vergangenheit Altare
Zu heil’ger Andacht immerdar
erhöht!
Denn alle Zeiten gilt das Ewig
wahre,
Ob auch der Geist stets neue
Bahnen geht.
Soll er dem höchsten Ziele
näher kommen,
Kann nur ein gläubig
Vorwärtsgehen frommen.
September Pulvis et umbra
Der Mensch ist nur ein Wort in
Sand geschrieben,
Von eines einz’gen Sommertages
Dauer,
Kaum färben sich des Abends
Schatten grauer,
Muß ihn ein leichter Windhauch
schon zerstieben.
Dahin ist er! Kaum noch die
Spur geblieben!
Und Ehrgeiz machte uns das
Leben sauer?
Wenn doch zu Asche, König oder
Bauer,
Zu gleichem Staube jeder wird
zerrieben?
O lerne Demuth, Hochmuth
dieser Erde!
Du staubgeborne
Kronenträgerschaft,
Ihr Adels-Ritter steigt vom
hohen Pferde,
Du Reichthum, und du Mann der
Geisteskraft,
Gewalt der Massen – reicht
euch still die Hände –
der hohle Schädel – das ist
Aller Ende!
November Tizian an die Parmesaner
„Ihr Parmesaner! wie war’t ihr
verblendet,
Daß ihr Allegri’s Hoheit so
verkannt,
Der jetzt mit Stolz der Eure
wird genannt,
Seit er den Heldenlauf einsam
vollendet!
Doch ob sein Geist sich
zürnend weggewendet
Von dir, du undankbares Volk
und Land,
Ließ er euch sterbend noch ein
Liebespfand,
Die Meisterwerke, derren Ruhm
nie endet.
Und ich muß heute aus der
Fremde kommen,
Um eure blöden Augen
aufzuthun,
Nichts kann es mehr dem großen
Todten frommen,
Er ist gegangen, selig
auszuruhn!
Doch ihr bewahrt den Spruch
euch selbst zur Schande,
Daß der Prophet nichts gilt im
Vaterlande!“
Dezember Kunstwerk der Zukunft
Geheimnißvoll des ew’gen
Lebens Keimen
Ahnt’ ich in meines Lebens
Lust und Leid,
Sinnbild des fernen Morgen
ward das Heut,
Und Jenseit strahlte aus der
Erde Träumen.
Und was ich so erlebte im
Geheimen,
Bewegt vom eignen und dem
Drang der Zeit,
Mit meiner Seel’ in Frieden
und im Streit,
Das hab ich anvertraut den
schlichten Reimen.
Nur Studien sind es, wie wir
Maler sagen,
Zu einem schweren, ernsten
Zukunftswerke,
Was ich zum letzten Ziele mir
erwähle.
Ein Lebenlang im Herzen still
getragen,
Vollendet nur durch Gottes
Kraft und Stärke:
Das höchste Kunstwerk, meine
eigne Seele!