1806 – 1882
Jannuar Deutsche Maler
Den deutschen Malern magst du
doppelt lohnen,
Daß sie drei Vierteljahr in
Nacht gesessen
Und doch, Herr Gott, die Farbe
nicht vergessen
In ihres grauen Nordens
Winterzonen.
Ja, sie verdienen dreifach
Lorberkronen,
Willst ihr Verdienst du
unparteiisch messen
Mit den beglückten Künstlern,
die statt dessen
Vergnügt im hellen bunten
Süden wohnen.
Kein Wunder, daß sie lieber
sich beflissen
Zu zeichnen in den grauen
Finsternissen,
Zu stechen, schneiden, ätzen
und radiren.
Ja, warst du, Dürer, Meister
auserkoren,
Anstatt zu Nürnberg nur, in
Rom geboren,
Du konntest über Sanzio
triumphieren!
Februar Wort und That
„Am Anfang war das Wort,“ das
deuten gern
Die Kritiker auf ihren guten
Rath.
Der Künstler sagt „Am Anfang
war die That;“
Und er hat Recht, so denk’
ich, meine Herrn!
Die Weisen stehn behaglich
hübsch von fern,
Der Künstler streut indessen
still die Saat,
Scheut keine Sorg’ und Mühe
früh und spat,
Vertraut und baut auf Gott und
seinen Stern.
Und sind die Saaten herrlich
aufgegangen,
Dann ruft Kritik: Schaut her,
die Ehr’ ist mein,
Mein Rath erschuf so goldner
Früchte Prangen.
Wenn aber, wie’s wohl kommt, die
Frucht mißrathen,
Dann hat Kritik nicht minder
Recht zu schrei’n –
Und Worte siegen immer über
Thaten.
„Schau’ her, der Erde
allerhöchste Throne
Und ihre Herrlichkeiten geb’
ich dir,
Wenn du anbetend niederfällst
vor mir!“
So sprach der Höllenfürst zu
Gottes Sohne.
„Hinweg, Versucher, mit dem
eitlen Lohne!
Mein Reich,“ spricht Christus,
„es ist nicht von hier,
Gott nur allein anbeten sollen
wir,
Frei wähl’ ich der Entsagung
Dornenkrone.“
Umsonst knirscht Satan,
schäumt vor grimmer Wuth;
Erlöschend, wie vom Himmel
fällt ein Stern,
Stürzt er hinab in ew’ge
Hassesglut.
Und Engelscharen schweben um
den Herrn,
Wie lichte Gottgedanken, die
erschienen
Anbetend und lobsingend ihm zu
dienen.
Wie will sich Alles schon so
früh entfalten!
Die kahlen Zweige krönet
Hoffnungsgrün,
Die Knospen schwellen, schon
beginnt das Blüh’n,
Geheimnißvoller Lenzeskräfte
Walten.
Da läßt der Winter noch einmal
die kalten,
Des Nordens grimme
Sturmesschergen zieh’n –
Ach! arme Blüten, Tod lohnt
euer Müh’n,
Und Millionen knickt sein
grausam Schalten.
Ihr Märtyrer der Macht des
Freiheitsdranges,
Euch grüßt der Erstling meines
Frühlingssanges,
Für euren Traum setzt ihr das
Leben ein!
Ihr Osterbotschaft ewig neu
Verkünder,
Ihr Auferstehungsglauben treu Begründer,
Mit Thränen weih’ ich euren
Leichenstein!
März Maria
Maria!
Bild aus heil’gen Wundertagen,
Magd Gottes, weiße Lilie
makellos,
In Unschuld nur und stiller
Demuth groß,
Eva des Geistes, der die
Schlang’ erschlagen!
Gebenedeit das ew’ge Wort zu
tragen
Im reinen, keuschen,
jungfräulichen Schooß;
Geheimnißvoll beseeligendes
Loos,
Mit Menschenworten nimmer
auszusagen.
Die höchste Wonne und der
tiefste Schmerz,
In Bethlehem und Golgatha
empfunden,
Verklärte und zerriß dein
Mutterherz!
Ein Sternenkranz von Liebe dir
gewunden,
Umfängt dein Haupt mit ew’ger
Strahlenkrone,
Des Herren Mutter, heilig in
dem Sohne!
Du hast der Nacht als
funkelndes Geschmeide
Orion’s Sternenkranz auf’s
Haupt gedrückt,
Mit Welten statt Demanten reich
gestickt,
Den ganzen Himmel ihr zum
Feierkleide.
Die Sonne und den Mond, du
hast sie beide
Mit Strahlenkronen königlich
geschmückt,
Und was mein Aug’ in ihrem
Glanz erblickt,
Ist all’ dein Werk und deines
Schaffens Freude.
Und doch verbirgst du dich dem
stolzen Wissen,
Du thronst in einem solchen
Meer von Licht,
Daß wir die blöden Augen
schließen müssen.
Nur eine Stimme tief im Herzen
spricht:
„Du bist!“ Im Glauben nur ist
uns beschieden,
Der höher ist als die
Vernunft, dein Frieden!
O nehmt mich auf! Bin ich auch
nur ein Kind,
Ein schwaches Kind, ein armes,
hülflos kleines,
Doch führ’ ich euch aus dieser
Welt des Scheines
Zum ew’gen Sein, schilt auch
der Spott mich blind!
Vom Himmel komm’ ich,
himmlisch mild gesinnt,
Und was es Hohes giebt und
heilig Reines,
Was einzig Noth thut, nur ein
ewig Eines,
Das höchste Gut erringt wer
mich gewinnt.
Ich lehr’ euch wieder wie die
Kinder werden,
Der höchsten Weisheit
allertiefsten Grund,
Den einst der Welt verkündet
Gottesmund.
O schmeckt und seht in mir der
Gaben Fülle,
Des ew’gen Friedens wonnevolle
Stille,
Und aller Himmel Seligkeit auf
Erden!
April Ostertag
Durch alle Himmel jauchzt: „Es
ist vollbracht!“
Die ew’ge Liebe hat nun
überwunden,
Vorüber sind die schweren Leidensstunden,
Vorbei des grabes tiefe
Todesnacht.
Zu neuem Leben ist der Geist
erwacht,
Das Dunkel ist vor seinem
Blick verschwunden,
Im Abgrund liegt die
Finsterniß gebunden,
Und ewig siegreich thront des
Lichtes Macht!
O werde Licht auch du, o meine
Seele,
Und strahle wieder deines
Gottes Güte
Wie dich getroffen seiner
Liebe Strahl!
Horch! Jubelsang entströmt der
Lerchen Kehle,
Die Sonne weckt aus dürren
Zweigen Blüte,
Und sieh! es grünt das tiefste
fernste Thal.
Herz schäme dich, in diesen
Frühlingstagen,
Wo Sonne hell zur Erde
niederglänzt,
Die, eine Braut, mit Blüten
sich bekränzt,
Nicht frisch und froh und
hochzeitlich zu schlagen.
Erhebe dich, die Sorgen zu
verjagen,
Ergreif’ den Becher, den der
Lenz kredenzt,
Der alles Daseins Fülle reich
ergänzt,
Nach Wintersnoth und herben
Lebensplagen.
Verschwunden ist des Winters
ödes Grauen;
Ein Meer von Grün soweit die
Blicke schauen
Hoch überwölbt vom Himmel nur,
dem blauen!
Komm Hoffnung, Göttin mit dem
Immergrün,
Laß deine Farbe, siegreich auf
den Auen,
Den Augentrost auch in die
Herzen ziehn.
Juli Eichen und Raupen
Von dem Geschmeiß der Raupen
abgefressen
In diesem Lenz, der Eichen
junge Blätter,
Die grünen jetzt nur üppiger
und fetter,
Die Raupen sind verdorben und
vergessen.
Die Eichen klagt’ ich unnütz
unterdessen,
Den Raupen wünschte ich ein
Donnerwetter –
Doch Klag’ und Zorn
belächelten die Götter,
Die Noth und Hülfe lange schon
bemessen.
So nagt auch an Germania’s
Eichenkrone
Viel häßliches Gewürm die
frischen Triebe
Und wehrt dem Hoffnungsgrün
mit kaltem Hohne.
Laß dich nicht irren, Herz,
durch Zorn und Liebe,
Denn nicht umsonst sah’st du
ein solches Zeichen,
„Laß Raupen fressen, Eichen
bleiben Eichen!“
Ein armes Weiblein lebt im
schlimmsten Frieden
Mit ihrem Mann, der trank, war
liederlich,
Verspielte alles, schlug sie
jämmerlich,
Bis ihn ein jäher Tod von ihr
geschieden.
„Gott Lob und Dank! nun sei
sie mir zufrieden;“
So sprach die Nachbarin
vernünftiglich;
Die Witwe aber weinte
bitterlich
Und schluchtzte nur: „Ach!
wär’ er noch hienieden!“
Da sprach die andre: „Das
begreif ich nicht,
Was hat sie denn an solchem
Kerl verloren?“
„Ach, Nachbarin,“ die arme
Wittwe spricht,
„Als ich ihn nahm, war ich so
jung doch noch,
Die Kinder sind doch sein, die
ich geboren,
Schlug er mich auch, es war
mein Heinrich doch!“
Mit Sorge ketten sie den
Menschen fest,
Die Erdenmächte, die das Leben
lenken,
Ach, alles tapf’re Wollen,
kühne Denken,
Was hilft’s, wenn uns die
Sorge nie verläßt.
Titanenstolz, den letzten,
armen Rest
Von Ahn Prometheus herrlichen
Geschenken,
Wir müssen todt ihn in die
Brust versenken,
Versetzen für ein warmes,
weiches Nest.
Dann knirschen wir vergebens
mit den Zähnen
Ins Stahlgebiß und reißen an
den Ketten,
Gefangner Löwe schüttelt so
die Mähnen
Und kann sich doch nicht aus
den Eisen retten;
Bis nie mehr angeborner Muth
erwacht
Und zur Gewohnheit wird die
Niedertracht.
Was mußt du immer nach
Versagtem greifen,
Du meine Seele, der so viel
gewährt?
Mit Nektar und Ambrosia
genährt,
Willst von der Götter Heerd du
rastlos schweifen?
Wenn über’m Horizont in
blassen Streifen
Vom ersten Licht die
Dunkelheit verzehrt,
Erwachst du nur, dem Tage
zugekehrt,
Um Wunsch auf Wunsch
vergeblich neu zu häufen.
Schau auf! Das Herrlichste ist
dir gegeben
In deiner seele zartem
Saitenspiele,
Ein Echo tiefster Wonn’ und
Leidgefühle!
Für jedes höchste Gut im
Menschenleben,
Für Freiheit, deines Volkes
tiefen Schmerz,
Für seine Herrlichkeit ein
warmes Herz!
Tief über dem vergelbten Feld
in Ähren
Ruht noch ein letzter
düsterrother Schein,
Ein Lüftchen wiegt die Halme
säuselnd ein,
Die Häupter nicken träumend
schon, die schweren.
Da sieh! Im Osten fängt sich’s
an zu klären,
Aus Wolken tritt der Vollmond
silberrein,
Und all des Tages Lärm und
Lust und Pein
Klingt auf in sanfte Harmonie
der Sphären.
Wie nimmt dein Schein die
Seele mir gefangen,
Du mildes Licht, so sanft, so
geisterbleich,
Wie eines Mutterauges
Leidensblick!
Und Thränen rinnen über meine
Wangen,
Das harte Herz, wie wird es
weit und weich,
Sehnt sich, ein Kind, ans
Mutterherz zurück.
August Einsamkeit
O Einsamkeit, du Göttin
heil’ger Stille,
Du führst mich durch die
Nacht, die sternenhelle,
Begleitest mich zu meiser
engen Zelle
Und mit dir naht mir der
Gedanken Fülle.
Du deutest mir die Blätter der
Sybille,
Und aus der Ewigkeiten klarer
Quelle
Netzt meine Lippen höchster
Weisheit Welle,
Nährt meine Seele Einsicht,
Kraft und Wille.
Nur seichte Köpfe sind es, die
dich meiden,
Die an der Dinge Oberfläche
kleben,
Vor deinem Spiegel ernster
Selbstschau beben.
Wenn sie dich kennten, würden
sie mich neiden!
Du, Blöden nur und Bösen
fürchterlich,
Erhabne Freundin, dir ergeb’
ich mich!
O du geduldigster der Erdensöhne,
Getreuer Michel, alte deutsche
Haut,
Hast du Tabak, Bier, Wurst und
Sauerkraut,
Dann gilt dir’s gleich, ob
dich die Welt verhöhne!
Du schwärmst dabei gemüthlich
für das Schöne,
Hast viel gelernt und, was
noch mehr, verdaut;
Lebst, wenn Musik, dein
Liebling, dich erbaut,
Mehr als auf Erden, in dem
Reich der Töne.
Manch’ einzig große That hast
du vollbracht,
Unsterblich Ew’ges still dir
ausgedacht
Und Licht gebracht und Geist
in tiefe Nacht.
Schlicht wie ein Kind, und
doch nicht zu ergründen,
Sanft wie ein Lamm, läßt du
dich doch nicht binden,
Stark wie ein Gott, die Welt
überwinden!
Ach! wecke nicht die
halberloschnen Triebe,
Die still wie Kohlen unter
Asche glühen!
Ein leiser Hauch! Sieh’ wie
die Funken sprühen,
Amor, du Schelm, und neu
entbrennt die Liebe!
Du weißt es wohl, Gelegenheit
macht Diebe,
Und brichst die Rosen wenn und
wo sie blühen,
Frägst nicht nach Dornen,
achtest nicht der Mühen,
Ob bitt’re Reu’ nach
flücht’ger Lust verbliebe.
Laß doch dem armen Herzen noch
den Frieden,
Der Musen holden Umgang laß
ihm noch,
Sie fliehen dich, du
Unruhstifter, doch!
Du füllst das Herz nur mit dem
Bild der Einen,
Raubst ihm die Zeit, zur
Thätigkeit beschieden,
Machst, wie ein Kind, es
lachen nur und weinen!
Oktober Drauf und Dran!
Bei Gott! Es gilt nicht länger stille sitzen!
Heraus du feine Klinge! spitze
Feder!
Heraus bemooste Bursche, zieht
vom Leder,
Auf Hieb und Stich mit blutig
scharfen Witzen!
Wo sind sie, die vor Angst und
Noth jetzt schwitzen,
Sonst stolz zum Himmel regend
wie die Ceder?
Frisch auf und vor, so sage
sich ein Jeder,
Nur Tinte gilt’s statt Blut
jetzt zu verspritzen!
Hie Luther, Hutten, all’ ihr
guten Geister!
Seid mit uns! Weckt das Wort
ihr Wortes Meister!
Und ob wir ganz in heil’gem
Ernst erglühn,
Laßt kecken Witz in hellen
Funken sprühn!
Mir nach Gesellen! tapfer
drauf und dran:
„Das freie Wort, sie sollen’s
lassen stahn!“
Als Metternich gesponnen klar
das Werg
Der Diplomaten am Congreß´zu
Wien,
Und Blücher nicht den Säbel
durfte ziehn,
Hat Riesenheldenthat verhunzt
ein Zwerg.
Wie nun vollendet war das
saub’re Werk
Und Orden rings und Ehren man
verliehn,
Empfing der Fürst für alle
sein Bemüh’n
Des Rheingau’s Krone, den
Johannisberg!
Den besten Wein! für alle
Schmach und Schande,
Die angethan dem deutschen
Volk und Lande,
Das Haupt der schlauen
Diplomatenbande!
den besten Wein für eines
Schelmstücks Mache!
Der Satan hört’s und rief mit
lauter Lache:
„Das ist wahrhaftig eine
deutsche Rache!“
Da stehen sie in blitzenden
Gewaffen,
Die stolzen Junker, eine Wand
von Stahl,
Gebrochen prallt zurück der
Sonne Strahl,
Die Lanzen starren auf mein
Volk, straffen!
Allmächtiger! Willst du den
Sieg uns schaffen,
Was ist vor dir der Feinde
Macht und Zahl!
Laß eh’ wir stürmen ab der
Höh’ zu Thal,
Uns im Gebet die Kraft
zusammenraffen!
Du hast dem Hirten in die Hand
gegeben
Den Goliath – du wirst auch
uns erheben,
Ja, mich durchzuckt’s wie
heil’ge Todeslust!
Hinab! In Lanzen stürz’ ich meine
Brust
Und wie ich sie im Tod
zusammenfasse:
Schützt Weib und Kind! Der
Freiheit eine Gasse!
„O Rom, wann werden deine
Hügel blühen,
Wann deine Thäler Weizen
wieder tragen,
Und Winzer, Schnitter, wie in
alten Tagen
Durch deine Thore jubelnd
wieder ziehen?
Wann wird die Luft voll
Todesodem fliehen
Von öden Flächen und der
Bettler Klagen,
Die in der Armuth Fesseln du
geschlagen,
Und Segen wieder lohnen
Arbeitsmühen?“
Wenn deines Priesterkönigs
Macht gebrochen,
Die Demuth wieder Christi
Kirche führt,
In Geist und Wahrheit Gott den
Herrn zu suchen.
Wenn Roma’s Haupt Italien
zugesprochen,
Die Christenheit den frommen
Hirten kührt –
Der alle Völker segnet, statt
zu fluchen!
„Ich bin ein Mensch, so sollt
ihr Christen sagen,
Daß ich ein Mensch bin, das
hat Gott gemacht,
Deß habe Knecht und Magd
getreulich Acht,
Solch Gottesgnadenthum soll
euch behagen.
Ihr Fürsten aber hoch zu Roß
und Wagen,
Wißt, daß eu’r Amt und
Herrlichkeit und Pracht,
Doch nur von Menschen ist zu
Weg gebracht,
Als Menschen nur sollt Gottes
Gnad’ ihr tragen.
Ein Mensch zu sein, das ist
der höchste Ruhm,
Weil Gottes Werk mehr als der
Menschen Werke,
Der Mensch von Gott, der Fürst
von Menschen nur.“
So Luther. Folgt ihr seiner
klaren Spur,
Wenn Kraft der Fürsten
Gottesgnadenthum
Ihr über Menschenrecht setzt
Recht der Stärke?
als seine protestantische
Polemik erschien
Du wolltest auch „für deinen
Heiland reiten!“
Ein Ritter Christi für sein
heilig Recht,
Führst du als Schild sein
Kreuz nur im Gefecht
In diesem Zeichen mußt du
siegreich streiten!
Laß sie sich rüsten mit
Spitzfindigkeiten,
Du bleibst, wie Luther, lieber
recht und schlecht
Ein Gotteskind, als eines Papstes
Knecht,
Durch Christus frei für alle
Ewigkeiten.
Ja! schwinge frisch des Wortes
scharfes Schwert,
Du deines Volkes Ritter theuer
werth,
Und achte nicht die Macht und
Zahl der Feinde.
Es steh’n zu dir, du deutscher
Ordensmeister
Der unsichtbaren Kirche, alle
Geister
Der Gott im Geist anbetenden
Gemeinde!
Der alte Gott
Die junge Welt läuft nach dem
neuen Götzen,
Der alte Gott will ihnen nicht
behagen,
Sie wollten sich ergötzen nur,
nicht plagen,
Das alte Kleid weicht eitel
bunten Fetzen.
Wir Alten wollen uns zur Ruhe
setzen,
Uns nicht erschöpfen mit
unnützen Klagen,
Bis es sich selbst erschöpft,
das Reue tragen,
An alter Wahrheit unsre Seele
letzen.
Das echte Alte gilt für alle
Zeit,
Sie webt ihm nur das stets
erneute Kleid;
Die blöde Menge sucht das
falsche Neue,
Daß sie am Schein sich eine
Zeitlang freue,
Doch kömmt die Noth – Oelgötz
wird zu Spott,
Dann kehrt das Volk zu seinem
alten Gott.
Dem Dichter kann der Dichter
nur erwidern!
Begeist’rung fragt nicht erst
nach Preßgesetzen,
Riß Dichterschwung den Purpur
selbst in Fetzen,
Nur Lieder sühnen, was gefehlt
in Liedern!
Mit Preßzwang könnt ihr nur
das Wort erniedern;
Wollt ihr statt freier Musen,
feile Metzen?
Laßt unfruchtbare Demagogenhetzen,
Des Wortes Freiheit laßt
Apollo’s Brüdern!
Der Sänger wandelt hoch ob
diesem Leben,
Das ihr umgarnt mit
bürgerlicher Enge,
Ihn bindet höheren Gesetzes
Strenge.
Und wollt durchaus ihr zu
Gerichte sitzen,
Laßt freie Männer das Verdict
uns geben,
Sie werden auch des Dichters
Freiheit schützen.
November Herbstzeitlosen
Verblüht wie lange, lange sind
die Rosen!
Verbrannt vom heißen Sommer
ruht die Flur,
Auf feuchter Wiesen grünem
Teppich nur,
Steh’n „nackte Jungfraun,“
tausend Herbstzeitlosen!
Frei zeigen sie den leib, den
nackt und bloßen,
Verdeckt von keines grünen
Blattes Spur,
Unschuld’ge jüngste Kinder der
Natur,
Die bald verblüh’n in rauher
Stürme Tosen.
Von eures Räthseldaseins Reiz
bezwungen,
Deß sinn’ge Deutung Volkesmund
gelungen,
Sei Blütenjungfrau’n euch dies
Lied gesungen:
„Die wahre Schönheit ist am
schönsten kleidlos,
Wenn sie entzückten Blick sich
bietet neidlos,
Vergänglich hier, doch jenseit
ewig zeitlos.“
Nun kommt der Herbst und
streut die welken Blätter
Herab von dem entlaubten
Lebensbaum,
Hin ist der Sommer, hin der
Frühlingstraum,
In Nacht und Nebel nahen Wind
und Wetter.
Die Sänger floh’n! Ihr frohes
Lenzgeschmetter
Klingt halb vergessen in den
Ohren kaum,
Verwandelt klagt die Seele
Zeit und Raum,
Da naht ein himmlisch Wesen
ihr als Retter.
Erinnerung! die Mutter aller
Musen,
Mnemosyne von Griechenmund
benannt,
Sie wählt zum Tempel sich des
Menschen Busen.
Und was das Leben Herrlichstes
geboten,
Was unerbittlich nahm des
Schicksals Hand,
Weckt sie zur Auferstehung von
den Todten!
Soviel, was ich für fest
hielt, seh’ ich wanken!
Es reißt den Freund die Welt
uns von der Seite,
Die Kinder ziehen aus dem Haus
ins Weite,
Die Liebe schweigt, nichts
bleibt mir als – Gedanken!
Sie sind mein Hofstaat;
streiten sich und zanken
Vor meinem Thron, und schlicht
ich ihre Streite,
So schmeicheln sie, wie jedem
Herrn die Leute,
Die seinen Launen nur ihr
Dasein danken.
Die Starken kommen stolz in
Stahl und Eisen,
Die Zärtlichen in vollen Rosenkränzen,
Die heitern Kinder froh in
Ringeltänzen.
Die Stillen nahen sich, die
edlen Weisen,
Die Büßer wanken stumm in
Trauerflören –
„Genug, genug! wer kann euch
alle hören!“