Julius Hübner                         1863

1806 – 1882

 

Jannuar                                                  Deutsche Maler

 

Den deutschen Malern magst du doppelt lohnen,

Daß sie drei Vierteljahr in Nacht gesessen

Und doch, Herr Gott, die Farbe nicht vergessen

In ihres grauen Nordens Winterzonen.

 

Ja, sie verdienen dreifach Lorberkronen,

Willst ihr Verdienst du unparteiisch messen

Mit den beglückten Künstlern, die statt dessen

Vergnügt im hellen bunten Süden wohnen.

 

Kein Wunder, daß sie lieber sich beflissen

Zu zeichnen in den grauen Finsternissen,

Zu stechen, schneiden, ätzen und radiren.

 

Ja, warst du, Dürer, Meister auserkoren,

Anstatt zu Nürnberg nur, in Rom geboren,

Du konntest über Sanzio triumphieren!

 

 

 

Februar                                                  Wort und That

 

„Am Anfang war das Wort,“ das deuten gern

Die Kritiker auf ihren guten Rath.

Der Künstler sagt „Am Anfang war die That;“

Und er hat Recht, so denk’ ich, meine Herrn!

 

Die Weisen stehn behaglich hübsch von fern,

Der Künstler streut indessen still die Saat,

Scheut keine Sorg’ und Mühe früh und spat,

Vertraut und baut auf Gott und seinen Stern.

 

Und sind die Saaten herrlich aufgegangen,

Dann ruft Kritik: Schaut her, die Ehr’ ist mein,

Mein Rath erschuf so goldner Früchte Prangen.

 

Wenn aber, wie’s wohl kommt, die Frucht mißrathen,

Dann hat Kritik nicht minder Recht zu schrei’n –

Und Worte siegen immer über Thaten.

 

 

 

Versuchung

 

„Schau’ her, der Erde allerhöchste Throne

Und ihre Herrlichkeiten geb’ ich dir,

Wenn du anbetend niederfällst vor mir!“

So sprach der Höllenfürst zu Gottes Sohne.

 

„Hinweg, Versucher, mit dem eitlen Lohne!

Mein Reich,“ spricht Christus, „es ist nicht von hier,

Gott nur allein anbeten sollen wir,

Frei wähl’ ich der Entsagung Dornenkrone.“

 

Umsonst knirscht Satan, schäumt vor grimmer Wuth;

Erlöschend, wie vom Himmel fällt ein Stern,

Stürzt er hinab in ew’ge Hassesglut.

 

Und Engelscharen schweben um den Herrn,

Wie lichte Gottgedanken, die erschienen

Anbetend und lobsingend ihm zu dienen.

 

 

 

Märtyrer

 

Wie will sich Alles schon so früh entfalten!

Die kahlen Zweige krönet Hoffnungsgrün,

Die Knospen schwellen, schon beginnt das Blüh’n,

Geheimnißvoller Lenzeskräfte Walten.

 

Da läßt der Winter noch einmal die kalten,

Des Nordens grimme Sturmesschergen zieh’n –

Ach! arme Blüten, Tod lohnt euer Müh’n,

Und Millionen knickt sein grausam Schalten.

 

Ihr Märtyrer der Macht des Freiheitsdranges,

Euch grüßt der Erstling meines Frühlingssanges,

Für euren Traum setzt ihr das Leben ein!

 

Ihr Osterbotschaft ewig neu Verkünder,

Ihr Auferstehungsglauben treu Begründer,

Mit Thränen weih’ ich euren Leichenstein!

 

 

 

März                                                      Maria

 

Maria! Bild aus heil’gen Wundertagen,

Magd Gottes, weiße Lilie makellos,

In Unschuld nur und stiller Demuth groß,

Eva des Geistes, der die Schlang’ erschlagen!

 

Gebenedeit das ew’ge Wort zu tragen

Im reinen, keuschen, jungfräulichen Schooß;

Geheimnißvoll beseeligendes Loos,

Mit Menschenworten nimmer auszusagen.

 

Die höchste Wonne und der tiefste Schmerz,

In Bethlehem und Golgatha empfunden,

Verklärte und zerriß dein Mutterherz!

 

Ein Sternenkranz von Liebe dir gewunden,

Umfängt dein Haupt mit ew’ger Strahlenkrone,

Des Herren Mutter, heilig in dem Sohne!

 

 

 

Gottesdasein

 

Du hast der Nacht als funkelndes Geschmeide

Orion’s Sternenkranz auf’s Haupt gedrückt,

Mit Welten statt Demanten reich gestickt,

Den ganzen Himmel ihr zum Feierkleide.

 

Die Sonne und den Mond, du hast sie beide

Mit Strahlenkronen königlich geschmückt,

Und was mein Aug’ in ihrem Glanz erblickt,

Ist all’ dein Werk und deines Schaffens Freude.

 

Und doch verbirgst du dich dem stolzen Wissen,

Du thronst in einem solchen Meer von Licht,

Daß wir die blöden Augen schließen müssen.

 

Nur eine Stimme tief im Herzen spricht:

„Du bist!“ Im Glauben nur ist uns beschieden,

Der höher ist als die Vernunft, dein Frieden!

 

 

 

Amor divino

 

O nehmt mich auf! Bin ich auch nur ein Kind,

Ein schwaches Kind, ein armes, hülflos kleines,

Doch führ’ ich euch aus dieser Welt des Scheines

Zum ew’gen Sein, schilt auch der Spott mich blind!

 

Vom Himmel komm’ ich, himmlisch mild gesinnt,

Und was es Hohes giebt und heilig Reines,

Was einzig Noth thut, nur ein ewig Eines,

Das höchste Gut erringt wer mich gewinnt.

 

Ich lehr’ euch wieder wie die Kinder werden,

Der höchsten Weisheit allertiefsten Grund,

Den einst der Welt verkündet Gottesmund.

 

O schmeckt und seht in mir der Gaben Fülle,

Des ew’gen Friedens wonnevolle Stille,

Und aller Himmel Seligkeit auf Erden!

 

 

 

April                                                       Ostertag

 

Durch alle Himmel jauchzt: „Es ist vollbracht!“

Die ew’ge Liebe hat nun überwunden,

Vorüber sind die schweren Leidensstunden,

Vorbei des grabes tiefe Todesnacht.

 

Zu neuem Leben ist der Geist erwacht,

Das Dunkel ist vor seinem Blick verschwunden,

Im Abgrund liegt die Finsterniß gebunden,

Und ewig siegreich thront des Lichtes Macht!

 

O werde Licht auch du, o meine Seele,

Und strahle wieder deines Gottes Güte

Wie dich getroffen seiner Liebe Strahl!

 

Horch! Jubelsang entströmt der Lerchen Kehle,

Die Sonne weckt aus dürren Zweigen Blüte,

Und sieh! es grünt das tiefste fernste Thal.

 

 

 

Lenzhoffnung

 

Herz schäme dich, in diesen Frühlingstagen,

Wo Sonne hell zur Erde niederglänzt,

Die, eine Braut, mit Blüten sich bekränzt,

Nicht frisch und froh und hochzeitlich zu schlagen.

 

Erhebe dich, die Sorgen zu verjagen,

Ergreif’ den Becher, den der Lenz kredenzt,

Der alles Daseins Fülle reich ergänzt,

Nach Wintersnoth und herben Lebensplagen.

 

Verschwunden ist des Winters ödes Grauen;

Ein Meer von Grün soweit die Blicke schauen

Hoch überwölbt vom Himmel nur, dem blauen!

 

Komm Hoffnung, Göttin mit dem Immergrün,

Laß deine Farbe, siegreich auf den Auen,

Den Augentrost auch in die Herzen ziehn.

 

 

 

Juli                                                         Eichen und Raupen

 

Von dem Geschmeiß der Raupen abgefressen

In diesem Lenz, der Eichen junge Blätter,

Die grünen jetzt nur üppiger und fetter,

Die Raupen sind verdorben und vergessen.

 

Die Eichen klagt’ ich unnütz unterdessen,

Den Raupen wünschte ich ein Donnerwetter –

Doch Klag’ und Zorn belächelten die Götter,

Die Noth und Hülfe lange schon bemessen.

 

So nagt auch an Germania’s Eichenkrone

Viel häßliches Gewürm die frischen Triebe

Und wehrt dem Hoffnungsgrün mit kaltem Hohne.

 

Laß dich nicht irren, Herz, durch Zorn und Liebe,

Denn nicht umsonst sah’st du ein solches Zeichen,

„Laß Raupen fressen, Eichen bleiben Eichen!“

 

 

 

Treue Liebe

 

Ein armes Weiblein lebt im schlimmsten Frieden

Mit ihrem Mann, der trank, war liederlich,

Verspielte alles, schlug sie jämmerlich,

Bis ihn ein jäher Tod von ihr geschieden.

 

„Gott Lob und Dank! nun sei sie mir zufrieden;“

So sprach die Nachbarin vernünftiglich;

Die Witwe aber weinte bitterlich

Und schluchtzte nur: „Ach! wär’ er noch hienieden!“

 

Da sprach die andre: „Das begreif ich nicht,

Was hat sie denn an solchem Kerl verloren?“

„Ach, Nachbarin,“ die arme Wittwe spricht,

 

„Als ich ihn nahm, war ich so jung doch noch,

Die Kinder sind doch sein, die ich geboren,

Schlug er mich auch, es war mein Heinrich doch!“

 

 

 

Lebensfesseln

 

Mit Sorge ketten sie den Menschen fest,

Die Erdenmächte, die das Leben lenken,

Ach, alles tapf’re Wollen, kühne Denken,

Was hilft’s, wenn uns die Sorge nie verläßt.

 

Titanenstolz, den letzten, armen Rest

Von Ahn Prometheus herrlichen Geschenken,

Wir müssen todt ihn in die Brust versenken,

Versetzen für ein warmes, weiches Nest.

 

Dann knirschen wir vergebens mit den Zähnen

Ins Stahlgebiß und reißen an den Ketten,

Gefangner Löwe schüttelt so die Mähnen

 

Und kann sich doch nicht aus den Eisen retten;

Bis nie mehr angeborner Muth erwacht

Und zur Gewohnheit wird die Niedertracht.

 

 

 

Meine Seele

 

Was mußt du immer nach Versagtem greifen,

Du meine Seele, der so viel gewährt?

Mit Nektar und Ambrosia genährt,

Willst von der Götter Heerd du rastlos schweifen?

 

Wenn über’m Horizont in blassen Streifen

Vom ersten Licht die Dunkelheit verzehrt,

Erwachst du nur, dem Tage zugekehrt,

Um Wunsch auf Wunsch vergeblich neu zu häufen.

 

Schau auf! Das Herrlichste ist dir gegeben

In deiner seele zartem Saitenspiele,

Ein Echo tiefster Wonn’ und Leidgefühle!

 

Für jedes höchste Gut im Menschenleben,

Für Freiheit, deines Volkes tiefen Schmerz,

Für seine Herrlichkeit ein warmes Herz!

 

 

 

Sommerabend

 

Tief über dem vergelbten Feld in Ähren

Ruht noch ein letzter düsterrother Schein,

Ein Lüftchen wiegt die Halme säuselnd ein,

Die Häupter nicken träumend schon, die schweren.

 

Da sieh! Im Osten fängt sich’s an zu klären,

Aus Wolken tritt der Vollmond silberrein,

Und all des Tages Lärm und Lust und Pein

Klingt auf in sanfte Harmonie der Sphären.

 

Wie nimmt dein Schein die Seele mir gefangen,

Du mildes Licht, so sanft, so geisterbleich,

Wie eines Mutterauges Leidensblick!

 

Und Thränen rinnen über meine Wangen,

Das harte Herz, wie wird es weit und weich,

Sehnt sich, ein Kind, ans Mutterherz zurück.

 

 

 

August                                                   Einsamkeit

 

O Einsamkeit, du Göttin heil’ger Stille,

Du führst mich durch die Nacht, die sternenhelle,

Begleitest mich zu meiser engen Zelle

Und mit dir naht mir der Gedanken Fülle.

 

Du deutest mir die Blätter der Sybille,

Und aus der Ewigkeiten klarer Quelle

Netzt meine Lippen höchster Weisheit Welle,

Nährt meine Seele Einsicht, Kraft und Wille.

 

Nur seichte Köpfe sind es, die dich meiden,

Die an der Dinge Oberfläche kleben,

Vor deinem Spiegel ernster Selbstschau beben.

 

Wenn sie dich kennten, würden sie mich neiden!

Du, Blöden nur und Bösen fürchterlich,

Erhabne Freundin, dir ergeb’ ich mich!

 

 

 

Deutscher Michel

 

O du geduldigster der Erdensöhne,

Getreuer Michel, alte deutsche Haut,

Hast du Tabak, Bier, Wurst und Sauerkraut,

Dann gilt dir’s gleich, ob dich die Welt verhöhne!

 

Du schwärmst dabei gemüthlich für das Schöne,

Hast viel gelernt und, was noch mehr, verdaut;

Lebst, wenn Musik, dein Liebling, dich erbaut,

Mehr als auf Erden, in dem Reich der Töne.

 

Manch’ einzig große That hast du vollbracht,

Unsterblich Ew’ges still dir ausgedacht

Und Licht gebracht und Geist in tiefe Nacht.

 

Schlicht wie ein Kind, und doch nicht zu ergründen,

Sanft wie ein Lamm, läßt du dich doch nicht binden,

Stark wie ein Gott, die Welt überwinden!

 

 

 

Amor redivivus

 

Ach! wecke nicht die halberloschnen Triebe,

Die still wie Kohlen unter Asche glühen!

Ein leiser Hauch! Sieh’ wie die Funken sprühen,

Amor, du Schelm, und neu entbrennt die Liebe!

 

Du weißt es wohl, Gelegenheit macht Diebe,

Und brichst die Rosen wenn und wo sie blühen,

Frägst nicht nach Dornen, achtest nicht der Mühen,

Ob bitt’re Reu’ nach flücht’ger Lust verbliebe.

 

Laß doch dem armen Herzen noch den Frieden,

Der Musen holden Umgang laß ihm noch,

Sie fliehen dich, du Unruhstifter, doch!

 

Du füllst das Herz nur mit dem Bild der Einen,

Raubst ihm die Zeit, zur Thätigkeit beschieden,

Machst, wie ein Kind, es lachen nur und weinen!

 

 

 

Oktober                                                 Drauf und Dran!

 

Bei Gott!  Es gilt nicht länger stille sitzen!

Heraus du feine Klinge! spitze Feder!

Heraus bemooste Bursche, zieht vom Leder,

Auf Hieb und Stich mit blutig scharfen Witzen!

 

Wo sind sie, die vor Angst und Noth jetzt schwitzen,

Sonst stolz zum Himmel regend wie die Ceder?

Frisch auf und vor, so sage sich ein Jeder,

Nur Tinte gilt’s statt Blut jetzt zu verspritzen!

 

Hie Luther, Hutten, all’ ihr guten Geister!

Seid mit uns! Weckt das Wort ihr Wortes Meister!

Und ob wir ganz in heil’gem Ernst erglühn,

 

Laßt kecken Witz in hellen Funken sprühn!

Mir nach Gesellen! tapfer drauf und dran:

„Das freie Wort, sie sollen’s lassen stahn!“

 

 

 

Deutsche Rache

 

Als Metternich gesponnen klar das Werg

Der Diplomaten am Congreß´zu Wien,

Und Blücher nicht den Säbel durfte ziehn,

Hat Riesenheldenthat verhunzt ein Zwerg.

 

Wie nun vollendet war das saub’re Werk

Und Orden rings und Ehren man verliehn,

Empfing der Fürst für alle sein Bemüh’n

Des Rheingau’s Krone, den Johannisberg!

 

Den besten Wein! für alle Schmach und Schande,

Die angethan dem deutschen Volk und Lande,

Das Haupt der schlauen Diplomatenbande!

 

den besten Wein für eines Schelmstücks Mache!

Der Satan hört’s und rief mit lauter Lache:

„Das ist wahrhaftig eine deutsche Rache!“

 

 

 

Arnold Winkelried

 

Da stehen sie in blitzenden Gewaffen,

Die stolzen Junker, eine Wand von Stahl,

Gebrochen prallt zurück der Sonne Strahl,

Die Lanzen starren auf mein Volk, straffen!

 

Allmächtiger! Willst du den Sieg uns schaffen,

Was ist vor dir der Feinde Macht und Zahl!

Laß eh’ wir stürmen ab der Höh’ zu Thal,

Uns im Gebet die Kraft zusammenraffen!

 

Du hast dem Hirten in die Hand gegeben

Den Goliath – du wirst auch uns erheben,

Ja, mich durchzuckt’s wie heil’ge Todeslust!

 

Hinab! In Lanzen stürz’ ich meine Brust

Und wie ich sie im Tod zusammenfasse:

Schützt Weib und Kind! Der Freiheit eine Gasse!

 

 

 

Wann?

 

„O Rom, wann werden deine Hügel blühen,

Wann deine Thäler Weizen wieder tragen,

Und Winzer, Schnitter, wie in alten Tagen

Durch deine Thore jubelnd wieder ziehen?

 

Wann wird die Luft voll Todesodem fliehen

Von öden Flächen und der Bettler Klagen,

Die in der Armuth Fesseln du geschlagen,

Und Segen wieder lohnen Arbeitsmühen?“

 

Wenn deines Priesterkönigs Macht gebrochen,

Die Demuth wieder Christi Kirche führt,

In Geist und Wahrheit Gott den Herrn zu suchen.

 

Wenn Roma’s Haupt Italien zugesprochen,

Die Christenheit den frommen Hirten kührt –

Der alle Völker segnet, statt zu fluchen!

 

 

 

Gottesgnadenthum

Aus Luther’s Predigt in Schmalkalden

 

„Ich bin ein Mensch, so sollt ihr Christen sagen,

Daß ich ein Mensch bin, das hat Gott gemacht,

Deß habe Knecht und Magd getreulich Acht,

Solch Gottesgnadenthum soll euch behagen.

 

Ihr Fürsten aber hoch zu Roß und Wagen,

Wißt, daß eu’r Amt und Herrlichkeit und Pracht,

Doch nur von Menschen ist zu Weg gebracht,

Als Menschen nur sollt Gottes Gnad’ ihr tragen.

 

Ein Mensch zu sein, das ist der höchste Ruhm,

Weil Gottes Werk mehr als der Menschen Werke,

Der Mensch von Gott, der Fürst von Menschen nur.“

 

So Luther. Folgt ihr seiner klaren Spur,

Wenn Kraft der Fürsten Gottesgnadenthum

Ihr über Menschenrecht setzt Recht der Stärke?

 

 

 

An Karl Hase

als seine protestantische Polemik erschien

 

Du wolltest auch „für deinen Heiland reiten!“

Ein Ritter Christi für sein heilig Recht,

Führst du als Schild sein Kreuz nur im Gefecht

In diesem Zeichen mußt du siegreich streiten!

 

Laß sie sich rüsten mit Spitzfindigkeiten,

Du bleibst, wie Luther, lieber recht und schlecht

Ein Gotteskind, als eines Papstes Knecht,

Durch Christus frei für alle Ewigkeiten.

 

Ja! schwinge frisch des Wortes scharfes Schwert,

Du deines Volkes Ritter theuer werth,

Und achte nicht die Macht und Zahl der Feinde.

 

Es steh’n zu dir, du deutscher Ordensmeister

Der unsichtbaren Kirche, alle Geister

Der Gott im Geist anbetenden Gemeinde!

 

 

 

Der alte Gott

 

Die junge Welt läuft nach dem neuen Götzen,

Der alte Gott will ihnen nicht behagen,

Sie wollten sich ergötzen nur, nicht plagen,

Das alte Kleid weicht eitel bunten Fetzen.

 

Wir Alten wollen uns zur Ruhe setzen,

Uns nicht erschöpfen mit unnützen Klagen,

Bis es sich selbst erschöpft, das Reue tragen,

An alter Wahrheit unsre Seele letzen.

 

Das echte Alte gilt für alle Zeit,

Sie webt ihm nur das stets erneute Kleid;

Die blöde Menge sucht das falsche Neue,

 

Daß sie am Schein sich eine Zeitlang freue,

Doch kömmt die Noth – Oelgötz wird zu Spott,

Dann kehrt das Volk zu seinem alten Gott.

 

 

 

Dichterfreiheit

 

Dem Dichter kann der Dichter nur erwidern!

Begeist’rung fragt nicht erst nach Preßgesetzen,

Riß Dichterschwung den Purpur selbst in Fetzen,

Nur Lieder sühnen, was gefehlt in Liedern!

 

Mit Preßzwang könnt ihr nur das Wort erniedern;

Wollt ihr statt freier Musen, feile Metzen?

Laßt unfruchtbare Demagogenhetzen,

Des Wortes Freiheit laßt Apollo’s Brüdern!

 

Der Sänger wandelt hoch ob diesem Leben,

Das ihr umgarnt mit bürgerlicher Enge,

Ihn bindet höheren Gesetzes Strenge.

 

Und wollt durchaus ihr zu Gerichte sitzen,

Laßt freie Männer das Verdict uns geben,

Sie werden auch des Dichters Freiheit schützen.

 

 

 

November                                              Herbstzeitlosen

 

Verblüht wie lange, lange sind die Rosen!

Verbrannt vom heißen Sommer ruht die Flur,

Auf feuchter Wiesen grünem Teppich nur,

Steh’n „nackte Jungfraun,“ tausend Herbstzeitlosen!

 

Frei zeigen sie den leib, den nackt und bloßen,

Verdeckt von keines grünen Blattes Spur,

Unschuld’ge jüngste Kinder der Natur,

Die bald verblüh’n in rauher Stürme Tosen.

 

Von eures Räthseldaseins Reiz bezwungen,

Deß sinn’ge Deutung Volkesmund gelungen,

Sei Blütenjungfrau’n euch dies Lied gesungen:

 

„Die wahre Schönheit ist am schönsten kleidlos,

Wenn sie entzückten Blick sich bietet neidlos,

Vergänglich hier, doch jenseit ewig zeitlos.“

 

 

 

Mnemosyne

 

Nun kommt der Herbst und streut die welken Blätter

Herab von dem entlaubten Lebensbaum,

Hin ist der Sommer, hin der Frühlingstraum,

In Nacht und Nebel nahen Wind und Wetter.

 

Die Sänger floh’n! Ihr frohes Lenzgeschmetter

Klingt halb vergessen in den Ohren kaum,

Verwandelt klagt die Seele Zeit und Raum,

Da naht ein himmlisch Wesen ihr als Retter.

 

Erinnerung! die Mutter aller Musen,

Mnemosyne von Griechenmund benannt,

Sie wählt zum Tempel sich des Menschen Busen.

 

Und was das Leben Herrlichstes geboten,

Was unerbittlich nahm des Schicksals Hand,

Weckt sie zur Auferstehung von den Todten!

 

 

 

Gedanken

 

Soviel, was ich für fest hielt, seh’ ich wanken!

Es reißt den Freund die Welt uns von der Seite,

Die Kinder ziehen aus dem Haus ins Weite,

Die Liebe schweigt, nichts bleibt mir als – Gedanken!

 

Sie sind mein Hofstaat; streiten sich und zanken

Vor meinem Thron, und schlicht ich ihre Streite,

So schmeicheln sie, wie jedem Herrn die Leute,

Die seinen Launen nur ihr Dasein danken.

 

Die Starken kommen stolz in Stahl und Eisen,

Die Zärtlichen in vollen Rosenkränzen,

Die heitern Kinder froh in Ringeltänzen.

 

Die Stillen nahen sich, die edlen Weisen,

Die Büßer wanken stumm in Trauerflören –

„Genug, genug! wer kann euch alle hören!“