Julius Hübner                         1867

1806 – 1882

 

Jannuar                                                  Winternebel

 

Ach, wenn der Geist in bangen Finsternissen

Kaum noch erträgt der Lebensfessel Last,

Wie wird er zehnfach schwer vom Leid erfaßt,

Muß Himmelsblau und Sonnengold er missen.

 

Du fahles Grau von keinem Strahl zerrissen,

Das nur zusehr zu meiner Stimmung paßt,

Wie bist du in der Seele mir verhaßt,

Tonlos wie schuldbelastetes Gewissen.

 

O sinke nieder, schwerer Thränenregen,

Daß sie erschwellen all’ die trägen Fluten

Und schluchzend strömen, wie die Reue weint.

 

Schon sprießt der todten Flur erneuter Segen,

In alle Adern dringen Lebensgluten,

Der Nebel reißt, die goldne Sonne scheint.

 

 

 

Lebensmuth

 

Ein kühner Schwimmer durch des Lebens Lust,

Rasch über Klippen durch des Lebens Pein,

Laß ich mich dir, du frischer Strom, allein,

Den Wogen biet’ ich jauchzend meine Brust.

 

Was kümmert mich, was keiner noch gewußt,

Wo wird der Hafen meiner Landung sein?

Kann nichts mich von des Daseins Zwang befrei’n,

So muß ich gern, was Jeder noch gewußt.

 

Vom Gipfel rauscht des Lebens Strom zu Thal,

Mit jedem Nu wall’ ich der Tiefe zu,

Schon brandet mir das ew’ge Meer entgegen.

 

Willkommen alles, nur nicht träge Ruh;

Hinweg des feigen Zweifels kalte Qual,

Nur Muth erreicht das Ziel auf allen Wegen.

 

 

 

Wiedergeburt

 

Im dunkeln Mantel tausend goldne Sterne,

Auf hohem Thron in feierlicher Pracht

Mit mohnbekränztem Scepter ruht die Nacht,

Ihr Wolkenschleier wallt weit in die Ferne.

 

Ich schau’ empor, daß ich die Kunde lerne

In goldner Schrift von jener höchsen Macht,

Die keines Menschen Sinn je ausgedacht,

Den Kern von aller Gottesweisheit Kerne!

 

Und magisch fühl’ ich mich emporgehoben,

Es schwebt mein Geist, im Anschau’n ganz versunken,

Entfloh’n dem Kerker dieser dunklen Erde.

 

Die Sphären hör’ ich hell den Schöpfer loben,

Von ew’gem Licht und ew’ger Liebe trunken

Fühl’ ich in mir ein neues ew’ges Werde!

 

 

 

Februar                                                  Der Liebling

 

Glücksel’ger Hund! du liegst zu ihren Füßen

Auf ihrer Tausendfranken-Sammetrobe!

Sie steht nicht auf, sie rührt sich nicht die Probe,

Nur um dein Schläfchen möglichst zu versüßen.

 

Bist du erwacht, wird schmeichelnd überfließen

Ihr schöner Mund, ach! nur zu deinem Lobe,

Indes ich heimlich ras’, im Stillen tobe,

Daß solch’ ein Vieh soll so viel Huld genießen.

 

Jetzt hebt sie sanft dich auf den weichen Schooß,

Sie streichelt dich, - wahrhaftig, ja! ein Kuß

Wird deiner borst’gen Schnauze gar zum Lohne!

 

Mir zuckt’s vom Wirbel tödtlich bis zum Fuß,

Verdammtes Thier, wie neid’ ich dir dein Loos!

Ich glaube gar, sie that es mir zum Hohne.

 

 

 

Traum

 

Die Phantasie sitzt Nachts an dem Klaviere

Der Seel’ und läßt die Finger drüber gleiten,

Bald klagen sanft melodisch alle Saiten,

Bald tobt’s wie wilde Jagd durch die Reviere.

 

Ihr gilt es gleich, wohin den Zug sie führe,

Vernunft liegt in des Schlafes Bann im Weiten,

Das Reich des Unsinns, der Unmöglichkeiten

Geht auf, und tanzend sprechen Baum und Thiere.

 

Dann äfft sie drollig wohl mit Koboldsernste

In Tollheit nach der Wirklichkeit Gebilde,

Glotzt uns mit Grinsen an und macht uns lachen.

 

Ans warme Herz legt sie die Liebste, Fernste,

Elysium erblüht verklärt und milde,

Ein seliger Moment – ach, wir erwachen!

 

 

 

Lenzkirche

 

Zum Tempel nicht, wo Kerz’ und Weihrauch qualmen

Im Prachtgewölb’ von fühllos harten Steinen,

Wo Priester sich und Beter kalt vereinen

Und Orgentöne donnern stolze Psalmen

 

Mich zieht’s hinaus! Schon streun’ die Weiden Palmen,

Messias Lenz will neu der Welt erscheinen,

Vom Aether überwölbt, dem blauen, reinen,

Beut seinem Fuß ein Teppich sich von Halmen.

 

Ich knie’ im Geist! Die Arme muß ich breiten,

Als wollt ich liebend eine Welt umfah’n

Und Thränen perlen rieseln auf den Grund.

 

Wie weht dein Odem, Ewger, sanft von Weiten,

Ich fühle deines heil’gen Geistes Nah’n,

Und Vater unser stammelt Kindesmund!

 

 

 

Lenzkampf

 

Der alte Geist der kalten Wintertücke

Liegt mit dem Lenz, dem Jüngling, noch im Streit,

Was hilft’s, daß der die Knospen schon befreit,

Nur daß der Alte doch sie tückisch knicke?

 

Was helfen uns der Sonne warme Blicke,

Die Schnee und Eis zerschmelzen weit und breit,

Wenn jede Nacht der Alte Flocken streut

Und wieder wölbt des Bach’s krystal’ne Brücke?

 

Geduld mein Herz! die Zeit muß sich erfüllen,

Zum Throne sicher steigt der Frühling auf,

Mag auch noch manches Blütenopfer fallen!

 

So wächst die Freiheit mächtig auch im Stillen,

Kein Kaiser hemmt, kein König ihren Lauf

Und endlich muß ihr Banner siegreich wallen!

 

 

 

Frühlingsanfang

 

Er kommt! Er kommt! Die ersten Nachtigallen

Auf seiner Schulter flötend bringt er mit,

Und neben ihm, im leichten Götterschritt,

Die Grazien und Musen lächelnd wallen.

 

Und wie der Waldessänger Lieder schallen,

Die Erde blühet unter seinem Tritt,

Vergißt mein Herze selig, was es litt,

Und Freudenthränen von der Wimper fallen.

 

O ew’ge Liebe, sichtbar steigst du nieder

Vom Himmel in das dunkle Erdenzelt,

Ein Himmelsgast in weichen Menschenherzen.

 

Du ewig Kind, dir weih ich meine Lieder,

Ja dir allein gebührt der Thron der Welt,

Dein ist das Reich der Wonne süßer Schmerzen!

 

 

 

März                                                      Dem Andenken Peter’s von Cornelius

 

Dem Großen nur hast du dich zugewendet,

Als höchstes Ziel erkoren den Gedanken,

Voll heil’gem Geist durchbrachst du Satzungsschranken,

Dein letztes Werk noch hat ihn uns gespendet.

 

Der Menge Beifall hat dich nie geblendet,

Du folgtest deinem Sterne ohne Wanken!

Den steilen Pfad, wo kraftlos Viele sanken,

Zum Ruhmestempel, du hast ihn vollendet!

 

Wir schau’n dir nach zu jenen klaren Höhen,

Im Thal des Irrthums hier zurück gelassen

Und fühlen, daß sich Großes abgeschlossen.

 

Denn deines Gleichen werden wir nicht sehen,

Die Nachwelt wird noch lange dich nicht fassen

Und länger noch erwarten den Genossen!

 

 

 

Auf ein weißes Maltuch

 

Sei mir gegrüßt, du weiße Leinewand,

Geheimnisvoll in deiner Unschuldreine,

Wie eine Kinderseele, die noch keine

Versuchung, keiner Sünde Reiz empfand.

 

Du weißes Blatt, worauf kein Wort noch stand,

Daß, wer es lese, lache oder weine,

Noch harrt dein Geist in seinem Todtenschreine

Der Auferweckung durch des Meisters Hand.

 

Ich seh’ im Geist die Fülle der Gestalten

Auf deinem Grund und fühle heil’gen Muth,

Den tiefversenkten Zauberhort zu heben.

 

Kann das Vollkommene sich auch nie entfalten,

Lebend’ges zeugt der Liebe hohe Glut,

Ein unvollkommen Dasein – doch ein Leben!

 

 

 

Künstlerglorie

 

Habt ihr sie wohl belauscht die schweren Stunden

Von einer Künstlerseele hier durchlebt,

Die bang nach freiem Flügelschlage strebt,

Von des gemeinen Lebens Noth gebunden?

 

Habt ihr die grimmen Schmerzen auch empfunden,

Wenn sich umsonst der Muth vom Boden hebt,

Dem gift’gen Neides Speer im Busen bebt,

Ein Edelhirsch zerrissen von den Hunden?

 

Weh! wenn ihn dann die Freunde auch verlassen,

Die eignen Zweifel wehrlos ihn erfassen

Und alles Lieben sich verkehrt in Hassen!

 

Und wer zuletzt des Kampfes Preis genossen,

Wer sie errang, die heil’gen Lorbeersprossen –

Mit seinem Herzblut hat er sie begossen!

 

 

 

Der junge Magister

 

Schon wieder muß ich heulen mit den Wölfen,

In Bacchus Keller den Dekan begleiten,

Gehör’ ich auch nicht zu den stets Bereiten,

Von Zeit zu Zeit kann nichts davon mir helfen.

 

Sonst sieht mich meine Lampe noch nach Zwölfen

Des Nachts auf meinem Gänsekiele reiten,

Heut laß ich Rheinwein durch die Kehle gleiten,

Ein alt Commerslied brüllen die Adelphen.

 

Das Schlimmste bei der Sache ist das Rauchen,

Gar nicht antik, entlehnt von Orientalen,

Für mich ein Leiden leider nur, kein Handeln.

 

Da denk ich wohl, laß ich mich so beschmauchen,

Was sagten wohl des Flakkus Commensalen,

Säh’n sie wie wir in Schinken und verwandeln!

 

 

 

An den Schlaf

 

Nimm mich, o Schlaf, in deine weichen Arme

Und löse lind die schmerzlichen Gedanken,

Zerbrich der Seele enge Erdenschranken,

Befreie mich vom bittern Erdenharme.

 

Bis ich an deinem Busen sanft erwarme

Und wie dem Säugling bei der Wiege Schwanken,

Dasein und Wahrheit in’s Vergessen sanken,

Umgaukelt von der Träume buntem Schwarme.

 

Dann waltet Phantasie vom Blumenthrone

Und Reiz auf Reiz entblüht in Wunderfülle,

Verlachend das Gesetz der Möglichkeiten.

 

Dem Bettler reicht der Traum die Kaiserkrone,

Die Schönste schaut der Liebste ohne Hülle

Und um das Haupt sich Lorbeerkränze breiten!

 

 

 

Lenz-Präludium

 

Als Morgenstern möcht ich, dein Herold, glühen,

Als Lerche jubilierend dich begrüßen,

Als Quelle rauschend murmeln dir zu Füßen,

Als Veilchen duftend dir entgegen blühen!

 

Als Turteltaube girrend zu dir fliehen,

Als Zephir kosend in den Arm dich schließen,

Als blauer Himmel sehnend dich umfließen,

Als Echo plaudernd ewig mit dir ziehen!

 

O weck’ ihn auf mit meines Liedes Klängen,

Sehnsucht der Liebe, wo er schlummernd ruht,

Auf sel’gem Eiland fern im stillen Meer!

 

Empfang’ ihn Herz, mit jauchzenden Gesängen,

Lodr’ ihm entgegen ew’ger Liebe Glut

Und triumphierend walle vor ihm her!

 

 

 

Lenzaufgang

 

Der Lenz ist da! nach langem, bangem Sehnen!

Wie kam er leise über Nacht in’s Land

Und streift mit warmer, weicher Kinderhand

Von allen blassen Menschenwangen Thränen!

 

Nicht grimme Löwen mit gesträubten Mähnen

Zieh’n im Triumpfe ohne Widerstand

Den Siegeswagen, nein! am Rosenband

Lenkt er den Kahn, gezogen sanft von Schwänen.

 

Im Haine flöten süß die Nachtigallen,

Mit allen Blüten grüßen ihn die Bäume,

Der Himmel weint entzückt vor Lust und Wonne.

 

Die Sterne leuchtend ihm entgegen wallen,

Die Wolken alle tragen goldne Säume

Und lächelnd steigt empor die Frühlingssonne!

 

 

 

Morgens

 

Schwer hängen sie an meinen Fensterscheiben,

Die Thränentropfen, von der Nacht geweint,

Und wie die Sonne purpurflammend scheint,

Kann ach! der Tag wohl hell und heiter bleiben?

 

Dumpf stöhnt der Wind, die Wolken zu vertreiben,

Zu schneebeglänzter Alpenstirn versteint,

Die Blitz und Donner gleißend noch vereint –

Könnt ich, mein Herz, dich treuer wohl beschreiben?

 

Was ist’s, das deine beste Kraft verzehrt

In dunkler Sehnsucht tief geheimer Qual,

Ein Geier, den dein eigen Herzblut nährt?

 

Des Lebens Glück machst du zur Last dir schwer!

O lerne von den Lilien im Thal,

Der Demuth bluhen Freuden rings umher!

 

 

 

April                                                       April

 

Du schüttelst spöttisch deine Ringellöckchen

Und eis’ger Hauch erstarrt die junge Liebe,

Der süßen Hoffnung zarte, frische Triebe

Krön’st du statt Blüten mit eiskalten Flöckchen.

 

Kaum hebt sich aus dem Schnee das erste Glöckchen,

Ach, daß es lieber noch verborgen bliebe,

Braust Hagelwetter, wildes Sturmgeschniebe,

Die Krone senkt das arme Blumenstöckchen.

 

Dazwischen dann und wann ein Sonnenblickchen,

So schmeichelnd warm und so verlockend mild,

Weh Jedem, der sein Sehnen träumt erfüllt!

 

So kenn’ ich alle deine Schelmenstückchen

Und doch, dein wetterwendischer April,

Er schickt mich Narren stets wohin er will!

 

 

 

Mai                                                        Pseudo-Mai

 

Du wär’st der Mai? Der holde Mond der Blüten,

Der Dichter und Verliebten Wonnenmond?

Mit solcher Wonne laß uns nur verschont

Und deine Blüten mag der Herr behüten!

 

Du bist ein Mai für Russen und für Scythen,

Die schon das ganze Jahr den Pelz gewohnt;

Uns hast du sonst gewöhnlich doch belohnt,

Wenn wir den Winter lang am Ofen brieten.

 

Nein, geh’ in dich, den Pfad der Besserungen!

Schon manches Jahr hab’ ich dich schwach geseh’n,

So elend warst du uns noch nie beschert!

 

Ich habe dich getreulich oft besungen,

Doch bleibst du so, soll’s nimmermehr gescheh’n,

Du bist wahrhaftig mein Sonett nicht werth!

 

 

 

Dank

 

Schön Dank, Herr Mai! Du bist in dich gegangen,

Dein Lustrevier ringsum ergrünt und blüht,

Und wie die Sonne sommerlich schon glüht

Kühlt sanft dein Hauch, küßt kosend Mädchenwangen.

 

Vergessen ist das Winterleid, vergangen,

Versunken alles was uns schwer bemüht,

Seit wieder grün dein Hoffnungsfeuer sprüht,

Hat neu mein Herz zu leben angefangen.

 

Zum Himmel schwebt mein Sang wie Lerchenlieder

Das Auge schweift entzückt durch Berg und Thal,

Zu süßer Rast lockt jeder Blütenbaum.

 

Die Hoffnung kehrt, es kehrt die Liebe wieder,

Durch Thränen glänzt des ew’gen Lichtes Strahl

Und neu erblüht der Jugend süßer Traqum!

 

 

 

Lenz und Rose

 

Ihr Blumen alle kommt zum Ringeltanze,

Heil König Lenz! Die Rose minnt er frei,

Zum Hochzeitfeste alle kommt herbei

Und prangt und prachtet stolz in Duft und Glanze!

 

Schlingt euch von selbst zu Königskron’ und Kranze,

Dem Brautpaar gilt ein fröhliches Turnei!

Ihr Ritter bunt von Farben mancherlei,

In Schimpf und Glimpf brecht zierlich eure Lanze!

 

Du Tulipane, schwing’ die Purpurfahne

Voran der ganzen Blumenkaravane,

Zum Minnethron auf grünem Wiesenplane!

 

Ihr Waldessänger, schmettert hell und laut,

Weil sie der Himmel am Altare traut:

Heil Lenz und rose, Bräutigam und Braut!

 

 

 

Traumleben

 

Du küßtest mich im Traum die vor’ge Nacht

Und selig hing ich fest an deinem Munde,

Da schlug vom Thurm die schwarze Geisterstunde,

Die Eule krächzte und ich bin erwacht.

 

Noch heiß’re Sehnsucht hat der Traum entfacht

Und schmerzlicher entbrennt die Liebeswunde,

Unheilbar tief im tiefsten Herzensgrunde,

Ein Purpurzeugniß deiner Augen Macht.

 

Seitdem ach, leb’ ich einzig nur im Traume,

Von der Erinn’rung schmaler Geisterkost,

Geschloss’nen Auges in der Schattenwelt.

 

Bis du mich wieder weckst zu Zeit und Raume,

Bis du erscheinst, mein süßer Augentrost,

Mein Arm in Wahrheit dich umschlossen hält!

 

 

 

Waldnatur

 

Mit dir, du träumerische Waldnatur,

Laß Lust und Last der Stadt mich nun vertauschen,

Mit deines Odems ahnungsvollem Rauschen,

Im Buchenhain, Waldwiesen stiller Flur!

 

Dort will ich ungestört auf leiser Spur,

Der Seele Liebesmelodieen lauschen,

Ein grüner Zweig soll meine Stirn umbauschen,

Der Minne sehnsuchtstrunk’ner Troubadour!

 

Ja, sie erscheint mir auf milchweißem Rosse,

Umwallt vom Schleier, goldnem Prachtgewand,

Mein purpurflammend Herz in ihrer Hand!

 

Und Edelfrau’n und Herr’n im bunten Trosse,

Kobold’ und Elfen – halt, du süße Bande,

Nimm deinen Sänger mit zum Feenlande!

 

 

 

Juni                                                        Auf der Höhe

 

Wie athm’ ich hier, erfrischt von schnee’ger Firne

Den vollen Hauch der reinen Bergeslüfte!

Aus klarem Quell, Krystall der Felsenklüfte,

Netz’ ich mit heil’gem Spruche mir die Stirne.

 

Der Städte Putz, erzeugt im Thorenhirne,

Dringt nicht hierher, kein Moderhauch der Grüfte!

Mit voller Hand streut Früchte aus und Düfte

Natur, noch nicht entweiht zur eitlen Dirne.

 

Die Andacht macht den Berg zur Himmelsschwelle,

Und wie vom Thal die Herzen aufwärts streben,

Krönt jeden Gipfel sinnig die Kapelle.

 

Die Erde will sich fromm zum Aether heben,

Ein Heil’genbild schmückt jede schöne Stelle

Und Gottesnähe adelt Menschenleben.

 

 

 

Morgenfrühe

 

Der Bergwald ruht in heilger Morgenstille!

Wie Weihrauch durch des Domes hohe Halles

Die Nebelwolken durch die Tannen wallen,

Da reißt des Tempelvorhangs dunkle Hülle!

 

Des Sonnenlichtes blendend helle Fülle

Muß strahlend durch die dunkeln Wipfel fallen,

Es rauscht der Wald wie Engelsharfenschallen,

Ein Heilig, heilig, heilig Herr dein Wille!

 

Die Waldesriesen tief die Kronen neigen

Und aller Wesen Lobgesänge steigen

Hinauf zum Thron der ew’gen Vaterliebe.

 

Beseligt wallt das Herz voll Dankestriebe,

Jauchzt Hosiannah und Hallelujah!

Zum „Ite missa est ecclesia!“

 

 

 

Riesengebirge

 

Die Riesen seh’ ich kühn den Himmel stürmen,

Und Zeus ergrimmt Gewitterwolken ballen,

Draus Blitze leuchten, Donner rollend schallen,

Des Himmels Burg vor Ueberfall zu schirmen.

 

Wie Schlangenleib von Urweltdrachenwürmen

Wogt’s in des Wolkenmeeres grauen Hallen,

Es steigt und sinkt ein wunderbares Wallen,

Wie wenn sich Well’ auf Welle kämpfend thürmen.

 

Gott Phöbus schießt der Pfeile Glutenstrahl

Durch tiefe Nacht der Wolken aufs Gestein

Und Iris Bogen krönt den Sieg des Lichts.

 

Da sinkt die Sonne, Nebel steigt vom Thal

Und hüllt die Scen’ in dämmernd Dunkel ein;

Der goldne Traum versinkt in Nacht und Nichts!

 

 

 

Mittagsruh

 

Pan schläft! und alle Stimmen, alle schweigen,

Die sonst den hellen, frohen Tag beleben;

Die Sonne glüht und heiße Nebel weben,

Schutz sucht der Vogel unter dichten Zweigen.

 

Das Aehrenfeld wogt leis in stillem Neigen,

Schlaftrunken träumerisch ein Senken, Heben,

Bis auch die schlanksten Halme nicht mehr beben

Und regungslos die schweren Häupter beugen.

 

Nun weit und beit umher lautlose Stille

Ein feierliches, athemloses Lauschen,

Der Zeitenpuls scheint leblos still zu stehen.

 

Verstummt ist selbst die nimmermüde Grille,

Es wagt der dunkle Wald nicht mehr zu rauschen,

Die Quelle nicht zu murmeln, Wind zu wehen!

 

 

 

Hinauf

 

Ach! könnt’ ich doch mit euch, ihr Wölkchen, ziehen!

Ihr Himmelsschäfchen auf der blauen Trift,

Ihr Schwäne, die ihr durch die Lüfte schifft,

Mit euch zum sel’gen Himmelsfrieden fliehen.

 

Der Sonne nach in Sehnsuchtspurpur glühen,

Erblassen in des Mondes keuschem Licht,

Vergessen wie ein leeres Traumgesicht

Der Erde eitle Lust und eitel Mühen.

 

Im reinsten Himmelslicht mich selig baden,

Den Blick nach oben ewig nur gewendet

Wie Ganymed mich hoch und höher heben.

 

Ganz von der Erde trägem Stoff entladen

Und von der Sonne Strahlen ungeblendet

Zum höchsten Thron der ew’gen Liebe schweben.

 

 

 

Beneidenswerth

 

Beneidenswerther bunter Sommerfalter,

Den leichte Schwingen über Wies’ und Hagen

Von einer Blume zu der andern tragen,

Ein Sommertag, dein ganzes Lebensalter!

 

Dir droht kein Winter je, kein rauher, kalter!

Aus tausend Kelchen inniges Behagen,

Entzücken saugst du, ohne nur zu fragen

wer deiner Freuden Schöpfer und Erhalter.

 

Sind deines Daseins Stunden froh verflossen,

Naht dir im Blumenkelche süßer Schlummer

Und leblos findet dich das Morgenroth.

 

Fahr wohl, du hast gelebt, geliebt, genossen,

Dir gab ein Gott ein Leben ohne Kummer,

Unschuld’ge Freude und den sanften Tod!

 

 

 

Verlust

 

Ich habe dich nicht noch einmal gesehen,

Das Schicksal riß dich unerbittlich fort;

Ich hörte nicht dein letztes Abschiedswort,

Sah’ nicht dein Aug’ um mich in Thränen stehen.

 

Nicht noch von fern mit nassem Tuch dich wehen!

Ach wo du weißt, ich kenne nicht den Ort

Und fern im Jenseits sucht mein Geist dich dort,

Wo endlich wir uns Alle wiedersehen!

 

Ja dieser Erde herrlicher Palast,

Als deine Gegenwart ihn noch geschmückt,

Ein Göttersitz, durch deinen Reiz verschönt,

 

Jetzt ist er unerträglich mir verhaßt,

Ein Kerker, der die Seele schwer bedrückt,

Die schmerzlich bange sich von hinnen sehnt.

 

 

 

Juli                                                         Der alte Perngino

an die Florentiner

 

Was ich noch male, will euch nicht behagen!

Es thut mir leid, doch mein ist nicht die Schuld,

Ich male noch wie sonst, nur eure Huld

Von damals, kann ich keut nicht mehr erjagen.

 

Ich dürfte wohl mich über euch beklagen,

Daß, die ihr erst mich schmeichelnd eingelullt,

Mir nun versagt die mäßigste Geduld,

Doch will ich’s lieber schweigend still ertragen.

 

Was könnte mir mit euch zu rechten frommen?

Ich bin nicht blind und rühme mich zu sehen,

Daß Jüng’re nun auf meinen Schultern stehen.

 

Doch sicher wird die Zeit auch wieder kommen,

Daß man mein Streben unparteiisch richte,

Wenn manche neue Größe ging zu nichte.

 

 

 

August                                                   Lebenswege

 

Was hielt mich Alles, Alles schon gefangen

In dieses Erlebens kurzen Zeiten,

Am Nächsten hing ich, strebte nach dem Weiten,

Wie viele Wege bin ich schon gegangen!

 

Ein ewig unaufhörlich Hangen, Bangen,

Ein rechts und links und auf und abwärts Schreiten,

Von Furcht und Hoffnung, Lust und Leid ein Streiten,

Ein nie gestilltes, sehnendes Verlangen.

 

Bin ich dem Ziele näher wohl gekommen?

Ach oder schweift’ ich rathlos in der Irre

Und habe Weg und Steg und Ziel verloren?

 

Geduld mein Herz! was kann das Fragen frommen!

Halt aus, daß nichts den letzten Gang verwirre,

Du warst ein Mensch, zum Irren ja geboren!

 

 

 

Ewiger Friede

 

O sel’ger Traum von einem ew’gen Frieden

In allen Landen hier auf Erden schon,

Steig’ endlich, endlich auf der Zeiten Thron,

Schaff uns ein Reich der Liebe schon hienieden.

 

Du Trost der armen, bleichen Lebensmüden,

Vererbt vom Vater sterbend auf den Sohn,

Verheißung der Gerechten, Tugend-Lohn,

Wann wirst du doch den Harrenden beschieden?

 

Und bleibst du hier auf Erden nur ein Traum,

Bleib uns als Hoffnung, Zuversicht im Leben,

Verklärtes Ziel, nach dem die Geister streben.

 

Das Senfkorn wächst zum schattenreichen Baum,

Treibt höher jedes Jahr die frischen Triebe

In allen Herzen, Brudersinn und Liebe!

 

 

 

September                                              An einen Freund

 

Du schiltst nur eine Krankheit mir das Dichten?

Wahrhaftig Freund, ich kann es kaum verneinen,

So recht gesunde Leute sah ich keinen

Die derbe Kraft auf solches Tagwerk richten.

 

Solch’ einer plagt sich nicht mit Traumgesichten

Und wird um keine spröde Laura weinen,

Noch Zwiesprach pflegen mit bemoosten Steinen,

Viel weniger auf Speis’ und Trank verzichten!

 

Was war Homer?  Ein blinder Bänkelsänger,

Tasso starb toll im dunklen Kerkerloch,

Aesop war bucklig, Sklave voll Talente!

 

Und die Modernen?  Alle Grillenfänger!

Das Tollhaus wäre nicht das schlimmste noch,

Doch wer von Allen bracht’ es je zur Rente?

 

 

 

Oktober                                                 Norddeutscher Bund

 

Das Vaterland, aus schwerem Traum erstand es!

Nun gilt’s, ihr Fürsten, fürstlich groß sich fassen,

Der Hoheit Recht, so lange euch gelassen,

Legt selbst auf den Altar des Vaterlandes.

 

Der Segen eines festen Liebesbandes

Vereine die so lange entzweiten Massen,

Nach außen einzig wende sich das Hassen,

Bedarf die Macht noch eines Unterpfandes.

 

Und du mein Volk, sei mäßig im Verlangen,

Zu leicht verliert wer Alles will, sein Alles,

Vom höchsten Gipfel stürzend jähen Falles.

 

Begnüge dich, die Freiheit anzufangen!

So wirke Fürst und Volk in deutscher Treue,

Denn nicht der Haß, die Liebe schafft das Neue!

 

 

 

Mentana

 

Der heil’ge Stuhl noch einmal neu gegründet,

Auf deiner Kinder bleichendes Gebein!

Rahel-Italia was hilft dein Schrei’n,

Ja weine bis dein Mutteraug’ erblindet.

 

Freiheit hat dein Messias dir verkündet,

Doch dein Herodes will dem Tod’ ihn weihn,

Er läßt den Mord von Bethlehem erneu’n,

Mit Kaiphas und Pilatus frech verbündet.

 

Mentana heißt des neuen Mordes Stätte,

Doch seinen Helden deckt auch hier der Herr,

Italiens Jugend ruht im Ehrenbette.

 

Nichts hilft des alten Bundes leer Geplärr,

Der Zukunft Geist beherrscht die nächste Stunde

Und bringt Erfüllung einem neuen Bunde!

 

 

 

Dezember                                              Der alte Meister

 

In leerer Werkstatt sitzt der alte Meister,

Das Auge trüb’, die müde Rechte zittert,

Doch immer noch vom Götterhauch umwittet

Umschweben ihn unsichtbar Himmelsgeister.

 

Gesenkten Hauptes starrt er, ein Ergreister,

Ein dürrer Baum, vom Lebenssturm erschüttert,

Nur von Erinnerungsranken grün umflittert;

Des Jenseit Schleier vor ihm, bald zerreißt er.

 

Einsam alleine blieb er und verlassen,

Die mit ihm lebten sind vorangegangen,

Er sah sie alle noch vor ihm erblassen.

 

Und andre Götter als zu seinen Zeiten,

Und andre Sterne stehn am Himmelsbogen

Und Niemand wird zu Grabe ihn geleiten.