1806 – 1882
Jannuar Hoher Schwung
Hinauf! Und schöpf’ im Fluge
frischen Odem,
Laß deiner Seele Sehnsucht
freien Lauf!
Zu deines Gottes Himmel
schwebe auf,
Er gab dir Flügel und du
kriechst am Boden?
Hinab die Feigheit zu den
Antipoden,
Es nimmt die Kraft das Wagnis
in den Kauf,
Dem Ziel entgegen, muthig dran
und drauf,
Laß hinter dir des Thales
dumpfen Brodem!
Wo goldne Sterne Himmelskräfte
hauchen,
Im reinsten Aether bade deinen
Geist,
Kühn, wie ein Adler, schau’
ins Licht der Sonne!
Und was du schaues, was du
ahnst und weißt,
Sollst du verklärt in wort und
Farbe tauchen,
Der Dichtung und der Wahrheit
heil’ge Wonne
Zur schönen Eva sprach die
bunte Schlange:
„Wie hold du bist! Nun wirst
du auch so weise,
Wenn du gekostet von der
Götterspeise,
Die nur der Neid verwehrte dir
so lange.
Iß nur getrost davon und sei
nicht bange,
was fürchtest du dich vor dem
Gottesgreise?
Du wirst wie Er!“ so lockt sie
sanft und leise,
Daß sie mit List die Unschuldreine
fange.
Schon wirkt das Gift. Wie
glühen Eva’s Wangen!
Nachdem der verbotnen Frucht
wächst ihr Verlangen:
„Komm, adam, iß, sieh’ wie sie
golden prangen!“
Freund Adam schaudert erst
erschreckt zurück,
Doch von dem schönen Weib ein
Bitteblick –
Da beißt er an! Wem war’s
nicht so gegangen?
Doch war der süße Apfel kaum
verschlungen,
Da überfällt sie beide
ängstlich Grauen,
Und sie erschrecken, daß sie
nackt sich schauen,
Von Schuld und Scham zum
erstenmal durchdrungen.
der Schlange Schmeichelworte
sind verklungen;
Die Sonne sinkt am Himmelsdom
dem blauen,
Und Abendschatten leise
niederthauen,
Die Sünder flieh’n in tiefe
Dämmerungen.
Aus Eden weisen sie des Herren
Worte
Und ewig wehrt der Cherub
seine Pforte.
Hinausgestoßen in des Lebens
Noth
Verfällt der Mensch der Sünde
und dem Tod.
Zur Schlange aber sprach der
Herr: „Zum Lohn
Zertritt dir einst den Kopf
des Weibes Sohn!“
Frau Sorge
Als Adam war und eva nun
vertrieben
Vom Cherub aus dem schönen
Edengarten,
Da saß am Thor, sie draußen zu
erwarten,
Verhüllt ein weib; im Talmud
steht’s geschrieben.
Das Weib ging mit, und treu
ist sie geblieben
Den Beiden auf dem Lebensweg,
dem harten,
Im Kampf mit all den tausend
Widerparten
Ein ungebet’ner Gast, den sie
nicht lieben.
Im Schlaf nur fühlten sie sich
noch geborgen,
Im holden Traume einzig ihr
entfloh’n;
Doch schwand die Nacht, so sah
der nächste Morgen
Das dunkle Weib gebückt am
Herde schon.
Frau Sorge ist’s, die alle
Menschen erben
Vom ersten Paar und hegen bis
sie sie sterben.
Noch auf des Ida sonnig hellen
Höhen
Die Herde weidet Ganymed, der
Knabe,
Und wie er reizend lehnt am
Hirtenstabe,
Des Berges Nymphen süß
entzückt ihn sehen.
Da rauschet nah’ gewaltger
Schwingen Wehen,
In mächt’gen Fängen fühlt er
sich gehoben,
Zeus’ Adler trägt ihn
sänftiglich nach oben,
Hinauf, wo aller Götter Throne
stehen.
Am höchsten Throne läßt er
sanft ihn nieder,
Zeus selbst empfängt den
Mundschenk lächelnd mild
Und schaut bewundernd auf die
schönen Glieder.
Sieh’, Hebe winkt dem
lieblichen Genossen
Und reicht ihm den Pokal; o
reizend Bild,
Wie holden Bund Schönheit und
Jugend schlossen!
Bleich scheint der Mond; ein
Jüngling liegt im Nachen
und singt, das Haupt bekränzt mit
buntem Kranze;
sein Kahn schießt pfeilschnell
in der Wellen Tanze,
Die Ruder liegen müßig da, die
flachen.
Er höret nicht des Kataraktes
Krachen,
Er sieht die Felsen nicht im
Mondenglanze,
Traumselig sinkt der
Augenlider Franze,
Süß schläft er ein, um nimmer
zu erwachen.
Schon donnert nahe der Caskade
Brausen,
Im Traum umhaucht ihn kühl ein
wonnig Grausen,
Da packen ihn gewaltig
Riesenwogen –
Und unbewußt wird er
hinabgezogen!
Tief unten weit im Thal, an
stiller Stelle,
Spült sanft ans Ufer einen Kranz
die Welle.
April Freiheitshauch
Wir wissen nicht, wenn wir ihn
hören brausen,
Woher er kommt, der Sturm,
wohin er geht!
Frei, wie der ew’ge Gottesodem
weht,
Soll er von Pol zu Pol
erfrischend sausen!
Ihn hemmen nicht der Alpen
feste Klausen,
Sie, deren Stirn in kalter
Majestät,
Von Sternenkronen bleich
umschlungen steht,
An deren Fuß die winz’gen
Menschlein hausen.
Da haucht der Lenz, sein Odem
löst in Thränen
Das starre Eis der hohen
Firnen auf,
Es schmilzt und strömt ein
unaufhaltsam Sehnen
In jedes Baches neubelebten
Lauf;
Die Wiese trinkt, der Wald
will auferstehen,
Es fühlt der Mensch des
Gottesodem’s Wehen.
Zieht aus ihr Erdensorgen
Nachtgedanken!
Du Angst und Noth, du bittre
Qual und Pein,
Ihr Herzenskümmernisse, groß und
klein,
Du Zagen, Kranken, hin und
wieder Schwanken!
Zieh’ ein du Gottesglaube ohne
Wanken,
Du feste Himmelszuversicht
zieh ein!
Geh’ auf, du heller
Ostersonnenschein,
Steig’ aus den Nebeln, die zu
Boden sanken!
Erwach’ o Seele, wie dein
Heiland heut,
Zieh’ an das reine, weiße
Himmelskleid,
Zur Auferstehung auf der Erde
Gruft!
Sieh’ über dir die ew’ge
Herrlichkeit,
Entgegen weht dir
Paradiesesluft,
Der ew’gen Liebe stimme,
horch, sie ruft!
Mai Lenzfülle
Tief in die Blüten will ich
mich begraben,
Ins grünste Dunkel junger
Büsche dringen,
Will wie die Nachtigall nur
singen, singen,
Nur Lieder jauchzend meine
Seele laben.
Und von der Wonnefülle deiner
Gaben
Soll mir ein Echo-Lenz im
Herzen klingen,
Aus frischen Quellen soll die
Liebe springen,
Vergessen sei der Winter und
begraben.
Die Weisheit dieser Welt will
ich verlachen,
Geheimniß ew’ger Liebe dich
ergründen,
Im reinen Blau des Aethers
rein mich baden.
Zu ew’ger Seligkeit will ich
erwachen,
Den ew’gen Frieden aller Welt
verkünden,
Zur Auferstehung alle Seelen
laden!
O Frühling, Frühling, mußt du
denn so eilen?
Muß all die Pracht in einer
Nacht entsteh’n?
Nicht Augen hab’ ich ja genug
zu seh’n,
Nicht Zeit bei jedem Grashalm
zu verweilen!
Kann so viel Wonne sich denn
nicht vertheilen,
Muß ich im Blütenmeere
untergeh’n,
In deinem sanften Wehen selbst
verweh’n,
Mein Herz von allem Winterweh
zu heilen?
Und noch sind tausens Augen
nicht erwacht,
Mit jedem Tag wächst deiner
Wunder Pracht,
Mit jeder bräutlich süßen
Liebesnacht.
Lenzselig muß ich jauchzen,
weinen, klagen,
Muß jedes Blatt und jede Blüte
fragen,
Herz, kannst du so viel
Seligkeit ertragen?
„Wie süß er schläft! Nur
sacht, ihr Mädchen, sacht!
Nehmt euch in Acht, den Herzensdieb
zu wecken!
Wie reizend ruht er unter
Rosenhecken –
Ob er auch schläft? Ich
fürchte fast, er wacht!
Die Schelmenaugen halb nur
zugemacht,
Blinzt er verstohlen heimlich
durch die Decken,
Gleich springt er auf, euch
neckend zu erschrecken,
Dann husch! davon, auf
schnelle Flucht bedacht!“
Doch nein, er schläft! Sie
deürfen näher gehen,
Und schleichen leise, leise
auf den Zehen,
Dem schönen Knaben in’s
Gesicht zu sehen.
Die jüngste Psyche bückt sich
arglos nieder –
Rasch schlingt sein Arm sich
um die zarten Glieder,
Die Schwestern flieh’n – und
Psyche kommt nicht wieder!
Noch blüht die Rose nicht,
noch ist es Mai,
Der holde Lenz regiert noch
allerwegen,
Was sinnst du denn dem Herbste
schon entgegen,
Mein Herz, und seufzest nur: Es
ist vorbei!
„Vorbei“ klingt dir der Sänger
Melodei,
„Vorbei“ schluchzt dir der
Bach, weint still der Regen,
Rauscht dir, wenn seine Kronen
sich bewegen,
Der Wald die feierliche
Litanei.
Verwesung haucht geheim durch
Blumendüfte,
Die müde Seele flattert über
Grüfte,
Ihr banger Flügelschlag sucht
rein’re Lüfte
Nun kann der Erdenlenz dich
nicht mehr rühren,
Dein ewig Heil sollst du, o
Herz, erküren,
Ein bleicher Engel kommt dich
zu entführen!
Das Leid, das ich um deine
Seele leide,
Um dein unsterblich Theil der
bittre Schmerz,
Wie so viel tiefer treffen sie
mein Herz,
Bei solcher Himmelsschönheit
Augenweide!
Ach, wenn die Seel’ in solchem
Engelkleide
Erliegt des höllischen
Verführers List,
Daß sie des Götterursprungs
selbst vergißt,
Weit besser wär’s, daß sie vom
Leben scheide!
Ja, wenn der Blitz die Lilie
zerschmettert,
Ein Himmelssturm die junge
Ros’ entblättert,
Sie leben ewig doch im Lied
vergöttert!
Doch wenn der gift’ge Wurm den
Kelch durchfressen,
Die Krone welkt – o Jammer
unermessen!
Herz, wenn du kannst, versuch
es, zu vergessen!
Juli Unbestand
Die Sonne steigt empor! Der
Erdenwahn
Fällt, wie die gift’gen Nebel
niedersinken,
Die Seele jauchzt, die reine
Lust zu trinken,
Unschuldbeschwingte
Gottgedanken nah’n!
Und heller wird der ew’gen
Liebe Plan,
Der Gottesweisheit weicht das
eitle Dünken,
Von fern die ew’gen
Seligkeiten winken,
Die Gnade hebt den Sünder
himmelan!
Und jede Fiber strebt empor,
hinauf!
Für dieser welt Sirenenlieder
taub,
Zum Himmel will die müde Seele
ziehen!
Da wacht das wilde Thier im
Menschen auf,
Und lechzt nach Luft und
brüllt nach Fraß und Raub,
Unreine Geister nah’n, die
Engel fliehen!
September Goethe’s Hand
im Gypsabguß
An C. G. Carus.
Das ist die Hand, die uns den
Faust geschrieben,
In Flammenzügen ein
Titanenbild!
Des Herzens Lust und Leid uns
zart enthüllt
Im Egmont und in seines
Clärchen Lieben.
Die uns im Götz mit frischen
Freiheitstrieben
Noch immer neu das deutsche
Herz erfüllt,
Die Iphigenia’s Heimweh groß
gestillt,
Wenn Tasso’s Wähnen unerfüllt
geblieben.
O wunderbar gegliedertes
Gebilde!
Des Menschen ganz
ausschließlich Eigenthum,
Der Geistesoffenbarung
Mittlerin!
Mehr als des Helden Hand mit
Speer und Schilde,
Schufst mit der Feder du des
Dichters Ruhm
Und seinem Volke ew’gen
Hochgewinn!
Ihr Glücklichen! die ihr die
Zeit erlebt,
Wenn in der Friedensengel
holdem Reigen,
Die Freiheit wird vom Himmel
niedersteigen,
Daß sie die Erde auf zum
Himmel hebt!
Dann wird der Menschengeist,
auf Neu’ belebt,
Deß sanftem Wort sich alle
Kräfte neigen,
Der Erde niegeseh’ne Wunder
zeigen,
Von Macht und Schönheit
königlich umschwebt!
Der Liebe Band umschlingt die
Nationen,
Was nie gelang, gelingt
vereinter Kraft
Der Geister, welche freie
Völker leiten!
Ihr Diadem sind einzig
Lorbeerkronen,
Und jeder Segen, den die
Weisheit schafft,
Strahlt Licht und Wärme auf
die fernsten Zeiten.
Dir biet’ ich Wang’ und Brust,
geheimes Weben
Des sanften Wehens, das durch
Büsche dringt
Und Blumenduft von blüh’nder
Wiese bringt,
Wo sich die Halme neigen dir
und heben.
Du Schmeichelhauch! du zehrst
an meinem Leben,
So wie der Sonne Strahl das
Bächlein trinkt,
Der glitzernd auf der Welle
Säumen blinkt,
Und leises Grauen fühl’ ich
mich durchbeben.
Du küßest sanft den Odem mir
vom Munde,
Und wie die Flamme still den
Stoff verzehrt,
Verzehrt dein Hauch mein Leben
Stund’ um Stunde!
Bald hast du mich ins Reich
des All’s verklärt,
Befreist vom Erdstoff, der
mich noch beschwert,
Schweb’ ich empor mit dir vom
Erdenrunde!
Oktober Politisch Lied
„Politisch Lied, pfui, ein
abscheulich Lied!“
So heißt’s noch immer, ob die
Zeit auch trüber,
Der Völker Pulsschlag kündet
heißes Fieber
Und dumpf der Donner grollt in
West und Süd!
Kann sein, daß And’res besser
mir gerieth,
Ich sänge selbst von lenz und
Liebe lieber,
Doch weß das Herz voll, geh’n
die Lippen über,
Der Dichter ist der
Zeitgedanken Schmied.
Wohl wähn’ ich nicht zu
bessern diese Zeiten,
Nicht die Propheten hatten
dazu Macht,
Doch ahnt mein Lied des
Geistes Vorwärtsschreiten!
Die Lerche hat uns nicht den
Lenz gebracht,
Es bringt der Lenz die Lerchen
immer wieder
Und vor ihm her schon
schmettern ihre Lieder!
Du forderst uns zu deiner
großen Heerde,
Verlor’ne Schafe, die sich
schlimm verirrt!
Bist du denn wohl des Herren
rechter Hirt,
Giebst du dein Leben hin in
der Gefährde?
Weißt du von deiner
Christenheit Beschwerde,
Wie unerträglich ihr die
Sklavensatzung wird,
Wie von der Jesuitenkett’
umklirrt,
Die Menschheit seufzt nach
einem neuen Werde!
Gieb auf die eitle Krone
dieser Welt,
Befrei die Deinen von dem Joch
der Pfaffen,
Und von dem Wahne, den du
selbst geschaffen!
Dann, wenn wir deine Kirche
erst beneiden,
Dann nah’n wir wohl von selbst
zu deinem Zelt,
Dann magst du die geeinte
Heerde weiden!
Frei
will die Seele auf zum Himmel schweben,
Vom
Quell der ew’gen Liebe angezogen,
Aus dem
sie ewig Leben eingesogen,
Und
Geist und Gnade ihre Schwingen heben!
Nicht
vor der Hölle Strafen soll sie beben,
Denn
von der Hand des Ewigen gewogen,
Der
nicht zerbricht das Rohr, geknickt, gebogen,
Winkt
ihr ein neues ew’ges Liebeleben.
Der
milde Heiland, höchster Demuth Bild,
Er
will mit ihr sich vor den Richter stellen,
Er,
der sich Zöllner, Sünder auserwählt!
Nicht
euch, ihr Pfaffen, mit dem Heuchlerschild,
Die
ihr euch mästet von des Himmels Zöllen,
Nur
bitt’res Hassen sät und Liebe stehlt!
Des
Lebens Rosengärten, die verblühten,
du
hast sie längst schon hinter dir gelassen,
In der
Erinn’rung Dämmerschein erblassen,
Die
Freuden, die einst lebensfrisch erglühten.
Was
wirklich war, entkörpert sich zu Mythen,
Die wechselnd
bunte Nebelbilder fassen;
Still
wird’s, seit schon so viele dich verlassen,
Die
sonst mit dir sich freuten und sich müh’ten,
Der
Zukunft Räthsel tritt dir nah und näher,
Die
Gegenwart schrumpft immer enger ein,
Bald
wird dein Erdensein vergangen sein.
Auf
deiner Warte stehst du, Vorwärtsspäher,
Im
Herzen kämpft geheimes Grau’n und Wonne:
„Geh’
auf, geh’ auf, des ew’gen Tages Sonne!“
Dezember Himmel und Hölle
So
wahr wie Tod, ist Himmel auch und Hölle
Des
Guten und des Bösen sich’rer Lohn;
Nicht
erst bei der Gerichtsposaune Ton,
Nicht
außer dir, in dir ist ihre Stelle.
Tief
in dem eignen Herzen quillt die Quelle
Von
Engelsfrieden oder Teufelshohn,
Steht
unerschütterlich des Richters Thron,
Fließt
allbarmherz’ger Gnade Lethewelle.
Denn ew’ger
Liebe Allmacht will erlösen
Dich
nur im Heiligthume deiner Seele,
Dich
nur durch dich erretten von dem Bösen.
Frei
mußt du selbst zum ew’gen Licht dich wenden,
Soll
es dir seiner Klarheit Frieden spenden,
Die du
bereust, verlöschen deine Fehle!
O
Seele mein, von Ewigkeit erkoren,
Durch
höchster Allmacht wunderbares Walten,
Zu
suchen bis zu deines Leib’s Erkalten,
Den
sel’gen Himmel, den du, ach, verloren!
Wie
wohl ein Adler, auf dem Fels geboren,
Den
sich ein Fürst im Käfig lang gehalten,
Sich
sehnt die Schwingen einmal zu entfalten,
Das
Gitter schlägt, das gegen ihn verschworen!
Und
doch ist diese Erde reich und schön,
Wenn
schon des Leibes Fessel uns bedrängt
Und
unsern Geist in trübe Nebel bannt.
So stark
ist Sehnsucht nach dem Wiedersehn
In
unsres Herzens tiefsten Grund gesenkt,
Wie
den Verbannten nach dem Vaterland.
Wie
oft erfüllte dich ein heilig Weben
Und du
bliebst auf dem Lotterbette liegen,
Du
konntest deine Trägheit nicht besiegen,
Und
nanntest das recht schön ein maßvoll Streben!
Und
doch wozu war dir die Kraft gegeben?
Du
solltest reden und du hast geschwiegen,
Du
bist gekrochen und du solltest fliegen –
Jetzt
ist die Zeit vorbei! Aus ist dein Leben!
Da
stehen sie, die Kläger, am Gerichte
Der
unerbittlichen Gerechtigkeit,
Wie
grauenvolle Mitternachtsgesichte!
Auf
deinem Scheitel sträuben sich die Haare,
Zu
spät! zu spät! „O Herr, Barmherzigkeit!“
Noch
heute liegst du auf der Todtenbahre!
So nah,
mein Herz, des Himmels Herrlichkeit,
So
nahe deines Herren ew’ger Freuden,
Was
drückt dich der Gedanke denn, zu scheiden,
Was
faßt dich denn so tief ein schmerzlich Leid?
O
warum bist du denn nicht froh bereit,
Sies
enge, bange Erdenthal zu meiden,
Zu
tauschen dieses Lebens Lust und Leiden,
Mit
unaussprechlich reiner Seligkeit?
Wach’
auf, du träumst! Es naht der ew’ge Morgen,
Schon
blitzt die Sonne an des Himmels Rand
Und
scheu entfliehn die schweren Erdensorgen.
Schon
wachsen dir die Schwingen, die dich heben,
Die
Seele bricht des Leibes morsches Band,
Wach’
auf, o Herz, zu einem neuen Leben!
Ich
muß allein die düst’re Scene spielen,
Und
wollt’ ich auch mein Innres offenbaren,
Das
Tiefste würde keiner doch gewahren,
Denn was
ich fühle, kann kein Andrer fühlen.
Am
treu’sten Herzen möcht’ ich meines kühlen,
Verklärt
mich schau’n im Freundesblick, dem klaren,
Doch
was ich selbst nur einmal darf erfahren,
Nur in
der eignen Seele fühl’ ich’s wühlen.
So
tief Geheimniß birgt ein jedes Leben,
Denn
seine Wurzeln ruhn im nächt’gen Grunde,
Und
bis zur Hölle reichen sie hinab.
Frei
will der Geist sich los vom Staube heben,
Des
Daseins Preis ist Kampf um jede Stunde
Und
die Erfüllung bringt uns nur das Grab!
Die
ihr voll Hoffnung blüht im Jugendlenze,
Ich
blühte einst wie ihr im Maienglanze!
Die
ihr bewundert tragt des Ruhmes Kränze,
Ich
jagte auch nach eurem eitlen Kranze!
Die
ihr erreicht des Lebens letzte Grenze
Und
Jahr um Jahre schaut im Horentanze,
Ich neid’
euch nicht, und was da gleiß’ und glänze,
Ich
schlag’ es Alles willig in die Schanze.
Fahrt
wohl ihr Träume, Schäume, gold’nes Scheinen,
Ich
kann euch scheidend neiden nicht und weinen,
In
Einem einzig nur steht fest mein Meinen:
„Das
Herz, was mehr geliebt, als meines, neid’ ich,
An
diesem einen Leide einzig leid’ ich,
Mit
diesem einen Neide einzig scheid’ ich!“
Allmächtiger,
den laut die Schöpfung preist,
Gott,
den wir sehen und doch nicht verstehen,
Nichts
will ich mehr von deiner Huld erflehen,
Als
nur das Eine: Gieb uns deinen Geist!
Du,
den mein Herz in Jesu Vater heißt,
Laß,
wie die Zeiten kommen und vergehen,
Und
wir mit ihnen wachsen und verwehen,
Uns
nur das Eine: deinen heil’gen Geist!
Sonst
buhlt’ ich wohl um Glanz und Ruhm und Ehre,
Doch
nun ich alt bin, sieh’ o Herr, ich kehre
Wie
der verlor’ne Sohn zu dir zurück.
Nun
kenn’ ich nur ein allereinzig Glück:
Wenn
dieses Lebens morscher Faden reißt,
Nimm,
Herr in Frieden meinen müden Geist!