Stefan George                            Ein Angelico

1868 – 1933

Auf zierliche Kapitel der Legende

- Den Erdenstreit bewacht von ewgem Rat:

Des strengen Ahnen wirkungsvolle sende –

Errichtet er die glorreich große Tat:

 

Er nahm das Gold von heiligen Pokalen;

Zu hellem Haar das reife Weizenstroh;

Das rosa Kindern die mit Schiefer malen;

Der Wäscherin am Bach den Indigo.

 

Der Herr im Glanze reinen Königtumes

Zur Seite sanfte Sänger seines Ruhmes

Und Sieger der Chariten und Medusen.

 

Die Braut mit immerstillem Kindesbusen

Voll Demut aber froh mit ihrem Lohne

Empfängt aus seiner Hand die erste Krone.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Stefan George                            Neuer Ausfahrtsegen

1868 – 1933

Als noch Verheißung mich ins Ferne schickte,

In lichten Schlafen ich die Braut ersann.

Da tatest du mich einen Tag in Bann

An dem ich dich als ihren Boten blickte.

 

Da langsam heiße Gier nach ihr erstickte.,

Ich in Entsagung Frieden fast gewann.

Sprich ob es gute Fügung heißen kann

Wenn nochmal mir dein Auge nieder nickte...

 

Ich schreite durch den Dom zum Mittelthron.

Auf goldnen Füßen qualmen Harz und Santel.

Mein Sang ist schallend wie zu Orgelton.

 

Zur Salbung fließ: Mein eigen siedend Blut!

Wo find ich wieder meinen Pilgermantel?

Wo find ich wieder meinen Pilgerhut?

 

 

 

Stefan George                                          

1868 – 1933

Ich wandelte auf öden düstren bahnen

Und planlos floß dahin mein leben.

In meinem herzen war kein hohes streben

Es schien mich nichts an schönheit zu gemahnen.

 

Da plötzlich sah ich – o wer sollt es ahnen –

Ein himmelsbild an mir vorüberschweben...

In meinem innern fühlte ich ein beben

Und Liebe pflanzte ihre siegesfahnen.

 

Ist mir auch täuschung nur und schmerz geblieben

Und kann ich Dich von glorienschein umwoben

Anbetend und begeistert still nur lieben:

 

So muß ich doch das gütige schicksal loben

Das mich durch Deine hand zur tat getrieben

Und zu den sternen mich emporgehoben.

 

 

 

 

 

Stefan George                            Neuländische Liebesmahle

1868 – 1933

Die kohle glüht. mit dem erkornen rauche

Beträufle sie! der guss verfliegt und zischt.

Dass er uns in die dichten wolken tauche

Wo frommer wunsch mit süsser gier sich mischt!

 

Lass auf dem lüster viele herzen flammen

Mit schwerem qualme wie in heilgem dom

Die hände legen schweigsam wir zusammen

Zu träumen einen melodienstrom!

 

Kein zarter anhauch! nein in jenen chören

Wird jungfräulicher flaum den einklang stören

Wie künsten – aber falsch – ergeben haar.

 

Wirf neue körner auf die opferschale!

Dass blonder wirbel unsern sinnen male

Die wissensvolle müd und wunderbar.

 

 

 

Den blauen atlas in dem lagerzelt

Bedecken goldne mond- und sternenzüge

Auf einen sockel sind am saum gestellt

Die malahit- und alabasterkrüge.

 

Drei ketten eine kupferampel halten

Die unser stirnen falben schein verhehlt

Uns hüllen eines weiten burnus falten

Und – dass uns nicht ein myrthenbüsches fehlt!

 

Bald hören wir des tranks orakellaut

Auf teppichen aus weichem haar gesponnen.

Der knabe wohl mit jedem wink vertraut

 

Verbeugt sich würdig vor dem hospodar . .

Mir dämmert wie in einem zauberbronnen

Die frühe zeit wo ich noch könig war.

 

 

 

Stefan George                                          

1868 – 1933