1806 – 1876
1845
im finstern Rate der
Natur.“
I.
Als
wettergleich fernher ertönt die Kunde,
Daß du
geschmiedet an den Fels der Leiden,
Da
fühlt’ ich durch das eigne Herz mir schneiden
Ein großes
Unglück, eine tiefe Wunde.
Ich
sprieße gern für mich allein im Grunde,
Doch
möcht’ an dir zu ranken ich nicht meiden,
Ein
Gottesurteil war mir dein Entscheiden,
Mein
liebster Kranz das Lob aus deinem Munde.
Du
sprachst mir Mut, als Unmut mich gebogen,
Du
hieltst mich wert; dein Mund, der nie gelogen,
Er
lehrte mich an eignen Wert zu glauben.
Und
wollten dich mir die Dämonen rauben,
Zerbrochen
wär’ mein Stab, mein Kranz zerrissen,
Und
tot in dir mein Hoffen – mein Gewissen.
II.
Es kam
der Herbst. Zu jedem Sonnenstrahle
Sprach
ich: Was lachst du mir? Zieh hin, vermähle,
Du
Klarer, dich der kranken Freundesseele,
Ihm
keltre du den Heiltrank in die Schale.
Der
Winter kam. Ich bat ihn: Mir nicht male
Die
Wangen rot, nicht mir die Sehnen stähle!
Den
kranken Freund dir zur Verjüngung wähle,
Härt’
ihm den Leib, der Rüstung gleich von Stahle.
Es kam
der Lenz. Ich sprach: Nicht mich umschmeichle!
Die
schwarzen Locken aus den Augen streichle
Dem
kranken Freund, und seine Stirne kühle!
Das
Schönste deiner Flur sollst du erlesen,
Ans
Herz ihm legen Blumen der Gefühle,
Und
kann er’s, wird an ihnen er genesen.
III.
O
hört’ ein Lied ich deinem Mund entklingen!
Genesung
ist’s, blühst du in Sängen wieder;
Des
Dichterbaumes Blüten sind die Lieder,
Kein
kranker Baum wird solche Blüten bringen.
Sei’s
auch ein düstres Lied, wenn nur dein Singen!
Die
dunkle Tanne blüht nicht hell wie Flieder,
Selbst
deine Lerchen tragen schwarz Gefieder,
Nur
Morgenrot vergoldet ihre Schwingen.
Es ist
dein Lied der rätselvolle Falter,
Der
einen Totenschädel trägt zum Schilde;
Doch
nur durch schöne Frühlingsnächte wallt er!
Der
Passiflore gleicht’s, ein Kreuz umschwankend,
Ein
göttlich Leiden formt ihr Blühn zum Bilde;
Doch
nur in Frühlingssonnen blüht sie rankend.
IV. -
Winnental
Welch
Wiedersehn! Zerstörung und Entsetzen!
Ein
prächt’ger Vollmondhimmel war dein Träumen;
Jetzt
prasseln Sterne, fallend, in den Räumen,
Durchrast
von Blitzesknäueln, Wolkenfetzen.
Ich
beb’ – und soll vielleicht dich glücklich schätzen!
Krankheit
vielleicht ist höhern Lebens Schäumen.
Wir
sehn das schwarze Zauberroß sich bäumen,
Wild
reißt es aus, gespornt, in scheuen Sätzen.
Ein
kühner Reiter ohne Zaum und Decken,
Sprengst
du dahin durch ungemeßne Weiten
Und wirfst
uns zu im Flug gepflückte Sterne.
Gelähmt
ist die Verwundrung uns vom Schrecken;
Dem
Auge, das noch zagt dich zu begleiten,
Verschwand
dein Flug im Nebelgrau der Ferne.
V.
Im
Hofraum flüstert noch der alte Bronnen
Wie einst,
als diese Mauern Klosterhallen,
Er sah
im Zwangshabit einst Mönche wallen
Und
fang sie ein in der Verzückung Wonnen.
Doch
andern Kultus hat der Herr ersonnen,
Ihn
preist der Mönchchor, preist des Wahnsinns Lallen;
Noch
wohnen hier, die mit der Welt zerfallen,
Im
Zwangshabit, von glüh’ndem Traum umsponnen.
Sie
haben eingekleidet dich der Zelle,
Klausur
verschloß das Pförtlein, da wir harrten;
O sink
in himmlischer Verzückung Wonnen!
Ist’s
auch nur Traum, sei er doch süß und helle;
Die
alten Blumen säuseln noch im Garten,
Im
Hofraum flüstert noch der alte Bronnen.
VI.
O
träume, was dein Herz einst mocht’ erregen,
Schau’
in Ekstasen, was versagt dem Wachen,
Besieg’
im Traum den alten Sündendrachen;
Schütt’
aus den edlen Zorn in Wetterschlägen;
Doch
sie auch deines, unsres Zornes Segen:
Das
Wort, entknechtet, große Tat entfachen,
O sieh
des Vaterlands glorreich Erwachen,
Den
Saatenjubel nach Gewitterregen!
Das
schöne Deutschland einig, fei und mächtig;
Die
Weisheit hält das Buch, das Recht den Degen,
Den
Hader nur ließ sie in Ketten legen.
O
schwelgerisches Wahnbild, stolz und prächtig!
Das
Fieber nur darf dran die Augen weiden –
Weh,
der Gesunde muß den Kranken neiden.
VII. –
Döbling 1848. 1849.
„Deutschland
ist frei!“ Im Jubelsturm nur leise,
Dich
nicht zu schrecken, klang’s aus Freundesmunde;
Der
Lenzstrahl doch, an dem dein Herz gesunde,
Ach,
er durchdrang nicht deines Geistes Eise.
„Deutschland
ist frei!“ So scholl die letzte Weise,
Dich
zu erwecken, donnernd in der Runde;
Der beste
Heilquell ist solch große Stunde –
Doch
sie zerbrach nicht deines Bannes Kreise.
Des
eh’rnen Kaiserbilds will mich’s gemahnen,
Dem in
die Hand sein Volk zurückgegeben
Die
heil’ge Fahne, der einst galt sein Ringen;
Hoch
flattert sie, die Fahne aller Fahnen,
Ins
starre Erzbild doch facht sie kein Leben,
Und
jener Tote wird sie nimmer schwingen.
VIII.
Um
einen Frühling ist mein Leben ärmer!
Ein
Lenz verblühte unbemerkt, verlassen,
Umsonst
ließ er die Luft sein Gold verprassen,
Im
Wald sich heiser schmettern bunte Lärmer.
Traun,
jenes Jahr hat keinen Frühlingsschwärmer;
Da
stimmten vollern Chor die Völkermassen,
Da
blühten schwarzrotgolden selbst die Gassen,
Im
Volksrat die Gestirne flammten wärmer.
So
ganz vergaß ich, daß Natur auch blühte!
Ich frug
um ihren Lenz erst, als schon Flocken
Das
Schneegewölk auf dürre Stoppeln sprühte. –
Lenz
kam aufs neu’; ich aber fühl erschrocken,
Daß
Duft und Blütenspiel mich wieder locken,
Waldstimmen
wieder rühren mein Gemüte!
IX.
Du
aber siehst es nicht, was wir beklagen:
Jetzt
Nebel schleichend, wo’s so schön gewittert,
Der
Zeit Panier in Kot geschleift, zerknittert
Von
Händen, die’s zu Sternen sollten tragen;
Der
Einheit Ring am Mäkelsinn zersplittert,
Wie
Liebesglut am Ehepakt zerschlagen;
Doch
Leichen, die schon auf der Bahre lagen,
Zur
Lebenslüge neugeschminkt, beflittert;
Die
wilde Freiheit nur der Leidenschaften,
Blutwunden,
die durch Bruderliebe klafften,
Despoten,
die das Purpurkleid nur meiden,
Verrat
und Schmach mit unsrer Flagge fahren,
Das Sternenbanner,
deckend den Korsaren! –
Noch
muß den Kranken der Gesunde neiden.
X.
1850
Und
als der Sturm vorbei und sie vom Zittern
Genesen,
da erstarkten sie zum Schmähen,
Und
dich und uns, die ihn vorausgesehen,
Urheber
schalten sie von den Gewittern. –
Sturmvogel
warnt, bevor die Masten knittern;
Er
weiß: der Seemann wird den Ruf verstehen,
Sich
rüsten, treu nach Tau und Segel spähen,
Daß
der Orkan sein Schiff nicht schlag’ zu Splittern.
Und
wollt’ ein Bube oder Fremdling wagen
Den
Vogel mit dem Feuerrohr zu messen,
Der
Schiffer wird es aus der Hand ihm schlagen;
Denn
heilig hält den Warner er in Ehren,
Der
ein geheimniskund’ger Bote dessen,
der
bald in Wettern spricht zu Land und Meeren.
XI.
Dein
Arm zuckt fiebernd auf der Seidendecke:
Er sucht
den Reisestab, so will’s mir scheinen,
Und
daß die Zeit der Kleinen und Gemeinen
Die
Wanderlust der Großen, Edeln wecke.
Wie
blähn sich hoch die erst so winzig Kleinen,
Wie
klingt der erst so Zahmen Wort so kecke,
Scheintote
springen dreist aus dem Verstecke,
Seit
sie gebändigt die Unbänd’gen meinen.
Vergrabnen
Truh’n entsteigt in welken Flittern
Manch
abgestreifter Balg von Mönchen, Rittern; -
Gelernt,
vergessen nichts! gleich jenen andern.
Wo
Unkensang sich mengt dem Wolfsgeheule,
Und in
den Wipfeln Kuckuck thront und Eule,
Da
müssen Nachtigall und Adler wandern.
XII. -
Helgoland
Ich
stand auf Helgoland. Aus schwanken Booten
Kam
neuer Gäste Schar zum Strand geschritten;
Da
rief mir’s zu: „Dein Freund hat ausgelitten!
Tod
löste mild den dunkeln lebensknoten.“ - -
Fürwahr,
der düstre Fels in Meeresmitten,
Ein
Ort ist’s, recht zu denken dieses Toten!
Und
solcher Kunde köönt ihr bessern Boten
Als
sein geliebtes Meer wohl nicht erbitten;
Dies
Nordmeer, das umwölkt, in Trauerschleiern,
Mit Klaggestöhn’
scheint seinen Tod zu feiern
Und an
mein Herz sich wirft mit lautem Greinen;
Wie
eine Witwe stürzt vom Todesbette
Des
Gatten an des Bruders Brust, die Stätte
Erlesend,
ihren Jammer auszuweinen.