1830 – 1889
Heut lallen an der Mutterbrust,
der weichen,
Zu Rosse morgen ziehn in
stolzem Trabe,
Und übermorgen dann als müder
Knabe
Mit grauen Haaren an der Klücke
schleichen:
das Glück erspähn und nimmer es
erreichen,
Sich hundertmal als einzig süße
Labe
Den Tod erflehn und schaudern
vor dem Grabe,
Das Sein verwünschen, vor dem
Nichts erbleichen:
In langer Weil’, in Weinen oder
Lachen,
In Sehnen, Sinnen, Hoffen und
erbeben
Den Tag verträumen und die
Nacht durchwachen,
Dazu die Frage schmerzlich oft
erheben,
Was all das soll: Das ist in
tausend Sprachen
Ein altes Lied, betitelt
Menschenleben.
1830 – 1889
Die Liebesrede war gemach
verklungen,
Wir ruhten Herz an Herz an
trauter Stelle!
Und schweigend aus des
Selbstvergessens Quelle
Trank ich, in Träume selig
eingesungen!
Da fiel mein Blick, dem
Wonnetraum entrungen,
Auf eines Spiegels blanke
Silberwelle:
Und drin erblickt ich in
kristallner Helle
Mich selbst mit ihr,
umschlingend und umschlungen!
An mich geschmiegt sah ich die
Blütenflocken
Des Busens, sah der Augen
lichte Sonnen
Und niederwogend ihre schwarzen
Locken.
So stand ich, ein Narziß, am
Zauberbronnen
Der Schönheit und bestaunte,
süß erschrocken,
Das sel’ge Wunder meiner Liebeswonnen!
1830 – 1889
Es war doch schön, wie wir
beisammensaßen
So Tag für Tag – o welche Zeit
mir war es!
Kühl sollt ich schaun, ach, in
dein Aug’, dein klares,
Und wußte mich doch eben kaum
zu fassen.
Elektrisch knisterten die
Faltenmassen
Der Seide, die du trugst; die
Pracht des Haares
Umwallte dich, ausging ein
wunderbares
Arom von dir – wer bliebe da
gelassen?
Anständigst ferne standen unsre
Stühle:
die schönste Stunde dir und mir
verbittern
Mußt ich dozierend mit
erzwungner Kühle,
Doch oftmals ging ein
Flügelschlag, ein Wittern
So zwischen uns, daß drückend
ward die Schwüle
Der Luft, die Stimme mir begann
zu zittern.
1830 – 1889
Ich sehne mich nach goldnen Glückes
Zielen.
Nach süßem Munde, holderblühten
Wangen;
Von weichen Armen wär’ ich gern
umfangen,
Und meine Lippen fänden gern
Gespielen.
Ich möchte nicht umsonst mit
Blicken zielen
Nach einem schönen Auge voll
Verlangen:
An einem zarten Halse möcht’
ich hangen,
Und fessellos in seidner Locke
spielen!
Wohl reizt mein sehnend’ Auge
manch’ ein lichtes
Gebild, das tausend Reize hold
beleben;
Doch ach, kein süßes Wort der
Liebe spricht es.
Es hält nicht stand dem
glüh’nden Liebestreben:
Der Zauber eines holden Angesichtes
Berührt mich stets nur im
Vorüberschweben!
1830 – 1889
Der Schönheit Götterleib ist
wie zerstücket,
Zerstreut die Blumen ihres
Zauberkranzes,
Den noch kein sterblich Auge
sah als Ganzes,
Der voll nur der Chariten
Häupter schmücket!
Welk flattert morgen, was uns
heut entzücket,
Dahin im Wirbelwinde,
flücht’gen Tanzes;
Heut strahlt ein Höchstes uns
voll lichten Glanzes,
Und morgen war’s ein Schein,
der uns berücket.
Fortunens Kugel gleich,
entrollt im raschen
Umschwung vor uns der goldne
Schein des Schönen;
Wir folgen ihm und können ihn
nicht haschen.
Und nur die Muse reicht
geliebten Söhnen,
Die in kastal’schem Tau das
Auge waschen,
Holdsel’gen Trost in Farben und
in Tönen!
1830 – 1889
Mit seinem Füllhorn kam der
Lenz gezogen,
Und Liebliches ward links und
rechts entsendet:
Glanz ward dem See, dem Strome
zugewendet,
Und Klang den Vöglein, die da
lustig flogen.
Duft ward den Blumen, dran die
Bienen sogen,
Azur dem Himmel, Grün dem Hain
gespendet:
Und alsbald war die Fülle ganz
verschwendet
An Vögel, Bäume, Blumen, Lüfte,
Wogen.
Doch als der Lenz mich sah mit
bleichen Wangen,
Da sprach er, gleich, alsob es
ihn gereuet,
Daß leer allein der Dichter
ausgegangen:
„Hin gab ich, was die einzelnen
erfreuet,
Doch dir nur schenk’ ich dies
gesammte Prangen,
Dein Herz versammle, was ich
rings zerstreuet!“
1830 – 1889
Wohl ist mein Herz aus leicht
entzündbar’n Stoffen,
Doch selten thut mir Frauenreiz
Genüge:
Kalt weht mich an als eine
schöne Lüge,
Was erst wie Himmelszauber mich
getroffen.
Und doch ist Liebe noch mein
höchstes Hoffen,
Auf ihrer Spur gehn meiner
Sehnsucht Flüge.
O fänd’ ich liebenswerthe,
theure Züge,
Und säh’ der Schönheit ganzen
Himmel offen!
Bleib’ ferne mir das holde
Bild, verhöhn’ es
Und keinen meiner heißen
Wünsche krön’ es:
Gern füg’ ich diesem Loose
mich, dem herben;
Ich will ja nichts, als schau’n
ein wahrhaft Schönes,
Und wär’ es auch nur, um dafür
zu sterben!
1830 – 1889
Wer immer sich dem Dienste
weiht des Schönen,
Bereite sich, des Leides Kelch
zu trinken:
Den Wunsch, nicht ruhmlos einst
hinabzusinken,
Wird quälend ihm des Schicksals
Neid verpönen.
Entfacht dein Aug’ die Flamme
der Kamönen,
Wird oft auch d’rin der Glanz
der Thräne blinken;
Wenn Lorbeerkränze deinem
Haupte winken,
So sei gefaßt, daß Dornen auch
es krönen!
Wie selig oft auch deine Pulse beben,
Nicht immer wirst du dich auf
Blumen wiegen,
Nicht immer hoch auf gold’ner
Wolke schweben.
Der Muse Liebling kann den Tod
besiegen,
Doch beugt dafür den Nacken ihm
das Leben,
Und zwingt ihn, schnödem Joche
sich zu schmiegen!
1830 – 1889
Der Strom der Sehnsucht, heiß
und allumfangend;
Nach außen strebt er stürmisch,
glutverlangend –
Was wäre Sehnsucht, die
verhohlen bliebe?
Doch es umkränzt den Quell so
glüh’nder Triebe
Kein Blütenufer, glatt und
weich und prangend;
Ihm blaut kein Meeresschoß,
drin lust-erbangend
Und todesfroh sein sel’ger
Strom zerstiebe.
Wie hoch vom Felsenrand, dem
scharfgezackten,
Im Waldesdunkel, fern dem Glanz
der Sonnen,
Der Bergstrom stürzt in düst’ren
Katarakten:
So stürzt, aus himmelnahem
Quell geronnen,
Vertosend einsam in des Liedes
Takten,
In öde Nacht sich meiner Liebe
Bronnen!
1830 – 1889
Zu Blumen schmiegt’ ich mich in
süßem Minnen,
Sie welkten hin und ließen mich
alleine:
Nach Stralen hascht’ ich,
goldig buntem Scheine,
Doch bald auch schwand der
schöne Glanz von hinnen.
Nach Klängen lauscht’ ich mit
entzückten Sinnen,
Doch allsogleich starb ihre
Spur im Haine:
Und was ich liebend gern
genannt das Meine,
Es schwand dahin, ich durft’ es
nicht gewinnen.
Und wie der Schiffer zagt, mit
Blicken hangend
An Küsten, die ihm fern in Duft
verschwammen,
So zag’ ich, um Verlornes
schwer erbangend.
Es schlugen sehnend meiner
Liebe Flammen
Empor – umsonst! Und nun, nach
Stoff verlangend,
Verzehren sie das Herz, aus dem
sie stammen!
1830 – 1889
Auf öder Haide, wo nur Mücken
schweben,
Leg’ ich mein Ohr an’s Herz der
stillen Erde,
Auf daß mir offenbar ihr
Pulsschlag werde,
Ihr Athemzug und ihr geheimstes
Leben.
Was spricht die Tiefe? horch!
Nichts Neues eben:
Noch geh’n den alten Trott die
wilden Pferde
Neptuns, und noch steht am
Cyclopenheerde
Die Mühsal, hämmernd, schwitzt
und seufzt daneben.
Auch ist noch Gras nicht über
deine Frage
Gewachsen, alte Sphynx, und
wild aufbrauset
Avernus fort und fort in
dumpfer Klage.
Schön ist das Leben, wo die
Sonne hauset,
Doch düster bleibt sein dunkler
Grund. Nicht wage
Zu lauschen: wer
hinunterhorcht, dem grauset.
1830 – 1889
Meerüber strebt das Vöglein und
berühret
Die Woge nicht mit seinen müden
Schwingen:
Zum ersten Mal meerüber
strebt’s zu dringen,
Von unbewußtem Herzensdrang
geführet.
da weht von Küsten, die der
Lenz erküet,
Ein Duft herüber und ein
lockend Klingen,
Das Vöglein staunt und jauchzt:
woher entspringen
Die Wonnen, die mein Herz so
lieblich spüret? –
So liegt, ein Abgrund, unter
uns das Leben,
Ein trübes Schicksal, das die
Parzen spannen,
und d’rüber hin geht unser
sehnend Streben:
Oft aber rauscht der trübe
Sturm von dannen,
Und neuer wellen Wunder uns
umschweben
Im Dämmerschein – wir wissen
nicht von wannen?
1830 – 1889
Ein flüchtig Nah’n, ein eiliges
Entschweben,
Ein kurzer Blick, dann langes
Nichtbeachten!
Gesenkten Haupt’s ein
träumerisches Trachten,
Dann wiederum ein stolzes
Sicherheben;
Im Aug’ ein zartes Glüh’n, ein
holdes Beben,
Dann wieder trotzig blickendes
Verachten;
Im Mund ein Lächeln, ein
geheimes Schmachten,
Dann kalter Ernst und strenges
Widerstreben:
So zeigt sich mir, so lohnet
mich die Holde.
Ich aber lächle selig, still
zufrieden,
Verlange kaum nach andrem
Minnesolde.
Hat auch mich Manche nicht so
streng gemieden,
Mir aufgethan des Herzens Blütendolde,
So sel’ges Leid hat keine mir
beschieden!
1830 – 1889
Ach, meine Blicke, trunk’ne
Vögel, spreiten
Die Schwing’ im weiten Saal
nach ihr alleine:
Ihr Auge aber meidet stets das
meine,
Und scheut sich, Stern in Stern
den Blick zu leiten.
Wohl streift er mich in holder
Näh’ zu Zeiten,
Irrt spielend mir ums Haupt mit
süßem Scheine,
Um, wenn ich ihn beglückt zu
haschen meine,
Mit kühlem Stolze wieder
abzugleiten.
Nur wenn der Schönen Kranz um
sie verdichtet
Sich drängt, und mir verbirgt
mein süßes Hoffen,
Dann aber sich der Schwarm ein
wenig lichtet:
Da seh’ ich durch ein
Spältchen, lieblich offen,
Urplötzlich oft von fern auf
mich gerichtet
Ein spähend Feuerauge, süß
betroffen!
1830 – 1889
Des Gegners Haß, er wäre zu
verschmerzen:
Doch wie die Stacheln, umbewußt
getrieben
In uns’re Brust von Denen, die
uns lieben?
Von theurer Hand geh’n Pfeile
tief zu Herzen!
Ich halte vor dem Feind den
Leib mit Erzen
Gepanzert; doch vor dir in
milden Trieben,
O Kind, ist offen meine Brust
geblieben.
Bedenk’ es, kommt der Wille
dir, zu scherzen!
Von hundert Feindespfeilen
trifft nur Einer
Das Ziel, doch spitze
Freundesworte bohren
In’s Mark sich alle, sicherer
und feiner.
Man hat mir tausendfach, seit
ich geboren,
Das Herz verwundet, doch so
tief hat Keiner
Mir weh gethan, als du, die
mich erkoren!
1830 – 1889
Wenn zauberhaft der Bühne
Wunder prunken,
Und leiser ahmend lauscht des
Hauses Runde,
Da blein’ ich, lauschend einer
schöner’n Kunde,
Nur in dein holdes Angesicht
versunken.
Doch ich verliere nichts. Es spiegelt trunken
Der Scherz, es spiegelt
Rührung, die vom Munde
Des Mimen schwebt, in deines
Auges Grunde
Sich wunderbar und spielt in
Thränenfunken.
Liebreizend geht die Nähe, geht
die Ferne,
Gehn Lust und Leid und alle
Weltgeschichten
Vorüber mir in deinem
Augensterne;
Und es befängt, was edle Sänger
dichten,
Weil ich’s versteh’n aus deinen
Augen lerne,
Mich doppelt schön in lieblichen
Gesichten.
1830 – 1889
Am Festtag rauscht’s von
schimmernden Gefährten
An San Andrea’s wunderschönem
Strande,
Zur Rechten See, verrieseln
sacht im Sande,
Zur Linken Blattgelispel, grüne
Gärten.
Dazu Tergeste’s Frau’n, die
Siegbewährten!
Ein Festzug scheint’s, der hold
im Meereilande
Der Kypris hinwogt, und vom
Uferrande
Sich spiegelt in der Flut, der
blauverklärten.
O hier ist’s lieblich, auf- und
abwärtsschlendern!
Bald gängelt dich mit Reizen
ohne Namen
Das prächt’ge Seebild wie an
Liebesbändern:
Bald wieder scheinen dir die
stolzen Damen
Des Bildes Kern in ihren
Prunkgewändern,
Und Meer und Himmel nur ein
schöner Rahmen.
II.
Der Seestrand rauscht von
schimmernden Karossen;
Mich aber lockt vor allen Ein
Gespanne:
Das trägt, mich fesselnd wie
mit Zauberbanne,
Das schönste Weib, liebreizend
hingegossen.
Ist das die Meerfei, die mit
Neptuns Rossen
Der nahen Flut entstieg, mir
armem Manne
Zum Unheil, und für eine
Zeitenspanne
Verließ die Muschelgrotte, meerumflossen?
Schon abseits rollt, sieh, von
der Menschen Rotte
Der Wagen, während, jüngst noch
ein Gesunder,
Ich hinterdrein wie
traumverloren trotte.
Gleich wird der holde Spuk, der
Liebeszunder,
Ins Wasser gleiten und in seine
Grotte
Mich niederzieh’n das schöne
Meereswunder.
1830 – 1889
Es braus’t der Forst,
Gewitterwolken fliegen,
Der Bach durchtobt die Schlucht
in Finsternissen,
Gestein und Trümmer stürzen
hingerissen,
Und krachend sich die hohen
Wipfel biegen.
Die Thiere tief sich in die
Klüfte schmiegen:
Ein still Asyl muß nur der
Wand’rer missen?
Doch – bei der Blitze Schein,
dem ungewissen,
Seh’ ich vor mir die sich’re
Grotte liegen.
Ich lag’re hin im weichen Moose
mich:
Da kommt im Traum die Schönste
mir der Schönen
Und neigt zu mir sanft mit
Gekose sich.
Und während fernher die
Gewitter dröhnen,
Erschließt mein Herz wie eine
Rose sich,
Und stillt den Sturm mit Lieb’
und Liedestönen.
1830 – 1889
Was dieses Herz als höchste Wonne
spüret,
Dein holdes Bild, ich schau’ es
oft mit Beben:
Wird es so rein mich immerdar
umschweben,
Wenn auch dem Blick, doch nicht
dem Sinn entführet?
Es stirbt die Flamme, noch so
heiß geschüret,
Und Liebe selbst lebt oft ein
flüchtig Leben:
Dem Sinn entschwindet wieder,
was ihn eben
Gleichwie mit ew’ger
Zaubermacht gerühret.
Ich hob manch’ holdes Bild auf
lichtem Schilde,
Und mußte doch nur allzubald
verneinen
Der jüngst gepries’nen Züge
Reiz und Milde.
Weh mir, wenn jemals mählig
auch die deinen
In mir erblassen gleich dem
Nebelbilde,
Und selbst im Traume mir nicht
mehr erscheinen!
1830 – 1889
Und spräche Wahrheit laut wie
Donnerwetter,
Und hätte sie des Sturmwind’s
eh’rne Lungen,
Und des Kanonenschlund’s
metall’ne Zungen,
Und der Posaune kräftiges
Geschmetter,
Und wär’ der Meerschwall selber
ihr Trompeter,
Vom Tageslärm würde doch ihr
Wort verschlungen,
Vom schrillen Chor des
Blödsinn’s überklungen
Und von des Hasses kleinlichem
Gezeter.
Nur merke dies: kurzathmig ist
die Narrheit:
Wie laut des Blödsinns Chor mag
jubiliren,
Ermatten muß doch endlich sein
Gedröhne.
Doch einen langen Athen hat die
Wahrheit:
Ihr Wort, es klingt in seiner
stillen Schöne
Geruhig fort, bestimmt zu
triumphieren.
1830 – 1889
Die Wasser grauten,
schrankenlos ergossen,
Kein Eiland noch in ihrem
Schooße wiegend;
Da stieg der Gott des Lichts am
Himmel siegend
Empor mit seinen gold’nen
Flammenrossen.
Es sah die Flut den Himmel
aufgeschlossen,
Sehnsuchtsentbrannt in ihren
Tiefen liegend:
Und sieh! er senkte sich, zu
ihr sich schmiegend,
Und seines Liebesegens Borne
flossen.
Wohl riß er los sich aus dem
Wonnebunde
Von ihr – doch sieh, in tausend
Blütenländern
Entstieg der Liebe Frucht dem
feuchten Grunde.
Und wie der Sterne Kuß auf
Blumenrändern
Zur Perle wird, blüht jener
sel’gen Stunde
Gedächtniß fort in holden
Liebespfändern!
1830 – 1889
Was tönt dein Wort so lieblich
meinen Ohren?
Was folgen stets mir deiner
Augen Sterne?
Ich höre, seh’ dich, ach, nur
allzugerne,
Und bald isst ganz mein Herz an
dich verloren.
Es strahlt ein Ideal mir,
längst erkoren;
In ew’ger Liebe such’ ich’s nah
und ferne.
Will nun dein lockend Aug’, daß
ich verlerne
Die Treu’, die ich der hohen
Braut geschworen?
Fahr’ wohl – wozu soll deine
Näh’ mir taugen,
Als aus dem Bronnen deines
Augengrundes
Von süßem Gifte ganz mich
vollzusaugen?
Schon allzulüstern träumt mein
Herz, mein wundes,
Vom sterngestickten Himmel
deiner Augen,
Und von der Rosenknospe deines
Mundes.
1830 – 1889
Da braus’t sie hin mit feurig
stolzen Rossen,
Beschwingten Zugs, begafft von
ihren Rittern,
Der Glieder Pracht umrauscht
von seid’nen Flittern,
Auf üpp’ge Polster lässig
hingegossen.
Was sind der spröden Schönen,
glanzumflossen,
Die Huldigungen, die sie scheu
umwittern?
Nicht mehr als Veilchen, die
mit leisem Zittern
In ihrer Räder Spur am Wege
sprossen.
Am nahgedrängten Schwarm
gezierter Faunen
Verdrossen gleitet ab ihr Blick
in Eile:
Die Glanzumstrahlte seufzt in
trüben Launen.
O vielbeneidet’ Ziel der
Liebespfeile,
Mein Loos, umsonst dich sehnend
anzustaunen,
Ist sel’ger doch als deine
Langeweile!
1830 – 1889
In deiner Formen Wundern les’
ich gerne,
Im Lippenpurpur, schwarzen
Glanz der Haare:
Das sind zu griech’schen
Skolien Commentare,
Daraus ich schönes, sel’ges
Leben lerne!
Verbleichen müssen Rosen,
Perlen, Sterne,
Der Tropenschatz der Dichtung
langer Jahre;
Weil gänzlich neu dein Reiz,
der wunderbare,
Ist eine neue Poesie nicht
ferne!
Wetteifernd sich entgegen stand
in Spaltung
Natur und Kunst. Nun siegt
Natur. Gespendet
Hat sie in dir das Höchste der
Gestaltung.
Wie käme, solcher Schöne
zugewendet,
Nicht jedes Sein zu wonniger
Entfaltung?
Wohl ihm, der sich an deiner
Brust vollendet!
1830 – 1889
O knüpfe los die langen,
gold’nen Flechten,
Und laß sie lieblich flatternd
niederhangen!
Viel süßer ist’s, mit wildumlockten
Wangen
Der Küsse holden Wettkampf
auszufechten!
Du zürnst? Wie magst du mit dem Freunde rechten
Um eine Schleife, weichend
aufgegangen!
Des Haares Schleifen sind nicht
Gürtelspangen;
Und läßt die Locke sich nicht
wieder flechten?
O sieh, wie schön du bist – wie
reizend fliegen
Die Locken jetzt um deine
Liljenglieder,
Um sich zuletzt in deinen
Schooß zu schmiegen!
Die Liebesgötter nah’n im
Glanzgefieder,
Auf diesen gold’nen Seilen sich
zu wiegen,
Und klettern lustig spielend
auf und nieder!
1830 – 1889
I. - Venezia
Auftauchen sie, die
meerumrauschten Zinnen,
Zahllos, wie Zacken eines
Riesenspeeres;
Die gold’ne Zauberstadt im
Schhoß des Meeres,
Sie muß das sprödeste Gemüth
gewinnen!
San Marco hält das
süßberauschte Sinnen
Des Nachts im Banne seines
Flammenheeres;
Leicht wird ein schweres Herz
und voll ein leeres,
Und Jeden überkommt ein selig
Minnen.
Hier bau’n mit Recht sich, froh
des gold’nen Traumes,
Poet’sche Wandervögel ihre
Nester,
Gleichwie im Schatten eines
Wunderbaumes.
Bist nicht umsonst der
Aphrodite Schwester,
Venezia, gleich ihr ein Kind
des Schaumes:
Denn wer dir naht, den hältst
du täglich fester!
II. - Die Lagunenbrücke
O Wunderbrücke, die in
Meeresmitte
Des Dampfes Rosse donnernd
überfliegen,
Bist du, gefügt von Götterhand,
entstiegen
Dem Zauberreich der blauen
Amphitrite?
Die Woge seufzt, als ob ungern
sie litte,
Daß sich auf ihr die schweren
Joche wiegen:
Ha, Stolze, mußtest du dich
endlich schmiegen,
Und setzt ein Sieger dir aufs
Haupt die Tritte?
Nicht die bezwangen dich, die
dich erwählten
Zum Wohnsitz, trauend dir und
ihrem Glücke,
Nicht jene Dogen, die sich dir
vermählten,
Noch der den Marenslöwen hieb
in Stücke:
Die Hände thaten’s erst, die
ungezählten,
Die auf dich legten diese
Riesenbrücke!
III. - Torcello
Du bist das liebste mir der
Meereilande,
Die in Venedigs Golf ihr Haupt
erheben,
Soviel der Woge mutterzärtlich
Leben
Umheget mit saphirnem
Liebesbande.
Trägt mich entlang an deinem Blütenstrande
Die Gondel, wo Granaten blüh’n
und Reben,
Da dünk’ ich als ein Falter mir
zu schweben
Auf einer Zauberblume goldnem
Rande.
Du träumst so süß in blauer
Wellenwiege,
Und ich in dir, wenn traulich,
schmerzenthoben,
Mein Haupt ich unter deine Blumen
schmiege.
Dein Blütentraum ist’s, dessen
sel’ges Toben,
Indeß im hohen Gras ich sinnend
liege,
Durch’s Herz mir weht, und
klingend jauchzt nach oben.
IV. - Monte Berico in Vicenza
Vicenza! Schönheitszauber, nicht zu sagen,
Durchwaltet deine Gassen, deine
Räume;
Hier lockt michs wundersam, auf
daß ich säume,
Ich holde Bande fühl’ ich mich
geschlagen.
Wie edel rings die
Prachtpaläste ragen,
Palladio’s steingeword’ne
Griechenträume!
Olympisch heiter wandl’
ich. Unter Bäume
Den Berg hinan fühl’ ich mich
wie getragen.
Da glänzt die Perle
nordital’scher Lande
Auf gold’ner Au, wo Grün und
Blüten regnen,
Im Kranz der Höh’n mit
dämmerblauem Rande.
Und wie im Ueberflusse mich zu
segnen,
Muß von des Bachiglione grünem
Strande
Mir noch die Rabenlockigste begegnen!
V. - Villa Giusti in Verona
Ich sah, Verona, dich von
deinen Brücken,
Reizprangend, unter mir die
Flut, die schnelle;
Doch herrlicher von dieser
trauten Stelle,
Wo Rosen und Cypressen mich
entzücken.
Schön bist du, doch du wolltest
dich nicht schmücken
Blos mit Palästen, Grün und
Stromeswelle:
Den Mauernkranz der Zinnen und
Castelle
Wollt’st, ernste Jungfrau, dir
aufs Haupt du drücken.
Das Sanmicheli Herrliches
vollbringe,
Berührt’ ihn, als er ruht’ in
tiefem Sinnen,
Der Römeraar mit seiner mächt’gen
Schwinge:
Der, ob auch die Jahrhunderte
verrinnen,
Auf der Arena steingethürmten
Ringe
Noch sitzt, und nächtlich
kreis’t um ihre Zinnen.
1830 – 1889
O, Tage gibt’s, so traurig und
so bleiern,
Wo über uns die bunten Prachtcoulissen
Der Weltenscene hängen wie
verschlissen,
Und wie beträuft von trüben
Nebelschleiern.
Ruf’ nicht die guten Geister
dann: sie feiern,
Der Lethargie durch kein Gebet
entrissen,
Und die Natur, sonst holden
Trost’s beflissen,
Sie brütet wie auf
Basiliskeneiern.
Geh’ nicht in solcher Zeit zum
Musensitze,
Noch auch zum Lieb’:
beschnitten wirst du sehen
Die Flügel deinem Muthe, deinem
Witze.
Nur Eines hilft; beug’ ohne
Klag’ und Flehen
Das Haupt und faß’ ins Aug’ die
Nasenspitze,
Und laß den bösen Tag
vorübergehen.
1830 – 1889
Wenn deine Hand zu wild die
Harfe rühret
Mit raschem Griff, da faßt mich
ein Erbeben,
Mir ist, als würde tief in
warmes Leben,
Tief in ein weiches Herz ein
Griff geführet.
Ja, glaub’ es nur: verborg’ne
Schmerzen schüret
Dein Fingerdruck; die deiner
Harf’ entschweben,
Die gold’nen Klänge, Seufzer
sind es eben:
Sie hat ein Herz, das deine
Griffe spüret.
Du weißt nicht, liebes Kind,
was es bedeute,
Wenn eines Herzens Fibern, heiß
durchglutet,
Aufwühlt des Schicksals Hand
als Schmerzensbeute,
Indeß bewundernd, lieblich
überflutet
Vom Strome seiner Melodie’n,
die Leute
Dasteh’n, nicht glauben können,
daß es blutet.
1830 – 1889
Wen deiner Töne Funkensaat
umstoben,
Der glaubt aus Feenlanden dich
gesendet,
Und reiht, was Schönstes Reim
und Rede spendet,
Zum Kranze, dich zu rühmen,
dich zu loben.
Und wer sein Aug’ von fern zu
dir erhoben,
Der staunt dich an, erglüht und
steht geblendet,
Und liebt dich, fromm und scheu
dir zugewendet,
Wie man die Engel liebt im
Himmel droben.
Doch wem dein schönes Herz sich
aufgeschlossen,
Wer Wochen lang dich schaut’
und grüßte täglich,
Und einen Kuß nur deines Mund’s
genossen:
Der wein’ und sterbe: denn er muß
unsäglich
Unglücklich werden, oder
glückumflossen
in einem Maß, das Menschen
unerträglich.
1830 – 1889
Hörst du des Meers krystallene
Sirenen,
Die Wogen, ihre nächt’gen
Lieder singen?
Siehst du, wie tanzend sie den Reigen
schlingen,
Und jauchzend sich mit
Schaum-Demanten krönen?
Die Wolken zieh’n, des Strandes
Klippen dröhnen,
Der Wald erwacht, und jauchzt,
miteinzuklingen,
Indeß, emporgescheucht auf
Rabenschwingen,
der Mondnacht Geister in den
Lüften stöhnen.
Dazwischen ist’s, als ob sich
Stimmen riefen,
Als ob sich liebend Meer und
Aether mische,
Die einst vereint in
Chaoswiegen schliefen.
Schaumperlen schickt dem Aether
mit Gezische
Die Flut empor, und ihr
durchströmt die Tiefen
Sein Liebeshauch mit reiner Lebensfrische.
1830 – 1889
Was nahst du wieder, neu mich
zu besiegen
In Liebesklängen, zarte
Liebesklage?
Du weckst des Glückes lang
verscholl’ne Frage
Und Seufzer, die gebannt im
Herzen liegen.
In alte Träume mich die Klänge
wiegen,
Im Herzen klingt’s wie Märchen
mir und Sage,
Und aufersteht die Sehnsucht
alter Tage,
Mein müdes Haupt an ihre Brust
zu schmiegen.
Doch wenn sich sehnend aus die
Arme strecken,
Und all’ mein Herz ruft: Komm,
mein süßes Leben!
Da nah’n sich wirre Bilder,
mich zu schrecken.
Ich seh’ sie nah’n und wieder
mir entschweben,
Mit dunklem Fittig Träume mich
bedecken,
Mein Sinn wird trüb, mein Herz
erfaßt ein Beben.
1830 – 1889
Wenn einmal ich an deine Thüre poche,
Da sitzen, alle Freude mir zu
stören,
Die Schmeichler schon um dich
in ganzen Chören:
Alltagsgeplauder hält mich
schnöd’ im Joche.
Du ahnst nicht, wie es mir im
Busen koche,
Wie diese Leute mir das Blut
empören.
Mußt du denn ewig andern
angehören?
Hast du für mich kein Stündchen
in der Woche?
Wenn ein berühmtes Weib den
Sinn bezwungen,
Weh’ ihm, bald ist er kläglich
aufgerieben,
Ein kranker Mann an Seele, Herz
und Lungen!
Wär’ jeder Schönen doch in’s
Herz geschrieben
Und in der Wiege mahnend zugesungen:
Bleib’ unberühmt, o Kind, denn
du mußt lieben!
1830 – 1889
Sie wollte traut mir eine Rose
reichen,
Doch keine blühte voll noch in
den Hagen;
Sie aber pflückte Knospen ohne
Zagen,
Und gab sie mir als süßer Liebe
Zeichen.
Gebroch’ne Knospen, holde
Blumenleichen,
Welkt ihr so früh in gold’nen
Lenzestagen?
Um süßer Liebe Botschaft
anzusagen,
Muß euer junges Roth so bald
erbleichen?
Und dennoch preis’ ich euch als
selig todte:
Wohl habt ihr euch zur Krone nicht
geründet,
Und seid nicht aufgeblüht im
Purpurrothe;
Doch hat euch Todeswonne süß
entzündet:
Denn selig stirbt, wer als ein
Liebesbote
Gesendet ward und Himmlisches
verkündet!
1830 – 1889
I.
Wie bist du schön, wenn deine
Augen leuchten!
Wie lieb’ ich deine edelblassen
Züge!
O daß doch nie der Stunden
letzte schlüge,
Die mich so süß in deiner Nähe
däuchten!
Doch die den Gram aus meiner
Seele scheuchten,
Die Stunden, thun sie auch dir
selbst Genüge?
Ach, wenn ich dich nach deinem
Herzen früge,
So würde wohl dein Auge sich
befeuchten!
Du liebst! du schwelgst in
einem fernen Bilde!
Es schweift, indem mein Sinn zu
dir sich wendet,
Der deine nach entlegenem
Gefilde!
Und dennoch zoll’ ich Dank dir,
der nicht endet:
Wofür? für all’ des Segens hohe Milde,
Den unbewußt ein holdes Auge
spendet!
II.
Da deine Brust doch nie mein
Ruhepfühl ist,
Kann dein Gekose mir nur
Schmerz bereiten;
O triefe nicht von
Liebenswürdigkeiten,
Wenn leer dein Herz und deine
Seele kühl ist!
Wem nicht geweiht dein
innerstes Gefühl ist,
Dem mußt du, schmerzet dich das
Haupt zu Zeiten,
Nicht gleich vertraut die Hand
zur Wange leiten,
Zur Stirne, daß er fühle, wie
sie schwül ist!
Nie drücke Hände warm, die dir
nicht theuer!
Nie schling’ um den in holdem
Scherz die Arme,
Den du nicht grüßen magst:
„mein Vielgetreuer!“
Ich bin dir ja nur einer aus
dem Schwarme:
Verschwende nicht an mich dies
schöne Feuer,
Wenn du nicht willst, daß ich
für dich erwarme!
III.
Ich werde nie die Frucht der
Liebe brechen
Vom Baum der Schönheit
schleichend wie die Diebe,
Noch werd’ ich je als Bettler
süßer Triebe
Am Gnadentisch des Mitleids
mich bezechen.
Du würdigst dich, vertraut mit
mir zu sprechen,
Und schmollst, und fragst,
warum ich fern dir bleibe?
Die kleine Scheidemünze deiner
Liebe,
Sie will ein reiches
Dichterherz bestechen?
Du liebst mich nicht. Laß ab, das dauerlose
Almosen deiner Huld mir
zuzumessen:
Dein Sinn ist flüchtig, wie der
Duft der Rose.
Nicht zähl’ ich mich zu denen,
die man pressen
Darf an die Brust mit
freundlichem Gekose,
Dann sagen: geh, und lerne mich
vergessen!
1830 – 1889
Mein sehnend Herz, ermüde nicht
zu lieben,
Ermüde nicht zu klagen und zu
dichten,
Ermüde nicht, im Liede zu
berichten,
Durch wen du leidest, und in
welchen Trieben!
Oft rührt die Mädchenherzen
zart geschrieben
Die Klage, die gesprochen rührt
mit nichten,
Und mußt auf Myrth’ und Rose du
verzichten,
Getrost, dir ist der Lorbeer
doch geblieben.
Sehnsucht ist Wiege für den Dichterorden:
Sie hat die gold’ne Lyra den
Poeten
Gestimmt, so viel geblüht in
Süd’ und Norden;
Die seuften all’ in solcher
Triebe Ketten,
Und wären sie der Liebe froh
geworden,
Nie hätten sie des Ruhmes Höh’n
betreten.
1830 – 1889
Verdrossen ruht der Condor auf
den Hängen
Des Hochgebirgs und starrt
hinaus ins Leere,
Wenn er genug der Beute, d’ran
er zehre,
Emporgerafft in seinen
Riesenfängen.
Verdrossen ruht der Löw’ in
Felsengängen,
Bis Hunger wach ihn hetzt mit
scharfem Speere:
Und Wal und Hai, die Könige der
Meere,
Verdrossen sich in öder Tiefe
drängen.
So sind, die leben, all’ des
Trübsinn’s Narren,
Gewohnt, sie wissen nicht, nach
welchem Heile
Sphynxgleich, verdross’nen
Blicks, hinauszustarren.
Gelangweilt, wie berührt vom
blei’rnen Pfeile
Des Ueberdrusses, ruh’n wir
all’ und harren:
Der Weltschmerz ist sublime
Langeweile!
1830 – 1889
Noch zarter, als die ich dir
sang, die Lieder,
Noch süßer als ein Kuß, von dir
gegeben,
Ist jenes holde Du, mein süßes
Leben,
Das traulich zwischen uns geht
hin und wieder.
Ein Vöglein scheint es mir im
Glanzgefieder,
Deß’ goldne Schwingen leise zu
mir streben:
Mein Ohr berührt’s in
wunderholdem Schweben,
Und läßt zuletzt sich mir im
Herzen nieder.
Zu künden das Geheimniß ganz,
das süße,
Versuchten wir mit Worten
leeren Schalles:
Nun fanden wir den
sprechendsten der Grüße.
Was braucht es noch des Reims
und Silbenfalles?
Was selbst der Liebesblicke,
Thränen, Küsse?
Mit Einem Wörtchen sagen wir
uns Alles.
1830 – 1889
Der glüh’nde Sonnenpfeil
erlosch im nassen
Gewölk und rieselnd nieder
rauscht der Regen:
Mit Blätterzungen trinkt der
Wald den Segen,
Und Blumen ihn in ihre Kelche
fassen.
Doch sieh’, der Waldstrom wühlt
sich steil’re Gassen
Im Steingeröll und rüttelt an
den Stegen;
Wild tobt er hin auf stillen
Waldeswegen,
Wo Veilchen blühten, Vöglein
zwitschernd saßen.
Mit tollem Hader schleudert er
Empörung
In’s traute Waldesreich;
zuletzt erliegend,
In schwarzen Schluchten büßt er
die Bethörung.
Die frommen Blumen aber, die,
sich schmiegend,
Gesenkten Haupts verträumt die
kurze Störung,
Erwachen, Perlen in der Krone
wiegend.
1830 – 1889
I.
Ruh’n still im Abendglanze die
Cadoren,
Des Alpenzuges letzte
Hügelgruppe,
Da strebt, als ob ein Falter
sich entpuppe,
Mein Herz meerüber nach des
Westens Thoren.
Und in der Meeresferne still
verloren,
Streift ab mein Aug’ des
Erdenstaubes Schuppe;
Da dämmert ihm San Marco’s
Silberkuppe,
Die Mondesstrahlen wunderbar
umfloren.
Und liebe Stätten, altgewohnte
Pfad
Der Zauberstadt, sie tauchen
auf, es schimmert
Der Fackelkranz, es wimmeln die
Gestade.
O Wunderbrücke, die die Nacht
mir zimmert,
Du zeigst zu oft mir jene
Serenade,
Und, ach, das Aug’, das mir im
Schwarm geflimmert!
II.
Ein Auge war es, schwarz und
mitternächtig,
Und taghell doch, das Aug’, dem
ich ergeben:
So liebefeucht, so mild in
süßem Beben,
Und doch so kühn, so stolz, so
zaubermächtig.
Was war des Mondes Scheibe,
rein und prächtig,
Was war mir der Piazzetta
rauschend Leben
Und aller Gondeln meergewiegtes
Schweben?
Ich schaute sie, von süßer
Flamme trächtig.
Die Melodie’n, der Glanz, des
Aethers Milde,
Das Alles schien von ihr nur
herzufließen,
Und blieb verknüpft mit ihrem
lieben Bilde.
So mußt’ ich mit ihr all’ die
Pracht verschließen
In meines Herzens
Zauberspiegelschilde,
Zu steter Sehnsucht
schmerzlichem Genießen.
1830 – 1889
die nah’ mir kamen, freundliche
Gestalten,
Sie sind ein Stück von meines
Herzens Leben:
Ob auch sie ferne wieder mir
entschweben,
Ich weiß im Innern doch sie
festzuhalten.
In’s Geisterreich, wo Haß und
Tod nicht walten,
Weiß ich Erkor’ne traut
emporzuheben,
Wo sie wie Genien mich hold
umgeben,
Um mir, wie Götterbilder, nie
veralten.
Wer so verwuchs mit meines
Herzens Triebe –
Es bleibt mir stets das Bild
von ihm ein reines,
Ob er auch feindlich ewig fern
mir bliebe.
So bist du mir der theuren
Bilder eines,
Ob zwischen uns auch stockt das
Wort der Liebe,
Kein Blick mehr geht von deinem
Aug’ in meines.