Heinrich Heine Fresko-Sonette (an
Christian Sethe)
1799 (?) – 1856
Ich tanz’ nicht mit, ich
räuchre nicht den Klötzen,
Die außen goldig sind,
inwendig Sand;
Ich schlag’ nicht ein, reicht
mir ein Bub’ die Hand,
Der heimlich mir den Namen
will zerfetzen,
Ich beug’ mich nicht vor jenen
hübschen Metzen,
Die schamlos prunken mit der
eignen Schand’;
Ich zieh nicht mit, wenn sich
der Pöbel spannt
Vor Siegeswogen seiner eitlen
Götzen,
Ich weiß es wohl, die Eiche
muß erliegen,
Derweil das Rohr am Bach durch
schwankes Biegen
In Wind und Wetter stehn
bleibt, nach wie vor.
Doch sprich, wie weit bringt’s
wohl am End’ solch Rohr?
Welch Glück! Als ein
Spazierstock dient’s dem Stutzer,
Als Kleiderklopfer dient’s dem
Stiefelputzer.
Gib her die Larv’, ich will
mich jetzt maskieren,
In einen Lumpenkerl, damit
Halunken,
Die prächtig in
Charaktermasken prunken,
Nicht wähnen, ich sei einer
von der Ihren.
Gib her gemeine Worte und
Manieren,
Ich zeige mich in Pöbelart
versunken,
Verleugne all die schönen
Geistesfunken,
Womit jetzt fade Schlingel
kokettieren.
So tanz’ ich auf dem großen Maskenballe,
Umschwärmt von deutschen
Rittern, Mönchen, Kön’gen.
Von Harlekin gegrüßt, erkannt
von wen’gen.
Mit ihrem Holzschwert prügeln
sie mich alle.
Das ist der Spaß. Denn wollt’
ich mich entmummen,
So müßte all das Galgenpack
verstummen.
Ich lache ob den
abgeschmackten Laffen,
Die mich anglotzen mit den
Bocksgesichtern;
Ich lache ob den Füchsen, die
so nüchtern
Und hämisch mich beschnüffeln
und begaffen.
Ich lache ob den hochgelehrten
Affen,
Die sich aufblähn zu stolzen
Geistesrichtern;
Ich lache ob den feigen
Bösewichtern,
Die mich bedrohn mit
giftgetränkten Waffen.
Denn wenn des Glückes hübsche
Siebensachen
Uns von des Schicksal Händen
sind zerbrochen,
Und so zu unsern Füßen
hingeschmissen;
Und wenn das Herz im Leibe ist
zerrissen,
Zerrissen und zerschnitten und
zerstochen, -
Dann bleibt uns doch das
schöne gelle Lachen.
Im Hirn spukt mir ein Mädchen
wunderfein,
Und in dem Märchen klingt ein
feines Lied,
Und in dem Liede lebt und webt
und blüht
Ein wunderschönes zartes
Mägdelein.
Und in dem Mägdelein wohnt ein
Herzchen klein,
Doch in dem Herzchen keine
Liebe glüht;
In dieses lieblos frostige
Gemüt
Kam Hochmut nur und Übermut
hinein.
Hörst du, wie mir im Kopf das
Märchen klinget?
Und wie das Liedchen summet
ernst und schaurig?
Und wie das Mägdlein kichert,
leise, leise?
Ich fürchte nur, daß mir der
Kopf zerspringet, -
Und ach! da wär’s doch gar
entsetzlich traurig,
Käm’ der Verstand mir aus dem
alten Gleise.
In stiller, wehmutweicher
Abendstunde
Umklingen mich die längst
verschollnen Lieder,
Und Tränen fließen von der
Wange nieder,
Und Blut entquillt der alten
Herzenswunde.
Und wie in eines
Zauberspiegels Grunde
Seh’ ich das Bildnis meiner
Liebsten wieder;
Sie sitzt am Arbeitstisch, im
roten Mieder,
Und Stille herrscht in ihrer
sel’gen Runde.
Da plötzlich springt sie auf
vom Stuhl, und schneidet
Von ihrem Haupt die schönste
aller Locken,
Und gibt sie mir, - vor Freud’
bin ich erschrocken.
Mephisto hat die Freude mir
verleidet,
Er spann ein festes Seil von
jenen Haaren,
Und schleift mich dran herum
seit vielen Jahren.
„Als ich vor einem Jahr dich
wiederblickte,
Küssest du mich nicht in der
Willkommstund’.“
So sprach ich, und der
Liebsten roter Mund
Den schönsten Kuß auf meine
Lippen drückte.
Und lächelnd süß ein Myrtenreis
sie pflückte
Vom Myrtenstrauche, der am
Fenster stund:
„Nimm hin und pflanz dies Reis
in frischen Grund,
Und stell´ein Glas darauf“,
sprach sie und nickte. –
Schon lang ist’s her. Es starb
das Reis im Topf.
Sie selbst hab ich seit Jahren
nicht gesehen;
Doch brennt der Kuß mir
immernoch im Kopf.
Und aus der Ferne trieb’s mich
jüngst zum Ort,
Wo Liebchen wohnt. Vorm Hause
blieb ich stehn
Die ganze Nacht, ging erst am
Morgen fort.
Hüt dich, mein Freund, vor
grimmen Teufelsfratzen,
Doch schlimmer sind die
sanften Engelsfrätzchen;
Ein solches bot mir einst ein
süßes Schmätzchen,
Doch wie ich kam, da fühlt’
ich scharfe Tatzen.
Hüt dich, mein Freund, vor
schwarzen alten Katzen,
Doch schlimmer sind die weißen
jungen Kätzchen;
Ein solches macht’ ich einst
zu meinem Schätzchen,
Doch tät mein Schätzchen mir
das Herz zerkratzen.
O süßes Frätzchen, wundersüßes
Mädchen!
Wie konnte mich dein klares
Äuglein täuschen?
Wie konnt’ dein Pfötchen mir
das Herz zerfleischen?
O meines Kätzchens
wunderzartes Pfötchen!
Könnt’ ich dich an die
glühnden Lippen pressen,
Und könnt’ mein Herz verbluten
unterdessen!
Wie nähm’ die Armut bald bei
mir ein Ende,
Wüßt’ ich den Pinsel
kunstgerecht zu führen
Und hübsch mit bunten Bildern
zu verzieren
Der Kirchen und der Schlösser
stolze Wände.
Wie flösse bald mir zu des
Goldes Spende,
Wüßt’ ich auf Flöten, Geigen
und Klavieren
So rührend und so fein zu
musizieren,
Daß Herrn und Damen klatschen
in die Hände.
Doch, ach! Mir aArmen lächelt
Mammon nie;
Denn leider, leider! trieb ich
dich alleine,
Brotloseste der Künste,
Poesie!
Und ach! Wenn andre sich mit
vollen Humpen
Zum Gotte trinken im
Champagnerweine,
Dann muß ich dürsten, oder ich
muß – pumpen.
Die Welt war mir nur eine
Marterkammer,
Wo man mich bei den Füßen
aufgehangen
Und mich gezwickt den Leib mit
glühnden Zangen
Und eingeklemmt in enger
Eisenklammer.
Wild schrie ich auf vor
namenlosem Jammer,
Blutströme mir aus Mund und
Augen sprangen, -
Da gab ein Mägdlein, das
vorbeigegangen,
Mir schnell den Gnadenstoß mit
goldnem Hammer.
Neugierig sieht sie zu, wie
mir im Krampfe
Die Glieder zuckten, wie im
Todeskampfe
Die Zung’ aus blut’gem Munde
hängt und lechzet.
Neugierig horcht sie, wie mein
Herz noch ächzet,
Musik ist ihr mein letztes Todesröcheln,
Und spottend steht sie da mit
kaltem Lächeln
Du sahst mich oft im Kampf mit
jenen Schlingeln,
Geschminkten Katzen und
bebrillten Pudeln,
Die mir den blanken Namen gern
besudeln,
Und mich so gerne ins
Verderben züngeln.
Du sahest oft, wie mich
Pedanten hudeln,
Wie Schellenkappenträger mich
umklingeln,
Wie gift’ge Schlangen um mein
Herz sich ringeln;
Du sahst mein Blut aus tausend
Wunden sprudeln.
Du aber standest fest gleich
einem Turme;
Ein Leuchtturm war dein Kopf
mir in dem Sturme,
Dein treues Herz war mir ein
guter Hafen.
Wohl wogt um jenen Hafen wilde
Brandung,
Nur wen’ge Schiff’ erringen
dort die Landung,
Doch ist man dort, so kann man
sicher schlafen.
Ich möchte weinen, doch ich
kann es nicht;
Ich möchte mich rüstig in die
Höhe heben,
Doch kann ich´s nicht; am
Boden muß ich kleben,
Umkrächzt, umzischt von eklem
Wurmgezücht.
Ich möchte gern mein heitres
Lebenslicht,
Mein schönes Lieb, allüberall
umschweben,
In ihrem selig süßen Hauche
leben, -
Doch kann ich’s nicht, mein
krankes Herze bricht.
Aus dem gebrochnen Herzen
fühl’ ich fließen
Mein heißes Blut, ich fühle
mich ermatten,
Und vor den Augen wird’s mir
trüb und trüber
Und heimlich schauernd sehn’
ich mich hinüber
Nach jenem Nebelreich, wo stille
Schatten
Mit weichen Armen liebend mich
umschließen.
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