um 1850
Ich fühl’s, daß mächtig es im
Herzen mahne:
„Genieß’ des Daseins volle
Lust, so lange
Im Auge Freudenfeuer glüh’n,
auf Wange
So lange purpurn weht der
Jugend Fahne!“
Und wieder ist’s, daß in der
Luft ich ahne
Des Todes Keim, im Blumenflor
die Schlange,
Als ob die Freud’ im hellen
Festgesange
Ihr eignes Grablied sänge,
gleich dem Schwane.
Nach stürmendem Genuß geht all
mein Trachten;
Und doch wird Schmerz nur aus
der Lust gewonnen,
Und doch ruft’s innen laut mir
zu: „Entbehre!
Was hier du suchst, dort
blüht’s in lichter Sphäre!“ –
So liegt inmitten zweier
Freudenbronnen
Mein Herz auf heißem Sand und
muß verschmachten.
um 1850
Warum nicht hat, - so hört’
ich nächtlich klagen
Die Rose krank und bleich –
bevor berücket
Vom Giftwurm starb die
Unschuld, mich gepflücket
Gewittersturm in zarten
Jugendtagen?
Im Herzen ewig wird die Reue
nagen,
Der blüh’nden Schwestern Lieb’
ist mir entrücket,
Die Erde, die mich mütterlich
geschmücket,
Schaut dunkel auf zu mir mit
Wehbehagen;
Der muntre Quell, als spott’
er meiner Trauer,
Zeigt täglich, wie inmitten
von Gesunden
der Wange duftge Schimmer sich
entfärben.
O Leben, bittrer du als frühes
Sterben:
Denn einmal nur schlägt dieses
herbe Wunden,
Doch jenes füllen ew’ge
Todesschauer!
um 1850
In Kerkernacht versenkt, in
tiefes Trauern
Bin ich allein mit meinem
Schmerz’: es grüßen
Mich Tag und Nacht die Ketten
hier zu Füßen
Mit Klängen, so mir Bein und
Mark durchschauern.
Nicht fremde Schuld mich bannt
in diese Mauern,
Ich selbst entwand dem Frieden
mich, dem süßen
Kampf suchend und Gefahr:
schwer muß ich’s büßen:
Denn schon den Tod im Herzen
fühl’ ich lauern.
So pflegt auf hoher See empor
zu bäumen
Frohlockend sich die
trunkenste der Wogen,
Dem Mutterschoß’ entzieht sie,
stebt zum Lande;
Doch hat ihr Uebermuth sie
schwer betrogen:
Je rascher landwärts ihre
Wirbel schäumen,
Je rascher stirbt sie hin im
Ufersande.
um 1850
In’s Meer hinaus bei
ungetrübter Helle
Fliegt leichtbeschwingt mein
Kahn; doch mir im Rücken
Erhebt, den Golf
durchpflügend, sich mit Tücken
der Südwind, finster wird’s,
es schwankt die Welle.
Umsonst versuch’ ich’s zu
entrinnen schnelle,
Weil Angst und Eile mir den
Sinn berücken;
Dem Sturme muß der schwache
Mast sich bücken,
Verschlagen irr’ ich fern von
sichrer Stelle.
Da glänzt im Westen freundlich
heller Schimmer,
Der Süd verstummt, die Flut
beginnt zu schlafen
Und klar ist rings der Himmel
anzuschauen.
Da lenk’ ich heimwärts; fernab
schon ergrauen
Der Küste Spitzen meinem
Blick; doch nimmer
Erreich’ ich wieder den
ersehnten Hafen.
um 1850
Umwunden noch von feuchten
Dämmerungen
Der Hügel steht mit seinen
Blütenbäumen,
Auf ihnen wiegen Vöglein sich
in Träumen,
Tief unten rauscht der Strom
in Nacht verschlungen. –
Bald weicht der trübe Flor;
jetzt, da erschwungen
Die Sonne sich zu blauverklärten
Räumen,
Erwachen Duft und Farben,
silbern schäumen
Des Stromes wellen, Blumen
ist’s gelungen
Zu glüh’n im Morgenschmuck,
durch Wald und Matten
Tönt Sang und Klang munter und
mannigfaltig.
So hast auch du, arm bei dem
besten Triebe,
Geschlummert, Herz, umflort
von Todesschatten,
Bis aufging das Gestirn das
mild gewaltig
Wärmt jetzt und leuchtet:
Glaube, Hoffnung, Liebe.
um 1850
An ird’schen Dingen nicht mehr
will ich hangen,
Ihr Gleißnerschein hat meinen
Sinn verblendet;
Die Liebe hab’ ich, Thor, den
Haß verschwendet,
Doch immer ungestillt blieb
mein Verlangen.
Jetzt kenn’ ich euch, Sirenen,
die mir sangen:
„Genieße: denn Genuß und
Dasein endet;
Noch keiner ward zum Licht
heraufgesendet,
Hält einmal ihn die ew’ge
Nacht umfangen!“
Vom bangen Zweifel nimmer kann
gesunden
Durch Menschenwitz das Herz,
es muß das kranke
Verbluten an den
selbstgeschlagnen Wunden.
Drum eh’ den finstern Mächten
du zum Raube
Auf ewig wirst, empor, mein
Herz, dich ranke
Am sichern Stab, nur Einen
gibt’s: der Glaube!
um 1850
Noch hör’ ich hinter mir die
Woge branden,
Der ich, ein müder Schwimmer
bin entronnen.
Wohl mir! den festen Grund
hab’ ich gewonnen,
Mein Gottvertrauen wurde nicht
zu Schanden.
Wie grüß’ ich euch, dem feuchten Grab’ erstanden,
Garten und Wald von lichtem
Grün umsponnen,
Dich stilles Thal und euch,
krystallne Bronnen,
Wohl mir, daß endlich wir uns
wiederfanden!
Seid tausendmal gegrüßt, ihr trauten
Stellen,
Ihr alten, und doch
wunderneuen Lieder,
So liebeathmend mir zum Herzen
schwellen!
Den Flüchtling hat die treue
Heimath wieder,
Jetzt darf, die längst
versiegt, die Thräne quellen,
Dein Himmel, Kindheit, thauet
auf mich nieder!
um 1850
„Der Mensch soll nur dem
Sinnentriebe fröhnen!“ –
Doch wie, wenn Leiden deine
Glieder ketten,
Wenn dich die Noth, das Alter
schmerzlich betten,
wenn du allein daliegst mit
deinem Stöhnen?
Wenn statt zu trösten, „Freunde“
dich verhöhnen,
Nichts zu verspielen ist noch
zu verwetten,
Wenn vor dir selber du nicht
kannst dich retten
Und doch zum Besseren nicht
mehr gewöhnen?
Zum Anfang wird das Ende
trefflich passen:
Was bleibt, als, um dies Leben
abzukürzen,
Nach schöner Gaben frevelndem
Verprassen
Zum grausen Sprung die Lenden
rasch zu schürzen
Und von dir selbst und deinem
Gott verlassen
Dich in den Tod, den ew’gen
Tod zu stürzen?
um 1850
Es steht der Mensch in
königlichen Ehren,
Das edle Haupt zum Himmel
aufgerichtet,
Das Auge klar, die Stirne mild
umlichtet
Von einem Widerschein aus
höhern Sphären.
Gut einst erschaffen sollt’ er
sich bewähren;
Er aber fiel, fiel Ihm anheim
der richtet,
Doch sein Geschöpf, (wohl könnt’
er’s, ) nicht vernichtet,
Zum Leben soll’s die Liebe neu
verklären.
Des Vaters Wort mit Seinem
Blut geschrieben
Tilgt’ alle Schuld und will
das Heil verbriefen
Den Sündern, die Ihm aus den
Tiefen riefen.
Und Allen strebt das Wort sich
einzugeben;
Schon hier kannst du in Seinem
Himmel leben –
Mensch, was bringst du
entgegen solchem Lieben?
um 1850
Er lebt, der mit unlöschbar
heil’gen Zügen
Dir sein Gebot in’s tiefste
Herz geschrieben;
Nur Ihn und was Ihm ähnlich
sollst du lieben,
Nicht kann die Wahrheit, nicht
die Liebe lügen.
Vergnügen kann die Welt, doch
nicht genügen:
Ihr eitler Glanz erstirbt
gleich deinen Trieben,
Dir aber, Ärmster, nichts ist
dir geblieben,
Als das Gesetz und seine
stillen Rügen.
Von Wesen, die Er hat für Sich
erkoren,
Darf liebesuchend auch der
Schöpfer fodern,
daß sie verkünden Ihn mit
freiem Triebe:
Drum wird jenseits die hier
verschmähte Liebe
Als finstre Zornesglut
verzehrend lodern:
Sein bist du, ob gerettet, ob
verloren.
um 1850
Willst du zum Heile dir
durch’s Leben schreiten,
Sieh wohl dich vor: im
wogenden Verkehre
Drängt bald die eigne, bald
die fremde Schwere,
Und leicht auf glatter Bahn ist
auszugleiten.
Und gilt es wider Wahn und
Bosheit streiten
Zur eignen nicht, zu Gottes
größrer Ehre;
Gilt es, daß sich sein Reich
hienieden mehre,
Hinnehmen freudig Schmerz und
Bitterkeiten:
Dann mußt du, soll der Muth
nicht bald dir schwinden,
Vor Allem für dein
Geistesleben streben
Des Archimedes festen Punkt zu
finden,
Der außerhalb der Welt im
Ew’gen gründet:
Ist so der Kräfte höchste dir
verbündet,
Dann kannst du schwere Lasten
spielend heben.
um 1850
Am Morgen laß’ auch du in dir
es tagen;
Dein Erstes sei kein Sorgen,
kein Geklügel
Um Irdisches; nein, deiner
Seele Flügel
Ausbreite weit, empor dich
lasse tragen
Zum Herrn des Lebens, froh Ihm
Dank zu sagen;
Aus Seiner Hand dann nimm des
Tagwerks Zügel,
Vertrau’ auf Ihn und schwing
dich in die Bügel,
Demüthig kühn in’s Leben dich
zu wagen.
Denn wie du heut’ erwacht zum
neuen Lichte,
So aus dem Staube wird dein
Leib sich heben,
Du kommst zu steh’n vor Gottes
Angesichte.
Mit Beben wirst du hier dein
ganzes Leben
Seh’n aufgerollt, auf daß Sein
Spruch es richte:
Das mag dir Lust und Kraft zum
Tagwerk geben.
um 1850
Gehst du zur nächt’gen Ruhe
dich zu legen,
Weg dann die Sorge! keine soll
umranken
Dein freies Herz; mit
Nachdruck setze Schranken
Den ird’schen Wünschen, die es
tief erregen!
Vergiß nicht für den Tag und
seinen Segen,
Für Freud und Leid dem Vater
fromm zu danken;
Die Zügel der nachwandelnden
Gedanken
In Seine Hand dann sollst du
kindlich legen.
Fällt’s dir schon schwer dem
Ird’schen zu entsagen,
Dein Freund, der Schlaf wenn
naht mit holder Sitte,
Wie wirst du erst wenn taub
jedweder Bitte
Sein dunkler Bruder deine Hand
faßt, zagen!
Wirst du die Trennung aus der
Deinen Mitte
Gefaßt mit gottergebnem Muth’
ertragen?
um 1850
Mensch, nach Vergänglichem
nicht länger hasche,
Nicht werth ist’s deiner, daß
es dich erfreue;
Für’s Ewige gist du
geschaffen: streue
Deß eingedenk auf’s Haupt dir
Staub und Asche!
Jedwede Makel aus der Seele
wasche
Im Thränenbad der Reue und
erneue
Mit deinem Gotte, die du
brachst, die Treue,
Daß nicht der grause Ruf dich
überrasche:
bis hierher und nicht weiter
sollst du kommen,
Hier legen sollen sich die
stolzen Wellen!
Nicht Liebeswerk kann hier,
Gebet nicht frommen,
Kein ird’sches Licht den
letzten Gang erhellen
Hinunter in die dunkelste der
Zellen:
Denn Staub wird wieder, was
dem Staub’ entnommen.
um 1850
Welteitelkeit, ich muß es
schmerzlich rügen,
Zieh’ Gottes Gegenwart ich
vor; es ranken
Giftpflanzen gleich die
eigenen Gedanken
Sich mir um’s Herz und
selbstisches Genügen.
Bekenn’ es laut, willst du
nicht selbst dich trügen,
des Glaubens und der Hoffnung
Säulen wankn,
Die Liebe krankt und bangt in
ird’schen Schranken:
Dein Ebenbild, Gott, ist’s in
diesen Zügen?
Nimm Du mein Herz, ich kann es
dir nicht geben;
Am Leben hängt’s mit mehr denn
Einem Faden,
Mit Elend schwer, mit Undank
ist’s beladen.
Trotz seiner selbst ihm
schenke Dein Erbarmen
Bevor es bricht, Du kannst
allein es heben:
Herr, laß es ruh’n in deinen
Vaterarmen!
um 1850
In heil’ger Nacht vom Himmel
kam der Segen
Wie milder Thau hernieder auf
die Erde,
Die arm und krank mit
flehender Geberde
Der himmlischen Verheißung
harrt entgegen,
Daß auf des Lebens
nachtbedeckten Wegen
Es endlich einmal Tag und
Friede werde
Und jedes Herz zum reinen
Opferherde,
Um Werke gottgefällig drauf zu
legen.
So eil’ auch ich mit bittren
Myrrhenzweigen
Des Schuldgefühles den Altar
zu kränzen:
Dein Antlitz, göttlich Kind,
mir wolle neigen,
Der Liebe lautres Gold Dir
soll erglänzen
Und Dankes Weiheduft empor Dir
steigen;
was dann noch fehlt, mag Deine
Huld ergänzen!
um 1850
Das höchste Ziel vergiß nicht
dir zu setzen,
Soll nicht zuletzt dein
Innerstes verwildern;
Den Sinnentrieb soll strenge
Sitte mildern
Nach hoher Schönheit ewigen Gesetzen,
Und daß daran stets wachse
dein Ergetzen,
Ermüde nicht in liebeswarmen
Bildern
Ihn, der allein ist
liebenswerth zu schildern:
Sein Bild soll nichts
verdrängen noch verletzen.
So haben in wetteiferndem
Betriebe
Die Besten aller Zeiten,
aufzurichten
Des Weisen Ideal, die Kraft
verschwendet.
Wie herrlich auch sie mochten
es erdichten,
Ihm fehlt die Wirklichkeit
und, was vollendet
Den Weisen: Demuth fehlet ihm
und Liebe.
um 1850
Nicht um die Herzen feindlich
zu empören
Nahm an der Herr die
menschliche Gestaltung,
Nicht Schmerz will senken er
in’s Herz noch Spaltung,
Im Menschen nicht das
Menschliche zerstören:
Die Blinden sollen seh’n, die
Tauben hören,
Dem Kranken gibt er Heil, dem
Schwachen Haltung
Und allen Kräften freudigste
Entfaltung:
Kein Schlangentrug mehr soll
das Herz bethören.
In Ihm, der Menschlichkeit
vollkommnem Bilde,
Lebt alles Starke, Zarte,
Ernst und Milde,
Der Weisheit reife Frucht, der
Anmuth Blüte,
Des Wortes Macht, des Willens
Kraft und Güte
Und das in Allem, selbst bei
tiefster Kränkung,
Sich immer gleiche Maß der
Selbstbeschränkung.
um 1850
Ist’s möglich, kann noch Lüge
dich bethören?
Ward denn der Führer nicht dir
angeboren
In eigner Brust, daß du den
Pfad verloren,
Daß Haß und Lust den Frieden
dir zerstören?
Wie könnten wilde Triebe dich
empören,
Bedächtest du, Wer liebend
dich erkoren,
Wem, ach, umsonst du Treue
zugeschworen,
Wem du in Ewigkeit sollst
angehören?
Sein Bild dir präge tief in’s
Herz: gebunden,
Verhöhnt, verspie’n, mit
Wunden überhagelt,
Mit scharfem Dorn das blut’ge
Haupt umwunden,
Daß du gesunden sollst ans
Kreuz genagelt,
Von aller Welt, vom Vater
selbst verlassen,
Neigend das Haupt: und du,
Mensch, kannst noch hassen?
um 1850
Nicht sollst du in Gedanken
nur begleiten
Den Herrn, sein bittres Leiden
nur beweinen;
Nein, weinen über sich soll
und die Seinen,
Wer nicht für Ihn kann leben,
lieben, streiten.
Lieb’ oder Haß gilt’s hier für
Ewigkeiten;
Suchst du den Mittelweg? hier
gibt es keinen.
wie kann der Herr den Seinen
dich vereinen,
Wenn statt des Dankes Glut Ihm
zu bereiten,
Im kalten Herzen du Ihn lässest
frieren,
Wenn, statt daß es der Liebe
Rosen zieren,
Bosheit drückt Dornen Ihm in’s
Haupt, Ihn schlagen
An’s Kreuz Hoffart und Lust in
neuen Plagen
Und reichen, daß auf’s Neu’ er
Alles büße,
Myrrhe Ihm dar, statt des
Gehorsams Süße?