um 1850
Im Leben habe Kopf und Augen
helle,
Umdüstert nie von Lust noch
von Verdrusse;
Mitfühle zart, doch Herr
bleib’ im Ergusse
Gebietend des Gefühles
leichter Welle.
Derselbe auf dem Markt’ und in
der Zelle
Sei bei der Meinungen
rastlosem Flusse
Dir selber gleich fest stehend
im Entschlusse,
Nicht weichend von der
gottgewies’nen Stelle.
Was aber giebt im drängenden
Gewühle
Dem Menschen Kraft, daß er
sich nicht verliere,
Ermatte nimmer in des Tages
Schwüle,
In Winternacht und Sturm nicht
tödtlich friere?
Die Kraft erruhst du nicht auf
weichem Pfühle;
Die Kraft erkämpfst du unter’m
Kreuzpaniere.
um 1850
Es ruft der Herr ihm kräftig
nachzustreben.
Wohlan, ergreist die Waffen,
schließt die Reihen,
Dem Führer soll sich jeder
liebend weihen,
Auch vor der kühnsten Wagnis
nicht erbeben!
Das Kreuzesbanner hoch voran
soll schweben,
Den sichern Sieg kann es
allein verleihen,
Aus schlimmsten Feindes
Knechtschaft uns befreien;
Das Loosungswort heißt: „Durch
den Tod zum Leben!“
So waren einst zu sterben fest
entschlossen
Für ihren Herrn die zehnmal
zehn Genossen:
„Verlorne Schaar“, so hat man
sie gepriesen;
Denn stets in’s heißeste
Gewühl der Schlachten
hochherz’gen Sinnes wurde sie
gewiesen
Und stets den Sieg errang ihr
Todverachten.
um 1850
Wohl dir, der mit sich selber
ist im Klaren!
Ob früher auch dem rechten
Pfad’ entglitten,
Gehst jetzt durch’s Leben du
mit festen Schritten,
Nachdem du selber hast an dir
erfahren,
An die du nicht geglaubt, die
Macht des Wahren,
Erlebt sie hast in dir, in ihr
gelitten,
In ihr der Weisheit süße Frucht
erstritten,
Doch nicht entfloh’n noch bist
du den Gefahren!
Sei immer wachsam; denn es
steht geschrieben:
Der böse Geist, voll Ingrimm
erst entwichen
Irrt ruhelos, stets lauernd in
der Oede,
Er kommt den Dieben gleich,
mit seinen Sieben,
Noch schlimmer als er selbst,
herangeschlichen,
daß rettungslos er deine Seele
tödte.
um 1850
Führwahr das ist der
schlimmste Fall von Allen,
Wenn er, der in sich hegt der
Gottheit Funken,
Statt wie ein Kind von Dank
und Seele trunken
Des Schöpfers Lob in frohem
Lied zu lallen,
Am stolzen Ich nur hängt mit
Wohlgefallen,
In der Gemeinheit Pfützen tief
vrsunken
Miteinstimmt in den vollen
Chor der Unken,
Wähnend, es sei das Lied der
Nachtigallen.
So muß der Mensch, dem rechten
Stand’ entschoben,
Für Schönes, Wahres, Heiliges
erblinden,
Zum eig’nen Zerrbild innerlich
verschroben.
Und statt mit Gott zu suchen
die Vereinung,
Wird er zuletzt die Geister
der Verneinung,
Den Satan selber liebenswürdig
finden.
um 1850
Es hält der Schütz mit fester
Hand den Bogen;
Sein Blick, bevor er das
Geschoß entsendet,
Ist unverrückt dem Ziele
zugewendet,
Daß durch die Kunst ihm sei
das Glück gewogen.
So wende, wenn du nicht willst
seyn betrogen,
Christ, um dein Heil, vom
Sinnentrug entblendet,
Eh’ du ein Werk begonnen und
vollendet,
Zu Gott die Blicke! Was auf
Ihn bezogen
Du innerlich mit heiligem
Betriebe,
Das ist der Zeit und ihrem
Fluch entführet.
Die unscheinbarste That, wenn
du gehandelt
Zu ehren Ihn, dem es allein
gebühret,
Wird durch die Alchymie der
Gottesliebe
Aus niederm Erz in lautres
Gold verwandelt.
um 1850
Dem Menschen Weh, der Allen will
gefallen:
Hier weiß er gar manierlich
sich zu biegen,
Zu kriechen dort, dort glatt
sich anzuschmiegen
Und hinter Jedem Recht zu
geben Allen.
Doch läßt der Welt Gunst bald
den Armen fallen,
Da er den Höhepunkt schon
wähnt’ erstiegen:
Sie lassen, wo er eben liegt,
ihn liegen,
Wehklagen, flehen und die
Fäuste ballen,
Daß seine tiefe Schmach noch
lachen mache.
Wohl eine schwere, doch
verdiente Rache
Für Jenen, der den edelsten
der Triebe
Mißbraucht in Niedertracht,
die Kraft der Liebe,
Wenn statt dem höchsten Gute
zugewendet,
An feile Menschengunst sie
ward verschwendet.
um 1850
Ist’s möglich, Mensch, der
Wahrheit zuerschaffen,
Ihr Kern, so wundersüß, dir
schmeckt er bitter?
Statt ihrer Schönheit blendet
dich ein Flitter,
Indeß die besten Kräfte schon
erschlaffen?
Wach’ auf, noch kannst du dich
dem Wahn’ entraffen,
Eh’ du an ihm, den hinter
Schloß und Gitter
Du solltest bannen, kläglich
wirst zum Ritter!
Als ob des Schöpfers Bild in dir
zum Affen
Verzerrt sich hätte, widrig
anzuschauen
bist du, von finstrem Wah’n
und Bosheit trunken;
Und zeigt ein innrer Blitz
dir, was verloren,
Erschließt, in den du
rettungslos versunken,
Den Abgrund dir: erfaßt von
wildem Grauen
Umsonst rufst du: „O wär’ ich
nie geboren!“
um 1850
Gern wehte Gottes Geist an
allen Orten;
Gleich Luft und Licht
durchdringend zu beleben
Und zu beseligen nur ist sein
streben:
Hier offenbart er sich in
Thaten, dorten
Ich brünstigem Gebet, in
Donnerworten,
Bald in der Schrift
geheimnisvollem Weben,
Er möchte liebend Allen sich
ergeben,
Doch ob er pocht, verriegelt
sind die Pforten.
Nichts gibt es, was an Härte
überdauert
Ein Menschenherz, nichts
kannst du ihm vergleichen;
Das Felsgestein läßt eher sich
erweichen.
Das Toteste fürwahr von allen
Todten
Ist solch ein Herz, das
dreifach sich vermauert
In Selbstsucht hat für alle
Himmelsboten.
um 1850
Den Menschengeist bewegt ein
stetes Schwanken:
Bald schwer und nieder seine
Flüge schwirren,
Zu Himmelszügen drängt’s ihn
bald zu schirren
Wetteifernd die muthathmenden
Gedanken.
Und ob er schmerzlich fühlt
die ird’schen Schranken,
Auf strebt er neu, um tiefer
nur zu irren,
Sich in die eignen Schlingen
zu verwirren:
Er selbst kennt nicht sein
innerstes Erkranken.
Doch wie er irrt, die
tödtlichste Verblendung
Bleibt die, sich selbst gesund
und schön zu scheinen
Und in der Klagen thörigster
Verschwendung
Der Andern Schuld, nie seine
zu beweinen.
Hinlebend so in Wahn und
Selbstentfremdung
Sucht er den Frieden stets –
und findet keinen.
um 1850
Du fragst, wie wird das ew’ge
Heil gewonnen? –
Das ird’sche Übermaß mußt du
bezähmen;
Wenn Lust und Leid der Seele
Aufschwung lähmen
Für’s höchste Gut ist ihr der
Muth zerronnen.
Ob dir das Schmerzlichste wird
angesonnen
Ob sie das Letzte, Liebste
auch dir nähmen,
Du darfst darob nicht
allzutief dich grämen,
Strömt innerlich dir nur der
Gnade Bronnen.
Den Weinstock muß der Winzer
streng beschneiden,
Daß nicht verwuchern ihm die
besten Säfte,
Daß goldner Wein und froher
Sinn gedeihe:
So mußt vom Irdischen auch du
dich scheiden,
Eh’ es verzehrt die edelsten
der Kräfte,
Daß sich das Göttliche in dir
befreie.
um 1850
Was soll ich thun? Soll ich
mit jenen Strengen
Einsiedlerisch absperren mich
nach Außen,
Mit der Betrachtung treu im
Bunde hausen,
In’s frohe Leben mir den Blick
verengen?
soll ich die schmerzlich engen
Bande sprengen,
Hinaus mich wagen aus den
stillen Klausen
Auf’s hohe Meer, wo Wind und
Woge brausen
Soll ohne Grausen in den
Streit mich mengen? –
O wähne weder in der stillsten
Zelle,
Herz, das du suchst den wahren
innern Frieden,
Noch auf des Lebens
sturmbewegter Welle,
Von jenes Feindes Tücke dich
gemieden,
Der, gönnst du ihm in dir nur
Eine Stelle,
In seine Bande ewig dich wird
schmieden.
um 1850
Hienieden unter Einem Dache
wohnen
Unglück und Glück, bei Freude
Leiden gastet,
Der blasse Neid mit
schmutz’gem Finger tastet,
errungen kaum, an des
Verdienstes Kronen.
Umsonst bläht sich die Macht
auf stolzen Thronen,
Umsonst die Pracht
goldschimmernd und bequastet;
Bald küssen sie den Staub; ein
Sturm entmastet
Mit Hoffnung reich befrachtet
Galeonen.
Als wenn du nicht besäßest,
drum besitzen
Sollst du in dieser Welt, der
wandelbaren:
Dies Wort – der Herr sprach’s
kann allein dich retten.
Hast Seine Süße einmal du
erfahren,
An Irdisches nicht mehr dich
willst du ketten,
Willst Alles, ja dich selbst
in Ihm besitzen.
um 1850
Wie viele Sonnen sah ich gehn
und kommen,
Wie viele Monde wandelnd sich
ergänzen,
Das Jahr wie oft mit Blüten
sich bekränzen,
Wie oft den Schmuck, den
letzten, ihm genommen!
Wie manche Hoffnung, allzufrüh
erglommen,
Sah mit dem Abendstern ich
schon verglänzen
Und Wolken, so den Aether
schwarz begrenzen,
Früh sah ich sie in lichten
Duft verschwommen!
Wohl dir, wenn über dem, was
kommt und schwindet,
Du stillen Ernst gelernt,
heilsame Trauer
Und jenen Muth, der innerlich
sich findet,
Weil er in dem, was ewig ist
von Dauer
Tiefwurzelnd nicht an Irdisches
sich bindet:
So hat für dich der Tod selbst
keine Schauer.
um 1850
Welt, dir und deiner Gunst
entsag’ ich gerne:
Dein leichter Sinn die Seele
schwer belastet,
Bei deinen Freuden Neid und
Sorge gastet,
Das du versprichst, das Glück
entrückst du ferne.
Nicht Segen, Fieberglut
sprüh’n deine Sterne,
Dein ist die Ruhe, die mit
Nichten rastet,
Die Fülle dein, die im Genusse
fastet:
Gesundheit gleißend krank bist
du im Kerne.
Das, was ich liebe mag dir
nimmer taugen,
Dem, was du preisest, hab’ ich
mich entwunden,
Seit durch die Hülle sehen
meine Augen
Der alten Tücke immer neues
Streben.
So, während lebend du dem Tod’
ergeben,
Bin, todt für dich, dem Leben
ich verbunden.
um 1850
Wie arm bist du im vollen
Selbstgenügen!
Du wähnst, mein Herz, dich
frei, und bist gebunden,
Unwissens krank an
tiefgeheimen Wunden,
Dir unergründlich selbst in
deinen Lügen!
Forttaumelst du in irdischem
Vergnügen,
Des Leidens Kelch mit Nichten
will dir munden,
Und doch durch Leiden nur
kannst du gesunden:
In Leiden ist ein himmlisch
heilend Fügen.
Sterbend zu leben, lebend
abzusterben,
Die schwere Kunst lern’ in des
Heiles Tagen;
Willst du den weg der
Schmerzen mit ihm gehen,
Willst du mit Ihm an’s Kreuz
dich lassen schlagen,
Dann wirst wie Er, verklärt du
auferstehen
Und Seine Seligkeit im Himmel
erben!
um 1850
Betrachte doch, wie wunderbar
verschlungen
Der Schöpfung Kräfte wirken:
eingeschlossen
Im Niedern keimt das Höh’re
unverdrossen,
Verrät in ihm sich nur durch
Andeutungen;
Kein Zwischengrad gesetzlos
übersprungen
Wird hier von Trieben,
selbstisch aufgeschossen,
Zum Ziele sind sie wie auf
Leitersprossen
Hinaufzusteigen innerlich
gezwungen;
Es stirbt was dem Gesetze sich
entwindet.
Und so mit lichtanstrebender
Erhebung
Auf höh’rer Stuf’ erhöht sich
wiederfindet
Das Niedre in vollkommener
Belebung;
Was erdenhaft an ihm allmählig
schwindet,
Je mehr es sich gefügt in
Untergebung.
um 1850
Nur Unterordnung wahrhaft kann
befreien,
Im Leben der Natur die niedern
Sphären
Den höheren gesetzlich
eingebähren
Und so, erhöht, sie edlerm
Dienste weihen.
So kann das geist’ge Leben
auch gedeihen
Nur durch gehorsam, der sich
muß bewähren
In stillen Wirkens vollen,
goldnen Ahren:
Nur Selbstbeschränkung kann
den Sieg verleihen.
Und während Eigensucht, taub
und erblindet
Für’s Göttliche in tödtlichem
Erstarren
In dunkler Freveltiefe will
beharren:
Ist’s der Gehorsam, der allein
entwindet
Dem ew’gen Tode, daß du frei
von Banden
Rufst: Heil mir, mit dem Herrn
bin ich erstanden!
um 1850
Das Leben, sieh’, es gleicht der
Stufenleiter
Zum Himmel von der Erde
aufgeschossen:
Die Tage sind an ihr
vieltausend sprossen,
Nach Oben ist sie enge, unten
breiter.
mit hohem Ernste klimm’ hinan,
doch heiter;
Ermuth’ge dich an strebenden
Genossen:
Dem Strebenden der Himmel wird
erschlossen,
Dein Losungswort es heiße:
!Weiter, weiter!“
Doch laß’ nicht in den süßen
Wahn dich wiegen,
Als könn’ ein Sterblicher mit
einem Male
Der Reinheit höchste Stufe
kühn erfliegen.
Der höh’re Grad läßt dann nur
sich ersiegen,
Wenn durch die untern du
hinangestiegen
Geleitet von der Gnade mildem
Strahle.
um 1850
I.
Hoch preis’ ich, (wolle Gott
auch mir sie mehren!)
Der Andacht reine Glut an
jenen Frommen,
Die, ehe sie dem Zeitlichen
entnommen,
Im Geist schon mit den seligen
verkehren,
Mit ihnen, die einst treu des
Meisters Lehren,
In Demuth stark, im Fleische
nicht verkommen,
Der Heiligkeit gestufte Höh’n
erklommen
Und was sie hier geglaubt,
dort schauend ehren.
Wie könnten sie, in Liebe
überschwenglich,
Obgleich umschlossen noch von
ird’scher Hülle,
Jetzt, da rein widerstrahlt
und unvergänglich
In ihrem Schau’n der sel’gen
Liebe Fülle,
Vergessen Unsrer die in
Todesschlingen,
Den sie erkämpft, dem Sieg’
entgegenringen?
II.
Blick auf, mein Herz, aus
düstern Erdenthalen,
Willst du in Lebenswonne
überschäumen,
Will wilder Trieb in dir empor
sich bäumen;
Blick auf, wenn es dich drängt
in tausend Qualen
Der Thränen Zoll dem
Sterblichen zu zahlen,
Blick’ hoffend nach den
lichtverklärten Räumen,
Dort lebst du wahrhaft: hier
ist nur ein Träumen
Von Schattenbildern, welche
Wahrhaft prahlen!
Sieh’ droben stern in ew’ger
Jugend,
Die Heil’gen, jeder eine Welt
von Tugend –
Sich selig schau’n in ihrer
Lebenssonne!
Und hast auch du im Glauben
sie gefunden,
Dann wohnt in dir ein Abglanz
jener Wonner
Hienieden, Herz, dem Himmel
schon verbunden!
III.
Zu Euch, ihr Heil’gen Gottes,
blick’ ich gerne,
Den schwachen Muth an Eurer
Kraft zu stählen:
Denn wer zu euren Chören einst
will zählen,
Sei schon hienieden euch nicht
geistig ferne.
O daß auch ich an euerm
Beispiel lerne,
Entsagend froh den besten
Theil zu wählen!
Dem Himmel möcht’ ich hier
mich anvermählen,
Drum folg’ ich euch und euerm
guten Sterne.
Doch eure Größe droht mich zu
vernichten:
Des Herzens tiefstes Streben
unzersplittert
Verstandet ihr auf’s höchste
Ziel zu richten;
Den Hohn der Welt, die Bosheit
unerbittert
Vergaltet ihr mit hohem
Selbstverzichten
Und jener Liebe, der die Hölle
zittert.