um 1850
Euch grüß’ ich, die ihr wohnt
im ew’gen Lichte,
Die ihr in guten wie in bösen
Stunden
Dem Menschenkind’ als Freunde
seid verbunden,
Wahrnehmbar nur dem geistigen
Gesichte.
Schutzengelwacht macht Satans
Grimm zu Nichte,
Der, weil er ewig selbst nicht
kann gesunden,
Umschleichend schlägt der
Unschuld Todeswunden,
Auf daß auch sie verfalle dem
Gerichte.
Weil nun im wunderbaren Reich
der Liebe
Sich Herzenszug und Gegenzug
bedingen,
So mag auch da nur wirken eure
Güte,
Wo sich begegnen gottverwandte
Triebe.
Darum vom Himmel Segen eilt zu
bringen
Am Liebsten ihr dem kindlichen
Gemüte.
um 1850
Gegrüßt sei Königin, hehr ohne
Gleichen,
Die, wo sie hinblickt, reine
Freude spendet,
Mutter von Ihm, der unser Heil
vollendet,
Des Vaters Braut und Tochter;
du, erbleichen
Dem alle Sterne, gnadelichtes
Zeichen,
Das in der Sünd’ Abgründe
strahlen sendet,
Kleinod, das nicht erkennt die
Welt verblendet,
Erlesener Juwel aus Himmels
Reichen!
Mein Herz, gebenedeite
Jungfrau, rühre,
Wenn einst der erste Gruß dich
hoch entzücket,
Der stieg vom Himmel in dies
Thal der Schmerzen;
O sieh nicht auf die Schuld,
die schwer mich drücket,
Den Pfad, den Wenige nur
wandeln, führe
Den Schlüssel geb’ ich dir zu
meinem Herzen!
um 1850
Dich hab’ ich vor der Erde
Creaturen,
O Menschenkind, zum Höchsten
auserlesen:
Erwäge, was du ehedem gewesen,
Daß jetzt du trägst der ew’gen
Liebe Spuren.
Am Himmel kannst du, kannst in
Wald und Fluren,
Im eignen und im fremden Leben
lesen,
Das Liebe, Liebe ist allein
Mein Wesen
Vom Wurm bis zu den
himmlischen Azuren.
O daß dein Geist, dem Ich ein
sinnreich streben
Hab’ eingepflanzt, im Großen
wie im Kleinen
Mein Walten tief und tiefer
stets erkennte!
Daß deine Liebe, zündend an
der Meinen,
Zu unauslöschlich heil’ger
Glut entbrennte
Und Ich ganz wäre deines
Lebens Leben!
um 1850
Mein bist du, Mensch, ruft’s
durch die Weltgeschichte,
Mein deine Thaten, Mein dein
stilles Sinnen,
Und schwindelt’ auch sich auf
die höchsten Zinnen
Dein Menschenwitz – vor Mir
wird er zu Nichte.
Dich drängt’s mit deinem
eigenen Gewichte
Nach Mir, in Mir dich selbst
erst zu gewinnen.
Du zweifelst? horche prüfend
nur nach Innen,
Das Leben frage, glaube Mir:
Ich richte.
Drum gib dich Mir, es hilft
kein Widerstreiten,
Gib dich in Liebe, wie Ich dir
Mich gebe:
Der Weinstock bin ja Ich, du
bist die Rebe
Zu ew’ger Frucht von Ewigkeit
erkoren.
Doch willst du Liebe nicht
dich lassen leiten,
Durch mein Gericht gehst ewig
du verloren!
um 1850
Willst du in schwerem Leid, o
Mensch verzagen,
So hüte dich auf Mich die
Schuld zu schieben:
Ich habe, die du läufst die
Bahn geschrieben,
von meiner Allmacht bist auch
du getragen.
Frag jeden tag, sie alle
werden sagen,
Wie nahe dir mit nie
entwandten Trieben,
Ob du auch fern es wähntest,
war mein Lieben,
Selbst als du treulos Meiner
dich entschlagen.
Im Geiste nachzugeh’n den
lichten Spuren,
Den still verborgnen Bächen
Meiner gnade
Bewährend sich an allen
Creaturen,
Das ist’s, wozu ich dringend
ein dich lade;
Das gibt allein dir Trost in
schweren Leiden,
Und heiter aus dem Leben
kannst du scheiden!
um 1850
Dein Freund bin ich; du
findest keinen treuern:
Aus lichtem Stoff hat meine
Hand gewoben
Die Seele dir, dem Niedern sie
enthoben,
Behütet vor der Laster
Ungeheuern.
Jedweden Fleck aus ihr
hinwegzuschleudern
Ermüd’ ich nicht mit tausend
Liebesproben:
Denn ihr, als reiner Braut,
mich zu verloben
Auf ewig, ist mein göttliches
Betheuern.
Doch hätt’ ich, ach umsonst
nur dir entsiegelt
das fruchtbare Geheimnis
meiner Gnade,
Umsonst die flüchtige auf
jedem Pfade
Gesucht mit flehendem, mit
ernstem Worte:
Dein dann ist alle Schuld,
wenn du verriegelt
Auf ewig findest meines
Herzens Pforte.
um 1850
Du mein, ich dein im Tode wie
im Leben,
Vom Glück belächelt oder
mühbeladen,
An dieses Wort geknüpft sind
alle Gnaden,
Du hast es Ihm, Er hat es dir
gegeben.
Und wenn du strauchelst, Er
wird dich erheben:
Sein Licht erhellt auf
nachtumhüllten Pfaden,
Ihn zu verlieren ist der
größte Schaden,
Mit Ihm kannst du in Alles
dich ergeben.
Und wenn dereinst entriegelt
wird die Pforte,
da Zeit und Ewigkeit sich
furchtbar scheiden,
Und du allein, allein mit
deinen Leiden:
Da nahet er, dem du das Wort
gegeben, -
Dein einz’ger Freund – und
leitet mit dem Worte:
„Ich dein, du mein“ dich durch
den Tod zum Leben.
um 1850
Sieh an des Lenzes Pracht! Der
Ewiggute
Nicht hab’ ich dich, mich hast
du Mensch vergessen,
Und ob aus tausend Wunden auch
es blute,
Kein Menschenherz kann Gottes
Schmerz ermessen.
Du selber ziehst auf dich
herab die Ruthe;
Auf’s Neue wird es sich bewähren:
wessen
Die Majestät, an der im
Frevelmuthe
Erlogner Herrlichkeit du dich
vermessen.
Ich habe dich geformt nach
Meinem wesen,
Dich Menschenkind geliebt, eh
du geboren,
Mit mehr denn Vater-, mehr
denn Mutterliebe,
Zu ew’gen Freuden hab’ Ich
dich erlesen:
Schenk’ wieder Mir, die dein
nicht sind, die Triebe,
Gott bittet dich, eh’ ewig du
verloren!
um 1850
Glückselig, Herr, wer Dir zur
Seite gehen
Darf in Gedanken, dein Gewand
berühren,
Dein Wort, das Alle will zum
Vater führen,
Wie Du’s gesprochen
unverfälscht verstehen.
Du lebst und webst im heil’gen
geisteswehen
Der Liebe Glut ohn’ Unterlaß
zu schüren;
In wesenhafter Gegenwart zu
spüren
Bist Du mit Leibesaugen selbst
zu sehen.
Ja, Du erfüllst das
kühnlichste Verlangen:
Du kommst mein Leben liebend
zu durchwallen
gottmenschlich in persönlichem
Verkehre,
Die Seele darf den Bräutigam
umfangen.
O weiche, weiche nicht von mir
und lehre,
Was muß ich thun, Dir immer zu
gefallen?
um 1850
Auf, Seele, eile bräutlich
dich zu schmücken!
Dem Bräut’gam, der mit
zärtlichem Bemüh’n
Um deine Liebe wirbt, vertraue
kühn,
In seinen Himmel will er dich
entrücken.
So lasse denn in schmerzlichem
Entzücken
Der Sehnsucht Lilien tief und
rein erblüh’n,
Die Lieb’ in wonnetrunkner
Rose glüh’n
Und Demuth sich im stillen
Veilchen bücken;
Leg’ an der Thränen köstliches
Geschmeide,
Den Kranz aus Dornen winde die
Geduld,
Sieh’ daß kein Flecken sei an
deinem Kleide.
Den Schleier webe das Gefühl
der Schuld:
So reizend in der Liebe Lust
und Leide
Entgegenwalle des Geliebten
Huld!
um 1850
Mein Gott, Dich lieb’ ich,
nicht weil du zum Erben
Des Himmels mich erseh’n, noch
weil ich’s wagen
Nicht darf von meinem Herrn
mich loszusagen
Aus Furcht vor Qual und ewigem
Verderben;
Dich lieb’ ich Dir zu Liebe,
seh’ ich färben
dein heil’ges Blut in
tausendfachen Plagen
Den Kreuzesstamm, woran Dein
Leib geschlagen,
Dich lieb’ ich um Dein Lieben,
Leiden, Sterben.
Von Liebe bleibt und Furcht
mein Herz durchdrungen,
Auch wenn der Himmel nicht mir
stünde offen
Und vor der Hölle mir nicht
dürfte bangen;
Du hast allein zur Liebe mich
bezwungen:
Drum dürft’ ich auch nicht,
was ich hoffe hoffen,
Nicht minder Herr, nach Dir
trüg’ ich Verlangen.
um 1850
Eines wir heiß mich auf der
Seele brennen,
wenn nah und näher ich gerückt
dem Grabe:
Daß Ihn durch Wort und That verkannt
ich habe,
Ihn, den ich durfte Freund und
Bruder nennen.
Wie war’s nur möglich lieblos
zu verkennen
Ihn, der, daß er ein Gott den
Menschen labe,
Sich selber beut als reinste
Liebesgabe,
Und vom Geliebten nimmer sich
will trennen?
Schau, Herz, nur in dich
selbst und deine Triebe,
Die Wahrheit werden sie dir
offenbaren:
Das tiefste Leiden, keinem
Wort’ erreichbar,
(O dreimal wohl dir, wenn du’s
nie erfahren!)
Ist wenn ein Herz, durch
Bitten nicht erweichbar,
Mit kaltem Stolze lohnt die
Glut der Liebe.
um 1850
Was ich auch thu’, wohin ich
immer schreite,
Im Herzen theilt mich
schiedliche Bestrebung;
Ein Rohr schwankt ich in
Senkung und Erhebung,
Vergebens vor mir selbst such’
ich das Weite.
So umgetrieben in ruhlosem
Streite
Aufathm’ ich eher nicht in
Neubelebung,
Bis ausgesprochen du das Wort:
„Vergebung,“
Dies heilt allein das
innerlich Entzweite.
O schenk’ in dir mir selber
mich auf’s Neue!
Was hilft mir auch ein
Thränenmeer der Reue,
Kommst du nicht, mich im Blute
weiß zu baden?
Dir, Herr, mit Seel’ und Leib
will ich verbleiben,
Daß du dem lichten Reiche
deiner Gnaden,
Ein würd’ges Glied, mich
wollest einverleiben!
um 1850
Herr, schone meiner nicht;
züchtigend rühre
Mich deine hand, verdopple nur
die Stöße,
Enthülle meinem Blick die
ganze Blöße,
Des Herzens tiefgeborgenste
Geschwüre!
Der Reue Gluten markverzehrend
schüre
In tiefster Brust, weil’s Tag
noch ist, und flöße
Heilsame Furcht mir ein vor
deiner Größe,
Daß nichts mir, Alles dir
allein gebühre.
Was nützt es hier den Himmel
zu erfliegen
Im stolzen Flug hochstrebender
Gedanken,
In Selbstverblendung träumend
sich zu wiegen,
Indes des Geistes Kräfte
tödtlich kranken?
Nein, lieber hier der Prüfung
Schmerz erleiden,
Als jenseits, Herr, dein
Antlitz ewig meiden.
um 1850
Trau’ nicht des Glückes
trügendem Gekose,
Das enger nur an’s Ird’sche
dich wird fesseln.
Wisse: nur aus der Leiden scharfen
Nesseln;
Erblüht des Himmelsfriedens
goldne Gose.
Mit Sehnsucht schau ich, die
uns ward zum Lose,
Drum aus des Erdenlebens
Felsenkesseln
Dort nach des Himels
ferndurchwirkten Sesseln
Und fleh’, ob auch der
Erbfeind sich erbose:
O lasse nicht, zum ewigen
Verdrusse,
Mein Herr und hoher Meister im
Entsagen,
das Herz versinken in der Welt
Genusse;
Nicht laß’ im Leide klagend
mich verzagen,
Nein laß hinan zum heil’gen
Friedenskusse
Ein Engelpaar die müde Seele
tragen!
um 1850
Den ich bekenn’ in gläubigem
Ergreifen,
Der mich zuerst geliebt, mich
eingeladen
Ach, oft umsonst, zum Mahle
seine Gnaden,
Von meinem Herrn, nicht will
ich fürder schweifen.
Was er getödtet eil’ ich
abzustreifen,
Gern laß’ ich leiten mich auf
Seinen Pfaden,
Zu heil’ger Geistesfreiheit
höhern Graden,
Zum Jünger, innerlich
heranzureifen.
Drum des Gesetzes Zucht muß
ich durchleben,
Muß in Versuchung sieghaft
mich bewähren,
Dem Meister gleich der Beides
überwunden.
Und fühlt’ ich erst in meinen
Seine Wunde,
Aus Grabesnacht mit Ihm dann
darf ich streben,
Ihm einverleibt wird mich Sein
Licht verklären.
um 1850
Wie lieblich laden deiner
Gnade Glocken! –
Sucht auch das Herz leichtsinnig
zu enteilen,
Es ist umsonst: denn mit der
Liebe Seilen
Ziehst du’s an dich und es
folgt froherschrocken.
Und wieder kommt die Welt es
zu verlocken,
In ihre Freuden gern möcht’ es
sich theilen;
Fern scheint da wieder deine
Huld zu weilen,
Und meines Lebens Pulse fühl’
ich stocken.
Da nahst du wieder mit
erneuten Proben,
Wie dürft’ auch dir je zu
entrinnen hoffen
das flücht’ge Herz? von deiner
Liebe Pfeilen
Wird es das Ziel scher hast du
es getroffen,
Getroffen nur um liebend es zu
heilen,
Dem deinen es auf ewig zu
verloben.
um 1850
Gedenke mein, wenn irdische
Beschwerden,
Wenn ird’sche Lust mir nimmt
die Sinne ein;
Wenn tückevoll mit
schmeichelnden Geberden
Der Todfeind naht, Herr, dann
gedenke mein!
Gedenke mein, wenn es will
Abend werden,
Wenn rings erstirbt der frohen
Lichter Schein;
Wenn Rath und That dahin,
dahin auf Erden
der letzte Trost: dann o
gedenke mein!
Gedenke mein, wenn innerlich
umnachtet
Die Seele hangt und bangt in
bittrer Pein,
Ob schwerer Schuld sich
anklagt, sich verachtet,
Und doch nach deinem Anschau’n
voll und rein
Gleichwie der Hirsch nach
kühler Quelle schmachtet:
Dann führ’ mich, Herr, in
deinen Frieden ein!
um 1850
Ranken hinan zu ihm sich die
Gedanken,
Der aus dem Nichts rief was da
geht und steht,
Zum Vater, dessen Liebe ohne
Schranken:
Dein Denken tief und klar dann
wird Gebet.
Fühlst du getrennt von Ihm
dich tödtlich kranken,
Von wilden Stürmen innerlich
durchweht,
Dem festen Grund unselig dich
entwanken:
Ihm rufst du, und dein Rufen
wird Gebet.
Und fühlst du dann durchglüht
von heil’ger Minne
Sein treues Herz an deinem
Herzen schlagen:
Des Himmels Vorgenuß, er wird
Gebet.
Und handelst, wandelst du nach
Seinem Sinne,
Wird Rath und That von Seinem
Geist getragen,
Dein ganzes Leben dann ist Ein
Gebet!
um 1850
Wie wunderbar, o Herr, sind
Deine Bahnen!
Ich wußt’ es nicht, doch
lenktest Du mein Streben,
Bald mild, bald zürnend kamst
Du mich zu mahnen,
Und, daß erfülle mich ein
heilsam Beben,
Ließest du deiner Macht
siegreiche Fahnen
Hoch weh’n im wirrsalvollen
Völkerleben,
Ließest mich Dein dreifaltig
Wunder ahnen
In der Natur und in des
Geistes Weben.
Doch über Alles, wenn ich’s
recht erwäge,
Steht, daß Du willst mich
zählen zu den Deinen,
Der Kirche Sohn, von deinem
Wort getragen,
Daß ihres Mutterherzens
heil’ge Schläge
Lebendig auch in meinem Herzen
schlagen.
O wolle mich auch Jenseits ihr
vereinen!