um 1850
Groß ist fürwahr des Wortes
Fluch und Segen,
Ein Doppelwesen, wunderbar
getheilt
Zwischen Natur und Geist, das
unverweilt
Aus seiner Heimath innersten
Gehegen
Dem Hörer zu auf unsichtbaren
Wegen
Hinab in nie erforschte Tiefen
eilt,
Mit Schmerz das Herz
durchpfeilt bald, bald es heilt,
Bald innerlichen Sturm wild
aufzuregen,
bald sanft zu legen weiß. O
daß Dein Wort,
Das aus der Kirche
jungfräulichem Munde
Tönt wahr und klar durch alle
Zeiten fort,
Mein Herz stets rühr’ im allertiefsten
Grunde,
Daß es gewiegt in Deiner Liebe
Port
Von eitler Erdenlust schon
hier gesunde!
um 1850
Wohl Dir, der mit sich selber
ist im Klaren,
Der, was er längst gesucht um
zu gesunden,
Das Heil, da wo allein es
blüht, gefunden
Folgend der lichten Spur des
ewig Wahren.
Was „Liebe“ heißt, hast heute
du erfahren:
Sie löset lind was innerlich
gebunden,
Kein Schmerz fortan darf
tödtlich dich verwunden,
Die Liebe prüfend wird er
offenbaren.
O Stern der Liebe,
gnadelichtes Zeichen,
O Mutterherz das Keinen läßt
verzagen,
Und ihr, dort in des Himmels
ew’gen Reichen
Von heil’ger Liebe höher stets
getragen
Fürbittend helfet uns das Ziel
erreichen,
Wo alle Herzen Einen Schlag
nur schlagen!
um 1850
Ein sursum corda steigt aus
Felsengründen
Der deutsche dom: in würd’ge
Form erschlossen
Hat sich Glaub’, Hoffnung,
Lieb’ hier unverdrossen
Der Gottheit Lob sinnbildlich
zu verkünden.
In tieferwognem Ebenmaß verbünden,
Zu Spitzgewölben luftig
aufgeschossen,
Sich Säul’ und Säule, Laub und
Blumen sprossen
Und Thürme möchten in den
Himmel münden.
Inbrünst’ger Andacht würzige
Arome
Sich wölken in verklärtem
Farbenscheine,
Der hoher Ros’ entquillt; in
vollem Strome
Gesang und Orgelklang entlang
den Hallen
Gott lobend wallen, alle
Glocken schallen:
Ein Leib, Ein Geist die
feiernde Gemeine!
um 1850
Ob meinem Scheitel glüh’n der
Wüste Sonnen,
Im Sande wank’ ich an zerbrochnem
Stabe,
Und daß den Schmachtenden kein
Trunk erlabe,
Vertrocknet scheinen selbst
der Gnade Bronnen.
Den Himmel hier schon wähnt’
ich Thor gewonnen,
Beseligt weil durch seines
Friedens Gabe;
Beraubt nun fühl’ ich mich der
besten Habe,
Mein ganzes Glück ist wie ein
Traum zerronnen.
Doch allem Troste gern will
ich entsagen,
Will lieben Ihm zu Liebe meine
Schmerzen,
Der liebend Schuld und Schmerz
der Welt getragen,
Wenn Eines nur ich weiß, daß
meine Seele
Des Weges, der allein zum
Vaterherzen,
Wenn auch durch Noth und Tod
führt, nicht verfehle!
um 1850
Das klare Wasser muß zuletzt
versumpfen,
Wenn’s nicht durch Ab- und
Zufluß wird beweget;
Wenn Licht gebricht, wenn sich
kein Luftzug reget,
So muß die reinste Luft
zuletzt verdumpfen.
Die Waffe, wär’s die
schärfste, muß erstumpfen,
Hat sich gefräß’ger Rost an
sie geleget;
Der mütterliche Ast wenn nicht
mehr heget
Die Frucht, dann muß die
köstlichste verschrumpfen.
Nur im lebendigen
Zusammenhange
Mit deinem Urbild, deinem
Herrn und Meister,
Nicht in dir selbst vermagst
du zu bestehen.
Das Licht ist er, das
lebensfrische Wehen,
Das Bad, das liebewallende der
Geister:
Getrennt von Ihm bist du ein
Raub der Schlange.
um 1850
Willst du dich wahrhaft
innerlich erneuen?
Auf Gott, auf Gott allein hin
mußt du lenken,
Todt für das Irdische, dein
Fühlen, Denken,
Der Sammlung Arbeit wird dich
nicht gereuen:
des Wahnes Wolken werden sich
zerstreuen,
Dein Herz – nur Eines hast du
zu verschenken –
Eil’ in der Liebe Abgrund zu
versenken,
Denn nur das Ewige kann es
erfreuen.
Doch nicht in schwelgenden
Gefühlen brüte
Einsiedlerisch im enggezognen
Kreise;
Nein, neugeboren durch des
Himmels Güte
Tritt in des Lebens
gottgewiesne Gleise
Mit hellem Blick, mit
gläubigem Gemüthe
Und munter setze fort die
Lebensreise!
um 1850
Vereinigung mit Gott willst du
genießen
In brünst’ger Andacht
schwelgenden Gefühlen?
Die heil’ge Glut wie bald wird
sie verkühlen
Und die Entzückung in ein
Nichts zerfließen!
Soll gottgefällig deine Ernte
sprießen,
Erheb’ dichvon der Trägheit
weichen Pfühlen,
Des Herzens harten Grund tief
umzuwühlen,
mit Schweiß und Thränen reich
ihn zu begießen.
Nicht in Extas’ und
himmlischen Gesichten
Naht dir dein Gott: er naht im
heil’gen Harme,
In aller Wünsche liebendem
Verzichten,
Daß Ihm, nur Ihm dein kaltes
Herz erwarme;
er naht, so oft zu Ihm du
kommst zu flehen:
„Vater, nicht mein, dein Wille
soll geschehen!“
um 1850
Mit Lieb’, (ein heil’ges Wort)
nie sollst du scherzen;
Wer hat die Segensfülle, ihr
entsprossen,
Ihr reines Glück im Leben nie
genossen,
Geerntet nie, was sie gesät im
Schmerzen?
O sage nicht: mir schlugen
keine Herzen,
Noch keines hat dem meinen
sich erschlossen.
Zähl’ erst die stillen
Thränen, dir geflossen,
Zähl’ erst, für dich verglüht,
der Liebe Kerzen,
Zähl’, undankbares Herz, die
Liebesproben,
Womit um dich dein Schöpfer schon
geworben;
Doch du, statt Gegenliebe zu
geloben,
Von Lust bethört, in
Eigensucht verdorben
Bist in den Netzen, die du
selbst gewoben,
Fürs Höchste, was der Himmel
hat, erstorben.
um 1850
In deiner treuen Augen mildem
scheine
kann ich, daß du mich liebst,
untrüglich lesen;
Der ew’gen Güte Herz hat ja
das deine
Zu lieben mich von Anbeginn
erlesen.
Und daß ich liebend nenne dich
die Meine,
Sein Wille war’s: durch dich
sollt’ ich genesen.
So ist denn unsrer Liebe
Glück, das reine,
Ein Widerschein von Seinem
heil’gen Wesen.
Drum soll fortan Nichts Herz
vom Herzen scheiden:
Was ewig, muß als ewig sich
bewähren,
Obsiegen über ird’sche Lust
und Leiden.
Kann so das Herz sein
innersten Begehren
Schon hier in immer licht’re
Formen kleiden,
Wie wird’s die Liebe jenseits
erst verklären!
um 1850
Ein guter Stern dem Hause ist
erschienen,
Wo Mutterliebe wacht: ihr
zartes Walten
Bringt jeder Tugend Blüte zum Entfalten,
Im Menschen Gott allein nur
will sie dienen.
Dich zähl ich zu des Himmels
Arbeitsbienen,
Vom Herrn bestellt hienieden
hauszuhalten
Und seinen Himmel hier schon
zu gestalten,
Der selig widerstrahlt aus
deinen Mienen.
Groß wird dereinst in jenen
lichten Sphären,
Das du geübt mit freudigem
Entsagen,
Der Liebeswerke kleinstes sich
bewähren:
Gebet und Wonnedank gestillter
Klagen,
Von Engeln unsichtbar
emporgetragen,
Wird dort im ew’gen Lichte
dich verklären.
um 1850
Wenn je mein Herz in heißem
Dank erglühte,
Gott, gegen Dich in mancher
Lebenslage,
So ist es heut’ am Dir
geweihten Tage,
Da mir des Söhnleins Aug’
entgegenblühte.
Den Du gepflanzt mit
väterlicher Güte
Bewahre, Herr, vor Sturm und
Hagelschlage
Und wache, daß der Giftwurm
nimmer nage
An seiner Seele jungfräulicher
Blüthe,
Daß wir durch ihn, und er
durch uns gewinne
Den Himmel, daß an deines
Thrones Stufen
Wir einst uns wiederseh’n, und
Dir gehören.
Doch lebt’ er nicht nach Deinem
heilgen Sinne,
Wär’ er zum ew’gen Tode nur
berufen,
Nimm’ heut’ ihn hin zu Deinen
Engelchören!
um 1850
Es schwärmen um des
Christbaums lichtes Zeichen
Die Kinder hochentzückt,
gleich Schmetterlingen,
Die froh von Blume sich zu
Blume schwingen,
Kaum angehörend irdischen
Bereichen.
Der Kinder Glück heut’ ist es
ohne Gleichen,
Der Engel Wonnen in ihm
wiederklingen;
Auch Elternherz darf hohe Lust
durchdringen,
Des Dankes Rührung kindlich es
erweichen.
Denn siehe nur, ist nicht auch
uns behangen
Ein Christbaum wunderreich mit
Gottesgaben?
Ward nicht erfüllt uns
jegliches Verlangen,
Selbst wenn wir’s, Kindern
gleich, verdient nicht haben?
An ihm drum wollen dankbar wir
uns laben;
Den schöner kann als er kein Zweiter
prangen.
um 1850
O Mutterhand, zum Herrlichsten
erkoren:
Den Garten Gottes schützend zu
umhegen
Und seinen jungfräulichen Flor
zu pflegen;
Was du gepflanzt, nie geht es
ganz verloren.
Du führst, ob auch der
Erbfeind sich verschworen,
Auf steilen oft, doch
lieberhellten Wegen
Dem Vaterherzen hochentzückt
entgegen
Das Kind, das unter Schmerzen
du geboren.
Noch jenseits ist dein Segen
überschwänglich:
Dir zittern die dämonischen
Gewalten,
Und Er, der wohnt im Lichte
unzugänglich,
Schenkt Gnade mit bewegtem
Sohnesherzen,
So oft zu Ihm in sel’gen
Liebesschmerzen
Fürbittend sich die
Mutterhände falten.
um 1850
So bin ich hier mit meinem Dank
alleine,
Wo hohe Bäume flüsternd mich
umstehen,
Wo Blumen leise grüßend an
mich sehen
Und mitzufühlen scheinen
selbst die Steine;
Wie gatten schatten sich mit
mildem Scheine,
Wie reine Lüfte hier
Erquickung wehen,
Wie hell bergab die muntern Bächlein
gehen,
Alles wirkt hier in liebendem
Vereine!
So war’s von Ewigkeit, mein
Gott, beschlossen
Im Rathe deiner abgrundtiefen
Güte,
Daß Sonne, Lüfte, Bach und
Baum und Blüthe
Wetteifernd heute men Gemüth
erheitern
Und für den Himelsfrieden,
hier genossen,
Des Dankes Psalmen meine Brust
erweitern!
um 1850
Zehn Jahre sind’s! Wie
überreich an Segen,
O Gott, war jeder Tag, war
jede Stunde:
Dein Engel wandelte mit mir im
Bunde,
Mich schützend auf des Denkens
luft’gen Stegen.
Doch was hab’ ich, wie treue
Knechte pflegen,
Erwuchert mit dem anvertrauten
Pfunde?
Kein Werk, das dir gehört,
gibt davon Kunde;
Beschämt im Herzen steh’ ich
tiefverlegen.
Ein Kind der Schmerzen, nackt
und arm geboren
Unrettbar durch die eigne
Schuld verloren,
Bin, was ich bin ich nur in
Deinem Namen.
Von Dir, Herr, kommt des
Wortes heil’ger Samen,
Dein ist das Herz, worin er
kann entsprießen,
Laß’ Dein Gedeihen auch vom
Himmel fließen!
um 1850
Im tiefsten Denken muß und im
Empfinden
Die Wahrheit uns sich selber
offenbaren:
Wenn innerlich du ihre Macht
erfahren,
Dann erst magst du dem Irrthum
dich entwinden.
Du fliehst vor ihr? Sie wird
dich finden, binden:
Umsonst wirst du mit trotzigem
Gebahren
Vor ihrem linden Zwange dich
verwahren;
Dein Trotz, Frühnebeln gleich
wird er verschwinden.
O daß sich gern an sie dein
Herz gewöhne,
Ihr angehöre all dein Thun
Thun und Wollen,
Ihr, die’s verschmäht, daß man
nur blind ihr fröhne!
Denn, magst du lieben sie,
magst du ihr grollen,
Du mußt, wenn sie dir naht in
reiner Schöne,
In tiefster Brust ihr dennoch
Beifall zollen.
um 1850
Ob auch die Kraft zum
Selbsterleuchten hegen,
Gebunden innerlich, der Erde Massen;
Die Sonne muß den goldnen
Strahl entlassen,
Um Licht und Leben freudig
anzuregen.
So birgt der Geist den Keim zu
reichem Segen,
Den Himmel selber mag er in
sich fassen;
Doch käme Licht der Lichtkraft
nicht entgegen,
Vergebens würdest du auf
Früchte passen.
Das Wort, der Liebe Wort, ihr
eingesprochen,
Hat wärmend bald der Seele
Nacht durchbrochen
Und weckt in ihren
räthselvollen Tiefen
Die Feuerkräfte, die gebunden
schliefen.
Das Wort, das sie allein kann
ganz befreien,
Schenkt auch der Ernte liebreich
das Gedeihen.
um 1850
Die ew’ge Wahrheit, einfach zu
vernehmen,
Wirkt auf die reinen herzen
allgewaltig;
Dem Irrthum’ aber, krumm und
mannigfaltig
Ein grader Sinn mag nimmer
sich bequemen.
Und dennoch nachzujagen liebt
den Schemen
Der Geist, die er ersonnen
vielgestaltig;
Selbst ungewiß, ob sie auch
probehaltig,
Nicht läßt er ab von
schwankenden Systemen.
An deinem Wort’ am ew’gen,
sonder Wanken,
Herr, lasse tief und tiefer
Wurzel greifen,
Daß er entselbigst frei sei,
den Gedanken;
Und daß sein Streben unstät
nicht mag schweifen,
Am sichern Stab’ hinan es
lasse ranken
Und des Gehorsams süße Frucht
ihm reifen!
um 1850
Des Auges Bau ist wunderbar gegründet:
Den Lichtstoff hegend tief im
reinen Kerne
Sucht es der Sonne Licht, das
Licht der Sterne,
Woran sein innres Leben sich
entzündet.
Also der Geist der Wahrheit
Ruhm verkündet:
Wo sie begegnet ihm, wählt er
sie gerne
Zur Führerin, auf daß an ihr er
lerne
Und stark ist er allein mit
ihr verbündet.
Wie aber, wenn sie schwer
erkrankt, die Augen
Nicht wagen sich dem
Lichtstrahl’ aufzuschlagen
Die sonst willkommne Nahrung
einzusaugen:
So wird der Wahrheit, naht sie
anzuklagen
Bethörten Sinn, dem Schranken
nicht mehr taugen,
Schmerzlich berührt der Geist
den Blick versagen.
um 1850
„Frei soll die Forschung sein
in ihrem Gange!“
Wohl; doch wo ist der freie
Geist zu finden,
Den Sünde nicht und Irrtum schmerzlich
binden,
Der unterm Fluch nicht seufzt
und seinem Zwange?
Noch wacht und lauert scharf
die alte Schlange,
Den Forschergeist mit Lügen zu
umwinden,
Daß er im unglückseligsten
Erblinden
Selbsteigne
Machtvollkommenheit erlange.
Nicht kann sich selbst
befreien wer gebunden:
Ein Stärk’rer kann’s allein,
der Geist der Wahrheit;
Ihm mußt du, ihm, der dir in
lichter Klarheit
Entgegenkommt, mit deinem
Fühlen, Denken
Und Wollen liebend wie ein
Kind dich schenken.
So ist des Forschens rechter
Weg gesunden.