Dr. Karl Hoffmann               Wortes Geheimnis

um 1850

Groß ist fürwahr des Wortes Fluch und Segen,

Ein Doppelwesen, wunderbar getheilt

Zwischen Natur und Geist, das unverweilt

Aus seiner Heimath innersten Gehegen

 

Dem Hörer zu auf unsichtbaren Wegen

Hinab in nie erforschte Tiefen eilt,

Mit Schmerz das Herz durchpfeilt bald, bald es heilt,

Bald innerlichen Sturm wild aufzuregen,

 

bald sanft zu legen weiß. O daß Dein Wort,

Das aus der Kirche jungfräulichem Munde

Tönt wahr und klar durch alle Zeiten fort,

 

Mein Herz stets rühr’ im allertiefsten Grunde,

Daß es gewiegt in Deiner Liebe Port

Von eitler Erdenlust schon hier gesunde!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Dem Verbundenen

um 1850

Wohl Dir, der mit sich selber ist im Klaren,

Der, was er längst gesucht um zu gesunden,

Das Heil, da wo allein es blüht, gefunden

Folgend der lichten Spur des ewig Wahren.

 

Was „Liebe“ heißt, hast heute du erfahren:

Sie löset lind was innerlich gebunden,

Kein Schmerz fortan darf tödtlich dich verwunden,

Die Liebe prüfend wird er offenbaren.

 

O Stern der Liebe, gnadelichtes Zeichen,

O Mutterherz das Keinen läßt verzagen,

Und ihr, dort in des Himmels ew’gen Reichen

 

Von heil’ger Liebe höher stets getragen

Fürbittend helfet uns das Ziel erreichen,

Wo alle Herzen Einen Schlag nur schlagen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der deutsche Dom

um 1850

Ein sursum corda steigt aus Felsengründen

Der deutsche dom: in würd’ge Form erschlossen

Hat sich Glaub’, Hoffnung, Lieb’ hier unverdrossen

Der Gottheit Lob sinnbildlich zu verkünden.

 

In tieferwognem Ebenmaß verbünden,

Zu Spitzgewölben luftig aufgeschossen,

Sich Säul’ und Säule, Laub und Blumen sprossen

Und Thürme möchten in den Himmel münden.

 

Inbrünst’ger Andacht würzige Arome

Sich wölken in verklärtem Farbenscheine,

Der hoher Ros’ entquillt; in vollem Strome

 

Gesang und Orgelklang entlang den Hallen

Gott lobend wallen, alle Glocken schallen:

Ein Leib, Ein Geist die feiernde Gemeine!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Einzige Beruhigung

um 1850

Ob meinem Scheitel glüh’n der Wüste Sonnen,

Im Sande wank’ ich an zerbrochnem Stabe,

Und daß den Schmachtenden kein Trunk erlabe,

Vertrocknet scheinen selbst der Gnade Bronnen.

 

Den Himmel hier schon wähnt’ ich Thor gewonnen,

Beseligt weil durch seines Friedens Gabe;

Beraubt nun fühl’ ich mich der besten Habe,

Mein ganzes Glück ist wie ein Traum zerronnen.

 

Doch allem Troste gern will ich entsagen,

Will lieben Ihm zu Liebe meine Schmerzen,

Der liebend Schuld und Schmerz der Welt getragen,

 

Wenn Eines nur ich weiß, daß meine Seele

Des Weges, der allein zum Vaterherzen,

Wenn auch durch Noth und Tod führt, nicht verfehle!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Des Lebens und der liebe Quell

um 1850

Das klare Wasser muß zuletzt versumpfen,

Wenn’s nicht durch Ab- und Zufluß wird beweget;

Wenn Licht gebricht, wenn sich kein Luftzug reget,

So muß die reinste Luft zuletzt verdumpfen.

 

Die Waffe, wär’s die schärfste, muß erstumpfen,

Hat sich gefräß’ger Rost an sie geleget;

Der mütterliche Ast wenn nicht mehr heget

Die Frucht, dann muß die köstlichste verschrumpfen.

 

Nur im lebendigen Zusammenhange

Mit deinem Urbild, deinem Herrn und Meister,

Nicht in dir selbst vermagst du zu bestehen.

 

Das Licht ist er, das lebensfrische Wehen,

Das Bad, das liebewallende der Geister:

Getrennt von Ihm bist du ein Raub der Schlange.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Lebens Weihe

um 1850

Willst du dich wahrhaft innerlich erneuen?

Auf Gott, auf Gott allein hin mußt du lenken,

Todt für das Irdische, dein Fühlen, Denken,

Der Sammlung Arbeit wird dich nicht gereuen:

 

des Wahnes Wolken werden sich zerstreuen,

Dein Herz – nur Eines hast du zu verschenken –

Eil’ in der Liebe Abgrund zu versenken,

Denn nur das Ewige kann es erfreuen.

 

Doch nicht in schwelgenden Gefühlen brüte

Einsiedlerisch im enggezognen Kreise;

Nein, neugeboren durch des Himmels Güte

 

Tritt in des Lebens gottgewiesne Gleise

Mit hellem Blick, mit gläubigem Gemüthe

Und munter setze fort die Lebensreise!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Wahre Einigung

um 1850

Vereinigung mit Gott willst du genießen

In brünst’ger Andacht schwelgenden Gefühlen?

Die heil’ge Glut wie bald wird sie verkühlen

Und die Entzückung in ein Nichts zerfließen!

 

Soll gottgefällig deine Ernte sprießen,

Erheb’ dichvon der Trägheit weichen Pfühlen,

Des Herzens harten Grund tief umzuwühlen,

mit Schweiß und Thränen reich ihn zu begießen.

 

Nicht in Extas’ und himmlischen Gesichten

Naht dir dein Gott: er naht im heil’gen Harme,

In aller Wünsche liebendem Verzichten,

 

Daß Ihm, nur Ihm dein kaltes Herz erwarme;

er naht, so oft zu Ihm du kommst zu flehen:

„Vater, nicht mein, dein Wille soll geschehen!“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Statt Liebe Undank

um 1850

Mit Lieb’, (ein heil’ges Wort) nie sollst du scherzen;

Wer hat die Segensfülle, ihr entsprossen,

Ihr reines Glück im Leben nie genossen,

Geerntet nie, was sie gesät im Schmerzen?

 

O sage nicht: mir schlugen keine Herzen,

Noch keines hat dem meinen sich erschlossen.

Zähl’ erst die stillen Thränen, dir geflossen,

Zähl’ erst, für dich verglüht, der Liebe Kerzen,

 

Zähl’, undankbares Herz, die Liebesproben,

Womit um dich dein Schöpfer schon geworben;

Doch du, statt Gegenliebe zu geloben,

 

Von Lust bethört, in Eigensucht verdorben

Bist in den Netzen, die du selbst gewoben,

Fürs Höchste, was der Himmel hat, erstorben.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Lebensgefährtin

um 1850

In deiner treuen Augen mildem scheine

kann ich, daß du mich liebst, untrüglich lesen;

Der ew’gen Güte Herz hat ja das deine

Zu lieben mich von Anbeginn erlesen.

 

Und daß ich liebend nenne dich die Meine,

Sein Wille war’s: durch dich sollt’ ich genesen.

So ist denn unsrer Liebe Glück, das reine,

Ein Widerschein von Seinem heil’gen Wesen.

 

Drum soll fortan Nichts Herz vom Herzen scheiden:

Was ewig, muß als ewig sich bewähren,

Obsiegen über ird’sche Lust und Leiden.

 

Kann so das Herz sein innersten Begehren

Schon hier in immer licht’re Formen kleiden,

Wie wird’s die Liebe jenseits erst verklären!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der gute Stern

um 1850

Ein guter Stern dem Hause ist erschienen,

Wo Mutterliebe wacht: ihr zartes Walten

Bringt jeder Tugend Blüte zum Entfalten,

Im Menschen Gott allein nur will sie dienen.

 

Dich zähl ich zu des Himmels Arbeitsbienen,

Vom Herrn bestellt hienieden hauszuhalten

Und seinen Himmel hier schon zu gestalten,

Der selig widerstrahlt aus deinen Mienen.

 

Groß wird dereinst in jenen lichten Sphären,

Das du geübt mit freudigem Entsagen,

Der Liebeswerke kleinstes sich bewähren:

 

Gebet und Wonnedank gestillter Klagen,

Von Engeln unsichtbar emporgetragen,

Wird dort im ew’gen Lichte dich verklären.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Dank und Bitte

um 1850

Wenn je mein Herz in heißem Dank erglühte,

Gott, gegen Dich in mancher Lebenslage,

So ist es heut’ am Dir geweihten Tage,

Da mir des Söhnleins Aug’ entgegenblühte.

 

Den Du gepflanzt mit väterlicher Güte

Bewahre, Herr, vor Sturm und Hagelschlage

Und wache, daß der Giftwurm nimmer nage

An seiner Seele jungfräulicher Blüthe,

 

Daß wir durch ihn, und er durch uns gewinne

Den Himmel, daß an deines Thrones Stufen

Wir einst uns wiederseh’n, und Dir gehören.

 

Doch lebt’ er nicht nach Deinem heilgen Sinne,

Wär’ er zum ew’gen Tode nur berufen,

Nimm’ heut’ ihn hin zu Deinen Engelchören!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Christbaum

um 1850

Es schwärmen um des Christbaums lichtes Zeichen

Die Kinder hochentzückt, gleich Schmetterlingen,

Die froh von Blume sich zu Blume schwingen,

Kaum angehörend irdischen Bereichen.

 

Der Kinder Glück heut’ ist es ohne Gleichen,

Der Engel Wonnen in ihm wiederklingen;

Auch Elternherz darf hohe Lust durchdringen,

Des Dankes Rührung kindlich es erweichen.

 

Denn siehe nur, ist nicht auch uns behangen

Ein Christbaum wunderreich mit Gottesgaben?

Ward nicht erfüllt uns jegliches Verlangen,

 

Selbst wenn wir’s, Kindern gleich, verdient nicht haben?

An ihm drum wollen dankbar wir uns laben;

Den schöner kann als er kein Zweiter prangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Mutter Hand

um 1850

O Mutterhand, zum Herrlichsten erkoren:

Den Garten Gottes schützend zu umhegen

Und seinen jungfräulichen Flor zu pflegen;

Was du gepflanzt, nie geht es ganz verloren.

 

Du führst, ob auch der Erbfeind sich verschworen,

Auf steilen oft, doch lieberhellten Wegen

Dem Vaterherzen hochentzückt entgegen

Das Kind, das unter Schmerzen du geboren.

 

Noch jenseits ist dein Segen überschwänglich:

Dir zittern die dämonischen Gewalten,

Und Er, der wohnt im Lichte unzugänglich,

 

Schenkt Gnade mit bewegtem Sohnesherzen,

So oft zu Ihm in sel’gen Liebesschmerzen

Fürbittend sich die Mutterhände falten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Liebe Rathschluß

um 1850

So bin ich hier mit meinem Dank alleine,

Wo hohe Bäume flüsternd mich umstehen,

Wo Blumen leise grüßend an mich sehen

Und mitzufühlen scheinen selbst die Steine;

 

Wie gatten schatten sich mit mildem Scheine,

Wie reine Lüfte hier Erquickung wehen,

Wie hell bergab die muntern Bächlein gehen,

Alles wirkt hier in liebendem Vereine!

 

So war’s von Ewigkeit, mein Gott, beschlossen

Im Rathe deiner abgrundtiefen Güte,

Daß Sonne, Lüfte, Bach und Baum und Blüthe

 

Wetteifernd heute men Gemüth erheitern

Und für den Himelsfrieden, hier genossen,

Des Dankes Psalmen meine Brust erweitern!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Rückschau

um 1850

Zehn Jahre sind’s! Wie überreich an Segen,

O Gott, war jeder Tag, war jede Stunde:

Dein Engel wandelte mit mir im Bunde,

Mich schützend auf des Denkens luft’gen Stegen.

 

Doch was hab’ ich, wie treue Knechte pflegen,

Erwuchert mit dem anvertrauten Pfunde?

Kein Werk, das dir gehört, gibt davon Kunde;

Beschämt im Herzen steh’ ich tiefverlegen.

 

Ein Kind der Schmerzen, nackt und arm geboren

Unrettbar durch die eigne Schuld verloren,

Bin, was ich bin ich nur in Deinem Namen.

 

Von Dir, Herr, kommt des Wortes heil’ger Samen,

Dein ist das Herz, worin er kann entsprießen,

Laß’ Dein Gedeihen auch vom Himmel fließen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Wahrheit Macht

um 1850

Im tiefsten Denken muß und im Empfinden

Die Wahrheit uns sich selber offenbaren:

Wenn innerlich du ihre Macht erfahren,

Dann erst magst du dem Irrthum dich entwinden.

 

Du fliehst vor ihr? Sie wird dich finden, binden:

Umsonst wirst du mit trotzigem Gebahren

Vor ihrem linden Zwange dich verwahren;

Dein Trotz, Frühnebeln gleich wird er verschwinden.

 

O daß sich gern an sie dein Herz gewöhne,

Ihr angehöre all dein Thun Thun und Wollen,

Ihr, die’s verschmäht, daß man nur blind ihr fröhne!

 

Denn, magst du lieben sie, magst du ihr grollen,

Du mußt, wenn sie dir naht in reiner Schöne,

In tiefster Brust ihr dennoch Beifall zollen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Liebe Wort

um 1850

Ob auch die Kraft zum Selbsterleuchten hegen,

Gebunden innerlich, der Erde Massen;

Die Sonne muß den goldnen Strahl entlassen,

Um Licht und Leben freudig anzuregen.

 

So birgt der Geist den Keim zu reichem Segen,

Den Himmel selber mag er in sich fassen;

Doch käme Licht der Lichtkraft nicht entgegen,

Vergebens würdest du auf Früchte passen.

 

Das Wort, der Liebe Wort, ihr eingesprochen,

Hat wärmend bald der Seele Nacht durchbrochen

Und weckt in ihren räthselvollen Tiefen

 

Die Feuerkräfte, die gebunden schliefen.

Das Wort, das sie allein kann ganz befreien,

Schenkt auch der Ernte liebreich das Gedeihen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Gehorsam

um 1850

Die ew’ge Wahrheit, einfach zu vernehmen,

Wirkt auf die reinen herzen allgewaltig;

Dem Irrthum’ aber, krumm und mannigfaltig

Ein grader Sinn mag nimmer sich bequemen.

 

Und dennoch nachzujagen liebt den Schemen

Der Geist, die er ersonnen vielgestaltig;

Selbst ungewiß, ob sie auch probehaltig,

Nicht läßt er ab von schwankenden Systemen.

 

An deinem Wort’ am ew’gen, sonder Wanken,

Herr, lasse tief und tiefer Wurzel greifen,

Daß er entselbigst frei sei, den Gedanken;

 

Und daß sein Streben unstät nicht mag schweifen,

Am sichern Stab’ hinan es lasse ranken

Und des Gehorsams süße Frucht ihm reifen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Das kranke Auge

um 1850

Des Auges Bau ist wunderbar gegründet:

Den Lichtstoff hegend tief im reinen Kerne

Sucht es der Sonne Licht, das Licht der Sterne,

Woran sein innres Leben sich entzündet.

 

Also der Geist der Wahrheit Ruhm verkündet:

Wo sie begegnet ihm, wählt er sie gerne

Zur Führerin, auf daß an ihr er lerne

Und stark ist er allein mit ihr verbündet.

 

Wie aber, wenn sie schwer erkrankt, die Augen

Nicht wagen sich dem Lichtstrahl’ aufzuschlagen

Die sonst willkommne Nahrung einzusaugen:

 

So wird der Wahrheit, naht sie anzuklagen

Bethörten Sinn, dem Schranken nicht mehr taugen,

Schmerzlich berührt der Geist den Blick versagen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Freie Forschung

um 1850

„Frei soll die Forschung sein in ihrem Gange!“

Wohl; doch wo ist der freie Geist zu finden,

Den Sünde nicht und Irrtum schmerzlich binden,

Der unterm Fluch nicht seufzt und seinem Zwange?

 

Noch wacht und lauert scharf die alte Schlange,

Den Forschergeist mit Lügen zu umwinden,

Daß er im unglückseligsten Erblinden

Selbsteigne Machtvollkommenheit erlange.

 

Nicht kann sich selbst befreien wer gebunden:

Ein Stärk’rer kann’s allein, der Geist der Wahrheit;

Ihm mußt du, ihm, der dir in lichter Klarheit

 

Entgegenkommt, mit deinem Fühlen, Denken

Und Wollen liebend wie ein Kind dich schenken.

So ist des Forschens rechter Weg gesunden.