um 1850
Nicht sind dem Menschen, blos
daß er sie zwinge
Zu seinem Dienst, des Stoffes
blinde Massen
Vom Schöpfer anvertraut, daß
ihm gelinge
Irdischen Zwecken nur sie
anzupassen;
Der Geist vielmehr soll
streben in der Dinge
Geheimnis sinnend sich
hinabzulassen,
Daß in Verschlossnes Licht und
Form er bringe,
Des Daseins Gründe soll er
tief erfassen.
Nicht die Erweiterung der
Wissenskreise –
Wohl ist sie staunenswert –
allein macht weise:
Das Viele dann nur ist Gewinn
zu nennen,
Wenn es das Ganze tiefer läßt
erkennen,
Erkennen das Gesetz, das wirkt
die Hülle:
Die höchste Einheit in der
Dinge Fülle.
um 1850
Philosophie, du magst mit
Recht und Fuge
Der Wissenschaften Königin dich
nennen:
Zu dir steh’n sie im innigsten
Bezuge,
Es kann, es darf von dir sich
keine trennen,
Will sie nicht blind in
stolzem Selbstbetruge
Selbstmörderisch in ihr
Verderben rennen.
Und wiederum wirst du, wie
eine kluge
Gebieterin, freisinnig
anerkennen
Der Untergebnen wohlerworbnen
Rechte;
Wirst nicht versteigend dich
in Schwindeleien
Alleinherrisch herabsehn auf
die Knechte
Nur wenn du frei geliebt wirst
von den Freien,
Wenn streng du richtest das
Unwahre, Schlechte,
Kann deines Königthumes Ruhm
gedeihen.
um 1850
I.
Wer tritt mit dir, Mathesis,
in die Schranken?
Du weißt beseelt von hohem
Selbstvertrauen
Ein Ganzes strenggegliedert zu
erbauen,
Das innerlich sich trägt und
nicht mag schwanken.
Phantasmen, Ausgeburten einer
kranken
Einbildung, sind dir ein
gerechtes Grauen;
Mit hellen Augen lehrst den
Geist du schauen
In klarer Form tiefsinnige
Gedanken,
Was da sich zählen, wägen läßt
und messen,
Ist billig deinem Scepter
untergeben;
Doch wenn du das
geheimnisvolle Weben
In der Natur, des Geistes
freies Streben,
Gewaltsam willst in deine
Formeln pressen,
Was sinnreich du erdacht, es
wird vergessen.
II.
Du hast die Kräfte sinnreich
nachgewogen,
Die in den Körpern auf- und
niederwallen;
Klar ist dir das Gesetz, nach
dem sie fallen,
sich heben, schweben,
schwingen sich im Bogen.
Nie hat dein scharfes Auge
dich betrogen:
Du zählst die Schwingungen, eh
sie verhallen,
Wägst was gestaltend lebt in
den Krystallen,
Den Sternen messend bist du nachgeflogen,
Hast vorgezeichnet seinen Weg
dem Lichte;
Daß Zufall herrsch’ im All,
unstetes Schwanken,
den eitlen Wahn macht deine
Kunst zu Nichte:
Das Höchste zeigst du in
gemessnen Schranken,
Enthüllst siegreich nach Maß,
Zahl und Gewichte
Der Gottheit allanordnende
Gedanken.
um 1850
Das eiserne Zeitalter ist
erschienen:
Der Geist, den sie in nied’re
Dienste zwängen,
Läßt fesselschwer die
mächt’gen Flügel hängen;
Unfreiem soll der Freigeborne
dienen.
Der Dampf beseelt die
sausenden Maschinen,
Heiß rollt das Rad auf
strenggewiesnen Gängen,
Zum Lebensmarkt hochathmend
Alle drängen,
Im Herzen Selbstsucht, Güte in
den Mienen.
Und weil nach ird’schen Gütern
nur sie trachten,
Drum öder wird es in des
Wissens Schachten
Und schwerer fällt’s dem
ungeübten Denken
Sich in die ew’gen Wunder zu
versenken,
Herauf zu fördern an des Tages
Klarheit,
Den seltnen Schatz, das lautre
Gold der Wahrheit.
um 1850
Vergebens kettet ihr an das
Gewerbe
Den freien Geist, ihm wird er
sich entringen,
Die Bande sprengen, kühn die
Flügel schwingen,
Euch zeigend, daß in
Knechtschaft er nicht sterbe,
Durch langen Druck nur neue
Kraft erwerbe;
Die, um zu niederm Dienst’ ihn
zu verdingen,
Es unberufen wagten
einzudringen,
Verjagen wird er sie aus
seinem Erbe.
Vom Gnadenstrahl berührt wird
riesenmächtig
Und innerlich von tausend
Wundern trächtig
Zum Dienste die Erfahrung er
verpflichten,
Und was er schaut’ erleuchtet
in Gesichten
Bewältigend dem Stoffe
eingebähren,
Und so als Sieger die Natur
verklären
um 1850
Als Unterlage für des Menschen
Leben
Dient die Natur: denn was die
Erde heget,
Was auf und in und über ihr
sich reget,
Ihm zum Gebrauch, zum Dienst
ihm ist’s gegeben.
Auf Stufen dann den Geist soll
sie erheben
Zum Schöpfer, dessen Wink das
All beweget;
Die göttlichen Ideen, in sie
geleget,
Soll in lebendge Bilder sie
ihm weben.
Und weil sie ein Geschenk von
Gott gespendet,
So kannst du, Mensch, wenn
Lust nicht dich verblendet,
Zurückgeben als Opfer heil’ger
Liebe,
Die durch Entsagung frei sich
offenbare,
Dem Schöpfer die Natur und
ihre Triebe:
So wird sie Gott geweihet zum
Altare.
um 1850
I.
So ist umsonst mein glühendes
Verschwenden,
Die List umsonst dich liebend
zu berücken?
Der Wahn, in dir, o Mensch,
mich zu beglücken,
In deinem Seyn das meine zu
vollenden,
Der holde Wahn, soll er mich
ewig blenden?
Mit allen Reizen eil’ ich mich
zu schmücken,
In jedem Lenze neu dich zu
entzücken.
Was ich nur habe, möchte dir
ich spenden:
Dir wallen alle Triebe, dich
zu hegen
Die Blütenarme streck’ ich
aus, dem Munde
Der Nachtigall vertrau’ ich
allerwegen
Den süssen Düften tiefer
Sehnsucht Kunde.
Als Mitgift gab der Schöpfer
seinen Segen;
den Fluch, Mensch brachtest du
dem Liebesbunde!
II.
Fürwahr dir starrt die Brust
dreifach von Erzen!
Die Seufzer, so den Busen mir
durchwallen,
Spurlos und ungehört an dir
verhallen;
Zu scherzen scheinst du gar
mit meinen Schmerzen.
Unfriede wohnt durch dich auch
mir im Herzen;
Durch deine Sünde bin auch ich
gefallen:
Umsonst hörst nach Erlösung du
mich lallen;
Mein ganzes Glück durch dich
mußt ich’s verscherzen.
Wie lange noch verlassen werd’
ich flehen,
Wie lang’ auf Antwort fragend
warten müssen,
Bis meinen tiefen Gram du
wirst verstehen?
Wie gern läg’ ich geschmiegt
zu deinen Füßen,
Um selbst verklärt durch
deines Geistes Wehen
Als meinen Herrn und König
dich zu grüßen!
III.
Daß Mordlust und Empörung mich
entweihen,
Krankheiten jetzt mein reines
Bild entstalten,
So schwerer Schuld, Mensch,
hab’ ich dich zu zeihen
Drum du bist’s, der dem
ungehört verhallten
Seufzen, dem stilen Beten
Worte leihen,
Vom schweren Bann feindseliger
Gewalten,
Erst selbst befreit, die
Schöpfung kann befreien,
Als Priester kann im Tempel
sühnend walten.
ward so Gebet dein Sinnen,
Opferspende
Jedwede That: mit liebender
Geberde
Dir offn’ ich ungekannter
Schätze Hülle,
Doch nicht mehr als
verführerische Fülle,
Nein, daß in Allem Gott die
Ehre werde
Und was der Anfang, Ziel auch
sei und Ende.
um 1850
Sieh da des Tages
grundverkehrte Richtung,
Die dahin geht, daß mühelos
und schnelle
Des Reichtums, des Genusses
Welle schwelle;
Den hohen Mut, des Niedrigen
Vernichtung,
Die stille Größe reiner
Selbstverzichtung,
Man mißt sie mit des Nutzens
kurzer Elle,
Und in des Geistes
wasserklarer Helle
Das Hohe, Heilige schilt man
Erdichtung.
Nach solchem Glauben gilt
allein für wacker,
Wer abgethan die Pflege seiner
Seele
Erniedert zur lebendigen
Maschine,
Die wachsender Gewinnsucht
sclavisch diene,
Und wär’s auch, daß man mit
dem Knochenmehle
Gefallner Helden düngte Feld
und Acker.
um 1850
Am Tage, da im wogenden
Gedränge
Des Lebensmarkt’s
Alleinherrschaft erränge
Des Nutzens Lehre und mit
kaltem Höhnen
Eindränge in das freie Reich
des Schönen;
Am Tage, da Nichts Großes mehr
gelänge,
Der Dichterbrust kein hei’ges
Lied entspränge,
Nur Hebel, Walz’ und Rad man
hörte stöhnen,
Die Geister irdischem Gewinn
nur fröhnen:
An diesem Tage, drängend
unausweichbar,
Herreinbräch’ eine Barbarei,
vergleichbar
Mit keiner, so uns schildert
die Geschichte:
verwildert im Gemüth, doch
klug von Sinnen
Um des Verderbens Mittel zu
gewinnen,
Erfüllt’ an sich der Mensch
die Strafgerichte
um 1850
Unübersehbar schwillt des
Wissens Summe,
Denn Alles will nach Maß, Zahl
und Gewichte
Der Mensch begreifen in des
Geistes Lichte.
Doch seht, daß nicht im Wissen
sich vermumme
Die Hoffart, für das
Himmlische verdumme
Der Geist, sich nich zum
eigenen Gerichte
Zu Sclavendiensten der Natur
verpflichte
Und Jünglings Lippe dem Gebet
verstumme.
In’s Menschenherz darum, von
Sünd’ umnachtet,
Hineinsprecht erst ein
mächtiges: „Es werde
Licht!“ daß ihr nicht erröthen
vor den Wilden
Müßt, Söhne der Kultur! den
Menschen trachtet
Zum Himmelsbürger erst
heranzubilden
Und guter Bürger bald hat auch
die Erde!
um 1850
Die einen heißen weit zurück
uns schweifen
Zum Alterthum und seinen
Idealen,
Als könnten nur in
griech’scher Sonne Strahlen
Die edelsten der
Geistesfrüchte reifen.
Und Andre hört das alte Lied
man pfeifen
Vom Nützlichen, vom Siege des
Realen:
Nur das ist wahrhaft, was
bestimmt durch Zahlen,
Mit Augen sich läßt seh’n, mit
Händen greifen. -
Was nun vermag der Widerspruch
zu heben,
Da dort man lebt in dem, was
längst vergangen,
Hier in der Gegenwart allein
befangen? –
Die Wahrheit, daß für ein
jenseit’ges Leben
Erschaffen ward der Mensch,
nur sie kann geben
Licht, Maß und Weihe jedem
ird’schen Streben.
um 1850
Weh über euch und euer schnödes
Walten!
Bestellt wart ihr zum Wahren,
Guten, Schönen
Jungfräulich reine Seelen zu
gewöhnen,
Treulose Lehre, habt ihr Wort
gehalten?
Umwölkt in Schulstaub habt ihr
uns die Alten,
Gemächlich ließet ihr nach
Licht uns stöhnen,
Bespritztet, die der Welt
nicht wollten fröhnen,
Mit gift’gem Hohn die
herrlichsten Gestalten
Ohnmächtig der Begeistrung
heil’ges Feuer,
Das euch nicht wärmt, in
Andern anzufachen,
Dreht ihr im alten Gleis euch,
gleich Maschinen.
Den holden Musen schämt ihr
euch zu dienen
Und fröhnt dem Götzen Geld,
dem Ungeheuer,
Das euch verschlingt mit
nimmersattem Rachen.