Dr. Karl Hoffmann               Wissens Gewinn

um 1850

Nicht sind dem Menschen, blos daß er sie zwinge

Zu seinem Dienst, des Stoffes blinde Massen

Vom Schöpfer anvertraut, daß ihm gelinge

Irdischen Zwecken nur sie anzupassen;

 

Der Geist vielmehr soll streben in der Dinge

Geheimnis sinnend sich hinabzulassen,

Daß in Verschlossnes Licht und Form er bringe,

Des Daseins Gründe soll er tief erfassen.

 

Nicht die Erweiterung der Wissenskreise –

Wohl ist sie staunenswert – allein macht weise:

Das Viele dann nur ist Gewinn zu nennen,

 

Wenn es das Ganze tiefer läßt erkennen,

Erkennen das Gesetz, das wirkt die Hülle:

Die höchste Einheit in der Dinge Fülle.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Wissenschaften Königin

um 1850

Philosophie, du magst mit Recht und Fuge

Der Wissenschaften Königin dich nennen:

Zu dir steh’n sie im innigsten Bezuge,

Es kann, es darf von dir sich keine trennen,

 

Will sie nicht blind in stolzem Selbstbetruge

Selbstmörderisch in ihr Verderben rennen.

Und wiederum wirst du, wie eine kluge

Gebieterin, freisinnig anerkennen

 

Der Untergebnen wohlerworbnen Rechte;

Wirst nicht versteigend dich in Schwindeleien

Alleinherrisch herabsehn auf die Knechte

 

Nur wenn du frei geliebt wirst von den Freien,

Wenn streng du richtest das Unwahre, Schlechte,

Kann deines Königthumes Ruhm gedeihen.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Mathesis

um 1850

 

I.

 

Wer tritt mit dir, Mathesis, in die Schranken?

Du weißt beseelt von hohem Selbstvertrauen

Ein Ganzes strenggegliedert zu erbauen,

Das innerlich sich trägt und nicht mag schwanken.

 

Phantasmen, Ausgeburten einer kranken

Einbildung, sind dir ein gerechtes Grauen;

Mit hellen Augen lehrst den Geist du schauen

In klarer Form tiefsinnige Gedanken,

 

Was da sich zählen, wägen läßt und messen,

Ist billig deinem Scepter untergeben;

Doch wenn du das geheimnisvolle Weben

 

In der Natur, des Geistes freies Streben,

Gewaltsam willst in deine Formeln pressen,

Was sinnreich du erdacht, es wird vergessen.

 

 

II.

 

Du hast die Kräfte sinnreich nachgewogen,

Die in den Körpern auf- und niederwallen;

Klar ist dir das Gesetz, nach dem sie fallen,

sich heben, schweben, schwingen sich im Bogen.

 

Nie hat dein scharfes Auge dich betrogen:

Du zählst die Schwingungen, eh sie verhallen,

Wägst was gestaltend lebt in den Krystallen,

Den Sternen messend bist du nachgeflogen,

 

Hast vorgezeichnet seinen Weg dem Lichte;

Daß Zufall herrsch’ im All, unstetes Schwanken,

den eitlen Wahn macht deine Kunst zu Nichte:

 

Das Höchste zeigst du in gemessnen Schranken,

Enthüllst siegreich nach Maß, Zahl und Gewichte

Der Gottheit allanordnende Gedanken.

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Geistes Erniedrigung

um 1850

Das eiserne Zeitalter ist erschienen:

Der Geist, den sie in nied’re Dienste zwängen,

Läßt fesselschwer die mächt’gen Flügel hängen;

Unfreiem soll der Freigeborne dienen.

 

Der Dampf beseelt die sausenden Maschinen,

Heiß rollt das Rad auf strenggewiesnen Gängen,

Zum Lebensmarkt hochathmend Alle drängen,

Im Herzen Selbstsucht, Güte in den Mienen.

 

Und weil nach ird’schen Gütern nur sie trachten,

Drum öder wird es in des Wissens Schachten

Und schwerer fällt’s dem ungeübten Denken

 

Sich in die ew’gen Wunder zu versenken,

Herauf zu fördern an des Tages Klarheit,

Den seltnen Schatz, das lautre Gold der Wahrheit.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Geistes Sieg

um 1850

Vergebens kettet ihr an das Gewerbe

Den freien Geist, ihm wird er sich entringen,

Die Bande sprengen, kühn die Flügel schwingen,

Euch zeigend, daß in Knechtschaft er nicht sterbe,

 

Durch langen Druck nur neue Kraft erwerbe;

Die, um zu niederm Dienst’ ihn zu verdingen,

Es unberufen wagten einzudringen,

Verjagen wird er sie aus seinem Erbe.

 

Vom Gnadenstrahl berührt wird riesenmächtig

Und innerlich von tausend Wundern trächtig

Zum Dienste die Erfahrung er verpflichten,

 

Und was er schaut’ erleuchtet in Gesichten

Bewältigend dem Stoffe eingebähren,

Und so als Sieger die Natur verklären

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Natur Bestimmung

um 1850

Als Unterlage für des Menschen Leben

Dient die Natur: denn was die Erde heget,

Was auf und in und über ihr sich reget,

Ihm zum Gebrauch, zum Dienst ihm ist’s gegeben.

 

Auf Stufen dann den Geist soll sie erheben

Zum Schöpfer, dessen Wink das All beweget;

Die göttlichen Ideen, in sie geleget,

Soll in lebendge Bilder sie ihm weben.

 

Und weil sie ein Geschenk von Gott gespendet,

So kannst du, Mensch, wenn Lust nicht dich verblendet,

Zurückgeben als Opfer heil’ger Liebe,

 

Die durch Entsagung frei sich offenbare,

Dem Schöpfer die Natur und ihre Triebe:

So wird sie Gott geweihet zum Altare.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Natur Klage

um 1850

 

I.

 

So ist umsonst mein glühendes Verschwenden,

Die List umsonst dich liebend zu berücken?

Der Wahn, in dir, o Mensch, mich zu beglücken,

In deinem Seyn das meine zu vollenden,

 

Der holde Wahn, soll er mich ewig blenden?

Mit allen Reizen eil’ ich mich zu schmücken,

In jedem Lenze neu dich zu entzücken.

Was ich nur habe, möchte dir ich spenden:

 

Dir wallen alle Triebe, dich zu hegen

Die Blütenarme streck’ ich aus, dem Munde

Der Nachtigall vertrau’ ich allerwegen

 

Den süssen Düften tiefer Sehnsucht Kunde.

Als Mitgift gab der Schöpfer seinen Segen;

den Fluch, Mensch brachtest du dem Liebesbunde!

 

 

II.

 

Fürwahr dir starrt die Brust dreifach von Erzen!

Die Seufzer, so den Busen mir durchwallen,

Spurlos und ungehört an dir verhallen;

Zu scherzen scheinst du gar mit meinen Schmerzen.

 

Unfriede wohnt durch dich auch mir im Herzen;

Durch deine Sünde bin auch ich gefallen:

Umsonst hörst nach Erlösung du mich lallen;

Mein ganzes Glück durch dich mußt ich’s verscherzen.

 

Wie lange noch verlassen werd’ ich flehen,

Wie lang’ auf Antwort fragend warten müssen,

Bis meinen tiefen Gram du wirst verstehen?

 

Wie gern läg’ ich geschmiegt zu deinen Füßen,

Um selbst verklärt durch deines Geistes Wehen

Als meinen Herrn und König dich zu grüßen!

 

 

III.

 

Daß Mordlust und Empörung mich entweihen,

Krankheiten jetzt mein reines Bild entstalten,

So schwerer Schuld, Mensch, hab’ ich dich zu zeihen

Drum du bist’s, der dem ungehört verhallten

 

Seufzen, dem stilen Beten Worte leihen,

Vom schweren Bann feindseliger Gewalten,

Erst selbst befreit, die Schöpfung kann befreien,

Als Priester kann im Tempel sühnend walten.

 

ward so Gebet dein Sinnen, Opferspende

Jedwede That: mit liebender Geberde

Dir offn’ ich ungekannter Schätze Hülle,

 

Doch nicht mehr als verführerische Fülle,

Nein, daß in Allem Gott die Ehre werde

Und was der Anfang, Ziel auch sei und Ende.

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Zeitbestreben

um 1850

Sieh da des Tages grundverkehrte Richtung,

Die dahin geht, daß mühelos und schnelle

Des Reichtums, des Genusses Welle schwelle;

Den hohen Mut, des Niedrigen Vernichtung,

 

Die stille Größe reiner Selbstverzichtung,

Man mißt sie mit des Nutzens kurzer Elle,

Und in des Geistes wasserklarer Helle

Das Hohe, Heilige schilt man Erdichtung.

 

Nach solchem Glauben gilt allein für wacker,

Wer abgethan die Pflege seiner Seele

Erniedert zur lebendigen Maschine,

 

Die wachsender Gewinnsucht sclavisch diene,

Und wär’s auch, daß man mit dem Knochenmehle

Gefallner Helden düngte Feld und Acker.

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Endliche Barbarei

um 1850

Am Tage, da im wogenden Gedränge

Des Lebensmarkt’s Alleinherrschaft erränge

Des Nutzens Lehre und mit kaltem Höhnen

Eindränge in das freie Reich des Schönen;

 

Am Tage, da Nichts Großes mehr gelänge,

Der Dichterbrust kein hei’ges Lied entspränge,

Nur Hebel, Walz’ und Rad man hörte stöhnen,

Die Geister irdischem Gewinn nur fröhnen:

 

An diesem Tage, drängend unausweichbar,

Herreinbräch’ eine Barbarei, vergleichbar

Mit keiner, so uns schildert die Geschichte:

 

verwildert im Gemüth, doch klug von Sinnen

Um des Verderbens Mittel zu gewinnen,

Erfüllt’ an sich der Mensch die Strafgerichte

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Erst der Himmel, dann die Erde

um 1850

Unübersehbar schwillt des Wissens Summe,

Denn Alles will nach Maß, Zahl und Gewichte

Der Mensch begreifen in des Geistes Lichte.

Doch seht, daß nicht im Wissen sich vermumme

 

Die Hoffart, für das Himmlische verdumme

Der Geist, sich nich zum eigenen Gerichte

Zu Sclavendiensten der Natur verpflichte

Und Jünglings Lippe dem Gebet verstumme.

 

In’s Menschenherz darum, von Sünd’ umnachtet,

Hineinsprecht erst ein mächtiges: „Es werde

Licht!“ daß ihr nicht erröthen vor den Wilden

 

Müßt, Söhne der Kultur! den Menschen trachtet

Zum Himmelsbürger erst heranzubilden

Und guter Bürger bald hat auch die Erde!

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Bildung Weihe

um 1850

Die einen heißen weit zurück uns schweifen

Zum Alterthum und seinen Idealen,

Als könnten nur in griech’scher Sonne Strahlen

Die edelsten der Geistesfrüchte reifen.

 

Und Andre hört das alte Lied man pfeifen

Vom Nützlichen, vom Siege des Realen:

Nur das ist wahrhaft, was bestimmt durch Zahlen,

Mit Augen sich läßt seh’n, mit Händen greifen. -

 

Was nun vermag der Widerspruch zu heben,

Da dort man lebt in dem, was längst vergangen,

Hier in der Gegenwart allein befangen? –

 

Die Wahrheit, daß für ein jenseit’ges Leben

Erschaffen ward der Mensch, nur sie kann geben

Licht, Maß und Weihe jedem ird’schen Streben.

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               An Viele

um 1850

Weh über euch und euer schnödes Walten!

Bestellt wart ihr zum Wahren, Guten, Schönen

Jungfräulich reine Seelen zu gewöhnen,

Treulose Lehre, habt ihr Wort gehalten?

 

Umwölkt in Schulstaub habt ihr uns die Alten,

Gemächlich ließet ihr nach Licht uns stöhnen,

Bespritztet, die der Welt nicht wollten fröhnen,

Mit gift’gem Hohn die herrlichsten Gestalten

 

Ohnmächtig der Begeistrung heil’ges Feuer,

Das euch nicht wärmt, in Andern anzufachen,

Dreht ihr im alten Gleis euch, gleich Maschinen.

 

Den holden Musen schämt ihr euch zu dienen

Und fröhnt dem Götzen Geld, dem Ungeheuer,

Das euch verschlingt mit nimmersattem Rachen.