Dr. Karl Hoffmann               Moderne Lehrweisheit

um 1850

„Die Jugend führt ihr auf verkehrtem Gleise,

Mit Worten muß sie spielen, Silben stechen,

Ob nichtgen Dingen sich den Kopf zerbrechen:

Der Jüngling wird durch euch zum frühen Greise.

 

Zeigt ihm, wie er sich weltgewandt erweise

Macht fähig ihn in Allem mitzusprechen,

Enthüllt ihm früh der Gegenwart Gebrechen

Und Schlauheit gebt ihm auf die Lebensreise.

 

Hat also er gelernt sich selbst bestimmen,

Furcht Gottes abgethan und eitles Grämen:

Frei wird er dann die lichten Höh’n erklimmen,

 

Wo alle Vorurteile, die nur lähmen

Die beste Kraft, Frühnebeln gleich, verschwimmen,

Und bald die Vorzeit werden wir beschämen.“

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Erwiderung

um 1850

Was nennt ihr fahren auf verkehrtem Gleise?

Den Scharfsinn üben heißt ihr Silbenstechen,

Recht denken lernen sich den Kopf zerbrechen;

Wohl ihm, der früh an Weisheit gleicht dem Greise!

 

Den Jüngling lehrt Gesittung, feine Weise,

Klar denken lehrt ihn und mit Anmut sprechen,

Enthüllt der Welt lichtgleißende Gebrechen

Und Weisheit gebt ihm auf die Lebensreise.

 

Hat er gelernt in Gott sich zu bestimmen,

Nicht maßlos sich zu freuen noch zu grämen,

dann wird die lichten Höhen er erklimmen,

 

Wo alle ird’schen Wünsche, die nur lähmen

Der Seele Himmelsflug wie Rauch verschwimmen:

Sein treuer Glaube wird ihn nicht beschämen.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Poesie Entweihung

um 1850

Nicht nenn’ ich euch der Musen echte Söhne!

In der Gedanken witzig neuer Wendung,

In bunter Bilder spielender Verschwendung,

In Reiz und Rundung suchet ihr das Schöne.

 

Daß buhlerisch den Sinnen nur sie fröhne,

Nicht dieses ist der Dichtkunst Zweck und Sendung,

Vielmehr daß in erhabenster Vollendung

Die Erde mit dem Himmel sie versöhne.

 

Doch ihr, von innerlichem Streit zerrissen,

Lasset, anstatt es aus den Finsternissen

Auf Engelschwingen zum lichthellen Borne

 

Des ewig Schönen mächtig zu erheben,

Das Herz verbluten an verborgnem Dorne:

Zu nehmen wißt ihr Alles, nichts zu geben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Kein Wunder

um 1850

Erstickt in Jünglings strebendem Gemüthe

Durch Wort und Tat des höhern Lebens Funken,

Bis in Gewinnsucht rettungslos versunken

Erstirbt sein Sinn für Wahrheit, Schönheit, Güte;

 

Das Heiligste verflüchtiget zur Mythe;

Von Selbstbewunderung und Weltlust trunken

Mit eitlem Wissen laßt die Jugend prunken,

Knickt der Begeistrung jungfräuliche Blüte.

 

Doch wundert euch dann nicht, wenn das Gemeine

des Jünglings ganzer Seele sich bemeistert,

Wenn Liebe nicht, Gewinn nur ihn begeistert

 

Und er als Mann in wachsender Erkaltung

Statt reiner zu erglühen im Vereine,

Lohndiener wird in Geist und Amtsverwaltung.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der unüberwindliche Feind

um 1850

Den Kampf mit mächtigen Naturgewalten

Das Altertum einst hatte durchzustreiten;

Ein schlimmrer Feind ward aber unsern Zeiten,

„Gemeinheit“ heißt er, strafend vorbehalten.

 

Die rohe Kraft kann, gut gelenkt, entfalten

Zur Größe sich und segen weit verbreiten;

Bezähmt läßt sich die Wildheit willig leiten,

Des Schönen Zauber heißt den Zorn erkalten.

 

Doch du, Gemeinheit, die der „Bildung“ Schoße

Entsprossen, überpflanzt dann in die Massen,

Für Ehre und für Schmach gleich unempfindlich,

 

Anfeindest und verfolgst mit gift’gem Hassen,

Das dich umgiebt, das Wahre, Schöne, Große –

Der Ruhm bleibt dir: du bist unüberwindlich!

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Die Weltverbesserer

um 1850

Die ihr euch wähnt berufen aufzuklären

Der Geister Nacht, nichts bessert ihr durch Schreien:

Hinweg mit euern lust’gen Schwindeleien,

Die unhaltbar im Leben sich bewähren!

 

Und ihr, in denen bessre Kräfte gähren,

Die ihr die Welt von Torheit zu befreien

In Wort und Schrift wetteifert und Gedeihen

Dem kranken Leben neu wollt eingebähren,

 

Wenn’s Ernst euch ist mit euern schönen Lehren,

So müßt zuvor ihr selbst euch schön betragen,

Verwirklichen müßt ihr durch euer Handeln

 

Die Tugenden, wozu ihr wollt bekehren,

Daß Alle, stillentzückt ob euerm Wandeln:

„Was bildet solche Menschen?“ staunend fragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Weltbeglücker

um 1850

Die großen Geister, sieh’ nur, wie sie kreißen,

Mit Weltbeglückung, heißt es, gehn sie trächtig;

Doch ihrer Weisheit Halme sprießen schmächtig,

Mit ihnen kann man Hungrige nicht speisen.

 

Wohl wissend mit der Wahrheit Schein zu gleißen,

In Schrift und Rede thun sie groß und prächtig;

Doch öd’ ist’s Ihnen, kalt und mitternächtig:

Verzweiflung wohnt im Herzen dieser Weisen.

 

Den ungelehrten und gelehrten Plunder

Erlaubet darum, daß ich zur Seite schiebe:

Was krank, wird nimmermehr durch ihn gesunder,

 

Nicht stillt er die bedürftigsten der Triebe;

Das Menschenherz es ruht allein im Wunder,

Der Wunder größtes aber ist die Liebe.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Der Verblendung Sieg

um 1850

Unsel’ge, deren Geistesblick versiegelt

Erblindete in selbstgeschaffnen Nächten,

Ihr wagt das Wort, das ewige, zu ächten,

Worin der Liebe Sonne rein sich spiegelt!

 

Vom Geist des Widerspruches aufgewiegelt,

Vertraut im wahn, daß sie an’s Ziel euch brächten,

Ihr selbst euch an des Abgrunds finstern Mächten:

Die Hölle hier schon habt ihr uns entriegelt!

 

Denn wo nicht webt der Liebe reines Walten,

Wo selbst ihr heil’ger Name ward zum Spotte,

Da eilt der Haß sein Banner zu entfalten;

 

Die Menschheit dann wird eine Räuberrotte

Und er das Werkzeug höllischer Gewalten,

der erst emporgeschwindelt sich zum Gotte.

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Verderblicher Tausch

um 1850

Ein altes Lied anhob man neu zu leiern:

„Der Weltgeist, langem, schwerem Traum’ entnommen,

Im Menschen zum Bewußtsein ist gekommen,

Befreit in seinen eigenen Befreiern.

 

Des Lebens Fest drum gilt es jetzt zu feiern:

Dem geist mag fürder keine Schranke frommen,

Selbstherrlich hat er jene höh’ erklommen,

Wo seinem Blick nichts mehr sich kann verschleiern.“

 

Was ist als solcher Lehre Frucht geblieben?

Statt Wahrheit Lug’, Unzucht statt Zucht und Sitte,

Entmenschter Sinn statt Glauben, Hoffen, Lieben,

 

Zuletzt Verzweiflung in der Völker Mitte. –

Wer führt zurück zu neuer Friedensweihung

mit Gott des Menschen tödtliche Entzweiung?

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Das einzige Mittel

um 1850

Kann’s schlimmer sein? Der Jüngling schon Verächter

Des Heiligsten darf hohe Tugend schmähen,

Im Männerrat unwissend dreist sich blähen,

Hohnsprechen des Gesetzes strengem Wächter.

 

Die Zucht wird preisgegeben dem Gelächter

Von Helden, die, wenn’s Thaten gilt, Pygmäen,

Schön reden nur, doch fremde Garben mähen

Und immer seltner wird ein Mann, ein echter.

 

Stets höher schwillt die Not, des Wohlstands Bronnen

Versiegen: denn zerronnen wie gewonnen;

Heißhunger macht das Elend dreist und dreister, -

 

Die Stunde naht: beschworen sind die Geister;

Soll nicht der Erbfeind noch uns überlisten,

Ein Mittel gibt es, Eines: werdet Christen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Schmerzliches Geständnis

um 1850

Wie schwach sind in der Wahrheit wir begründet!

Kaum wagen wir sie offen auszusprechen,

Der Lüg’ und Lügenbrut den Stab zu brechen,

Die im Triumph Sieg über Sieg verkündet.

 

Wir selber, statt von Todesmuth entzündet,

Geben, (was sollt’ es noch durch Schein bestechen?)

Feig in die Hand die Waffe dem Verbrechen,

Verbündet wider uns. O daß erstündet

 

Ihr der Geschichte leuchtende Gestalten,

In Glaubensmuth thatkräftige Naturen,

Um höhern Lebens Keime zu entfalten

 

Uns lenkend auf die gottgewiesnen Spuren!

Denn schon, zur Lust dämonischer Gewalten,

Trägt unser Werk des Todes Signaturen.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Im Frühjahr

um 1850

Der Lenz erwacht; ein freudeselig Klingen

Verkündet’s in den leisbewegten Zweigen,

Die Blumen froh sich zu einander neigen

Und scherzen mit den bunten Schmetterlingen;

 

Vom Fels thalab die muntern Bächlein springen,

Die Lerche drängt’s nach langverhaltnem Schweigen

Auf Liebesstufen himmelan zu steigen;

Nur ich vermag den Schmerz nicht zu bezwingen.

 

Wann wird, o Vaterland, dein Frühling kommen?

Kahl steht des Glaubens Baum, Lieb’ ist verglommen,

Der Selbstsucht Frost schnürt Herzen, die sonst offen,

 

Schnee deckt, das Leichentuch, erstorbnes Hoffen,

Aas witternd krächzt der Rab’ und heulend wachen

Des Hungers Wölfe mit entsperrtem Rachen.

 

 

 

 

 

 

 

Dr. Karl Hoffmann               Kampfes Triumph

um 1850

Nicht findet Ruh’ in engbeschränkten Kreisen

Der Mensch: in allen Meeren Segel bauschen

Sich dienstbar ihm, durch Stepp’ und Urwald rauschen

Dampfwagenzüg’ auf nie befahrnen Gleisen.

 

Des Europäers klugem Wort und Weisen

Erhebt der Wüste Sohn sich schon zu lauschen,

Gesittung statt der Wildheit einzutauschen.

Auch er soll ja erkennen Ihn und preisen,

 

der mit des Kaufherrn Gut im Weltverkehre

Sein heil’ges Wort auf Dampfes flücht’gem Flügel

Entsendet über Meer und Thal und Hügel,

 

Daß sich hinieden Seine Ehre mehre

Und alle Völker, noch so sehr verschieden

An Sprach’ und Sitte, ruh’n in seinem Frieden.