um 1850
„Die Jugend führt ihr auf
verkehrtem Gleise,
Mit Worten muß sie spielen,
Silben stechen,
Ob nichtgen Dingen sich den
Kopf zerbrechen:
Der Jüngling wird durch euch
zum frühen Greise.
Zeigt ihm, wie er sich weltgewandt
erweise
Macht fähig ihn in Allem
mitzusprechen,
Enthüllt ihm früh der
Gegenwart Gebrechen
Und Schlauheit gebt ihm auf
die Lebensreise.
Hat also er gelernt sich
selbst bestimmen,
Furcht Gottes abgethan und
eitles Grämen:
Frei wird er dann die lichten
Höh’n erklimmen,
Wo alle Vorurteile, die nur
lähmen
Die beste Kraft, Frühnebeln
gleich, verschwimmen,
Und bald die Vorzeit werden
wir beschämen.“
um 1850
Was nennt ihr fahren auf
verkehrtem Gleise?
Den Scharfsinn üben heißt ihr
Silbenstechen,
Recht denken lernen sich den
Kopf zerbrechen;
Wohl ihm, der früh an Weisheit
gleicht dem Greise!
Den Jüngling lehrt Gesittung,
feine Weise,
Klar denken lehrt ihn und mit
Anmut sprechen,
Enthüllt der Welt
lichtgleißende Gebrechen
Und Weisheit gebt ihm auf die
Lebensreise.
Hat er gelernt in Gott sich zu
bestimmen,
Nicht maßlos sich zu freuen
noch zu grämen,
dann wird die lichten Höhen er
erklimmen,
Wo alle ird’schen Wünsche, die
nur lähmen
Der Seele Himmelsflug wie
Rauch verschwimmen:
Sein treuer Glaube wird ihn
nicht beschämen.
um 1850
Nicht nenn’ ich euch der Musen
echte Söhne!
In der Gedanken witzig neuer
Wendung,
In bunter Bilder spielender
Verschwendung,
In Reiz und Rundung suchet ihr
das Schöne.
Daß buhlerisch den Sinnen nur
sie fröhne,
Nicht dieses ist der
Dichtkunst Zweck und Sendung,
Vielmehr daß in erhabenster
Vollendung
Die Erde mit dem Himmel sie
versöhne.
Doch ihr, von innerlichem
Streit zerrissen,
Lasset, anstatt es aus den
Finsternissen
Auf Engelschwingen zum
lichthellen Borne
Des ewig Schönen mächtig zu
erheben,
Das Herz verbluten an
verborgnem Dorne:
Zu nehmen wißt ihr Alles,
nichts zu geben!
um 1850
Erstickt in Jünglings
strebendem Gemüthe
Durch Wort und Tat des höhern
Lebens Funken,
Bis in Gewinnsucht rettungslos
versunken
Erstirbt sein Sinn für
Wahrheit, Schönheit, Güte;
Das Heiligste verflüchtiget
zur Mythe;
Von Selbstbewunderung und
Weltlust trunken
Mit eitlem Wissen laßt die
Jugend prunken,
Knickt der Begeistrung
jungfräuliche Blüte.
Doch wundert euch dann nicht,
wenn das Gemeine
des Jünglings ganzer Seele
sich bemeistert,
Wenn Liebe nicht, Gewinn nur
ihn begeistert
Und er als Mann in wachsender
Erkaltung
Statt reiner zu erglühen im
Vereine,
Lohndiener wird in Geist und
Amtsverwaltung.
um 1850
Den Kampf mit mächtigen
Naturgewalten
Das Altertum einst hatte
durchzustreiten;
Ein schlimmrer Feind ward aber
unsern Zeiten,
„Gemeinheit“ heißt er,
strafend vorbehalten.
Die rohe Kraft kann, gut
gelenkt, entfalten
Zur Größe sich und segen weit
verbreiten;
Bezähmt läßt sich die Wildheit
willig leiten,
Des Schönen Zauber heißt den
Zorn erkalten.
Doch du, Gemeinheit, die der
„Bildung“ Schoße
Entsprossen, überpflanzt dann
in die Massen,
Für Ehre und für Schmach
gleich unempfindlich,
Anfeindest und verfolgst mit
gift’gem Hassen,
Das dich umgiebt, das Wahre,
Schöne, Große –
Der Ruhm bleibt dir: du bist
unüberwindlich!
um 1850
Die ihr euch wähnt berufen
aufzuklären
Der Geister Nacht, nichts
bessert ihr durch Schreien:
Hinweg mit euern lust’gen
Schwindeleien,
Die unhaltbar im Leben sich
bewähren!
Und ihr, in denen bessre
Kräfte gähren,
Die ihr die Welt von Torheit
zu befreien
In Wort und Schrift wetteifert
und Gedeihen
Dem kranken Leben neu wollt
eingebähren,
Wenn’s Ernst euch ist mit
euern schönen Lehren,
So müßt zuvor ihr selbst euch
schön betragen,
Verwirklichen müßt ihr durch
euer Handeln
Die Tugenden, wozu ihr wollt
bekehren,
Daß Alle, stillentzückt ob
euerm Wandeln:
„Was bildet solche Menschen?“
staunend fragen.
um 1850
Die großen Geister, sieh’ nur,
wie sie kreißen,
Mit Weltbeglückung, heißt es,
gehn sie trächtig;
Doch ihrer Weisheit Halme
sprießen schmächtig,
Mit ihnen kann man Hungrige
nicht speisen.
Wohl wissend mit der Wahrheit
Schein zu gleißen,
In Schrift und Rede thun sie
groß und prächtig;
Doch öd’ ist’s Ihnen, kalt und
mitternächtig:
Verzweiflung wohnt im Herzen
dieser Weisen.
Den ungelehrten und gelehrten
Plunder
Erlaubet darum, daß ich zur
Seite schiebe:
Was krank, wird nimmermehr
durch ihn gesunder,
Nicht stillt er die
bedürftigsten der Triebe;
Das Menschenherz es ruht
allein im Wunder,
Der Wunder größtes aber ist
die Liebe.
um 1850
Unsel’ge, deren Geistesblick
versiegelt
Erblindete in
selbstgeschaffnen Nächten,
Ihr wagt das Wort, das ewige,
zu ächten,
Worin der Liebe Sonne rein
sich spiegelt!
Vom Geist des Widerspruches
aufgewiegelt,
Vertraut im wahn, daß sie an’s
Ziel euch brächten,
Ihr selbst euch an des
Abgrunds finstern Mächten:
Die Hölle hier schon habt ihr
uns entriegelt!
Denn wo nicht webt der Liebe
reines Walten,
Wo selbst ihr heil’ger Name
ward zum Spotte,
Da eilt der Haß sein Banner zu
entfalten;
Die Menschheit dann wird eine
Räuberrotte
Und er das Werkzeug höllischer
Gewalten,
der erst emporgeschwindelt
sich zum Gotte.
um 1850
Ein altes Lied anhob man neu
zu leiern:
„Der Weltgeist, langem,
schwerem Traum’ entnommen,
Im Menschen zum Bewußtsein ist
gekommen,
Befreit in seinen eigenen Befreiern.
Des Lebens Fest drum gilt es
jetzt zu feiern:
Dem geist mag fürder keine
Schranke frommen,
Selbstherrlich hat er jene
höh’ erklommen,
Wo seinem Blick nichts mehr
sich kann verschleiern.“
Was ist als solcher Lehre
Frucht geblieben?
Statt Wahrheit Lug’, Unzucht
statt Zucht und Sitte,
Entmenschter Sinn statt
Glauben, Hoffen, Lieben,
Zuletzt Verzweiflung in der
Völker Mitte. –
Wer führt zurück zu neuer
Friedensweihung
mit Gott des Menschen
tödtliche Entzweiung?
um 1850
Kann’s schlimmer sein? Der
Jüngling schon Verächter
Des Heiligsten darf hohe
Tugend schmähen,
Im Männerrat unwissend dreist
sich blähen,
Hohnsprechen des Gesetzes
strengem Wächter.
Die Zucht wird preisgegeben
dem Gelächter
Von Helden, die, wenn’s Thaten
gilt, Pygmäen,
Schön reden nur, doch fremde
Garben mähen
Und immer seltner wird ein
Mann, ein echter.
Stets höher schwillt die Not,
des Wohlstands Bronnen
Versiegen: denn zerronnen wie
gewonnen;
Heißhunger macht das Elend
dreist und dreister, -
Die Stunde naht: beschworen
sind die Geister;
Soll nicht der Erbfeind noch
uns überlisten,
Ein Mittel gibt es, Eines:
werdet Christen!
um 1850
Wie schwach sind in der
Wahrheit wir begründet!
Kaum wagen wir sie offen
auszusprechen,
Der Lüg’ und Lügenbrut den
Stab zu brechen,
Die im Triumph Sieg über Sieg
verkündet.
Wir selber, statt von
Todesmuth entzündet,
Geben, (was sollt’ es noch
durch Schein bestechen?)
Feig in die Hand die Waffe dem
Verbrechen,
Verbündet wider uns. O daß
erstündet
Ihr der Geschichte leuchtende
Gestalten,
In Glaubensmuth thatkräftige
Naturen,
Um höhern Lebens Keime zu
entfalten
Uns lenkend auf die
gottgewiesnen Spuren!
Denn schon, zur Lust
dämonischer Gewalten,
Trägt unser Werk des Todes
Signaturen.
um 1850
Der Lenz erwacht; ein
freudeselig Klingen
Verkündet’s in den
leisbewegten Zweigen,
Die Blumen froh sich zu
einander neigen
Und scherzen mit den bunten
Schmetterlingen;
Vom Fels thalab die muntern
Bächlein springen,
Die Lerche drängt’s nach
langverhaltnem Schweigen
Auf Liebesstufen himmelan zu
steigen;
Nur ich vermag den Schmerz
nicht zu bezwingen.
Wann wird, o Vaterland, dein
Frühling kommen?
Kahl steht des Glaubens Baum,
Lieb’ ist verglommen,
Der Selbstsucht Frost schnürt
Herzen, die sonst offen,
Schnee deckt, das Leichentuch,
erstorbnes Hoffen,
Aas witternd krächzt der Rab’
und heulend wachen
Des Hungers Wölfe mit
entsperrtem Rachen.
um 1850
Nicht findet Ruh’ in
engbeschränkten Kreisen
Der Mensch: in allen Meeren
Segel bauschen
Sich dienstbar ihm, durch
Stepp’ und Urwald rauschen
Dampfwagenzüg’ auf nie
befahrnen Gleisen.
Des Europäers klugem Wort und
Weisen
Erhebt der Wüste Sohn sich
schon zu lauschen,
Gesittung statt der Wildheit
einzutauschen.
Auch er soll ja erkennen Ihn
und preisen,
der mit des Kaufherrn Gut im
Weltverkehre
Sein heil’ges Wort auf Dampfes
flücht’gem Flügel
Entsendet über Meer und Thal
und Hügel,
Daß sich hinieden Seine Ehre
mehre
Und alle Völker, noch so sehr
verschieden
An Sprach’ und Sitte, ruh’n in
seinem Frieden.