Theodor Körner Mit den Knospen
1791 – 1813
Darf ich dir wohl des Liedes
Opfer bringen?
Darf meine Muse scheu und
still es wagen,
Was sie gefühlt, begeistert
dir zu sagen,
Und wird das Streben meiner
Brust gelingen?
Noch lebt das Lied auf
ungewohnten Schwingen
Noch kann es nicht der Wolken
Druck ertragen;
Doch will das Herz das ferne
Ziel erjagen
Und aufwärts zu dem
Sonnentempel dringen.
Drum magst du mir mit güt’gem
Blick vergeben,
Wenn auch mein Lied in
regellosen Spuren
Durch Qual und Lust in wilden
Tönen schweift;
Zur Wahrheit doch, zur Liebe
geht sein Streben,
Zum süßen Einklang höherer
Naturen,
Und – meine Blüten sind noch
nicht gereift.
1791 – 1813
Wie wölben dort sich deiner
Kirchen Bogen!
Wie schimmern der Paläste
gold’ne Wände!
Es schwärmt der Blick, wohin
ich ihn versende,
Von einer Pracht zur andern
fortgeflogen. –
Da wälzen sich auf einmal
glüh’nde Wogen:
Es schleudern deiner Bürger
eigne Hände
Auf’s eigne Dach die
sprüh’nden Fackelbrände;
Ein Feuerkreis hat prasselnd
dich umzogen.
O laß dich nur vom Aberwitz
verdammen. –
Ihr Kirchen, stürzt! Paläste
brecht zuammen!
Der Phönix Rußland wirft sich
in die Flammen.
Doch, hochverklärt, aus seinem
Feuerkranze
Wird er ersteh’n im frischen
Jugendglanze,
Und Sankt Georg schwingt
siegend seine Lanze.
Theodor Körner Östreichs Doppeladler
1791 – 1813 Als
ich verwundet nach Östreich zurückkehrte.
Sei mir gesegnet, heilig
Doppelzeichen,
Das ich trotz diesem
Wirbelsturm der Jahre
In heiterm Stolz und
leuchtender gewahre! –
Ja hier beginnst du, freies
Land der Eichen!
Ein Ruf, dem nur der Sel’gen
Stimmen gleichen,
Zog mich zu deinem
nachbarlichen Aare;
Es floß mein Blut am
Vaterlands-Altare;
Ich sank, getroffen von
Verräterstreichen.
Da find’ ich dich, schön wie
im Land der Dichtung;
Zween Blitze glüht der Augen
Doppelrichtung,
Der Freiheit Sieg, der
Tyrannei Vernichtung.
Frisch auf, Habsburg! der
Teufel muß erliegen;
Gott ist mit dir, wo deine
Banner fliegen.
Hoch, Östreich, hoch! – Dein
Schwert, dein Karl wird siegen!
Theodor Körner Poesie und Liebe
1791 – 1813
Der Sänger rührt der Leier
goldne Saiten,
Und in der Seele ist das Lied erwacht;
Es strahlt durch das gewalt'ge Reich der Nacht
Ein göttlich Licht zum Ohre aller Zeiten.
Ein Wesen nur vermag den Klang
zu deuten;
Es naht sich still in süßer Himmelspracht,
Und wie vom Götterhauche angefacht,
Erglüht das Lied, die Wolken zu durchschreiten.
Da wogt ein üpp'ges Meer von
Harmonieen;
Es schwebt das trunkne Lied im Strahlenflore
Durch Lichtgefilde einer ew'gen Klarheit.
Wo Lieb' und Dichtkunst
ineinander glühen,
Da öffnen sich des Himmels Rosentore,
Und aufwärts fliegt das Herz zur heil'gen Wahrheit.
Theodor Körner Sonnenaufgang auf der
Riesenkoppe
1791 – 1813
Die Erde ruht in tiefer,
ernster Stille,
Und alles schweigt; es dringt kein Laut zum Ohre.
Doch schnell auf finstrer Spur entflieht die Hore,
Daß sie das Wort der ew'gen Zeit erfülle.
Da bricht der Morgen durch des
Dunkels Hülle;
Es tritt der Tag in lichtem Strahlenflore
Mit üpp'ger Kraft aus seinem goldnen Tore;
Der Himmel glüht in frischer Jugendfülle.
Und freudig auf des Lichtes
zarten Spuren
Beginnt das Leben sich zu regen
Und keimt und blüht in tausendfacher Lust.
Unübersehbar schimmern Städt'
und Fluren
Aus weiter Ferne meinem Blick entgegen,
Und heil'ge Sehnsucht glüht in meiner Brust.
Theodor Körner Vor dem Bilde zweier
Schwestern von Schick
1791 – 1813
Schönes Bild, das mir so teuer
worden,
Seh’ ich dich, ruft stiller
Ahnung Walten
Aus den wunderlieblichen
Gestalten
Mir in süßen himmlischen
Akkorden.
Nein, kein Sänger malt’s mit
Klang und Worten,
Wie sie blühend sich
umschlungen halten,
Und voll Südens Anmut sich
entfalten,
Stille Blumen aus dem heil’gen
Norden!
Ist die Sage wahr von jenen
Wesen,
Die, im Frühling schon der
Welt entnommen,
Sich der Herr zu Genien
erlesen,
Nenn’ ich euch als Engel mir
willkommen,
Ausgeschmückt mit allen
Wundergaben,
Und kein Himmel kann sie
schöner haben!
Theodor Körner Vor dem Grabmal in Penzing
1791 – 1813
Der Staub zerfällt, die
letzten Stürme toben,
Des Lebens rauhe Töne sind
verklungen,
Und durch des Grabes stille
Dämmerungen
Schwingt die befreite Seele sich
nach oben.
Schon ist der Erde düst’rer
Kreis bezwungen,
Die Nebel sind aus ihrer bahn
zerstoben,
Den Schleier hat die kühne
Hand gehoben,
In’s Meer des Urlichts ist der
Blick gedrungen.
Ein Lilienstrauß,
bedeutungsvolle Sprossen,
Die nur den Kelch der Sonne
aufgeschlossen,
Sind ihres Sieges freudige
Genossen. –
Die Phantasie bewegt die
Marmorglieder,
Das Vaterland empfängt den
Engel wieder
Und Ahnung dämert aus der
heimat nieder.
Theodor Körner Vor Raphaels Madonna
1791 – 1813
Lange hab ich vor dem Bild
gestanden,
Mich ergriff’s mit wunderbarem
Siegen,
Schöne Welten sah ich vor mir
liegen,
Und ich fühlte frei mich aller
Banden!
Wehe denen, die den Gott
verkannten,
Wem die in’re Stimme hier
geschwiegen;
Ahnung dämmert in Mariens
Zügen, -
Wehe, wer die Liebe nicht
verstanden!
Heilig, heilig! tönen
Seraphslieder,
Lichte Engelchöre stürzen
nieder
Und umschweben ihres Gottes
Braut;
Und der Geist erhebt sich aus
dem Staube,
Und lebendig wird dem Lieb’
und Glaube,
Der sie reines Herzens
angeschaut.
1791 – 1813 (Geburtstag
der Herzogin Dorothea von Kurland)
Ein stilles Lied aus dem
entfernten Norden,
Das kaum zu deines Festes
Glanz sich traute –
Ein Jüngling schlug die
ungeübte Laute –
Klingt vor des Schlosses
reichgeschmückte Pforten.
Es bebt dahin in kaum
verstand’nen Worten;
Denn vor dem Blick, der so
viel Edles schaute,
Dem sich der Schönheit
Rätselwort vertraute,
Verstummt der Geist in
schüchternen Akkorden.
Laß ihn verstummen! – was die
Töne sagen,
Was in der Seele reichen
Frühlingstagen
Die Schwestern, Phantasie und
Liebe, tragen,
das klingt und lebt, wenn
aller Schein verglühte,
Im stillen Herzen eine ew’ge
Blüte; -
Ein wahr Empfinden wird auch
still zum Liede.
Theodor Körner Zwei Sonette nach Kügelgen’s
Gemälden
1791 – 1813
I.
Belisar und der Knabe
Es kracht der Wald und heil’ge
Fichten splittern,
Der Donner rollt durch schwer
bedrängte Auen:
Da steht, furchtlos beim
allgemeinen Grauen,
Der blinde Greis in tobenden
Gewittern.
Nichts kann sein großes
Heldenherz erschüttern,
Des Blitzes Glut vermag er
nicht zu schauen,
Dem Wüten der Natur kann er
vertrauen,
Vor Menschentücke muß der Held
erzittern.
Der Knabe, der ihn führt,
sinkt betend nieder,
Das junge Herz verzagt im
Flammenwetter,
Er streckt die Arme jammernd
himmelwärts.
Doch Belisar ermuntert schnell
ihn wieder;
Er fürchtet nicht den Zorn
gerechter Götter,
Und neuer Mut durchströmt des
Knaben Herz.
II.
Saul und David
Ernst sitzt der Fürst, die Stirn
in düst’ren Falten
Er kann der Qual des Herzens
nicht entfliehen.
Es starrt der Blick und
finst’re Bilder ziehen
Durch seine Brust in
nächtlichen Gestalten.
Da tönt des Knaben Spiel mit
süßem Walten,
Die Stimme schwebt in heil’gen
Harmonien,
Es wogt das Lied und
Himmelstöne glühen,
Die einklangsvoll der Seele
tag entfalten.
Und plötzlich wacht der Fürst
aus seinen Träumen,
Und ihn ergreifst ein längst
entwöhntes Sehnen,
Ein Strahl der Liebe zuckt ihm
durch das Herz. –
Die zarte Blüte sproßt aus zarten
Keimen,
Getröstet von der Jugend
frommen Tränen,
Löst in des Greises Seele sich
der Schmerz.
Theodor Körner Vor
Rauchs Büste der Königin Louise.
1791 – 1813 1812
Du schläfst so sanft! – die stillen
Züge hauschen
Noch deines Lebens schöne
Träume wider,
Der Schlummer nu senkt seine
Flügel nieder,
Und heil’ger Frieden schließt
die klaren Augen.
So schlummre fort, bis deines
Volkes Brüder,
Wenn Flammenzeichen von den
Bergen rauchen
Mit Gott versöhnt, die rost’gen
Schwerter brauchen,
Das Leben opfernd für die
höchsten Güter.
Tief führt der Herr durch
Nacht uns und Verderben, -
So sollen wir im Kampf das
Heil erwerben
Daß unsre Enkel freie Männer
sterben.
Kommt dann der Tag der
Freiheit und der Rache,
Dann ruft dein Volk, dann,
deutsche Frau, erwache
Ein guter Engel für die gute
Sache!