1796 – 1840 Sucht
ich die Seele, die gewesen mein
Und
sich gesonnt mit an des Gottes Schein
Eh ich
gelangt in dieses ird’sche Bangen.
Wenn
meine aufgewühlten Saiten klangen,
Sucht
ich hienieden der Gedanken Reihn,
So ich
am ew’gen Stuhl von Elfenbein
Gleich
goldnen Knäufen hatte sehen prangen.
Bin
ich durch Feld und Dorf und Stadt geschritten,
Sucht
ich mein Vaterland, den Herd der Ahnen,
Sucht
ich mein Volk, vereint um würd’ge Fahnen.
So hab
ich immerdar gesucht. – Ich suche,
Was
uns versagt ist nach des Schicksals Fluche.
Und
klagen sollt ich, daß ich viel gelitten?
1796 – 1840 Ein
großes Füllhorn mir und sprach: Darin
Ruht
deiner Zukunft Schaden und Gewinn.
Nun
wähle schwere Tage oder leichte!
Und
aus dem Horne schüttete er seichte,
Bescheidne
Freuden, muntern Tagessinn;
Dann
schleudert’ er die strengsten Leiden hin,
Und
Schmerzen sah ich, die kein Wort erreichte.
Und
milde sprach mein Genius: So wähle!
Doch
mich ergriff ein ungeheures Ängsten,
Und
aus des Herzens Tiefen, aus den bängsten,
Rief laut,
daß ich erwachte, meine Seele:
Gib
andern, die sie mögen, solche Freuden!
Mir
gib die heil’gen Schmerzen, gib die Leiden!
1796 – 1840 Nach
dem die Zukunft wird ihr Steuer richten,
Bei
dessen schönem Glanze sich die Pflichten
Besinnen
werden auf den rechten Herrn.
Einst
geht er auf, noch aber ist er fern.
Es
sollen unsres jetz’gen Tags Geschichten
Zu
Fabeln erst sich ganz und gar vernichten;
Dann
wird gepflanzt der neuen Zeiten Kern.
Dann
wird der König, den ich meine, kommen,
Und um
den Thron, den ich erblicke, wird,
Wonach
gestrebt das allgemeine Ringen
Und
was die Größten einzeln unternommen,
Was
wir erkannt, worin wir uns geirrt,
Als leichter
Arabeskenkranz sich schlingen.
1796 – 1840 Ihn
kümmern weder Franken, weder Slaven,
Da nur
die Tröpfe westlich unsrer Strafen
Gefüllte
Schale oder östlich steht.
Er
wird auch nicht erscheinen als Prophet;
Er
macht sie nicht zu eines Wortes Sklaven.
Vorüber
gehn, so ihn zufällig trafen;
Er
predigt nicht, er lehrt sie kein Gebet.
Er
gibt den Augen nichts und nichts den Ohren;
Sein
achten weder Reiche, weder Arme;
Ihm schallt
ein Fluchen und ein Segen nie.
Doch
wie er Speise nimmt und schlummert, wie
Er
selig atmet in des Weibes Arme,
Fühlt
alle Welt entzückt sich neugeboren.
1796 – 1840 Denn
nimmer ist der Ding’ urmächt’ges Prangen
In
euren ganz verarmten Sinn gegangen;
Ihr
rauft von grünen Wiesen das Verdorrte.
Ihr
sitzt beständig in des Hauses Pforte
Und
fühlt ein schmerzliches, ein sehnend Bangen,
Ins
Innre der Gemächer zu gelangen,
Wollt
aber euch nicht rühren von dem Orte.
Ihr
seid so ferne jeglichem Genusse,
Daß
mir die Zähre kommt, euch zu beweinen,
Wiewohl
ihr mich verlacht, wenn ich euch frage,
Ob ihr
den gott genoßt im Brot am Tage,
Ob
Engel mochten eurer Nacht erscheinen,
Ob Andacht
euch durchschauert hat im Kusse?
1796 – 1840 Und
er zu lang ausbleibt der Neubegier,
So
treibet in den Gruppen da und hier
Zu
manchem Possenspiel der Stunden Länge.
Dann
springt ein Knabe wohl durch das Gedränge
Und
ruft: Ich bin’s! in nachgemachter Zier,
Die
Krone auf dem Haupt von Goldpapier,
Und
ihn begrüßen lachende Gesänge
Dies
Gleichnis setz ich euch, daß niemand wähne,
Als ob
mein Sehnen auf dem Flügelrosse
In niedre
Dienste sich begeben habe.
Denn
wo der Tand zu Hause, an der Seine,
Wird
jetzt gespielet meines Königs Posse,
Und
Saint-Simon heißt der gezierte Knabe.
1796 – 1840 Dereinst
vom Weg empor ein Stäubchen stiehlt
Und jubelnd vor Dir her im Lichte spielt,
So ist’s der Staub des Menschen, der vergangen.
Und
wenn zu Deinen schönen Götterwangen
Sehnsüchtig
wehend sich ein Lüftchen hielt,
So
ist’s mein Seufzer, der nach Dir gezielt,
Eh Du
erschienest, hinter Kerkerstangen.
Ich
trug mich an der Zeiten Joche matt.
Nur
das Gemeine lebt und ist beständig,
Im
Handwerksschmutz verwaltet von den Zünft’gen.
Ach,
die Verachtung macht so bald uns satt!
Ich
bin’s. Du kommst: dem Jetzt entronnen, send ich
Des
Untertanen Eide dem Zukünft’gen.
1796 – 1840 Die
Schönheit ruht, wie eine Braut, im Saale
Der
Götter, ganz von Himmelsglanz umflossen.
In nackter
Unschuld, fragt sie, hingegossen:
Wann
kommt der Bräutigam zum Liebesmahle?
Der
Dichter naht, entflammt vom mächt’gen Strahle
Der
Sehnsucht, ach! und fliegt zu Brust und Munde;
Gefällig
lächelt Hebe ihrem Bunde,
Sie
reicht den Liebenden die vollste Schaale.
O
Schwelgerei der süßesten Vereinung,
Bald
nach der Blüthe läßt die Frucht sich blicken:
Ein
herrlich Kind, das aller Welt Entzücken.
Den
Dichter nur erfreut nicht die Erscheinung,
Er
spricht: Es trägt des Vaters rohe Zuge,
O daß
es die der holden Mutter trüge!
1796 – 1840 Im
tiefen Thal, benetzt von Waldesbächen,
Liegt,
halb zertrümmert, eine Riesensäule.
Der
Stein verwittert, grau von Näss und Fäule,
Und
oft verletzt durch bübisches Erfrechen.
Und
sagenhaft erklungen geht ein Sprechen:
Die
Säule rühre von dem großen Dome,
Der
prächtig einst in aller Zeiten Strome
Hoch
überschauet aller Länder Flächen.
Mit
Runenschrift ist durchaus beschrieben,
Die
räthselhaft den Weitesten geblieben,
Vom
Eispol bis zum glüh’nden Lusitanien.
Will
nun die Bosheit gänzlich sie zertrümmern,
Dann
flammen zornig alle Runen, schimmern
Ein
klares Wort dem Feind, das Wort: Germanien!