*1937
© alle Rechte beim Autoren zum Gedenktag, an dem des Bombenangriffs auf
Schwabmünchen
im 2. Weltkrieg gedacht wird.
Bin ich denn schuldlos, weil
ich Opfer war?
Ich ließ mich leider auch ganz
gern betrügen,
ich blieb so stumm wie ihr und
hoffte gar,
es könne irgendwie Verstand
noch siegen.
Ich habe doch gewußt: Das
Vaterland,
das bös zertretene, fordert
keine Morde.
Es trauert um erstorbnen
Widerstand
und schaudert vor dem Brüllen
dieser Horde.
Doch wer, wer durfte mir den
Henker schicken,
der uns zertrümmert ohne
umzublicken! –
Ein Richter, der sich weigert,
das gesicht
zu sehen, dessen Zittern er
beendet –
von diesem richter steh ich
abgewendet.
Doch schuldlos ... schuldlos
nennt mich bitte nicht.
*1937
© alle Rechte beim Autoren Im Dezember 1998 zu dem Acrylbild VENEZIA
von
Kersten Thieler-Küchle, Schwabmünchen
Entronnen unsren mütterlichen
Stuben
erträumten wir in den Gebeinen
einer Nacht
das ferne Ende und – zum Tag
entfacht –
ein Leben vor dem Herrn der
Grube.
Der stäubte uns in das
Kaleidoskop
der stürzenden Kalender das
Licht, das wir erbaten,
und würzte unsren Puls mit
rotem Atem.
bis er die Maske heute hob:
„Ihr Spiegelfechter fürchtet
euch zu wissen,
was auch dem Bucentaurus
widerfuhr,
und glaubt, ich sei euch ewig
gnädig.
Wenn ich die Gondeln eurer
Düsternisse
ertränke, bleibt nur eine
nasse Spur
im Marmor auf dem Fischmarkt
von Venedig.“
*1937
© alle Rechte beim Autoren Dem Buchhändler Albert Schmid in Schwabmünchen
Ja, da schau her, wie sich das
dehnt und dehnt,
das Buchgeschäft mit bunten
Reiseführern,
mit scharfen Krimis und der Kunst
von Dürern,
wo keiner lässig an der Theke
lehnt,
wenn man den Fuß ins
Bücherbergwerk setzt. –
Respekt, wie der da Fundament
gelegt hat,
der, der da x Romane schon
bewegt hat,
der Chef, bei dem man
friedlich handyhetzt.
Doch woher kommt der Stoff? Ist’s
wahr, er gründet
sein Wohl auf andrer Leute
Grips, behext
den Weltgeist, den er an sein
Konto bindet?
Man wünscht ihm gern, daß sein
Vermögen wächst,
solange er pro Woche sieben
Kluge findet,
die sich vertiefen im
erworbnen text.
*1937
© alle Rechte beim Autoren Meiner Mitstreiterin im Bund Naturschutz aus
Schwabmünchen.
Spitzbergen ist zum Beispiel
eine Reise wert,
das kühlste Cola gibt’s im
Land der Maya,
den besten Wein auf Samos und
in Baia.
So fliegt man hin und her,
damit man Gläser leert.
Und an den sitz gefesselt
glaubt man, man erfährt,
nach Rinderweiden spähend und
den abgemähten
Getreidefeldern unsres
würdigen Planeten,
wie uns der ausgenutzte Stern
ernährt.
Doch will die Erde dem sich
nicht erschließen,
der um ihr Erbe spielt und es
verwettet.
Sie will geachtet sein und es
genießen,
wenn wir mir ihrem Wohl uns
selber retten.
So soll sie zum Geburtstag Sie
begrüßen
mit Buchs und Hasel in den
Hügeln von Scherstetten.
*1937
© alle Rechte beim Autoren Meinem Nachbarn, gelerntem Metzger
und
Betreiber eines Party-Dienstes
Ein Festzelt zwischen
glänzenden Novemberpflanzen
umfasst für eine Weile den Bestand
von bunten Gästen, die Hava
Nagila tanzen,
von Gästen aus der Jugend
abgesunknem Land.
Hier schließen vier Jahrzehnte
blitzschnell sich zum ganzen
und öffnen wieder sich zum
flatternd langen Band,
als ob die sensen schon einmal
ur Probe tanzten,
zur lächelnden Verbeugung vor
des Lebens Rand.
Da könnte mancher denn
beklommen fragend schweigen
und könnte grübel-grabeln,
doch er tut das nicht.
Er zieht es vor, durch eine
Welt zu steigen,
die Leben heißt und Neugier,
Mond- und Sonnenlicht.
Den Schlemmern liebt er auf
der Pfanne vorzuzeigen,
zwei Messerspitzen Anarchie im
Fleischgericht.
*1937
© alle Rechte beim Autoren
Steh unerschüttert herrlich im Gemüte,
Du großer
Beter glaubensmächtiger Zeit!
Wie
dich verklärt des Tages Herrlichkeit,
Wenn
längst des Tages Herrlichkeit verglühte.
So will
ich bitten, daß ich treulich hüte
das
Heilige, das du ausstrahlst in den Streit,
und
will ein Turm sein in der Dunkelheit,
Des
Lichtes Träger, das der Welt erblühte.
Und
sollt’ ich fallen in dem großen Sturm,
So
sei’s zum Opfer, daß noch Türme ragen
Und daß
mein Volk der Wahrheit Fackel werde.
du
wirst nicht fallen, mein geliebter Turm.
Doch
wen des Richters Blitze dich zerschlagen,
steig’
in Gebeten kühner aus der Erde!
Reinhold
Schneider
Münsters
während des zweiten Weltkriegs. –
Ein vom
Erzbischof von Freiburg, Hermann Schäufele,
erbetenes
Hoffnungszeichen für die Studenten an der Front.
Er steht noch ungeschändet in
der Mitte
des Marktgeschiebes wie ein
hohes Mal
und spendet Kühle, wenn die
große Zahl
von Gästen ihn durchpflügt mit
trägen Schritten.
Er durfte bleiben, so als ob
er die Bitte,
der Hoffnungsschrei aus
gramgetränkter Qual,
ihn rettete. – die Söhne fraß
der Stahl,
die fieberheiß an
Opferschauern litten.
von Bombenblitzen blieb er
unerschüttert
und steht, von fremden
Freunden wohl bewahrt,
die ihre Türme, nicht die
Beter schonen.
Die Waise, die noch im
Erinnern zittert,
ruft matt nach überlebter
Todesfahrt:
„Wer schont das Haus, in dem
die Menschen wohnen?“