*1937 „Spiegel-Sonette“
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1997 - 1998
8760 Stunden. –
Es gab da wenig Regen und viel
Staub,
nur eine Birne, aber sehr viel
Laub,
und Mäuse habe3n sich ins Haus
gewunden.
und hohe Worte stelzten
einigermaßen
bekifft aus Studios und
Mikrofonen
toupiert und beifallsgeil in
unsere Wohnung,
wo wir sie ratlos hörten und
vergaßen.
Im Jahreswirrwarr Ziel und
Sinn zu finden,
das wäre Stoff für eine
Teufelswette,
bei der der Schwarze sich das
Hirn verrenkt.
Er müßte sich verfluchen und
zerschinden,
da er ja keine Lösung hätte,
und ewig wäre unser Leben uns
geschenkt.
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Doch welches Leben ist uns
denn geschenkt,
wenn wir mit Hast und Angst
verketten,
was niemals sich in Harmonie
verbindet?
So wünschen wir, dass der
Humor uns lenkt,
zu tragen, was uns keine Worte
glätten,
bis es dann eines Tages selbst
verschwindet.
Es möge unser Lachen uns
verschonen
vor Eifersucht und vor dem
Stock im Rückgrat,
vor Klatsch, der uns im
atemlosen Blick hat,
und vor den allzu wichtigen
Personen.
Dem Kranken Mut, und Gleichmaß
dem Gesunden,
dem Trauernden ein Wort, das
von Gewicht ist,
und allen ein vertrauter, der
in Sicht ist –
8760 Stunden.
1998 - 1999
12 Monate, im Herbst so etwas
wie ein Schalt-Tag,
als da der Alte zu der
Freizeitjacke griff,
der Neue aber jovial am Sockel
schliff,
auf dem man als historische
Gestalt ragt.
„Jetzt endlich wird der DAX im
Turnschuh tänzeln,
fort mit den Castor-Kästen,
ins Depot die Bomben!
Und zwischen Pristina, Madrid
und London
zernagt das Menschenrecht die
Ländergrenzen.“
So fächelst du dir Träume ins
gesicht,
indem du dich bei deinem
bessern Ich verwendest
für das Geraune fest
verwurzelter Gewalten,
bis selbstgewisser
Pragmatismusw spricht:
„Nur, wenn ich >machbar<
sage, wird etwas geändert,
das ewig Unveränderliche
bleibt erhalten.“
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Nun gut: Etwa die
Menschenrechte zu erhalten
ist nichts, was schadet oder
edle Täter schändet,
und auch ein
türkisch-deutscher Pass verwirrt mich nicht.
Und sagt man, die
Gerechtigkeit sei längst veraltet,
jetzt gäbe es die Akzeptanz,
und in den Wänden
der Studios sei die von
bleiernem Gewicht,
so möchte ich bescheidentlich
ergänzen:
„Wir können durch Versuche nur
erkennen,
was wir zu Recht das
Bleibeschwerte nennen. –
Und die gelungenen Versuche
glänzen.“
Vielleicht bleibt doch noch
etwas Salz in unserm Alltag
von den ergrauten 50-jährigen
Parolen.
Der Pakt mit scheelem Hass, er
bleibe uns gestohlen.
Wir machen jeden Tag zu unserm
eignen Schalt-Tag.
1999 - 2000
Posaunen hören wir durch offne
Tore schallen
und hastig rennen wir und
drängen zu den schwellen,
um uns ins bunt beglänzte
Publikum zu stellen,
wenn die Jahrtausende zusammenprallen.
Und bibbernd heben wir dem
raunen der Orakel
ein Ohr entgegen und mit
offnen Nüstern
erschnüffeln wir, nach Flut
und Chaos lüstern,
eines virtuellen Weltgerichts
Tentakel.
Da tritt hervor der Chor der
Zukunft und er klont
entschlossen unsern geist, bis
daß er uns erwählt,
im Aluminiumbrokat ins All zu
tauchen
und mit Patenten für die
Kälbermast am Mond
dem Silberklang der Chips zu
folgen, und er stählt
die Faust uns mit der Losung
des Erfolgs: „Wir brauchen ...“
----
Bewahr uns der Verstand davor,
zu wissen, was wir brauchen,
bevor wir wissen, was dem
Nachbar fehlt,
und er verschon uns vor dem
Hornsignal der Quoten.
Dagegen mag ein kaum bewusstes
Hauchen,
das nur ganz leicht von
dunklem Gram erzählt,
den Blick uns heben lassen,
auszuloten,
was neben uns in nächster
Tiefe liegt.
Und unsre Ohren mögen offen
bleiben
für das, was die Naturen, die
sich reiben,
in sperrigem Disput
zusammenfügt,
und auch für die stets
wechselnden Begleiter
wie Drosselschlag und das
Gezweig am Gatter,
die Regentropfen in der
Pfütze, das Geflatter
erregter Spatzen ... und so
weiter ... und so weiter ...
2000 – 2001
Angenommen, jedes Ziel, das
wir erstrebten,
läge uns noch immer fordernd
im Gemüte, -
furchtbar könnten alte Wünsche
in uns wüten,
wo die Misserfolge ewig weiter
bebten.
Ganz untauglich wären wir, in
spätren Tagen
dem vom Fehlschlag neu
geschärften Blick zu trauen
und mit denen einen
Zukunftssud zu brauen,
die uns um Erfahrung anzugehen
wagen.
Beispielsweise deren Hoffnung
wär zu pflegen,
deren Mut noch nicht ganz
zuverlässig tönt.
Auch der tief Verstörte habe
unsern Segen,
den die Häme nach dem jähen
Fall verhöhnt. –
Und den Kindern halen wir ein
Wort entgegen,
die das Lob der
Lieblingstanten dumm verwöhnt.
2001 – 2002
Von nun an kauft man flotter
mit dem Euro-Geld:
Oliven aus Ahen, aus
Frankreich Baskenmützen.
Doch wenn die Zwickel auch wie
Gold und Silber blitzen,
der Fachmann sagt voraus: „Die
Wachstumskurve fällt.“
Es wird gerechnet werden und
gestritten,
wie man Gewinn, Verlust und
Schulden präsentiert.
Der eine tarnt sein Gut, bevor
er es verliert,
ein andrer schämt sich blass,
soll er um etwas bitten.
Das ist ein altes Lied,
gespielt auf neuen Saiten. –
Den wahren Schrecken wecken
die dissonanten Chöre,
die mörderisch verlangen
gefolgschaftstreu zu hassen. –
Die mit den wachen Augen, die
sollten wir begleiten,
die im Geschrei der Sieger auf
Nüchternheiten hören
und sich in keiner Währung den
Mut abkaufen lassen.