1820 – 1905
I.
Still lächelnd
sitzt die Sphinx der Weltgeschichte
Am Thor der
Zukunft, und sie gibt den Thronen
Ihr Räthsel auf,
und über Nationen
Am Strom der
Zeiten sitzt sie zu Gerichte.
Ringsum liegt
Todtenbein und Trümmerschichte;
Doch wenn sie hebt
den Schleier nach Aeonen,
Dann sieht man
erst, daß sie gewollt nur schonen,
Und daß sie stets bedacht
war, wie sie schlichte.
Sie hat verletztes
Recht mit edlem Grimme
Zu strafen stets
gewußt, und stets gewacht,
Damit der
Rachefunke nicht verglimme.
Sie sprach auch
einst, nachdem sie lang gelacht,
Voll Löwenzorns
aus Dantons Donnerstimme
Dein Sturmgeheul –
Bartholomäusnacht!
II.
Wind, Wolke,
Lichtstrahl, ziehn die alte Reise
Um unsern Erdball,
thürmen Nacht und Wogen,
Versenken Schiffe,
wölben Regenbogen –
Das alte
Schauspiel, stets in neuer Weise.
Die Monde
wiederholen ihre Kreise,
Die Schaar der
Vögel kommt ins Jahr geflogen,
Geschlecht kommt
um Geschlecht herangezogen,
Es wird zum Mann
das Kind, der Mann zum Greise.
Wir sehn, wie bis
hinauf zum Glanz der Kronen
Das Unglück
dringt, wie Schuld und Noth und Schande,
Pest, Krieg und Feuer
nirgends ruhn und schonen;
Was klagst du,
wenn du nicht gleich alle Bande
Zerbrechen kannst,
um wie ein Gott zu thronen?
Auf! rüste dich zu
größrem Widerstande!
III.
Geh nur, so wie du
stets vorbeigegangen,
Vorbei an mir, o
Glück, wenn Gold und Ehre
Dein Schooß
enthielt; mein Wahlspruch heißt: „Entbehre,
Entsage jedem
irdischen Verlangen!“
Zwar hab’ ich’s
stets mit Dankgefühl empfangen,
Gab mir das
Schicksal eine weise Lehre,
Auch wenn ein
Honigtropfen in die Leere
Der Tage fiel, die
nur ein Klaglied sangen.
Weht nur in unsern
Frühling, rauhe Winde,
Kein Schneefall
soll mich in dem Glauben stören,
Als ob auch die
Natur mit uns empfinde!
Ich könnte nicht
der Lerche Jubel hören
In meinem Mißmuth,
und das wonneblinde
Geschlecht der
Blumen müßte mich empören.
IV.
Obwohl erdrückt
beinah vom Seelenschmerze,
Obwohl allein und
auf dem schlimmsten Pfade,
Doch sucht’ ich
nicht bei Menschenherzen Gnade,
Ich wußte wohl,
ich schlüge nur an Erze.
Ich höhnte meines
Grams, ich schwang im Scherze
Das volle Glas,
und pries auch alles Fade,
Und Mancher
sprach: „Dies Licht brennt schön gerade,“
Und doch war’s nur
das Licht der Leichenkerze. –
Das Wort des
Lebens schließt mit trüber Endung,
Zum schwarzen
Stein inmitten einer Wüste
Zieht jedes
Strebens gottbeseelte Sendung.
Beglückt, wer
glaubensfroh sein Mekka grüßte,
Wer sich verzehrt
in seliger Verschwendung,
Wer nie mit Hohn
sein kühnstes Wollen büßte.
V.
Was zu erleben
wäre wohl das Beste?
Einherzuziehn auf
stolzem Siegeswagen,
Nachem man einen
kecken Feind geschlagen?
Der unsrer
Freiheit bestes Blut erpreßte?
Trophäen,
Siegsgepräng’ und Siegesfeste?
Doch wenn ich
müßte deshalb dir entsagen,
Wie dann? – Ich
will die kleine Schwalbe fragen,
Die so vergnüglich
lebt in ihrem Neste.
Wie eng ist unser
Dasein, unser Wille
Hat nur die Wahl,
in hohem Stolz entweder
sein Glück zu
suchen, oder in der Stille!
Wer mit dem Degen,
wer mit Wort und Feder
Den Kampf führt,
laß das Traumbild der Idylle,
Mit Blütenschmuck
prangt nicht zugleich die Ceder.
VI.
Der Frühling
kommt, die alten Gräber gähnen,
Und hauchen Moder
aus durch Veilchendüfte,
Was Land und See
belebt und Meer und Lüfte,
Seht wieder aus
auf Mord mit Krall’ und Zähnen.
Der Raubtier’
größtes, furchtbar wie Hyänen,
Der Mensch, erschließt
die ungeheuren Grüfte,
Die sein
Geschlecht grub, und durchspäht die Klüfte
Der Geisterwelt,
stets voll von schlauen Plänen.
Verschlingend
dringt er bis zum letzten Kerne
Der Dinge, die er
gerne möcht’ ergründen,
Er würgt durch Liebe,
tödtet in die Ferne,
Gedanken, seine
stärkste Waffe, zünden;
Sein Sehnen geht
bis an die höchsten Sterne,
Den Abgrund aber
füllt er aus mit Sünden.
VII.
Die Welt wird
immer uns die Lehre geben,
Es werde Geist und
Muth nur dann geachtet,
Wenn auch dazu die
rechte Sitte trachtet,
Und einen schönen
Einklang gibt dem Leben.
Dagegen hilft kein
Ringen und kein Streben,
Wo sie verdammt,
bleibt jede That umnachtet;
Es bannt, indem
das stolze Herz verschmachtet,
Das Urtheil,
Niemand wagt es aufzuheben.
Das Beste wird ein
übler Ruf verschlechtern,
Doch Recht hat nie
die Mitwelt, wahre Richter
Entstehen erst in
kommenden Geschlechtern.
Die Schatten
fliehn, sie werden licht und lichter,
Verschwindend vor
den Augen der Gerechtern,
Und rein steht vor
der Nachwelt Held und Dichter.
VIII.
Die Gunst der Welt
ist launisch und vermessen,
Und wen sie bis
zum Himmel hob noch heute,
Den läßt sie
morgen bittrer Schmach zur Beute,
Denn immer hat der
Neid ihr Ohr besessen.
O, wer dahin ist, der
ist schnell vergessen,
Und ob er
Weihrauch oder Saaten streute!
Du hörst gar bald
dein eignes Grabgeläute,
Wenn dir kein
Herzblut mehr ist auszupressen.
Als Andern noch
die Gunst den Kranz geschwungen,
Wie haben da
verlockt mich ihre Winke,
Und wie bezaubert
ihre Huldigungen!
Seitdem es mir
gilt, weg sind Schmuck und Schminke,
Mich friert nur,
hör’ ich mein Lob gesungen,
Und lachen muß
ich, wenn es heißt: ich sinke.
IX.
Wie klar sich auch
im See die Sterne spiegeln,
du kannst doch
nicht in deine Tiefe schauen,
So lächelt mancher
Blick, und heischt Vertrauen,
Und birgt doch nur
ein Buch mit sieben Siegeln.
Ein Kerkerschloß
ist leichter aufzuriegeln
Als eine seele,
die, gestählt von rauhen
Erfahrungen, nur
strebt, an sich zu bauen,
Sich läuternd wie
das Erz in Feuertiegeln.
Auch ich rühm’
mich, ich lernt’ den Werth erkennen
Von jedem Lächeln,
das wir abgewinnen
Dem Ernst der
Dinge, die wir „Dasein“ nennen.
Verzeih! Dünkt dir
vielleicht zu trüb mein Sinnen?
Die Blume, wenn zu
heiß die Strahlen brennen,
Schließt ihre
Blätter gerne dann nach innen.
X.
Du rühmst den
Schlaf, weil jeder Schmerz versiege,
Von seinem Hauch
in süßen Traum gesungen,
Weil ausgelöscht
in seinen Dämmerungen
Des Tages Qual wie
Gluth im Duft verfliege?
Und bangst du
nicht, auf jener dunklen Stiege
Hinabzugehn ins
Lügenreich, bezwungen
Und wehrlos
hinzusinken, wahnumschlungen,
Beraubt um deiner
Freiheit kühnste Siege?
O laß im Schlaf
sein Weh den Feigen tödten,
Laß Blumen selig
träumen, laß der Kröten
Geschlecht den Winterschlaf
im Felsen rühmen!
Doch uns soll
nichts des Lebens Schmerz verblümen,
Nur ihm sei Dank
mit jeder Morgenröthe,
Der uns vom Staub
zum Menschengeist erhöhte.
XI.
Das dunkle
Schicksal nimmt für Alles Rache,
Kein Wuchrer ist
mit seinem Gold genauer,
Kein Raubthier ist
so ruhig auf der Lauer,
Zu Schlummern
scheint’s, und hält die Augen wache.
„Der Schuld’ge,“
denkt es, „freue sich und lache,
Und wähne mich
entfernt, und dünk’ sich schlauer,
Indem er wirkt und
schafft, und eine Mauer
Um sich zu ziehn
meint, die ihn sicher mache.
Auf einmal steh’
ich da – ein kaum beachtet
Versehn, ein
Zufall hat mich ungesehen
Ans Licht
gebracht, wornach ich stets getrachtet.
Denn über Sich,
sein Sein und Fortbestehen,
Ist immerdar des
Menschen Sinn umnachtet,
Und Böses thut er,
oder läßt’s geschehen.“
XII.
Wenn oft in
dumpfen, kummervollen Zeiten
Dein Himmel
schwarz und voller Wolken steht,
Und träge
Sorgestunden früh und spät
Sich um dich her
wie düstre Schatten breiten –
Hat da noch nie
mit einem süßen Gleiten
Urplötzlich dich
ein Morgenhauch umweht,
Ein wonnig Ahnen,
das da kommt und geht,
Wie Vorgefühl von
nahen Seligkeiten?
Du fragst dich,
war’s ein Geist aus schönern Stunden,
Ein Zauber
lieblicher Erinnerung,
Den still und
unbewußt dein Herz empfunden?
War’s nicht ein
Herold, Kunde dir zu bringen,
Daß bald aus
Winterfrost und Dämmerung
Verjüngt der
Frühling werde niedersteigen?
XIII.
Vorüber ist das
Bacchanal, da liegen
Am Boden noch die
Becken und Pokale;
Es war ein Fest im
Wald beim Mondenstrahle,
Es war ein Fest
nach schwererkämpften Siegen.
Doch sah man sie
im leichten Tanz sich wiegen
Und jauchzen, in
der Hand die volle Schaale;
Man sah zum Kusse
Brust an Brust beim Mahle
Die Nymphe sich im
Arm des Satyrs wiegen.
Nicht ohne Opfer
ging es ab; dort schmachtet
Das Lamm, das
zarte, müd von Lust und Kosen,
Wo dunkler das
Gebüsch der Myrthe nachtet.
Das Mädchen ruht
im Schlaf auf weichen Moosen,
Und träumt und
hält, von einem Faun berachtet,
In seiner Hand
noch einen Kranz von Rosen.
XIV.
An Himmelsgold, an
Liebesgluth so reich,
Ihr Abendwolken,
stille Nachtverkünder,
Um eure Schultern
lächeln wie die Kinder
Die Sterne schon,
doch zitternd noch und bleich!
Um eure Bahnen
schwebt ein Himmelreich,
In eure Höhn
gebaut, ihr rührt den Sünder
Zu Thränen, machet
seine Qual gelinder,
Und stimmt den Ton
der Seele sanft und weich!
Das Schaugerüst
des Tages stürzt zusammen,
Ein Dunkel von
Cypressen scheint am Saum
Des Himmels
aufzustehn, und steht in Flammen.
Wohl dem, dem sanft
der Tod naht wie ein Traum,
Den seines Innern
Stimmen nicht verdammen,
Wenn feuchten
Blickes Luna schwebt im Raum.
XV.
Erst wer die Höh’n
erstieg, sieht grüne Matten
Und klare Seen und
blumige Gelände,
Wo der, der fern steht,
nur die schroffen Wände
Und Klüfte schaut,
und kahle Felsenplatten.
Wie oft erblicken
wir nur schwarze Schatten
An Wesen, wo ein
tiefrer Einblick fände,
Daß uns ein
ungeahnter Zauber bände,
Wie sich in Rosen
Duft und Schönheit gatten.
Geschick’ und
Neigung sind den Alltagsblicken
Ein Labyrinth, in
dess’ verworrnen Pfaden
Die Meisten sich,
und unrettbar verstricken.
Wer liebt, hält
fest den Ariadnefaden,
Wer liebt, sieht
rein, trotz allen Mißgeschicken,
Und sieht das Herz,
schien’s noch so schuldbeladen.
XVI.
In jungen Jahren
kennt noch kein Genüge
Der Menschengeist,
erfüllt von Fieberhitze,
In Macht und Ehre,
Ruhm, und im Besitze
Erblickt er
Täuschung nur, und Wahn und Lüge.
Zum Schroffsten,
Steilsten lenkt er seine Flüge,
Und einsam auf der
höchsten Bergesspitze
Gräbt ins Gestein
er, bei dem Licht der Blitze,
Unlöschbar seines
Schmerzes tiefe Züge.
Erst spät
erscheint, vom zarten Grün bekleidet,
Die Furche, die er
grub, und Blumen sprossen,
Wo sich am Raub
der Geier „Qual“ geweidet.
Doch ist’s die
höchste Schönheit, wo, geschlossen
Den Blick noch,
eine edle Seele leidet,
Die nichts vom
Glück der Erde noch genossen.
XVII.
Gesteht, daß ich
die Schranken übersprungen,
Den Raum, in
welchem eure Vorsicht wollte,
Daß ich mein Glück
nur darin finden sollte
Ein gut Geschöpf
zu sein, das euch gelungen!
Des Menschen
Stolz, die Freiheit wird erzwungen;
Noch keine Macht
gab’s, die nicht heimlich gollte,
Wenn eine jüng’re
die bisher ihr zollte,
Nun sich auf
einmal über sie geschwungen.
Durch Widerstand
erwächst die Wucht der Eiche,
Das Eisen wird
gehärtet in den Feuern,
Und glaubt ihr
nicht vom Menschengeist das Gleiche?
Das Wort, mit dem
durch jedes Meer wir steuern:
Daß jeder
Widerstand der Thatkraft weiche,
Dies gibt der Welt
ihr ewig Selbsterneuern.
XVIII.
Ein Glückskind hat
den Becher ausgetrunken,
Der ihm bekränzt
war schon vom Anbeginne,
Ein Schwan zog
heim, von goldner Himmelszinne
Ist unumwölkt ein
Stern hinabgesunken.
Verschwenderische
Göttin, theil’ die Funken
Von seinem
Lichtglanz aus! Millionen Sinne
Und Leben könnten
reich von dem Gewinne,
Ja mit dem
Hunderttheil davon noch pruken!
Dem Armen, der
sich lebenslang bemühte,
Vergönne von den
goldnen Trauerweiden
Nur einen Zweig,
nur eine kleine Blüthe!
Denn er, der nie
gekannt die Nacht der Leiden,
Dem nie von
bittrer Qual der Busen glühte,
Er ruht im Grab –
wir durften ihn beneiden.
XIX.
Was sie von ihm
entzückte, das verdammen
Die Zeitgenossen
nur zu oft am Dichter,
Von jedem Fehler
sehn sie, schwarze Richter,
Auf seiner Stirn
der Hölle dunkle Schrammen.
Sein Werk
bewundern sie, und scheu’n die Flammen,
Durch die es ward,
wer über ihre Lichter
Aufleuchtet, heißt
Verderber und Vernichter,
Und Steine wirft
man über ihm zusammen.
Ich laß es gelten!
Stoßt ihn zu den Massen,
Er habe nichts
voraus, und ihn bedinge
Das gleiche Recht
wie euch, das gleiche Hassen!
Ist’s nicht genug,
daß er allein die Dinge
In ihrer strengen
Wahrheit muß erfassen,
Ihr werft auch
euren Staub auf jede Schwinge.
XX.
Wer kann es sehn
und möcht es nicht beweinen,
Wenn über dem
Gebirg das stille, blasse
Mondlicht
auftaucht, daß all die Felsenmasse
Jetzt todt ist, wo
einst Gold lag in den Steinen?
Die Trümmer, wie
sie aufgelöst erscheinen!
Wie einsam ragt,
wie mit sich selbst im Hasse,
Als ob sie nach
den leeren Wolken fasse,
Die Tanne dort,
mit Zweigen gleich Gebeinen!
Die Blumen thau’n,
die Hirtenfeuer glosten,
Und spät noch
hallt Geläut der Alpenkühe,
Wo Gänge von dem
alten Schacht noch rosten.
Wenn golden die
Holdseligkeit der Frühe,
Die Morgenröthe
sich erhebt im Osten,
So sieht sie im
Gebirg des Menschen Mühe.
XXI.
Wie aus Erinn’rung
eigner Jugendfährte
Taucht mir aus
ferner Zeit die fromme Kunde;
Dein Bild empor, o
Vorzeit, lichtverklärte,
Du Menschheit-Morgenland
und Morgenstunde!
Treu wie das Jahr
in seiner Sternenrunde
Den Schöpfungstag
mit jedem Frühling jährte,
Durchzog ein
Hirtenvolk mit Gott im Bunde
Sein heilig Land,
das alle gleich ernährte.
An jedem Morgen,
wenn die Sonne wieder,
Die Erstgeliebte
kam, erklangen Lieder
Dem Herrn aus
ihres Dankes Feierharfen.
Und wie sich hin
vor Gott die Donner warfen,
Warf sich zur
Erde, wenn, wie Gold erglommen
Sein Himmel
glühte, dies Geschlecht von Frommen.
XXII.
Von Salamis zog
heim der Griechen Steuer
Siegreich und
stolz, da ließ Neptun sich hören:
„Hellenen! dieses
will ich euch beschwören:
Von heute sei des
Meeres Herrschaft euer!“
Und in des gottes
Anruf mischte sich ein neuer
zuruf vom Land –
des Pindus alte Föhren
Erbrausten jauchzendend
auf in Päan-Chören,
Hoch vom Olymp
erglühten Freudenfeuer.
Die Helden
sprangen aus den Schiffen nieder;
Erst grüßten sie
den Boden der Hellenen,
Dann rings am
Strand all’ ihre Theuern wieder.
Die Mütter aber
opferten Athenen,
Und küßten beim
Gesang der Siegeslieder
Mit Thränen ihrer
Knaben Heldensehnen.
XXIII.
Von Asien rückt
ein Unthier, ein Centauer,
Verschlingend auf
den Westen los; mit stieren
Eisblicken, die
nach Land und Schätzen gieren,
Liegt’s vor Europa
lechzend auf der Lauer.
Am Ural wetzt es
seine grimmen Hauer,
Sein Odem bläst
ein eisiges Erfrieren,
Die Mächte, die in
seiner Brust regieren,
Sind Knechtschaft,
Elend, Furcht und Todesschauer.
Wer kennt den
Unhold nicht? Indes die Throne
Sein Schweif
umringelt, kost sein offner Rachen
Den Herrschern zu,
als ob er sie noch schone.
Nein! Zittert
nicht, man kann ihn zitter machen,
Zeigt ihm die
Freiheit, schwarz wird seine Krone
Und in den Abgrund
stürzt das Haupt des Drachen.
XXIV.
wer sind die
beiden dort im Säulengange ?
Die hehren Zwei
bekränzt mit Siegeskronen?
Und um sie her
zuckt Blitz auf Blitz in Kronen,
Und zischt aus
grauem Schutt hervor die Schlange.
Uralte Fragen, nie
gelöst solange
Darüber
nachgeforscht ward seit Aeonen,
So weit den
Erdball Sterbliche bewohnen,
Ertönen um sie her
im Chorgesange.
Den Trotz des
menschenliebenden Titanen,
Den Sturz des
Zwingherrn und des Uebermuthes
Läßt Aeschylos mit
eh’rnem Worte mahnen.
Die Liebe treuen
schwesterlichen Blutes
Zeigt Sophokles,
nach schmerzensdunklen Bahnen
den Tod als Weihe
jeden Erdengutes.
XXV.
Altenglands frohe
Zeit nach blut’gen Schlachten
Taucht lachend vor
mir auf, die feine Sitte
Bringt bunte
Wortspiel’ auf, und wie Granite
Gedanken aus den
tiefsten Geistesschachten.
Noch schmettert, während
Maskenzüge lachten,
Trompetenschall,
noch gilt es kühne Ritte,
Und kühne
Meerfahrt lockt; mit ernstem Schritte
Reckt sich die
Vorzeit in das neue Trachten.
Um einen Dichter
schwebt vom Meeresstrande
Der Eisenschwarm
und zaubert seinen Träumen
Die Schönheit vor
vom alten Griechenlande.
Und jene Göttin
will es nicht versäumen,
Sie schlingt ihm
einen Zweig um seine Bande
Aus dunkelsten von
ihren Lorbeerbäumen.
XXVI.
Ein Geist rief:
„Auf, ihr schwarzen Wolken alle,
zum Heerbann ruf’
ich: auf ihr wilden Jäger
Des Sturms! Voran
Blitz, rother Fahnenträger!
Laßt los die
Donner, daß der Abgrund schalle!
„Es schrie zu mir
aus tiefer Kerkerhalle
Ein Hilfruf, und
es rief zu mir ein Kläger:
„„Der Ungerechten
Maß, o Seelenwäger!
Ist voll bis an den
Rand; bring’ sie zu Falle!““
„Ja ich erseh’s,
wie tief der Edle schmachtet,
Wie frech der
Schlechte knechtet und meineidet,
Und wie er gleißt
und heuchelt und verachtet!
„Der Welt vor’s
Auge den Beweis zu strecken,
daß noch mein
Schwert das Recht vom Unrecht scheidet,
Ich hab’, Elende
bebt! ich hab’ noch Schrecken.“
XXVII.
Die Freiheit
schien für Corsika verloren,
Da plötzlich stieg
ihr held Renuccio wieder
Zum Volk aus
Schluchten des gebirgs hernieder,
Und hat zum Kampf
die Jünglinge beschworen.
Umsonst! die alte
Kampflust war vergohren,
Verschollen war
der Klang der Rachelieder,
Da barg er, wie
ein Aar in sein Gefieder,
In Felsen sich,
fern von der Städte Thoren.
Nur selten sah man
ihn noch da und dorten,
Und einst erschlug
er einen Feind und zeigte
Auf dessen Pferd
sich und mit Racheworten.
Ermordet lag er,
als der Tag sich neigte;
Und man begrub ihn
statt in Kirchhofpforten,
Wo Dickicht wilder
Rosen sich verzweigte.
XXVIII.
Daß keinen Sohn
ein Corsen-Weib gebäre,
So lang ein Genuese
herrsch’ im Lande,
Schwor
Vincentello, bis nicht solcher Schande
Ein Rächer käm’,
ein Retter Aller Ehre.
Verrathen und
verfolgt, bleibt nur im Meere
Ihm eine Zuflucht
noch vor Kett’ und Bande,
Doch da auch nimmt
nach hartem Widerstande
Der Feind die ihn
beschützende Galeere.
In Genua am
Aufgang zum Palaste
Schlug ihm, dem
Ruhelosen, Fürchterlichen,
Des Henkers
Schwert sein Haupt ab, das verhaßte.
Kein Augenblick
war thatlos ihm verstrichen,
Kein Tag nur, den
er ohne Kampf verpaßte,
Und keinem Feinde
war er je gewichen.
XXIX.
Umringt vom Feind,
von Felsen eingeschlossen
Sieht Sampiero
nah’n die Todesstunde,
Er ruft dem Sohn:
„Erhalte dich dem Bunde
Der Corsen,
letzter du von meinen Sprossen!“
Der Sohn gehorcht,
er selbst, zum Tod entschlossen,
Wirft in die
Gegner sich, aus mancher Wunde
Strömt schon sein
Blut, die Seinen in der Runde
Sind todt,
erschlagen hier, und dort erschossen.
Schon faßt er, die
Pistole loszudrücken,
Den Feind ins
Aug’, allein der Schuß versagte,
Und ein Verräther
schoß ihn in den Rücken.
So fiel, der
tausendmal sein Leben wagte
Für’s Vaterland,
deß Lorbeern stets ihn schmücken,
Ein Leu, auf den
so lang der Knechtssinn jagte.
XXX.
So, wie er muß, so
baut sein Haus der Biber,
Und immer gleich
der Bienenschwarm die Stollen,
Der Mensch jedoch
pflügt stets in neuen Schollen
Und schießt mit
immer stärkerem Kaliber.
Die hellen Köpfe
sind die Kegelschieber,
Die andern sind
die Kugeln, die nur rollen,
Wohin, wie weit,
wie hoch es jene wollen,
Denn freilich blieben
sie in Ruhe lieber.
das ist der alte
Tanz, und Bresche schießen
Die Jüngern in des
Alters volle Tasche,
Dagegen dieß sucht
streng sich abzuschließen.
Zuletzt, da wird
geblasen in die Asche,
Da wird gespart am
Flickwerk von Genießen,
Und angeklammert
an den Hals der Flasche.
XXXI.
Verdammen muß die
Menschheit das Verbrechen,
Wofür denn hätte
sie sich aufgerichtet
Aus roher Wildheit
und die Nacht gelichtet?
Was darf ihr tief
Gefühl für Recht bestechen?
Oft wagt’s selbst
nicht das Mitleid fürzusprechen,
Da selbst die
Gnade auf sich selbst verzichtet,
Doch wer hat euch
berechtigt und verpflichtet,
Den Mord durch
einen grausern Mord zu rächen?
O fragt euch, wie
es wohl um euch bestünde,
Hätt’ euch erzogen
in der gleichen dumpfen
Gemeinschaft euer Loos
mit Schmach und Sünde?
Halt ein, Sonett!
Du wirst dein Richtbeil stumpfen,
Doch „Heil und
Sieg der Menschlichkeit“ verkünde
Im voraus schon du
zu künftigen Triumphen!
XXXII.
Wie viele Zeit die
Reichen nur verschwenden
Sich aufzuputzen,
welche Zeit beim Mahle!
O stolze Fäulniß,
schmück’ dich nur und prahle,
Als könnte nie die
Herrlichkeit mehr enden.
Sie wollen nicht
als sich und andre blenden!
Denn glücklich
sind sie nicht, nur Lügen, schale,
Gehn über ihre
Lippen, Furcht nur, fahle,
Sitzt fest in
ihren ausgestopften Lenden.
Das Gold ist hart,
hart sind sie mit en Armen,
Unglück und
Unschuld sind ihr sichres Opfer,
Sie sind voll
Stolz und lächeln zum Erbarmen.
Die Zugeknöpften
da, die Ohrverstopfer!
Die kalten Herzen,
die durch nichts erwarmen,
an deren Thür
gehört ein starker Klopfer!
XXXIII.
Vergrämt hat euch
das Leben, euch vernichtet
Den Jugendtraum,
nun laßt ihr euch den Glauben
An Ideal und an
Begeistrung rauben,
Und habt auf jede
Hoffnung schon verzichtet.
Und immer mehr seht
ihr den Hain gelichtet,
Der einst euch
heilig war, und eng’re Schrauben,
Umziehn die Brust,
und immer fest’re Dauben,
Zuletzt seid ihr
moralisch hingerichtet.
Allmächtig ward,
worüber ihr einst lachtet,
Gewohnheit und
Alltäglichkeit indessen;
Schwer wiegt nun,
was ihr einst als Nichts betrachtet.
„Das Höchste was
der Mensch hat, ist sein Essen.“
Der Wahlspruch
gilt jetzt. Was ihr einst verachtet,
Seid ihr nun
selbst: verschollen und vergessen.
XXXIV.
Wofür verblutend
manches Herz gerungen,
Was Weise dachten,
daß dafür noch kecker
Als Kriegsheroen,
auf dem Meer Entdecker
In kaum geahnten
Welttheil vorgedrungen.
Was half’s? Was,
daß mit Feuerzungen
Die Wahrheit
sprach? Die Licht- und Thaterwecker
Stets wurden sie
durch blutige Vollstrecker
Von Arglist und
Gewalt erlegt, bezwungen.
Das Höchste fällt
in die gemeinsten Netze,
Das Reinste wird
an schlecht Metall gelöthet,
Als ob ein ew’ger
Hohn die Welt zerfetze.
Ein altes Weib hat
Mahomet getödtet,
Und vor Herodes
tanzte seine Metze,
Die Locken von des
Täufers Blut geröthet.
XXXV.
Die Waage, die das
Loos dr Völker schlichtet,
Ließ wieder sinken
ihrer Schaalen eine,
Gefesselt an des
Kaukasus Gesteine
Ward eine Freiheit
wiederum vernichtet.
Doch hat dagegen
sich die Nacht gelichtet
Im Land der
Schönheit und der Lorbeerhaine,
Damit es nicht den
Unterdrückern scheine,
Als würd’ auf ewig
ihnen Zoll entrichtet.
Wenn auch der
Freiheit letzte Kämpfer fielen,
Doch bliebe die
Natur mit ihr im Bunde,
Es würden
Wüstenei’n ihr zu Asylen.
Das Meer blieb’
ihre Wiege bis zum Grunde,
Und Berg’ und
Berge würden Thermopylen;
Der Willkür
schlug, der Knechtschaft letzte Stunde.
XXXVI.
Wie’s fluthet
durch die Gassen, die Bazare!
So komm, laß uns
den ganzen Markt durchstreifen,
Gehütet von des Reichtums
goldnen Greifen,
Liegt hier aus
aller Welt die Christmeßwaare.
Vom
Diamantenschmuck bis zum Flitterhaare,
Nach dessen
Goldglanz Kinderhändchen greifen,
Vom Atlaskleid bis
zu den Rosaschleifen
Sind Gaben da für
alle Lebensjahre.
Wie’s fluthet, drängt
und rauscht! In wie viel Herzen
Sind wie viel
Wünsche wach jetzt, bis nun wieder
Der Christschmuck
prangt, entfacht mit hundert Kerzen.
Dann wird es
still. Die Kerzen brennen nieder,
Und auch die
Wünsche so, die Träume, Wonnen, Schmerzen,
Und draußen durch
die Nacht wehn Engelslieder.
XXXVII.
Wer kniet heut
Nacht vor deinem Sarkophage,
Galla Placidia,
Haupt einst eines Reiches?
Ein Loos, so
wechselvoll, wie kaum ein gleiches,
Ward dir im
Weltbedrängniß deiner Tage.
Du hieltst in Glück
und Unglück ihm die Waage,
Stund’st jedem
Wechsel seines Wetterstreiches,
Schlug auch ein
Frau’nherz nur in dir, ein weiches –
Du sagtest: „Muth,
mein stolzes Herz, ertrage!“
Wen kümmert noch
dein Loos? Selbst nicht die Steine!
Dein Steinsarg
barst und Feuer durch die Spalte
Drang ein und fraß
dein glanzumhüllt Gebeine.
Vielleicht im
Goldgrund jene Lichtgestalten,
Die so voll Ernst
bei trüber Ampeln Scheine
Dort im Gewölb die
Todtenwache halten?
XXXVIII.
Mir träumte jüngst
von stolzen Schloßarkarden
Mit Götterbildern
an bemalter Decke,
Die Bäume
zugestutzt als feine Hecke,
Sie spielten, wie
hier alles, Maskeraden.
Der Lorbeer war
Poet und Serenaden
Entrauschten
seinem Laub in jeder Ecke,
Er sang, daß sie
mit Liebe nur ihn necke,
Der Pinie vor in
zärtlichen Tiraden.
Ein gift’ger
Bursch’ mit glänzender Perücke
Ließ sich in jedem
Gange sehn, die Myrthe
Am Spieltisch,
aber niemals recht bei Glücke.
Der Taxus war
Abbé, der schmachtend girrte
Zur schweigenden
Cypresse, die voll Tücke
Dem Falter nachsah,
der sie Nachts umschwirrte.
XXXIX.
Am Morgen nach der
Lust durchtanzter Nächte
Den Maskenanzug
noch auf meinem Kleide,
Erkenn’ ich nun zu
meinem größten Leide
Wie vieles ich
verlor durch fremde Mächte.
Wie viel hat Polen
mich, wie viel der ächte
Tscherkesse mich
gekostet, all’ die Seide,
Das Gold, die
Perlen, Waffen und Geschmeide!
Am meisten doch
war’s Spanien, das mich schwächte!
Als Lazaroni schon
kam ich mir theuer,
Doch theurer noch
zu stehn, obwohl bewundert
Als reicher Bauer,
jetzt erst drückt die Steuer!
Mit Bürgern aus
dem vorigen Jahrhundert
Hätt’ ich vor
lauter Staat in einer Nacht,
Als Necker beinah’
Staatsbankrott gemacht.
XL.
Von allen Masken
hatt’ ich mir die letzte,
Das letzte mir
erwählt von allen Loosen,
Das schwerste –
fern zu sein fortan vom Tosen
Des Weltlärms, der
mich doch so oft verletzte!
Dem Becher, dessen
Feuerquell mich letzte,
Rief ich leb’
wohl, leb’ wohl dem Liebeskosen;
Da sah ich
schönste dich von Edens Rosen,
Die Gott in dieses
Erdenthal versetzte.
Ach gönnt denn nie
das Schicksal uns die Narben,
Und die Betäubung,
wenn wir still geworden,
Im Wahn, daß alle
Hoffnungen schon starben.
Nein, immer wieder
um sie uns zu morden,
Bemalt der Tod
sich mit den hellen Farben
Von Freuden, die in
uns zertrümmert worden.
XLI.
Du weißt, das
heit’re Himmelsblau dort oben
Ein Schleier ist
es nur, dahinter lauert
Das tiefe Schwarz,
in dem das Weltall trauert
Um jeden
Lichtstrahl, der in Nichts zerstoben.
Die Hand des
Wissens hat ihn weggehoben
Den schönen Trug,
doch unsre Seele schauert
Vor jener Nacht,
die Alles überdauert,
Sie fühlt sich
bang von ihrem Graun umwoben.
Mit deinem
Schleier, Kind, dem himmelblauen,
Verhält sich’s
anders, der verhüllt gerade
Dein schön’res
Augenblau, dem darf man trauen.
Zum Himmel
blickend, denk’ ich oft: wie schade,
Er lügt! Jedoch in
deinen Blick zu schauen
Versöhnt mich
wieder und ich schenk’ ihm Gnade.
XLII.
Der Lorbeerrose
dunkelrothe Blüthe
In deinen Locken
war wie schlummertrunken
Auf deine weiße Schulter
hingesunken,
Dein Athem flog
und deine Wange glühte.
Du tratest zum
Altan, der Himmel sprühte
Im Glanz der
Mitternacht demantne Funken,
Und du hast still
empor zu Dem gewunken,
Der stets geschaut
auf deine Herzensgüte.
Er hat dir immer
treu den Arm geboten,
Er konnte
schützend immer dich erreichen,
Wo deinem
Seelenfrieden Feine drohten.
Nun schickt
herüber aus dem Land der Todten
Sein Geist dir
eine Flocke Schnee zum Zeichen,
Du mögest nicht
vom Weg der Unschuld weichen.
XLIII.
Oft wie ein Vorwurf
klingt es leise klagend
Mir in die Seele
tief von deinem Munde;
Ich weiß es ja,
ich hätte meine Wunde
Verschließen
sollen, standhaft dir entsagend.
Ich durfte, statt
so kühne Träume wagend
Dich stumm nur
lieben, segnen nur die Stunde,
Da ich dich fand,
doch nie zum inn’gen Bunde
Die Hand dir
reichen, streng mein Leid ertragend.
O wirf sie, wenn
dich meine Kränze drücken,
Wirf sie von dir,
verbiet’ mir, untersage,
Wenn dich es
schmerzt, mein frevelhaft Entzücken!
Anstatt auf Flügeln
dich emporzutragen,
Will ich mit einem
Trauerflor dich schmücken,
Wenn nur nicht
deine Blicke mich verklagen.
XLIV.
Hat nicht auch
dich der Irrthum müdgepeinigt,
Hat nicht auch
dich der Himmel längst verlassen,
Stehst nicht auch
du allein umringt vom Hassen,
Vom Hohn der Welt
getreten und gesteinigt?
Von Trug sind
unsre Seelen nun gereinigt,
Mir sehen jeden
Wahn vor uns erblassen;
Wie Wellen sich im
Wasserfall umfassen,
Laß in den Tod uns
gehen, frei, vereinigt!
Was hoffst du
noch? die Röthe deiner Wangen
Ist nur noch
Fiebergluth, und nur noch Fiebergluthen
Nährt unser
Hoffen, Streben und Verlangen.
Was hoffst du
noch, ein langsam still Verbluten?
O komm! ein
düstrer Tag ist untergangen,
Wie friedlich
liegt die Nacht auf jenen Fluthen!
XLV.
Erblick’ ich sie
mit schmuck und Ziergehenken
Im falschen Haar
beim falschen Kerzenschimmer
Die stolzen Damen
all’, so muß ich nimmer
An dich, mein
einam Kind, mit Wehmuth denken.
Wie du mit nichts
prangst, als mit den Geschenken
Die die Natur dir
gab, wie du im Zimmer
Allein jetzt
weilst bei deiner Lampe Schimmer
Und sich in
Wehmuth deine Blicke senken. –
Wenn ich das
denk’, wird seltsam mir zu Muthe,
Ich möcht’ am Weg
mich wie ein Bettler setzen
In Nacht und
Frost, als käm’ das dir zu Gute;
Als könnte Leid an
mir es dir ersetzen;
O fühl’s, daß ich
für dich im Stillen blute,
Daß Thränen mir um
dich das Auge netzen!
XLVI.
Manch
Hochgepries’ne kann doch nur gefallen,
Wenn sie
geschmückt ist, du schon, wenn ich sehe
Dich eifrig lesen,
dann, ja ich gestehe,
Dann bist die
Schönste du von allen, allen!
Wenn um dein
ernst’ Gesicht die Locken wallen,
Als ob ein sturm
des Geistes sie durchwehe,
Der dann in deine
Lippen übergehe,
Auf denen Worte,
scheint es, sanft verhallen.
Du senkst das Haupt
gedankenvoll zum Buche,
Und deine Hand
hält eine Blume spielend,
Als ob sie auch
bei ihr Verständniß suche:
Dein Blick, in
Tiefen der Betrachtung zielend,
Durchdringt den
Inhalt, ich indes, versunken
In dich, betrachte
dich nur, freudetrunken.
XLVII.
Hinunter sind sie
unversöhnt gestiegen,
Die ich geliebt,
ins Grab mit ihrem Grolle,
Sie ließen dem
Enterbten keine Scholle
Und keine Frucht
und keine Segnung liegen.
Dem Schatten der
auf mir lag, obzusiegen
Versucht’ ich lang
– umsonst! Komm’ nun was wolle,
Ich weiß, daß ich
kein Friedenswort mehr zolle
Dem Schicksal, das
ich nicht vermocht’ zu biegen.
Ich hab nur dich,
doch was ich auch verloren,
Durch deine Liebe
wird mir eine schöne
Versunk’ne Welt
noch einmal neu geboren.
Wie viele Stimmen,
wie verbundne Töne,
Sind theure
Schatten mir zurückbeschworen
Durch dich, daß
ich in dir sie mir versöhne.
XLVIII.
Gleichgültig seh’
ich’s jetzt, wie von der Linde
Das welke Laub
weht, auch die Dämmerstunden,
Die sonst ich ohne
Wehmuth nie empfunden,
Sind mir
gleichgültig jetzt wie Schnee und Winde.
Ob eine Zeit, ob
dies ob das entschwinde,
Mir gilt es
gleich, ich habe dich gefunden,
Mein Tag bist du,
so ist mir nichts entschwunden,
So lang’ ich dich,
in dir den Himmel finde.
War’s nicht im
Herbst, in einer jenen langen
Spätdämmerungen?
Ich hatte dich begleitet,
Und durch die
Heide kamen wir gegangen;
Sieh, jener Stern,
der durch die Nebel gleitet,
Glomm dort wie
heut von Wolkendunst umfangen,
Doch all sein
Glanz schien nur um dich gebreitet.
XLIX.
Wenn mich die Welt
mit hohlen Redensarten
Schon fast
erstickt hat, und es mir so bitter
Und elend wird,
dann als mein Samariter
Sprichst du zu mir
mit Worten, wunderzarten.
Mit Worten, die
den süßen Duft bewahrten,
Den nur ein edles
Herz hegt, keine Flitter,
Kein Falsch – die
auch versteht kein Dritter,
Obwohl sie nichts
als Wahrheit offenbarten.
Einst, wenn mich
alle längst vergessen haben,
Dann kommst doch
du, und legst mir Lorbeerzweige
Aufs Kreuz hin,
unter dem ich bin begraben.
Vergib, daß deinen
Preis ich nicht verschweige:
Was tief ist, das
allein ist auch erhaben;
Was stolz
zurückhält, werth, daß sich es zeige!
L.
Athene, der du
gleichst, sie hat gewaltet
Im Bildungsgang
der Menschheit zu der Sitte,
So war sie auf dem
Parthenon in Mitte
Der Götter
abgebildet, schön gestaltet.
Von ihr kam, was
die Macht der Kunst entfaltet,
Zu ihr alljährlich
kam im Chortanzschritte
Der Festzug, ihr
vor allen galt die Bitte
„Ihr hohen Götter
schützet und erhaltet!“
Ich sah dich
einstmals mir entgegenkommen –
Bedeutungsvoll
genug, - beim Säulengange
der Propylä’n, der
Abend war erglommen;
Es war die Zeit
vor Sonnenuntergange
Ich hab’, o Muse,
deinen Wink vernommen,
Du riefest mich
noch einmal zum Gesange.