1827 – 1879 (Veranlaßt
durch ein Sonett von Emil Deschamps)
Ich lese sinnend das Sonett
zuweilen,
Mit dem an Camoes sich Tasso wendet
Und ihm vom Ruhm der Zeit die
Hälfte spendet,
Wie in ein Reich zwei Könige
sich teilen.
Doch beide hat das Los mit
gift’gen Pfeilen
Verfolgt, da dieser sein
Gedicht vollendet
Im Irrenhaus und jener ihm gesendet
Aus dem Spitale seine
Antwortzeilen.
Wie mancher mißt sich heut mit
diesen Riesen
Und will verkannt, wie Tasso
unterdrückt sein,
Und elend gleich dem großen
Portugiesen!
Doch scheint mir, daß die
Ähnlichkeit mit diesen,
Daß der Beruf durch Hunger und
Verrücktsein
Und Verseschreiben keineswegs
bewiesen.
1827 – 1879
Gern mag ich, wenn sie abends
sich beleben,
Die Strada Nova hin und Balbi
schreiten,
Wo, wie ein Lenz der Kunst,
auf beiden Seiten
Die schweigenden Paläste sich
erheben.
Und träumend laß ich euch
vorüberschweben
Im Glanze längst begrabner
Herrlichkeiten,
Ihr stolzen Nobili der alten
Zeiten,
Und euer üppig reichbewegtes
Leben!
Hier wehten Pfauenfächer,
goldne Schleppen
Durchrauschten diese
pompgeschmückten Säle,
Und Fürsten harrten auf den
Marmortreppen.
Indessen trugen keuchende
Kamele
Euch Asiens Reichtum her durch
ferne Steppen,
Und auf dem Mittelmeer gabt
ihr Befehle.
1827 – 1879
I.
Anmut’ge Märchen wunderbaren
Klanges,
Naive Weisen dir vom Munde
quellen,
Drin Liebe sich und Spott und
Witz gesellen;
- Das sind die Seelen deines
Zaubersanges.
Doch oft auch zuckt ein Weh,
ein schrilles, banges,
Wie Möwenschrei ob
dunkelblauen Wellen; -
Dazwischen blüht der Lotos,
und Gazellen
Beschauen sich im stillen,
heil’gen Ganges.
Den schlanken Nixen gleichen
deine Lieder,
Den zauberhaften, die du oft
besungen; -
Im Mondschein schimmern ihre
weißen Glieder.
Wie mancher taucht, von ihrem
Sang bezwungen,
Sich in die blaue Flut der
Dichtung nieder!
Doch keiner außer dir hat sie
umschlungen.
II.
Wer kennt sie nicht, die
täglich abgeschmachter
Den sittlichen Verfall er Zeit
beweinen! –
Sie wollen das Talent dir
nicht verneinen,
Doch Würde und moralischen
Charakter.
Sie finden es obszön, daß
selbst in nackter
Schönheit die Götter des
Olymps erscheinen; -
Apollo sollte Hosen tragen,
meinen
All diese ethisch-kritischen
Kalfakter.
Doch, eine schlanke, lose
Bajadere,
Hat deine Muse spielend dies
Gelichter
Vernichtet mit des Witzes
scharfer Wehre.
Wann endlich ahnt dies Volk
der Afterrichter,
Daß nur das Plumpe und
Gedankenleere
Im Reich des Schönen Sünde sei
dem Dichter?
1827 – 1879
Wie lieb ich jene Zeit, wenn
schwach und schwächer
Der Tag verhallt mit seinen
lauten Stimmen,
Und wenn im Grau der Dämmerung
verschwimmen
Bastei und Aquädukt und flache
Dächer!
Denn, wenn die Nacht ausspannt
den dunklen Fächer,
Darin der Sterne Diamanten
glimmen,
Wenn Nachtigallen weich zur
Klage stimmen,
Dann, scheuen Schritts,
verläßt du die Gemächer.
Ich aber harrer dein, wo unter
düstern
Weinranken, die die laue Nachtluft
würzen,
Mich Marmorsphinxe ansehn weiß
und lüstern,
Bis du dich nahst, in meinen
Arm zu stürzen,
Und fester nur mit deinem
süßen Flüstern
Des eignen Lebens Rätsel mir
zu schürzen.
1827 – 1879
Mein Streben war ein ewiges
Verneinen,
Ich wußte nichts zu schaffen,
nichts zu bauen;
Untätig schweift ich tagelang
in rauhen
Pfadlosen Gegenden, in dunklen
Hainen.
Und oftmals mußt ich weinen,
bitter weinen,
Sah ich mit braunem Antlitz,
buschgen Brauen
Vergnügt den Hölzer seine
Tannen hauen:
Dem wurde ein Beruf, ich hatte
keinen.
Da kamst du und du gabst mir
eine Richtung,
Du wußtest meine Seele wach zu
küssen,
aufschloßt du sie mit einem
Mosesstabe –
Und hochauf sprudelte der
Quell der Dichtung.
Drum leg ich diese Schöpfung
dir zu Füßen:
Es ist nur Rückerstattung
deiner Gabe.
1827 – 1879
Gesegnet bist du, Kunst! Du
kannst das Sinnen,
Das schöpfrische, des
Weltengeists belauschen,
Die großen Völkerströme hörst
du rauschen
Und hörst den Quell in jedem
Herzen rinnen.
Und wie des Menschen Dasein
und Beginnen
Ein kurzes Träumen, Hoffen,
Sichberauschen,
So muß in ewigem Vergehn und
Tauschen
Das Größte selbst, das
Herrlichste von hinnen.
Du aber mit melodischen
Gewalten
Vermagst in Maß und Wort, in
Farb und Tönen
Vergangnes neu und dauernd zu
gestalten.
Gesegnet bist du, Priesterin
des Schönen!
Dir gab ein Gott, das
Flüchtige festzuhalten
Und mit dem Tod das Leben zu
versöhnen.
1827 – 1879
Zwar winkt hier der Genuß
gleich Marmorbüsten,
Die lüstern weiß aus dunklen
Hainen lauschen,
Und beut in ewig wechselndem
Berauschen
Befriedigung den leisesten
Gelüsten.
Doch laß ich täglich längs den
reichen Küsten
Vom leichten Winde meine Segel
bauschen,
Den offnen Arm der Wollust zu
vertauschen
- O Einsamkeit! mit deinen
reinen Brüsten.
Erst jetzt begreif ich, wie
hier an der Sonne
Der Mensch mit souveränem
Hochvergnügen
Sich dehnt, ein Diogen selbst
ohne Tonne.
Fast wähnt der Einzelmensch
mit seinen Flügen
In diesem Land, auf das Gott
alle Wonne
Bachantisch ausgoß, selbst
sich zu genügen.
1827 – 1879
...Und doch ward das Genie von
jenem Greisen
Bettler von Chios bis zu
unsern Tagen
verkannt, gehetzt von Hunger,
Not und Plagen,
wie die Annalen jedes Volks
beweisen.
Vielleicht die größten Dichter
sind’s und Weisen,
die ungekannt dem Elend
unterlagen
und unerforscht wie die
erhabnen Fragen
der goldnen Sterne, die am
Himmel kreisen.
Doch sind’s nicht jene
lärmenden Genossen,
die ihre Schmerzen aus
beredtem Munde
auf Markt und Gassen vor der
Welt ergossen.
Nicht kokettierend mit der
eignen Wunde,
nein, stolz und trotzig in
sich selbst verschlossen
und lautlos gehn die Besten
oft zugrunde.
1827 – 1879
Was Großes hier dem Geist
gelang zu bauen,
Und was dem Fleiße, Dauerndes
zu stiften,
Füllt mehr als alle Weisheit
trockner Schriften
Die Seele mir mit Mut und
Selbstvertrauen.
Doch dies gewaltige Meer, die
goldnen Auen,
Die Kunst mit Meißel und mit
Farbenstiften,
Nichts stillt mein Heimweh
nach den Alpentriften,
Nach all den teuren,
wohlbekannten Gauen.
Im Hochland siehst du dort
noch stets die derben
Urenkel Tells; das reiche Land
der Tiefe
Bewohnt ein Vol mit blühenden
Gewerben,
Ein Volk, wenn heut das Horn
von Uri riefe,
Noch fähig, mit dem Herzblut
aufzufärben
Die blasse Schrift der alten
Freiheitsbriefe.
1827 – 1879
Nicht, daß ich dies Bestreben
nicht erfasse,
Des Stoffs sich, der Materie
zu bedienen;
Schon brach der Geist mit
Dampf und Eisenschienen
Der Bildung und der Freiheit
eine Gasse.
Nur das Extrem der Zeit ist’s,
das ich hasse. –
Die Menschheit ward, so hat mir
oft geschienen,
Zu einem ungeheuern Schwarm
von Bienen. –
Utilität! das ist der Ruf der
Masse.
Durch solch ein Leben, das den
Tieren eigen,
Erwerb, Krieg, Kinderzeugen
und so weiter,
Bringt ihr das Edelste in euch
zum Schweigen.
Wenn nicht, wie uns die
heitern Griechen zeigen,
Auch euch das Schöne wird zur
Himmelsleiter,
Drauf Götter zu den Menschen
niedersteigen.
1827 – 1879
Die Nacht ist still, die Lüfte
wehen linde; -
Rings auf der Welt liegt ein
elegisch Träumen.
Die Blätter lispeln leis nur
an den Bäumen
Wie Seufzerhauch von einem
kranken Kinde.
Ein leuchtender Gedanke, pfeilgeschwinde
Aufzuckt der Blitz; - empörte
Wogen schäumen;
Hinjagt das Roß des Sturms,
wer will es zäumen? –
Der Himmel weint, als ob er
Schmerz empfinde.
So gilt das stete Klagen
deiner Zither
Der Kreatur, die um Erlösung
fleht
Und Freiheit heischend, pocht
am Kerkergitter.
Es ist der Schmerz, der durch
die Schöpfung geht
Im Windessäuseln, wie im
Ungewitter,
Vom milden Hauch der Poesie
umweht. -
1827 – 1879
Wenn Tränen aus dem Aug’, dem
blauen, tauen,
An üpp’gen Lippen mit
Verlangen hangen,
Das bleicht der jugendlichen
Wangen Prangen; -
Drum wollt’ ich nie mehr
schöne Frauen schauen.
Mein Haus wollt’ ich auf luft’gen
Auen bauen; -
Da ließ ich mich von
Liederschlangen fangen,
Die mich zu zärtlichem
Umfangen zwangen,
Doch nie mehr wollt’ ich
diesen Schlauen trauen.
Nun ist der Frühling über
Nacht erwacht,
Es lassen sich auf duft’gem
Flieder nieder
Waldvöglein, die von
Wunderdingen singen!
Nun fürcht ich fast, daß auch
die Pracht, entfacht
In meiner Brust – daß mich die
Lieder wieder
Und auch die Fraun in ihren
Schlingen fingen.