1786 – 1825
Es träumte mir, ein Greis mit
Silberhaaren
Entführte mich auf eines
Schlosses Zinnen;
Mit Wonne noch bewegt es meine
Sinnen,
Wie mir geschah, als wir da
oben waren.
Ich sah die Schiff’ und Wimpel
unten fahren,
Durch offne Gauen edle Ströme
rinnen;
Ich sah den Wäldern Jägernez’
entspinnen.
Ich sah am Quell die Hirsche
bei den Aaren.
Viel Städte schaut’ ich, hoch’
und niedre Thürme,
Den Blick umfing ein stolzes
Wohlbehagen
Bei diesen Märkten, Straßen,
Gärten, Thoren.
Mit einmal tönt es hohl, als
ob man stürme;
Der Greis verschwand, ich
hört’ ihn nur noch sagen:
„Dies war das Paradies, das
ihr verloren.“
1786 – 1825 Willst du der wahren Demut
Preis empfangen,
So sei des höhern Zieles
unvergessen,
So meide stets, mit denen dich
zu messen,
Die, kürzern Arms, dir selbst
nicht nachgelangen.
Nur höh’re Palmen strebe zu
erlangen,
Und fühlst du dich vom Druck
zu Boden pressen,
Dann übe dich, die Fernen
auszumessen,
Die zwischen dir, der Palm’
und dem Verlangen.
Wo mit Bescheidenheit die
Kraft sich gattet,
Für solche Stirn allein ist
sie erwerblich,
Die hohe Demut, die uns grün
umschattet.
Doch Stolz ist jedem, der ihn nährt
verderblich:
Doch Kleinmut, der schon vor
dem Flug ermattet,
Erzittert vor den Werken, die
unsterblich.
1786 – 1825 O Zaubernetz aus vierzehn
goldnen Schlingen!
Woselbst, von Lust gelockt und
von Verlangen,
Im seidnen Kerker Fantasie
befangen,
So zarte Tön’ und hohe pflegt
zu singen!
Wie gern verwirr ich mich mit
diesen Schwingen
In deiner Fäden farbeglänzend
Prangen,
Die, wie sie mich im leichten
Spiel umschlangen,
Mich anmutsvoll, von selbst dem
Netz entringen:
Laß immerhin vom Pöbel dich
verhöhnen
Laß immerhin die große Schar
der Affen
Ihr geistlos Spiel mit deinen
Knoten treiben;
Mir wirst du stets ein Sitz
voll Schattens bleiben,
Und jene Welt, die sich der
Geist geschaffen,
Vertrau ich dir in meinen
deutschen Tönen.
1786 – 1825 Aus
stillem Grün, das kräftigend beschränket,
Bin ich ins leichte Blau
hineingekommen,
Hat das Unendliche mich
hingenommen,
Als sanftes Meer mich in sich
selbst versenket.
Vom heitern Licht ist diese
Flut getränket,
Ein Sonnenstrom kommt linde
hergeschwommen,
Als wären sie zu luftger Flamm
entglommen,
Glühn Wipfelsäulen,
tempelgleich verschränket.
Doch ist der Seele selger
Traum erfüllet?
Nimmt oder gibt ihr Wehmut
diese Bläue,
Die weit ins Grenzenlose sich
verlieret?
Nie wird hier ganz von Flor
die Fern enthüllet,
Doch dieser Duft um well und
Bergesreihe
Wird Flamme, die zum Flug die
Schwinge rühret.
1786 – 1825 Wer,
von der höchsten Liebe angeglommen,
Im Sehnen nach dem Drüben sich verzehret,
Wer hier schon jenen Welten angehöret;
Der wird alsbald der Schmerzlichkeit entnommen.
Der Ruf von oben ist zu ihm gekommen,
Verweht die Stimm’, die unser Herz gehöret,
Die letzten Töne klangen schon verkläret,
Aus lichten Glorien schienen sie zu kommen.
Ein heilig Hochamt war dein innres Leben,
Gestirne, Blumen, Kreatur, Gebirge,
All kamen sie zur Wallfahrt hergezogen.
Da mußte sich des Münsters Decke heben,
Die Engel stiegen betend in die Kirche,
Musik erklang, du warst zu Gott entflogen.
1786 – 1825 Unruh’ge
Wünsche sind geheime Kunden
Von
gleichem Sehnen, zarter Gegenliebe,
Daß sich der Himmel auch um uns betrübe
Und Schmerz nach uns, der Heimat fern, empfunden.
Laß immerhin dich durch und durch verwunden,
Erkranke recht im namenlosen Triebe,
Und wenn das Herz süßblutend offen bliebe,
Senkt Himmel wurzelnd sich in deine Wunden.
Die Wurzeln wachsen tief ins durst’ge Herze;
Drängend auflodern sie die leichte Erde
Und ziehn sie mit sich fort zum Ätherreiche.
Verdüftend stirbt der Wunsch im glühnsten Schmerze,
Weiß, daß er auch geliebt, gefunden werde,
Das Waldhorn sagt ihm, wo er Lieb erreiche.
1786 – 1825
Entfalten sich im Abendstrom die Blüten,
Da läuft zuerst ein Schaudern durch die Schäfte,
Zusammendrängend sprudeln alle Säfte,
Es will sich keiner vor dem andern hüten.
Bis sie zur Einigung sich sanft geschieden,
Ziehn durcheinander die geweckten Kräfte,
Ein jedes ringt, wie es den Feind entkräfte,
Eh’ sie versöhnt ein sehnsuchtsvolles Brüten.
Wenn sich vor ihnen Abendröt’ entschleiert,
Da fühlen alle nur das eine Streben:
Daß in die Süße dort ihr Leben flüchte.
Es rauscht die Knospe voll in sich, und feiert,
Das Chaos schweigt, wie Eros Flügel beben,
Der Blumengeist verströmt im Abendlichte.
1786 – 1825 Das
Recht verjährt, das Unrecht nimmermehr.
Drum schlägt’s die Wurzeln grimmig in die Erde,
Und mit des Drachen lauernder Geberde
Bewachts die goldne Frucht, von Flüchen schwer.
Drum kämpfet für des Rechten Wiederkehr,
Ihr Griechen, lang’ vom Wolf zerfleischte Heerde,
Lang fortgeschleift vom schnöden Siegespferde
Des Türken, schafft euch freies Land und Meer.
Das tiefste Leben fragt nicht nach der Zeit,
Jahrhunderte habt ihr wie todt gelegen,
Und werdet nun an Einem Tag befreit.
Der Himmel weiß noch Kräfte zu bewegen,
Nie unterliegt Sein Engel in dem Streit,
Ob Tausende der Seinen unterlägen.