Daniel Caspar                Umschrift eines Sarges

von Lohenstein

1635 - 1683

Irdisches und sterblich Volk, lebend-tote Erdengäste,
Ihr Verwürflinge des Himmels, ihr Gespenste dieser Welt,
Denen nichts als falsche Ware, nichts als Rauch und Wind gefällt,
Närr'sche, klettert und besteigt die bepalmten Ehren-Äste,

 

Setzt euch Säulen von Porphyr, mauert euch aus Gold Paläste,
Festigt Tempel euch aus Marmel, der die Zeit die Waage hält,
Rafft zu euch mit gicht'gen Klauen den verdammten Klumpen Geld,
Macht euch euer stolzes Lob durch gelehrte Schriften feste.

 

Aber wißt, wann das Verhängnüs euer Lebensgarn reißt ab,
Schwindet Wissenschaft und Kunst, Schätze, Reichtum, Ehr und Titel,
Und ihr nehmet nichts mit euch als den nackten Sterbekittel:

 

Wo ihr anders aus dem allen noch erschwitzet Sarg und Grab.
Tausend, tausend sind gewest, die mich nicht erlangt noch haben,
Die die Lüfte, die die Glut, die der blaue Schaum begraben.

 

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                ΟΒΙΟ ΕΣΤΙ ΚΟΛΟΚΥΝΘΗ

von Lohenstein

1635 – 1683

I.

 

Dies Leben ist ein Kürbs, die Schal ist Fleisch und Knochen,

Die Kerne sind der Geist, der Wurmstich ist der Tod;

Des Alters Frühling malt die Blüte schön und rot,

Im Sommer, wenn der Saft am besten erst soll kochen,

 

So wird die gelbe Frucht von Käfern schon bekrochen,

Die morsche Staude fault, der Leib wird Asch und Kot;

Doch bleibt des Menschen Kern der Geist aus aller Not,

Er wird von Wurm und Tod und Krankheit nicht gestochen.

 

Er selbst verursacht noch, daß eine neue Frucht,

Ein unverweslich Leib aus Moder, Asch und Erde

Auf jenen großen Lenz im Himmel wachsen werde.

 

Warum denn, daß mein Freund mit tränen wieder sucht

Die jetzt entseelte Frau? Die Seel ist unvergraben,

So wird er auch den Leib dort schöner wieder haben.

 

 

 

II.

 

Der Hoffnungs-Bau ist Fall, die Blüte faulend Most,

Eis, Trübsand ist das Feld, wo unser Mut uns blühet.

Wenn man den Ehrenzweck beim Lichten recht besiehet,

Hat Erde, Sand und Sarg uns so viel Müh gekost.

 

Wir ätzen Marmel aus nur für der Zeiten Rost,

Der Wurm ist, was er spinnt, der Mensch, was er erziehet,

Ja was er betet an, selbst zu zerstörn bemühet,

Und unser Sonnenschein hegt morgen Haß und Frost.

 

So wendet sich das Blatt. Wohl dem, der ihm nicht traut,

Mein Freund, der nicht als sich im Leben wolln besiegen,

Muß durch den giftgen Hauch des Todes zwar erliegen.

 

Wohl aber ihm, daß er kein Luftschloß hat gebaut!

Denn seiner Seele Bau, worinnen er itzt wohnet,

Bleibt von der Zeit und Tod und Untergang verschonet.

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                Die Augen

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Last Archimeden viel von seinen Spiegeln sagen

Dadurch geschlieffen Glaß der heißen Sonne Rad

Der Römer Schiff’ und Mast in Brand gestecket hat,

Die in der Doris Schooß für Syracusa lagen.

 

Den Ruhm verdienet mehr der güldnen Sonne wagen

Als Archimedes Kunst und seines Spiegels Blatt.

Denn diß sein Meisterstück hat nur an Dingen statt

An denen iede Glutt pflegt leichtlich anzuschlagen.

 

Jn deinen Augen steckt mehr Nachdruckt, Schwefel, Tag,

Als holer Gläser Kunst, der Sonnen-Strahl vermag.

Ja ihr geschwindter Blitz hat vielmehr Macht zu brennen;

 

Sie zünden übers Meer entfernte Seelen an,

Und Hertzen, enen sich kein Eiß vergleichen kan.

Sol man die Augen nun nicht Brenne-Spiegel nennen?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daniel Caspar               

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Der Helden Geist ist Stahl, ihr Hertz aus Diamant,

Wenn es mit Männern kampfft; alleine Wachs, bey Frauen

Denn Adler lieben zwar nur Adler, Pfaue Pfauen

Doch Alexandern zwingt der geilen Thais Brand

 

Die Spindel Omphalens entweiht Alcidens Hand,

Achilles, wenn er lieb’t kriegt für dem Krieg’ ein Grauen,

Anton stirbt als ein Weib in einer Mohrin Klauen,

Ja auch der Götter Lieb’ ist Wahnwitz anverwand.

 

Fürst Herrmann aber liebt mit grosser Tapfferkeit;

Denn er vermählet ihm Minerven mit Thußnelden,

Sie ihr den Hercules mit Deutschlands grossem Helden;

 

Und zwischen beyden ist kaum einig Unterscheid.

Man weiß nicht, wer sey Mars, wenn sie die Waffen üben;

Nicht, wer die Liebe sey, wenn sie einander lieben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                Auf die heilige Christnacht

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Sei tausendmal von mir bewillkommt und empfangen,

Du güldne Nacht, für der die Tage Nächte sind!

In welcher aller Dunst und Finsternis verschwindt,

Nachdem die Sonnen-Sonn in dir ist aufgegangen.

 

Der lichte Jakobsstern, der durch sein armes Prangen

Den himmelhellen Glanz des Heiles angezündt;

Willkommen, güldne Nacht! in der das große Kind

In Glaubenswahrheit kehrt das zweifelnde Verlangen.

 

Erleuchte du mich auch, o Sonne meines Herzen!

Ach zünde doch in mir die Andachts-Fackel an,

Daß ich den Weg zu dir, mein Heiland, finden kann!

 

Vertreib die Sündennacht mit deiner Gnadenkerzen!

Denn wer in dieser Nacht nicht fühlet Tag und Licht,

Hat Anteil an der Höll, am Himmel aber nicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                Das Herz

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Nicht zürne, daß mein Herz so heißen Brand ausübet,

Weil deine Schönheit selbst der Flammen Zunder hegt,

Schuld und Entschuldigung in ihren Augen trägt.

Das Meer kann nicht dafür, daß sich der Himmel trübet,

 

Sich mit den Wolken armt, der Erde Dünste liebet;

Die Sonne ist’s, die das Salz in allen Dingen regt,

Der Klüfte Glut beseelt, den Geist der Welt bewegt,

So Schnee als Eise Brand, den Steinen ‚s Leben giebet.

 

Soll meine Seele nun entseelter als ein Stein,

Mein Herze frostiger als Eisezapfen sein?

Es brennt und ist von Lieb als schmelzend Erz zerronnen;

 

Denn Lieb ist ja die Glut der Seelen, sie erfüllt

Mit Feuer unser Herz, das aus den Augen quillt;

Die sind der Liebe Brunn, der Seelen ihre Sonnen.

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                Jesus stirbt

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Wird euer Glaub auch hier, ihr Serblichen, zu klein?

Daß Gott, des Lebens Brunn, hier muß sein Leben schlüssen?

Daß Gott, dem Öl und Licht die Sterne danken müssen,

Sein himmlisch Antlitz hüllt in Sterbe-Kittel ein?

 

Die irdsche Sonne, die von jeher borgt den Schein,

Malt euch lebendig für mich schwarzen Finsternüssen:

Es sei in der Natur nicht nur ein Draht zerrissen,

In der Dreieinigkeit müss’ eine Leiche sein.

 

Nicht ärgre, Seele, dich! Bestürzte, zweifelt nicht!

Glaubt ihr, daß euer Gott der wahren Gottheit Licht

Ließ werden Mensch und Fleisch, das Licht euch zu erwerben,

 

So glaubt auch, daß Gott stirbt. Denn zwischen Mensch und Gott

Ist ein viel ferner Ziel als zwischen Mensch und Tod;

Mehr, daß Gott wird ein Mensch, als daß ein Mensch kann sterben.

 

 

 

 

Daniel Caspar

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Heb Rom Lucretien bis an das stern-gerüste!

Weil sie in adern-brunn den kalten stahl gesteckt,

Nachdem sie von Tarquin durch ehbruch war befleckt,

Hier dringt ein reiner dolch durch unbefleckte brüste.

 

Lucretia ließ zu vorher die schnöden lüste.

Olympia hat nichts von geiler brunst geschmeckt,

Die ihren helden-arm zu strenger rach ausstreckt,

Eh, als zum ersten mahl sie Artabazes küßte.

 

Lucretia verschrenckt dem schänder nur den thron;

Hier büßt der fürsatz ein lust, ehre, leben, kron.

Die nachwelt wird gestehn, die beyder bild wird sehen;

 

Gold, ertz und marmel sey Olympien zu schlecht,

Lucretzen holtz zu gut; Lucretzen sey nur recht,

Olympien zu viel durch ihren stich geschehen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Daniel Caspar                Sonnet an Mirabellen

von Lohenstein

1635 – 1683                                        Es wundert mich nicht sehr, daß Golgerus Melinden

Bald Mirabelle täufft, bald ein vergöttert kind;

Weil ihre zierden ja fast mehr als göttlich sind,

Die auch schon schimmernd stroh sind mächtig zu entzünden.

 

Der glieder haut gleicht sich der weichsten bircken-rinden,

Der augen gold, das fast den agtstein überwindt,

Aus denen thränen-saltz wie fette milch abrinnt,

Ist gut, daß Venus ihr daraus läst fackeln winden.

 

Ihr haar, der liebes-strick, ist weisser als der schnee,

Die lippen dörffen nicht den blausten veilgen weichen,

Kein mahler kan so gut das wang’ als sie bestreichen;

 

Den brüsten mangelt nichts als eine runde höh,

Das rothe feuer strahlt ihr sichtbar aus den augen.

Warum denn solte sie dem Golgerus nicht taugen?