Wilhelm Müller                      Die Monate

                                                               An Ludwig Sigismund Ruhl

 

Ich zog mit dir aus Roma’s heil’gen Mauern,

Den Rücken jenen Fluren zugewendet,

Wo sich der Himmel nimmer müde spendet

Mit seines Füllhorns frischen Blumenschauern.

 

Da faßte plötzlich dich ein heißes Trauern,

Das über ihren Strom dir nachgesendet

Die Stadt, der du, ich weiß nicht was, verpfändet;

Ich hörte deine Seufzer mit Bedauern.

 

Germania, mach’ auf dich ohne Weilen,

Geschmückt mit aller deiner reize Waffen,

Den hart gefeiten Flüchtling zu begrüßen!

 

Heiß’ der zwölf Monde Schaar voraus dir eilen,

Und was ein jeder Bestes kann erschaffen,

Leg’ er als Angebind’ ihm gern zu Füßen!

 

 

Jannuar

 

Ich bringe dir in weißen kalten Händen

Ein warmes Haus, erhellt von tausend Kerzen,

Bewohnt von bunten Spielen, Tänzen, Scherzen,

Von Amoretten auch, die Pfeile senden.

 

Sie flattern auf und ab an allen Enden,

Die Jungfrau schaut besorgt nach ihrem Herzen,

Die andre schon nach Einem, der den Schmerzen

Der Wunde möchte süßen Balsam spenden.

 

Als hilfreich hab’ ich immer dich erfunden,

Vor Allem, wo es gilt den schwachen Schönen;

D’rum denk’ ich, wird sie nicht bis morgen klagen.

 

Bald sind verraucht des Festes heiße Stunden,

Schon hör’ ich Hufschlag’ vor dem Thore dröhnen:

Reich’ ihr den Arm und führe sie zum Wagen!

 

 

Februar

 

Erkennst du mich in meinem bunten Kleide,

Mit meiner Pritsche, meinem Schellenhut,

Mit meinem unermüdlich krausen Muth,

Voll Scherz und Rank, und Witz und Schadenfreude?

 

Doch zapft man hier, zu meinem großen Leide,

Mir jährlich ab ein Becken wildes Blut;

Humanitas meint es mit mir nicht gut

Und schwärzt mich an mit unhumanem Neide.

 

Ich darf nicht frei mehr durch die Straßen wandern,

In enge Säle schließen sie mich ein

Und wollen gar, ich soll vernünftig sein.

 

Wie thut mir’s weh um dich vor allen Andern!

Ich möchte gern dich römisch-lustig sehn,

Und müßt’ ich selbst dabei zu Grunde gehn.

 

 

März

 

Mit einem Strauß von Blumen, die mit Schneee

Die kleinen weißen Kelche gern bedecken,

Möcht’ ich, wie sie, mich deinem Blick verstecken,

Weil ich allein so ärmlich vor dir stehe.

 

Wohin ich auch nach bessern Gaben spähe,

Nur Keim und Knospe find’ ich aller Ecken;

Wohl möcht’ ich Laub und Blüthe dir erwecken,

Doch fürcht’ ich sehr, mein Hauch thät ihnen wehe.

 

So nimm denn, was ich bringe, als zum Pfande

Der schönen Zeit, die ich nur darf verkünden,

Daher sie mich den Mond der Hoffnung nennen;

 

Und wann der Wonnemond regiert im Lande,

Wirst du Erfüllung auf den Fluren finden,

Und ungelöscht soll die kein Wunsch verbrennen.

 

 

April

 

Leichtsinnig, launisch, neckisch, ausgelassen,

Wandl’ ich in jeder Stunde Leib und Sinn:

Kaum weiß ich selbst, wie ich beschaffen bin,

Wie sollen mich die fremden Leute fassen?

 

Hier werf’ ich einen Schneeball durch die Gassen,

Dort schweb’ ich blau in jungen Düften hin,

Bald streich’ ich sanft der Schönen weiches Kinn,

Bald sagen sie, ich wäre grob im Spaßen.

 

Gern wollt’ ich dir noch Vieles von mir sagen,

Doch drückt mich des Sonettes enges Band,

Das mir die Muße um den Mund geschlagen.

 

Sie sprach: Ich kenne dich als ungezogen,

Und jener Herr hat in dem welschen Land

Der besten Sitt’ als Kavalier gepflogen.

 

 

Mai

 

Ich möchte schweigend, Lieber, dich umfangen,

Gehüllt in süße, bange Dämmerungen;

Es wird so viel zu meinem Preis gesungen,

Daß mir die Lust am Liede fast vergangen.

 

Wärst du so heiß von seligem Verlangen

Wie eine Lilie, deren weiße Zungen

Den langen Tag nach kühlem Trost gerungen,

Bis daß sie müd’ und matt zur Erde hangen:

 

Komm her zu mir, ich gebe dir zu trinken,

So viel du magst, mein treuer deutscher Zecher,

Aus meinem bodenlosen Liebesbecher!

 

Siehst du die hellen Thauestropfen blinken

Dort an den Lilien in der Morgensonne?

Wie mäßig schaltet ihr mit meiner Wonne!

 

 

Juni

 

Ich trag’ ein Kleid von weichen Rosenherzen,

Ich schlaf’ in einem Bett von Rosenduft,

Bis mich der rosenrothe Morgen ruft,

Ein Stündlein in den Knospen zu verscherzen.

 

Der Mittag liebt ein herzlicheres Herzen,

Dringt heiß bis in des Kelches tiefste Kluft:

Da fliegt manch’ Rosenblättchen durch die Luft,

Und seufzt von bittrer Luft und süßen Schmerzen.

 

Der Abend kommt, den Blumen Trost zu geben,

Die matt und blaß in seinem Thau sich baden,

Bis allen ihren Zorn sie ausgekühlt.

 

Behagt dir, Freund, dies rothe Rosenleben,

So sei von mir auf morgen eingeladen,

Denn alle Tage wird solch’ Spiel gespielt.

 

 

Juli

 

Auf kühlen Bergen, an des Meeres Strande,

Ist mir ein heitrer Gartensitz bereitet,

Nicht allzu eng, auch nicht zu weit verbreitet:

Man liebt sich einzuschränken auf dem lande.

 

Ein junger Quell im Bett von weichem Sande

Ist zierlich durch die Gänge hingeleitet,

Bis er betrogen in ein Becken gleitet,

Das ihm versteckt der Blumenhain am Rande.

 

Da muß er, eingezwängt in schlanker Säule,

Aufsteigen aus dem runden Marmormunde,

Und auf der Höhe sich in Schaum zerstäuben.

 

Das Moosbett winkt zu mittäglicher Weile

Es schlummert Alles, nur im klaren Grunde

Seh’ ich die goldnen Fischlein Spiele treiben.

 

 

August

 

Wann durch das Feld die blanken Sensen klingen,

Wann sich die hohen goldnen Halme neigen,

Wann um den Aehrenkranz in wilden Reigen

Die Schnitter mit den Schnitterrinnen springen:

 

Dann will ein Jeder um die Stirne schlingen

Ein buntes Band und sich als Mäher zeigen;

Wer ist so arm, daß er sich nicht zu eigen

Ein Saatenfeld und samen könnt’ erringen?

 

Die Hoffnung pflügt für Alle das Gefilde,

Und flinke Wünsche streu’n mit vollen Händen

Die Körner in den weichen Schooß der Erden.

 

Dir ist das Jahr mit den zwölf Monden milde,

D’rum will ich dir die schärfste Sichel spenden,

Die nimmer stumpf soll in der Ernte werden.

 

 

September

 

Ich grüße dich mit hellem Waldhornklange:

Hirschfänger, Büchse, Netz und grünes Kleid,

Ein Roß, zu jedem kecken Sprung bereit,

Verehr’ ich dir und wünsche Glück zum Fange.

 

Frisch auf! Um das Revier sei mir nicht bange:

Ich habe Eichenwälder tief und Breit,

Mit Bahnen rings durchhauen für die Waid’,

Und Hirsch’ und Rehe, wie ich sie verlange!

 

Den Hut geschmückt mit einem grünen Reise,

Die Hände purpuroth von edlem Schweiße,

Die Wagen krachend unter ihrer Last!

 

So ziehe heim mit deinen Jagdgesellen,

Wenn du nicht erst ein Wort noch zu bestellen

Hier bei der schönen Förstertochter hast.

 

 

Oktober

 

Vom alten Rhein siehst du daher mich schweben

Auf einem kühlen, klaren Mondenstrahl,

Mit einem vollen schäumenden Pokal,

Die heiße Stirn umweht von frischen Reben.

 

Es wogt ein unergründlich tiefes Leben

In meiner Beere güldenem Kristall:

Willst du’s entfesseln, laß in hellem Schall

Zwei Bruderbecher aneinander beben.

 

Und unterthänig diesem Zauberklange,

Schwingt flugs ein unzählbares Elfenchor

Aus Silberperlen sprudelnd sich empor;

 

Den Rand umhüpfen sie in buntem Drange

Mit Spieß und Degen, Saitenspiel und Tanz,

Bockshorn und Eulenohr und Drachenschwanz.

 

 

November

 

Zu rechter Zeit hab’ ich dir’s angesehen,

daß du, auf Tanz und Jagd und Becherklingen,

Verlangen fühlst nach würdigeren Dingen,

Womit ich gleich dir kann zu Diensten stehen.

 

Durch Leipzigs volle Laden ging ich spähen,

Was uns die deutschen Pressen Neues bringen:

Die Bogen, die noch auf den Seilen hingen,

Sie mußten ungetrocknet mit mir gehen.

 

Sparöfen kauft’ ich auch und Sorgenstühle,

Kaffee und Knaster von der besten Sorte,

Und lange, runde Bernsteinpfeifenspitzen.

 

Entreiß’ dich, Freund, dem eitlen Weltgewühle:

Ich führe zu der Weisheit heil’gen Pforte

Die Jünger, ohne sehr sie zu erhitzen.

 

 

Dezember

 

Mit Peitschenknall und lautem Schellenklange

Meld’ ich mich dir und schüttle weiße Flocken

Durch alle Straßen hin aus meinen Locken,

Dich, hoff’ ich macht das Ungethüm nicht bange.

 

Es schnaubt der Renner an des Schlittens Stange,

Das blanke Halsband schütteln deine Doggen,

Die Dame hüllt in warme Flaumensocken

Den zarten Fuß und denkt: Er bleibt so lange.

 

Was zauderst du? Sitz’ auf, mein Freund, geschwinde!

Und sei mir auf der Fahrt nicht zu verwegen,

Muß ich im Namen deiner Schönen bitten.

 

Den süßen, warmen Odem wehn die Winde

Und manche weiche Locke dir entgegen:

Halt’ kurz das Roß, und sieh’ auf deinen Schlitten!