An Ludwig Sigismund Ruhl
Ich zog mit dir aus Roma’s
heil’gen Mauern,
Den Rücken jenen Fluren
zugewendet,
Wo sich der Himmel nimmer müde
spendet
Mit seines Füllhorns frischen
Blumenschauern.
Da faßte plötzlich dich ein
heißes Trauern,
Das über ihren Strom dir
nachgesendet
Die Stadt, der du, ich weiß
nicht was, verpfändet;
Ich hörte deine Seufzer mit
Bedauern.
Germania, mach’ auf dich ohne
Weilen,
Geschmückt mit aller deiner
reize Waffen,
Den hart gefeiten Flüchtling
zu begrüßen!
Heiß’ der zwölf Monde Schaar
voraus dir eilen,
Und was ein jeder Bestes kann
erschaffen,
Leg’ er als Angebind’ ihm gern
zu Füßen!
Ich bringe dir in weißen
kalten Händen
Ein warmes Haus, erhellt von
tausend Kerzen,
Bewohnt von bunten Spielen,
Tänzen, Scherzen,
Von Amoretten auch, die Pfeile
senden.
Sie flattern auf und ab an
allen Enden,
Die Jungfrau schaut besorgt
nach ihrem Herzen,
Die andre schon nach Einem,
der den Schmerzen
Der Wunde möchte süßen Balsam
spenden.
Als hilfreich hab’ ich immer
dich erfunden,
Vor Allem, wo es gilt den
schwachen Schönen;
D’rum denk’ ich, wird sie
nicht bis morgen klagen.
Bald sind verraucht des Festes
heiße Stunden,
Schon hör’ ich Hufschlag’ vor
dem Thore dröhnen:
Reich’ ihr den Arm und führe
sie zum Wagen!
Februar
Erkennst du mich in meinem
bunten Kleide,
Mit meiner Pritsche, meinem
Schellenhut,
Mit meinem unermüdlich krausen
Muth,
Voll Scherz und Rank, und Witz
und Schadenfreude?
Doch zapft man hier, zu meinem
großen Leide,
Mir jährlich ab ein Becken
wildes Blut;
Humanitas meint es mit mir
nicht gut
Und schwärzt mich an mit
unhumanem Neide.
Ich darf nicht frei mehr durch
die Straßen wandern,
In enge Säle schließen sie
mich ein
Und wollen gar, ich soll
vernünftig sein.
Wie thut mir’s weh um dich vor
allen Andern!
Ich möchte gern dich
römisch-lustig sehn,
Und müßt’ ich selbst dabei zu
Grunde gehn.
März
Mit einem Strauß von Blumen,
die mit Schneee
Die kleinen weißen Kelche gern
bedecken,
Möcht’ ich, wie sie, mich
deinem Blick verstecken,
Weil ich allein so ärmlich vor
dir stehe.
Wohin ich auch nach bessern
Gaben spähe,
Nur Keim und Knospe find’ ich
aller Ecken;
Wohl möcht’ ich Laub und
Blüthe dir erwecken,
Doch fürcht’ ich sehr, mein
Hauch thät ihnen wehe.
So nimm denn, was ich bringe,
als zum Pfande
Der schönen Zeit, die ich nur
darf verkünden,
Daher sie mich den Mond der
Hoffnung nennen;
Und wann der Wonnemond regiert
im Lande,
Wirst du Erfüllung auf den
Fluren finden,
Und ungelöscht soll die kein
Wunsch verbrennen.
April
Leichtsinnig, launisch,
neckisch, ausgelassen,
Wandl’ ich in jeder Stunde
Leib und Sinn:
Kaum weiß ich selbst, wie ich
beschaffen bin,
Wie sollen mich die fremden
Leute fassen?
Hier werf’ ich einen
Schneeball durch die Gassen,
Dort schweb’ ich blau in
jungen Düften hin,
Bald streich’ ich sanft der
Schönen weiches Kinn,
Bald sagen sie, ich wäre grob
im Spaßen.
Gern wollt’ ich dir noch
Vieles von mir sagen,
Doch drückt mich des Sonettes
enges Band,
Das mir die Muße um den Mund
geschlagen.
Sie sprach: Ich kenne dich als
ungezogen,
Und jener Herr hat in dem
welschen Land
Der besten Sitt’ als Kavalier
gepflogen.
Mai
Ich möchte schweigend, Lieber,
dich umfangen,
Gehüllt in süße, bange
Dämmerungen;
Es wird so viel zu meinem
Preis gesungen,
Daß mir die Lust am Liede fast
vergangen.
Wärst du so heiß von seligem
Verlangen
Wie eine Lilie, deren weiße
Zungen
Den langen Tag nach kühlem
Trost gerungen,
Bis daß sie müd’ und matt zur
Erde hangen:
Komm her zu mir, ich gebe dir
zu trinken,
So viel du magst, mein treuer
deutscher Zecher,
Aus meinem bodenlosen
Liebesbecher!
Siehst du die hellen
Thauestropfen blinken
Dort an den Lilien in der
Morgensonne?
Wie mäßig schaltet ihr mit
meiner Wonne!
Juni
Ich trag’ ein Kleid von
weichen Rosenherzen,
Ich schlaf’ in einem Bett von
Rosenduft,
Bis mich der rosenrothe Morgen
ruft,
Ein Stündlein in den Knospen
zu verscherzen.
Der Mittag liebt ein
herzlicheres Herzen,
Dringt heiß bis in des Kelches
tiefste Kluft:
Da fliegt manch’
Rosenblättchen durch die Luft,
Und seufzt von bittrer Luft
und süßen Schmerzen.
Der Abend kommt, den Blumen
Trost zu geben,
Die matt und blaß in seinem
Thau sich baden,
Bis allen ihren Zorn sie
ausgekühlt.
Behagt dir, Freund, dies rothe
Rosenleben,
So sei von mir auf morgen
eingeladen,
Denn alle Tage wird solch’
Spiel gespielt.
Juli
Auf kühlen Bergen, an des
Meeres Strande,
Ist mir ein heitrer Gartensitz
bereitet,
Nicht allzu eng, auch nicht zu
weit verbreitet:
Man liebt sich einzuschränken
auf dem lande.
Ein junger Quell im Bett von
weichem Sande
Ist zierlich durch die Gänge
hingeleitet,
Bis er betrogen in ein Becken
gleitet,
Das ihm versteckt der
Blumenhain am Rande.
Da muß er, eingezwängt in
schlanker Säule,
Aufsteigen aus dem runden
Marmormunde,
Und auf der Höhe sich in
Schaum zerstäuben.
Das Moosbett winkt zu
mittäglicher Weile
Es schlummert Alles, nur im
klaren Grunde
Seh’ ich die goldnen Fischlein
Spiele treiben.
August
Wann durch das Feld die
blanken Sensen klingen,
Wann sich die hohen goldnen
Halme neigen,
Wann um den Aehrenkranz in
wilden Reigen
Die Schnitter mit den
Schnitterrinnen springen:
Dann will ein Jeder um die
Stirne schlingen
Ein buntes Band und sich als
Mäher zeigen;
Wer ist so arm, daß er sich
nicht zu eigen
Ein Saatenfeld und samen könnt’
erringen?
Die Hoffnung pflügt für Alle
das Gefilde,
Und flinke Wünsche streu’n mit
vollen Händen
Die Körner in den weichen
Schooß der Erden.
Dir ist das Jahr mit den zwölf
Monden milde,
D’rum will ich dir die
schärfste Sichel spenden,
Die nimmer stumpf soll in der
Ernte werden.
September
Ich grüße dich mit hellem
Waldhornklange:
Hirschfänger, Büchse, Netz und
grünes Kleid,
Ein Roß, zu jedem kecken
Sprung bereit,
Verehr’ ich dir und wünsche
Glück zum Fange.
Frisch auf! Um das Revier sei
mir nicht bange:
Ich habe Eichenwälder tief und
Breit,
Mit Bahnen rings durchhauen für
die Waid’,
Und Hirsch’ und Rehe, wie ich
sie verlange!
Den Hut geschmückt mit einem
grünen Reise,
Die Hände purpuroth von edlem
Schweiße,
Die Wagen krachend unter ihrer
Last!
So ziehe heim mit deinen
Jagdgesellen,
Wenn du nicht erst ein Wort
noch zu bestellen
Hier bei der schönen
Förstertochter hast.
Oktober
Vom alten Rhein siehst du
daher mich schweben
Auf einem kühlen, klaren
Mondenstrahl,
Mit einem vollen schäumenden
Pokal,
Die heiße Stirn umweht von
frischen Reben.
Es wogt ein unergründlich
tiefes Leben
In meiner Beere güldenem
Kristall:
Willst du’s entfesseln, laß in
hellem Schall
Zwei Bruderbecher aneinander
beben.
Und unterthänig diesem
Zauberklange,
Schwingt flugs ein unzählbares
Elfenchor
Aus Silberperlen sprudelnd
sich empor;
Den Rand umhüpfen sie in
buntem Drange
Mit Spieß und Degen,
Saitenspiel und Tanz,
Bockshorn und Eulenohr und
Drachenschwanz.
November
Zu rechter Zeit hab’ ich dir’s
angesehen,
daß du, auf Tanz und Jagd und
Becherklingen,
Verlangen fühlst nach
würdigeren Dingen,
Womit ich gleich dir kann zu
Diensten stehen.
Durch Leipzigs volle Laden
ging ich spähen,
Was uns die deutschen Pressen
Neues bringen:
Die Bogen, die noch auf den
Seilen hingen,
Sie mußten ungetrocknet mit
mir gehen.
Sparöfen kauft’ ich auch und
Sorgenstühle,
Kaffee und Knaster von der
besten Sorte,
Und lange, runde
Bernsteinpfeifenspitzen.
Entreiß’ dich, Freund, dem
eitlen Weltgewühle:
Ich führe zu der Weisheit heil’gen
Pforte
Die Jünger, ohne sehr sie zu
erhitzen.
Dezember
Mit Peitschenknall und lautem
Schellenklange
Meld’ ich mich dir und
schüttle weiße Flocken
Durch alle Straßen hin aus
meinen Locken,
Dich, hoff’ ich macht das
Ungethüm nicht bange.
Es schnaubt der Renner an des
Schlittens Stange,
Das blanke Halsband schütteln
deine Doggen,
Die Dame hüllt in warme
Flaumensocken
Den zarten Fuß und denkt: Er
bleibt so lange.
Was zauderst du? Sitz’ auf,
mein Freund, geschwinde!
Und sei mir auf der Fahrt
nicht zu verwegen,
Muß ich im Namen deiner
Schönen bitten.
Den süßen, warmen Odem wehn
die Winde
Und manche weiche Locke dir
entgegen:
Halt’ kurz das Roß, und sieh’
auf deinen Schlitten!