Martin Opitz                               An dies Buch

1597 – 1639

 

So willst du dennoch jetzt aus meinen Händen scheiden,

Du kleines Buch, und auch mit andern sein veracht?

Gewiß, du weißest nicht, wie höhnisch man jetzt lacht,

Wie schwerlich sei der Welt Spitzfindigkeit zu meiden.

 

Es muß ein jeglich Ding der Menschen Urteil leiden,

Und ob es tauglich sei, steht nicht in seiner Macht;

Der meiste Teil ist doch auf Schmähen nur bedacht

Und denkt, was er nicht kann, dasselbe muß er neiden.

 

Noch dennoch (daß du nicht so oft und viel von mir

Aufs neue dulden dürfst, daß ich dich nehme für)

Muß ich dir loszusein und auszugehn erläuben.

 

So ziehe nun nur hin, weil’s ja dir so gefällt,

Und nimm dein Urteil an, zieh hin, zieh in die Welt,

Du hättest aber wohl zu Hause können bleiben.

 

 

 

Martin Opitz                              

1597 – 1639

Weil mein Verhängnis will und läßt mir nicht das Glücke,

bei dir, mein Augentrost, zu leben nur allein,

so gibet zwar mein Sinn sich mit Geduld darein,

doch sehnt und wünschet er auch stündlich sich zurücke.

 

Es ist ja lauter nichts, wo diese schönen Blicke,

dies Licht, das mich verblendt, des güldnen Haares Schein,

das mein Gemüte bindt, dies Lachen nicht kann sein,

der Mund und alles das, womit ich mich erquicke.

 

Die Sonne macht mich kalt, der Tag verfinstert mich;

ich geh und weiß nicht, wie, ich geh und suche dich,

wohin du nie gedenkst. – Was macht mein treues Lieben?

 

Ich seh und finde nichts. Der Mangel deiner Zier

hat alles weggeraubt. – Zwei Dinge sind noch hier:

Das Elend nur und ich, der ich darein vertrieben.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XXXVIII

1597 – 1639

Du güldne Freiheit du, mein Wünschen und Begehren:
Wie wohl doch wäre mir im Fall ich jederzeit.
Mein selber möchte sein, und wäre ganz befreit,
Der Liebe die noch nie sich wollen von mir kehren.


Wiewohl ich öfter mich bedacht bin zu erwehren.
Doch lieb' ich gleichwohl nicht, so bin ich wie ein Scheit,
Ein Stock, und rauhes Blei. Die freie Dienstbarkeit,
Die sichere Gefahr, das tröstliche Beschweren


Ermuntert meinen Geist, daß er sich höher schwingt,
Als wo der Pöbel kreucht und durch die Wolken dringt,
Geflügelt mit Vernunft und mutigen Gedanken.


Drum geh' es wie es will, und muß ich gleich davon,
So überschreit' ich doch des Lebens enge Schranken;
Der Name der mir folgt ist meiner Sorgen Lohn.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XXXVII

1597 – 1639

Ich gleiche nicht mit dir des weißen Mondes Licht:
Der Monde fällt und steigt; du bleibst in einem Scheine:
Ja nicht die Sonne selbst: die Sonn' ist ganz gemeine,
Gemein' auch ist ihr Glanz; du bist gemeine nicht.


Du zwingst durch Zucht den Neid, wie sehr er auf dich sticht.
Ich mag kein Heuchler sein, der bei mir selbst verneine,
Das was ich jetzt gesagt: es gleichet sich dir keine,
Du bist dir ähnlich selbst; ein ander Bild gebricht,


Das dir dich zeigen kann; du bist dein eigen Glücke,
Dein eigenes Gestirn, der Schönheit Meisterstücke.
Du hättest sollen sein wie noch die Tugend war,


Geehret als ein Gott, in der Welt ersten Jugend.
So währe wohl gewiß gewesen deine Tugend,
Die Kirch' und Opferung, der Weihrauch und Altar.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XXXV

1597 – 1639

Ich will dies halbe Mich, was wir den Körper nennen,
Dies mein geringstes Teil, verzehren durch die Glut.
Will wie Alkmenen Sohn mit unverwandtem Mut
Hier diese meine Last, den schnöden Leib ,verbrennen,


Den Himmel auf zu gehn: mein Geist beginnt zu rennen,
Auf etwas bessers zu. Dies Fleisch, die Handvoll Blut,
Muß ausgetauschet sein für ein viel besser Gut,
Daß sterbliche Vernunft und Fleisch und Blut nicht kennen.


Mein Licht entzünde mich mit deiner Augen Brunst,
Auf daß ich dieser Haut, des finstern Leibes Dunst,
Des Kerkers voller Wust und Grauen, werd entnommen,


Und ledig, frei und los  der Schwachheit abgetan,
Weit über alle Luft und Himmel fliegen kann,
Die Schönheit anzusehn von der die deine kommen.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XXXII

1597 – 1639

Au weh! Ich bin in tausend, tausend Schmerzen
Und tausend noch! die Seufzer sind umsonst
Herauf geholt; kein Anschlag, List noch Kunst
Verfängt bei ihr. wie wann im kühlen Märzen,


Der Schnee zugeht durch Kraft der Himmel-Kerzen,
Und netzt das Feld; so feuchtet meine Brunst
Der Zehren Bach, die noch die minste Gunst
Nicht ausgebracht. Mein' Augen sind dem Herzen


Ein schädlich’s Gift: das Denken an mein Licht
Macht daß ich irr' und weiß mich selber nicht,
Macht daß ich bin, gleich einem bloßen Scheine,


Daß kein Gelenk und Gliedmaß, weder Kraft
Noch Stärke hat, die andern keinen Saft
Noch Blut nicht mehr, kein Mark nicht die Gebeine.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XXV

1597 – 1639

Über den Ort / da sie ihren Adonis zum ersten umfangen.

 

Ihr schönen Wasserbäch', ihr Ufer an den Flüssen,
Da sich des Himmels Luft erzeigt sehr hell und klar,
und fast an euch erschöpft die Gaben ganz und gar,
Die andre Örter sonst sehr sparsamlich genießen.


Wann dieses mein Sonett, so wohl sich könnte schließen,
Als es von Herzen geht, so macht' ich offenbar
Durch diese Reime euch und eurer Gaben Schar;
Man sollte weit und breit hiervon zu reden wissen.


Nun aber mein Verstand des Ruhmes hohe Zinnen,
Und euer rechtes Lob nicht wird ersteigen können,
So weichet und erliegt der viel zu enge Sinn.


Die Hand ist viel zu schwach, die Zunge steht gebunden;
Doch hab' ich große Freud' und Lust bei euch empfunden,
Für die will ich hernach euch rühmen, weil ich bin.

 

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett XI

1597 – 1639

Du schöne Tyndaris, wer findet deines gleichen,
Und wollt' er hin und her das ganze Land durchziehn?
Dein' Augen trutzen wohl den edelsten Rubin,
Und vor den Lippen muß ein Türkis auch verbleichen.


Die Zähne kann kein Gold an hoher Farb' erreichen,
Der Mund ist Himmelweit, der Hals sticht Atstein hin:
Wo ich mein Urteil nur zu fällen würdig bin;
Alecto wird dir selbst des Haares halben weichen.


Der Venus Ehemann geht so gerade nicht,
Und auch der Venus Sohn hat kein so scharf Gesicht.
In summa, nichts mag dir verglichen werden können:


Weil man dann denen auch, die uns gleich, nicht sind wohl,
Geht es schon sauer ein, doch gutes gönnen soll,
So wünsch' ich daß mein Feind dich möge lieb gewinnen.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett X

1597 – 1639

Einer Jungfrauen Klage über nahendes Alter.

 

Ach wo ist nun die Zeit, in der man pflog zu gleichen,
Der Rosen schöner Zier mein' edele Gestalt?
Ja freilich bin ich so, nun ich bin grau und alt.
Eh' als der Sonnen Glanz die Rose kann erreichen


So muß sie durch die Luft der Nacht zuvor verbleichen,
Und hat nur von dem Tau ein wenig Unterhalt:
So netzen mich jetzt auch die Tränen mannigfalt
Weil ich die junge Zeit nun habe lassen schleichen.


Geht dann der Morgen an, so wird die Rose rot;
Ich werde Schamrot, auch gedenk ich an die Not.
Doch hab ich diesen Trost daß gleich wie von den Winden


Die Rose wann der Tag sich neigt, wird abgemeit,
So werd' auch ich, weil nun mein Abend nicht ist weit,
Kann ja es hier nicht sein, doch Ruh' im Grabe finden.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett VII

1597 – 1639

An die Bienen

 

Ihr Honigvögelein, die ihr von den Violen
Und Rosen abgemeyt den wundersüßen Saft,
Die ihr dem grünen Klee entzogen seine Krafft,
Die ihr das schöne Feld so oft und viel bestohlen.


Ihr Feldeinwohnerin’,  was wollet ihr doch holen,
Daß so euch noch zur Zeit hat wenig Nutz geschafft,
Weil ihr mit Dienstbarkeit des Menschen seid behaft,
Und ihnen mehrenteils den Honig mußtet zollen?


Kommt, kommt zu meinem Lieb' auf ihren Rosenmund,
Der mir mein krankes Herz hat inniglich verwundt,
Da sollt ihr Himmelspreis' auch überflüssig brechen:


Wann aber jemand sie will setzen in Gefahr
Und ihr ein Leid antun, dem sollst du starke Schar
Für Honig Galle sein und ihn zu Tode stechen.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Bedeutung der Farben

1597 – 1639

Weiß, ist gantz keusche Reinigkeit,

Leibfarbe, weh vnd Schmertzen leiden,

Meergrüne, von einander scheiden.

Schwartz, ist Betrübnuß, Angst vnd Leid,

 

Roth, innigliche Liebesbrunst,

Vnd Himmelblo, sehr hohe sinnen,

Bleich Leichfarb, argen Wohn gewinnen,

Gelb, end vnd außgang aller Gunst,

 

Haarfarbe, deutet vff Gedult,

Bleich Aschenfarben, heimlich Huldt.

Braun, aller Liebe gantz vergessen,

 

Grün, Hoffnung; Vnd weil jetzund ich,

Gebrauche dieser Farbe mich,

Ist wol mein Zustand zuermessen.

 

 

 

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonnet von der Liebsten Augen.

1597 – 1639

DIß wunderliche Werck / das Gott hat auffgericht /
Die Erde / Lufft / vnd See / des Himmels hohe Thronen /
Das alles / was man kan / vnd auch nicht kan bewohnen/
Hett es kein / oder auch zwo Sonnen / stünd es nicht.
Ich arm betrübtes Thier muß zweyer Sonnen liecht
Vertragen / die mir arg für meine Liebe lohnen /
Ja die bey Tag vnd Nacht auch meiner nicht verschonen /
Doch ärger ist die Pein / wann mir der Glantz gebricht /
Was wunder ist es dann / daß jhr mich sehet sterben
Mehr als zehn tausentmal / eh' kaum hingeht ein Tag ?
Vnd jmmer widerumb belebt zur newen Plag?
Ist sie mir allzunah / muß ich durch sie verderben:
Ist sie denn gantz hinweg / so hab ich lauter Nacht /
Doch wehl' ich mir den Todt / den mir die Hitze macht.

 

 

 

Martin Opitz                              

1597 – 1639

WAnn ich mit frieden kan in deinen Armen liegen /
So hab' ich schon genung: mehr ehre wüntsch' ich nicht
Auff dieser weiten Welt/ als dir/ mein Trost vnd Liecht/
In deiner weissen Schoß zu ruhen nach genügen.
Diß ist mein bester zweck: es mag ein andrer kriegen
Dem Mars im Hertzen steckt das aus jhm selber bricht /
Nach Helm' vnd Waffen greifft/ den kühnen Feind bespricht
Vnd wanckt nicht vmb ein Haar/ wil sterben oder siegen.
So wilde bin ich nicht: Dorinde/ wann du dich
Vmb meine Schuldern wirffst das ist ein krieg für mich;
Hiervon soll meinen Sinn kein Ruhm vnd Gut bewegen.
Das Glücke deiner Gunst hat bey mir grössern schein
Als etwan Cesar selbst vnd Alexander seyn/
Vnd diese gantze Welt zun Füssen können legen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Martin Opitz                               Als jhm seine Asterie geschrieben.

1597 – 1639

WEr solte dieses wol in sein Gemüthe bringen /
Daß vnder weiß vnd schwartz verborgen solche Freudt?
Daß nur ein einig Brieff nemm' alle Traurigkeit?
Kan auch der Augen lust so weit ins Hertze dringen?
Ich weiß die Sinne fast nicht höher mehr zuschwingen /
Vnd habe wol mit fleiß gelesen jederzeit /
Was von der Liebe nur gefunden weit vnd breit /
Es hat mich aber nichts vermocht so sehr zuzwingen /
Der Grich Anacreon / der Sappho schön Gedicht /
Vnd auch Ovidius sind jhm zugleichen nicht /
Der künstlich Amadis ist nie so hoch gegangen.
Glückseelig ist die Hand / die diesen Brieff gemacht /
Glückseelig ich die Dint vnd auch die Feder acht /
Und mehr glückseelig mich / der ich jhn hab empfangen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Martin Opitz                               Aus dem Holländischen

1597 – 1639

Was will ich über Busch, was will ich über sand,

Was will ich über See und durch die wüsten Wellen

In eine fremde Welt, den Perlen nachzustellen,

Es sei ans Rote Meer, es sei ins Mohrenland:

 

Mein Lieb hat doch allein (ach! daß ich sie erkannt!)

Die Perlen, die so schön, als jemals funden waren,

Als irgend jemand auch von denen, welche fahren

Ins Reich Arabien und ganz Ägypten, fand.

 

Sie trägt in dem Gesicht zwei Edelasteriten,

Die Lippen sind Korall, die Wangen sind Rubin,

Die zarten Brüste sind von schönen Chrysolithen.

 

O wäre nicht Demant ihr Herz und harter Sinn!

Gewinn ich diesen Schatz, weg aller Überfluß:

Was soll mir Gut und Geld, so ich ihr darben muß!

 

 

 

 

 

Martin Opitz                              

1597 – 1639

Ein ieder spricht zu mier, dein Lieb ist nicht dergleichen,

wie du sie zwar beschreibst: ich weiß es warlich nicht,

ich bin fast nicht mehr klug; der scharfen sinne licht

vermag kaum mehr, was weis und schwartz ist, zu erreichen.

 

Der so im lieben noch was weis heraus zu streichen

durch urteil und verstand, und kennt auch was gebricht,

der liebet noch nicht recht (wo wahr ist, was man spricht,)

So hatt der, welcher liebt, der sinnen gar kein zeichen

 

und ist ein lauter kind. Wer schönheit wählen kann,

und redet nicht davon, der ist ein weiser mann.

Ich weis nicht wie ich doch von dieser tohrheit kose,

 

und was die süße sucht noch endlich aus mier macht.

Mein wissen ist dahin, der tag, der ist mier nacht,

vnd eine distel blüht ist eine schöne rose.

 

 

 

 

 

 

 

Martin Opitz                               Auff Herrn Jonas Klimpken vnd

1597 – 1639                                                   Jungfraw Annen Rosinn Hochzeit

 

Der sehr gewünschte Lentz die kalte Lufft verdringet,

Die gantze Welt zeigt an ein newes grünes Kleyd,

Der zarten Blumen glantz Hertz, Muth vnd Sinn erfrewt,

Das Vieh geht wider auß, der Vögel schar sich schwinget.

 

Die Venus selber auch mit jhren Nymphen singet,

Daß jhre Stimm im Waldt erschallet weit vnd breit,

Auch jhr, Herr Breutigam, beqvemet euch der Zeit,

Vnd vnsrem Schlesien ein edle Rose bringet,

 

Mißgönn vns, Görlitz, doch nit diese deine Zierdt,

Bey vns wirdt gleich so wol sehr trächtig Land gespürt.

Vielleichte wirst du noch ins künfftig selber sagen:

 

Daß so ein junger Baum wird anderwerts verführt,

Viel eh’, als wo er stund zu erste, Frucht gebiert,

wen diese Rose wird viel schöne Rosen tragen.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Auff den ersten Januarij, 1625.

1597 – 1639

Die Jahre pflegen zwar ihr rechtes Ziel zu finden,

Vnd werden fortgeführt als eine schnelle Flut,

Die ehe fleucht als kömpt: der Menschen rawer Muth

Wird, ist und bleibt versockt in mehr als tausendt Sünden.

 

Der Geist will öffters zwar sich etwas vnterwinden,

Dem Himmel zu zugehn; doch was er macht vnd thut

Ist schwach, vnd wird gehemmt durch vnser Fleisch vnnd Blut.

Der Geist von obern her muß einig vns entzünden

 

Mit seiner starcken Brunst, muß dämpffen vnsern Wahn

Der keine Frömmigkeit vnd Tugend fassen kan.

O Gott, nim mit der Zeit deß alten Jahres hin.

 

Mein’ alte große Schuld; gib daß ich Rew vnd Schmertzen

Hierüber tragen mag, vnd schicke meinem Hertzen

Mit diesem newen Jahr’ auch einen newen Sinn.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Auf einen Kuß

1597 – 1639

Auf alle meine Not, auf so viel Angst und Klagen,

Auf Seufzen, Ach und Weh, auf höchste Traurigkeit,

Auf das, wodurch mein Herz empfand sein tiefes Leid,

Wird doch mein Lieb bewegt, mir eins nicht abzuschlagen.

 

Ich mag gewißlich wohl von gutem Glücke sagen;

Sie kam ja endlich noch, die sehr gewünschte Zeit,

Und hat mir Herz und Sinn durch einen Kuß erfreut;

Ich habe diese Gunst doch endlich weggetragen.

 

Der Tau, der süße Tau, der auf den Lippen schwebt,

Der Mark und Bein erquickt, dadurch mein Geist noch lebt,

Kann alle meine Furcht und Trauren von mir scheiden.

 

Ihr Götter, die ihr schaut hier zu uns Menschen her,

Kehrt ja mir diese Freud und Trost in kein Beschwer,

Der Kuß ist wohl verkauft um solche Not und Leiden.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett IIX

1597 – 1639

An die Augen seiner Jungfrauen.
Fast aus dem Holländischen.

 

Leitsternen meines Haupts, und meiner jungen Zeit,
Die als Planeten sind gesetzet meinem Leben:
Ihr Augen, wann ich euch so freundlich sehe schweben,
So bin ich als entzückt und kenne gar kein Leid.


Dann ihr beschließt in euch ein' hohe Lieblichkeit
Und lieblich' Hoheit; Ihr, Ihr könnt alleine geben
Genüge, rechte Lust: wonach wir Männer streben,
Das habt ihr, O mein Licht, vor allem weit und breit.


Natura selber liegt im Dunkeln fast begraben,
Und mangelt ihres Lichts, von wegen ihrer Gaben,
Die ganz versammelt sind in solcher engen Statt,


Doch ist sie Enge nicht, und kann sich weit ergießen,
Ja wäre groß genug fast alles einzuschließen,
Weil sich mein' arme Seel' in ihr verirret hat.

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett III

1597 – 1639

Vom Wolfesbrunnen bei Heidelberg

 

Du edler Brunnen du, mit Ruh und Lust umgeben,
Mit Bergen hier und da als einer Burg umringt,
Prinz aller schönen Quell', aus welchem Wasser dringt
Anmutiger denn Milch, und köstlicher denn Reben,


Da unsers Landes Kron' und Häupt mit seinem Leben
Der werten Nymph' oft selbst die lange Zeit verbringt,
Da das Geflügel ihr zu Ehren lieblich singt,
Da nur Ergötzlichkeit und keusche Wollust schweben,


Vergeblich bist du nicht in dieses grüne Tal,
Beschlossen von Gebirg' und Klippen überall:
Die künstliche Natur' hat darum dich umfangen.


Mit Felsen und Gebüsch', auf daß man wissen soll,
Daß alle Fröhlichkeit sei Müh' und Arbeit voll,
Und daß auch nichts so schön, es sei, schwer zu erlangen.

 

 

 

 

Martin Opitz                               Sonett II

1597 – 1639

 

Über den Thurn zu Straßburg

 

Prinz aller hohen Thürn', als jemals wird beschauen
Der Sonnen klarer Glanz, und vor beschauet hat;
Wie recht, weil Straßburg ist dergleichen schöne Stadt,
Hat man dich nur in sie alleine müssen bauen.
   

Du rechtes Wunderwerk bist zierlich zwar gehauen
Doch noch bei weitem nicht zu gleichen in der Tat
Der feinen Polizei, dem weisen Recht' und Rat'
Und großer Höflichkeit der Männer und der Frauen.
   

Welch' über deine Spitz' an Lobe zu erhöhen:
Kein Ort wird irgend je gefunden weit und breit
Der ihnen gleichen mag an Güt' und Freundlichkeit.
   

Wie wohl gibt die Natur hiermit uns zu verstehen,
Daß, wann die Bäue gleich mehr steinern sind als Stein,
Der Menschen Herzen doch nicht sollen steinern sein.