(Solitaire) Vom Krankenbett
1818 – 1869
I.
Die Lampe stirbt, schwer auf
mich sinkt die Nacht.
Mein Aug ohn Schlaf, mein
Busen ohne Rast,
Doch heißt’s: der Herr hat
alles wohl gemacht,
Und wohl verdien ich’s, daß er
so mich haßt.
Die Lampe starb, ihr selgen
Himmelssterne,
Mit euerm holden, milden
Niederglühn,
Ich seh zu euch: o zeigt mir
eine Ferne,
Nach der vergönnt mir Ärmsten
zu entfliehn.
Nur fort, nur fort von diesem
dumpfen Bette,
Nur fort, nur fort an eine
sonnge Stätte.
Zu menschen laßt mich aus dem
stummen Grunde,
Zum Klopfen einer Brust, zum
Wort aus einem Munde.
Zu einer Hand, die meine Hand
berührt,
Und mir den Trank zur heißen
Lippe führt.
III.
Musik da unten, o! erbarmt
euch mein,
Habt Mitleid mit mir armem,
krankem Wurm,
Ich kann’s nicht tragen, laßt
das Spielen sein,
Euch ist’s Musik, mir aber ist
es Sturm!
Euch ist’s Musik, ihr tänzelt
mit den Füßen,
Ihr hebt taktierend euren Arm
empor,
Mir ist es
Höllenflammen-Aufwärtssprießen,
Mir von Dämonen
tausendstimmger Chor.
Euch sind es Blüten, mir
geschwollne Schlangen,
Die mir den Leib, die mir die
Seel umfangen.
Erbarmt euch mein und laßt
mein Ohr nicht hören
Der Liebe Sprach’, das tönende
Begehren.
Von Tönen nichts, und nichts
von Melodieen,
Die vom Vergangenen den
Vorhang ziehen.
V.
Mann! beten soll ich? und du
gabst den Wein?
Was könnt’ ich wohl vom Herren
noch erflehn,
Als diesen Trank, den hier am
Busen mein,
So will ich gern, wohin du
forderst, gehn!
Laß mich nicht beten, laß den
letzten Hauch
Des armen Daseins, das sich
mir geboten,
Vergehen in dem Zaubertrank,
dem roten,
Du schwarzer Mann! Und
trinkest du nicht auch?
Zwar dir zählt nicht wie mir
sich die Minute,
Dir wird des Weins noch
mancher Trunk zugute.
Mir aber botest du im
Abendmahl
Den purpurschäumenden
Goldpokal
In dieser Stund zum
allerletzten Male,
Und dann hinauf aus diesem
Erdenthale.
VI.
Du winkst noch einmal, daß ich
beten soll;
Sieh, dieser Trank war
heiligstes Gebet,
Wenn andachtsvoll so jede
Lippe fleht,
So hat die Gottheit gnug an
solchem Zoll.
Mich darf sie nicht, mich wird
sie nicht verschmähen,
Ich habe warm für diese Welt
gefühlt,
Oft hat mein Aug zu ihr
emporgesehen,
Wenn Erdenschmerz den Busen
mir durchwühlt:
Wenn mir von meiner namenlosen
Pein
Die Knie ohnmächtig zitternd
brachen ein.
Und das war oft, ich kann es
dir beschwören,
Und manche Mitternacht, sie
kann es, ach!
Ihr könnt’s, ihr Geister
meiner heißen Zähren,
Du kannst’s mein Herz, mit
deinem letzten Schlag!
VIII.
Er ging! Und nun du dir, mein
einzger Gott,
Jetzt bin ich frei,
zertrümmert ist der Spiegel,
In dem des Menschengeistes
schnöder Spott
Dein Antlitz zeigt! Auf
goldnem Cherubflügel
Empor zu dir! Ich fühl’s, du
nimmst mich an,
Zu jeder Freude, die ich
tragen kann.
O dieser Wonne unbegrenzte
Schranken!
Den letzten Tropfen irdischer
Gedanken
Wirst himmlisch schaudernd von
sich mein Gefieder,
Ich fluch’ dir nicht, du
kreisgewundne Hyder,
Die man den Erdball nennt,
ach! Fluch
Bist du dir selbst auf ew’ge
Zeit genug.
Ich segne dich aus dieser
Himmelsferne,
Wie ich als Mensch gesegnet
oft die Sterne.