1821 - 1894 (Auszüge)
Ich kenne eine Kön'gin, eine
hohe,
Der Krone goldne Flamme ist entfacht
Auf ihrem Haupt, um ihrer Schultern Pracht,
Da schlägt des Purpurmantels stolze Lohe.
So schreitet sie dahin, die
Opferfrohe,
Wie Lenzwind rauscht ihr Schleppkleid durch die Nacht,
Und Kön’ge halten unter Schrecken Wacht,
Ob sie mit ihren nackten Schwerte drohe.
Denn kommt sie, gilt kein
altverjährter Raub,
Wie künstlich sich der Räuber auch entschuld’ge,
Und Kronen fallen ab wie welkes Laub.
Zum Löwen macht das Lamm sie,
das geduld’ge,
Und Throne sinken vor ihr in den Staub -
Sie ist die einz’ge Fürstin, der ich huld’ge.
Wann weder Mond noch Stern am
Himmel scheint,
Schleicht die verbannte Freiheit durch die Lande
Und setzt, verhüllten Haupts, im Leidgewande
Auf ihrer Kämpfer Hügel sich und weint.
"Ihr Helden, in der Kühle
eingeschreint,
Daß euer Schlummer leicht sei unterm Sande,
Bis ich euch wecke mit dem Feuerbrande
Des Kampfs, der euch den Lebenden vereint.
Zu Bannerträgern hab’ ich euch
erkoren,
Einst grünen eure Kränze neubelaubt:
Wer für die Freiheit starb, ging nicht verloren.
Geschenkt seid ihr dem Volke,
nicht geraubt:
Ihr zieht im Kampf gleich blut’gen Meteoren
Ob deren Häuptern, die euch tot geglaubt."
Die Freiheit sprach: „Mich
schickt ihr in den Tod,
Und meine Laken sind des
Volkes Rechte;
So schlaf’ ich, doch dem
menschlichen Geschlechte
Bleibt meine Mutter, die euch
schwer bedroht,
Umsonst färbt ihr mit Blut die
Feder rot:
Die geht aus dem verlorenen
Gefechte
Als Siegerin, haucht Mut ins
Herz dem Knechte
Und giebt dem Hunger Waffen
anstatt Brot.
Zu euren Festen singt sie
Schauerweisen;
Schaut euch nicht um, denn wie
das Weib des Lot
Erstarrt ihr ob dem
Schlangenhaupt, dem greisen.
Die Schreckliche, sie kennet
kein Gebot;
Die bricht euch, Goldene, denn
sie bricht Eisen:
Kennt ihr mein
Mütterlein? Ihr Nam’ ist Not.“
So sprach der Herr: „Der Ofen
meines Zornes
Ist schon geschürt, er glüht
gleich einer Essen;
Euch alle wird der Rache Feuer
fressen,
Die ihr verschwelgt die Füllen
meines Bornes;
Die ihr verzehrt den Segen
meines Kornes,
Das ich der ganzen Menschheit
zugemessen;
Die ihr mit Gold und Lust euch
krönt, indessen
Dem Volk aufs Haupt ihr drückt
den Kranz des Dornes.
Ihr seid das Unkraut unter
meinen Garben;
Doch schärf’ ich schon die
Sicheln meinen Schnittern,
Und schon erglänzt mein
Saatfeld erntefarben.
Weh euch! fahr’ ich hernieder
in Gewittern,
Dann segn’ ich alle Herzen,
die da darben,
Bei euch jedoch wird Heulen
sein und Zittern.“
„Der ich den schnöden Karl von
England schon
Um den gekrönten Kopf gemacht
hab’ kleiner;
Der ich dem Ludwig dann, dem
falschen Greiner,
Als Treppe ans Schaffot gestellt
den Thron;
Der ich gefället den Napoleon,
Der frech war undgewaltig
wienicht einer;
Der ich den Thoren Karl, und
dem, der seiner
Als alle war, dem Philipp, gab
den Lohn:
Glaubt ihr, mein Zornesarm sei
worden schwächer,
Ihr Fürstlein, daß ihr also
haust und tobt?
Euch quetsch’ ich überm Haupt
die goldnen Dächer.
Je höher ihr auf Leichen euch
erhobt,
Je näher seid ihr dem
gerechten Rächer.“
So sprach der Herr; sein Wille
sei gelobt.
VI
„Gezählt hab ich die Tränen
meiner Lieben,
Und all die Seufzer meiner
Menschenherzen,
Und all die Hungerqualen,
Kerkerschmerzen,
Und all den Blutschweiß, den
ihr ausgetrieben.
Das alles hab ich in mein Buch
geschrieben,
Und bin bereitet nun euch
auszumerzen;
Ihr würdet schon, und wäret
ihr auch erzen,
Vom Drucke eurer Sündenlast
zerrieben.
Glaubt ihr, die Völkerherden,
die verirrten,
Hätt’ ich euch anvertraut, mit
ihren Vließen
Und ihrem Blut euch Schwelger
zu bewirten?
Ihr habt als Ungetreue euch
erwiesen,
Drum fresse jetzt das Lamm den
schlechten Hirten!
So sprach der Herr; sein Name
sei gepriesen.
Still schleicht ihr euch
vorbei, ihr schnöden Zwitter,
Die ihr im Dienst von Land und
König stehet,
Wenn ihr das Volk am Wege
liegen sehet,
Beraubt von dem gekrönten
Faustrechtsritter.
Doch während ihr, als Priester
und Leviter,
So taub und blind vorbei dem
Elend gehet,
das, stumm obwohl, so laut um
Hilfe flehet,
Da naht, als Mensch, der
Freiheit Samariter.
Der gießt dem Armen Balsam in
die Wunden
Und stärket ihn mit Wein und
Spezereien –
Ihr Pharisäer waret schnell
verschwunden.
Jetzt aber kommt ihr und
beginnt zu schreien,
Daß jene Hände, die so treu
verbunden
Den Hingestreckten, nicht ganz
koscher seien.
Am Gnadenfeuer in des Königs
Schlot,
Da stehen sie, die schmutz’gen
Küchentöpfe,
Darin zum Menschenpfeffer ihre
Knöpfe
Die Monarchie braut, als ihr
täglich Brot.
Sie brodeln eifrigst auf des
Herrn Gebot,
Er drückt die Deckel nur auf
ihre Köpfe;
Sie kochen alles, diese feilen
Tröpfe –
Das Fett für sie, und für das
Volk die Not!
Der Freiheit Flamme ist ganz
abgehärmt,
Doch wächst sie manchmal,
trotz der Köche Rüstung,
Daß dran der arme Mann sein
Süpplein wärmt.
Sieht das ein Hoftopf, schäumt
er bis zur Brüstung,
Und quirlt und zischt und
spritzt und speit und lärmt
Und überläuft von sittlicher
Entrüstung.
Wie gnädig sich die hohen
Herrn erwiesen!
Sie ließen euch ein ganzes Jahr lang schwatzen
Und eure Herzen, weisheitsvoll zum Platzen,
In ungestörter Wollust sich ergießen.
Sie dachten: wässert nur die
deutschen Wiesen,
Wir ziehn die Krallen ein bei euren Fratzen,
Doch kommt die Zeit schon, wo wir wieder kratzen,
Dann werden wir des frischen Triebs genießen.
Und eh’ ihr noch zu Ende mit
Beschließen,
Sind wieder Tiger worden aus den Katzen,
Da wurdet ihr zu Zwergen, ihr Maulriesen.
Jetzt fühlt auch ihr die
allerhöchsten Tatzen
Der Herrn, die ihr geschont habt und gepriesen -
Nur schad’: es frißt der Tiger keine Ratzen.
X
O deutsche Eiche, wiebist du
gespalten!
Dein Herz geborsten, wie von
innerm Jammer;
Es haust das Beil und der
Gewaltthat Hammer
In deines Blätterkleides
grünen Falten.
An deinem wunden Leibe, wie
sie schalten
Mit ehrnem Keile und mit
stählner Klammer!
Doch tief in deines Lebens
Wurzelkammer,
Da brauen die verjüngenden
Gewalten.
Ein Lenzsturm noch, der saust
in deinen Zweigen,
Und all die mürben Haften
werden springen,
Die morschen Wipfel sich zu
Boden neigen.
Und siegreich werden aus den
Wurzeln dringen
Viel junge Stämme, die zum
Himmel steigen
Und brüderlich mit Armen sich
umschlingen.
O
Vaterland! Wer kann in dir noch wohnen?
Wenn ich ein Berg wär’ auf den deutschen Auen,
Wenn ich ein Strom wär’ in den deutschen Gauen,
Auswandern würd’ ich schnell nach andern Zonen.
Wenn ich ein Eichbaum wär’,
nicht länger fronen
Würd’ ich den deutschen Männern und den Frauen,
Nach einer neuen Heimat würd’ ich schauen,
Die würdig wäre meiner grünen Kronen.
Doch ach! der Mensch liebt
seine Heimatsterne,
Sei seines Volkes Schicksal noch so herbe,
Er zieht gebrochnen Herzens in die Ferne.
Ihm gab ein Gott dies
Liebesteil zum Erbe,
Daß er sein Vaterland befreien lerne
Und in ihm lebe oder in ihm sterbe.
Wie lang, o Volk! wie lang
wirst du es dulden,
Daß man dich schlag’ und trete gleich dem Hunde?
Wie lang wirst du empfangen Wund’ um Wunde
In deinen Leib von königlichen Hulden?
Bei deiner Henker gräßlichem
Verschulden
Schreit die Natur mit ihrem stummen Munde,
Der Berg erbebt vor Schreck in seinem Grunde,
Der Strom erbraust vor Wut in seinen Mulden.
Die Lüfte, wenn sie deinen
Wehruf hören,
Stehn heulend auf, mit dir sich zu verbinden;
Die Sterne glühn, mit dir sich zu verschwören.
Ha! Sehend werden müßten
selbst die Blinden,
Und selbst die Lahmen müßten sich empören -
Und du allein willst wie ein Wurm dich winden?
Fort mit der Schonung, wirf
sie weg, die Scheiden,
Du Manneszorn, den schon Homer
besungen!
Achilleus, als den Hektor er
bezwungen,
War blöd nicht im Vergelten,
noch bescheiden.
Odysseus, heimgekehrt zu
seinen Weiden,
Hat schnell die Freier in den
Sand gerungen,
Die ihm des Hauses Ehre schier
verschlungen
Und Hab und Gut – das waren
freilich Heiden.
Doch unsre Fürsten, das sind
Christen freilich,
Und wenn sie sich im Blut der
Freiheit baden,
So finden Papst und Pastor das
verzeihlich.
Was sie auch thun, sie thun’s
von Gottes Gnaden,
Und gegen solche Heil’ge wär’s
gedeihlich,
Das alte Heidentum zu Gast zu
laden.
XIV
Ihr Toten auf und brechet aus
der Truhe!
Im blut’gen Leilach schleichet
durchs Gegläste
Der Königshäuser und der
Prunkpaläste,
An euren Füßen leise
Geisterschuhe.
Als Träume tretet an das Bett
der Ruhe,
Zu Tisch setzt euch als
ungebetne Gäste,
Als Schatten stellt euch an
die Lichteräste,
Bis euch der Hahnshrei
heimruft in der Fruhe.
Wie Banko schüttelt euer Haupt
mit Grollen:
Da hält der Fürst sich
zitternd an den Wänden;
„Blut!“ schreit er, „Blut!“
und seine Augen rollen.
Doch säß’ er ewig an des
Weltmeers Ränden
Und wüsch’ sich in dem Becken,
in dem vollen,
Nicht wüsch’ er je das Blut
von seinen Händen.
Zum Kön’ge kam der Teufel
jüngst gegangen
Und sprach: „Mir fehlt ein
würdig Herrscherzeichen,
Das einzig sei in meinen
Höllenreichen,
Denn Hörner tragen alle meine
Rangen.
Nach deiner Krone stehet mein
Verlangen,
Gewälzt von dir in Thränen,
Blut und Leichen,
Ist sie ein fürstlich Kleinod
sondergleichen
Und völlig wert, auf meinem
Haupt zu prangen.
Gevatter König! meinem Herzen
teuer,
Ich werde diesen Liebesdienst
erkennen,
Kommst du hernieder in mein
höllisch Feuer.
Zum Vizeteufel will ich dich
ernennen,
Ich finde doch kein bessres
Ungeheuer,
Mein Höllenvolk zu schinden
und zu brennen.“
XVI
Ich weiß ein Heer von
unbesiegten Streitern,
Die nimmer weichen und die
nimmer wanken;
Sie stehn im Glied, die Waffen
hoch, die blanken,
Und trotzten euren Schützen,
euern Reitern.
Sie stürmen eure Wälle ohne
Leitern
Und auferstehn, so viel auch
ihrer sanken,
Weil sie vom Born des ew’gen
Lebens tranken –
An diesem Heer wird euer Heer
zerscheitern.
Schon gehn sie unsichtbar um
eure Hallen
Und hauen euern Löwen ab die
Pranken
Und hauen euern Adlern ab die
Krallen.
Ihr Heerschild blitzet, und
die Tempel schwanken,
Ihr Schlachtruf donnert, und
die Throne fallen –
Kennt ihr die Streiter? – Das sind
die Gedanken.
Ein Tag wird kommen, der wird
euch verbittern
Die Henkerfeste und die Mordgedanken:
Da wird der Boden, wie des Schiffes Planken
Vom Meer geschlagen, rings um euch erzittern.
Der Tag wird kommen, wo die
Ketten splittern,
Wo unter euch die goldnen Sessel wanken,
Und über euch die stolzen Giebel schwanken
Wie Wipfel sturmgeschüttelt von Gewittern.
Ein Tag wird kommen, wo die
Städte gären,
Und eure Kronen gehn in tausend Scherben,
Und euch die Sense fällt wie taube Ähren.
Dann wird mein Volk ein
Vaterland erwerben,
Am Hauch der Freiheit trocknen seine Zähren -
O den Tag möcht ich sehen und dann sterben!
Der Freiheit Werk, getrost! es
muß gelingen;
Dem Strome gleicht es, der dem Berg entsprossen:
Wie klein und hilflos hat er sich ergossen!
Die Erde, meint man, sollte ihn verschlingen.
Doch wie er fließt, da kommen
ihm mit Klingen
Viel junge Bruderquellen nachgeschossen;
Er wächst, im Arm die schwellenden Genossen,
Und stolz entfaltet er die feuchten Schwingen.
So der Gedanke: ist er erst
verkündet,
Wälzt er sich fort im eigenen Gewichte,
Und tausend Kräfte sind ihm bald verbündet.
Er gräbt sein Bett und macht
den Damm zunichte,
Es braust und strebt, bis er, ein Gott, sich mündet
Mit Jubelschall ins Meer der Weltgeschichte.