1821 - 1894
Was ist das Leben doch so arm
und nichtig!
Du bleibst dir selbst ein
unerforschter Bronnen,
Wie tief du sinnst, und bist,
hast du gesonnen,
Froh, geht nur deines Leibes
Uhrwerk richtig.
Und was dir erst so wertvoll
schien und wichtig,
Wird klein und schaal, sobald
du es gewonnen;
So schläft das Leid im Kerne
deiner Wonnen,
Und Müh’ legt sich um mühe
tausendschichtig.
Wer leben will, muß kämpfen
und muß streben;
So strebst du stets und sehnst
dich stets nach Ruhe,
Und lebst und webst – dein
letztes Hemd zu weben.
Durchlaufen hast du endlich
deine Schuhe,
Und mit den Schuhen auch dein
bißchen Leben –
Dann wird zum Lohn dir eine
schwarze Truhe.
1821 - 1894
Das Leben ist ein
unerschöpfter Bronnen,
Ein Tor nur kann es schelten arm und nichtig;
Stets bleibt es reich und wird aufs neue wichtig,
So viel du auch geschöpft hast und gewonnen.
Hast du dir nur ein ernstes
Ziel ersonnen
Und strebst mit Mut ihm zu, getreu und richtig,
Häuft sich dir Füll' auf Fülle tausendschichtig,
Stets neu entfacht im goldnen Strahl der Sonnen.
Im wahren Wirken ist die wahre
Ruhe;
Sanft wirst du so von Stuf' zu Stufe schweben,
An deinen Füßen leichte Götterschuhe.
Das ew'ge Kleid des Geistes
hilfst du weben;
Die Fäden bleiben, birgt auch dich die Truhe -
Und ewig wirst du in dem Ganzen leben.
1821 - 1994
Des Gärtners Kunst, sie werd'
ich immer hegen,
In jedem meiner Lieder wird sie laut;
Statt flücht'ger Blüten nur, im Topf gebaut,
pflanz' ich der Dichtung Flor an euren Wegen.
Und statt den Strauß zu
pflücken einer Braut,
Bind' ich zu Strophen meinen Blumensegen,
Mit holder Tröstung eures Wehs zu pflegen -
Für dieses trug mein Garten doch kein Kraut.
Laßt mich und nehmet freundlich
meine Gaben!
Der Spaten ging mir in der Hand zu Stücken,
So will. ich fortan grübeln statt zu graben.
Wollt ihr mein Haupt mit
keinem Kranze drücken,
Werd' ich im Garten so viel Blumen haben,
Als ihr bedürft, den Hügel mir zu schmücken.
1821 - 1894
Ein schwerer Bann, wer kann es
sich verschweigen?
Hält alles Leben jetzt in dumpfer Haft;
Es trauert selbst der Jugend frische Kraft,
Wie eine welke Blume mit den Zweigen.
Verstummt sind fast die Flöten
und die Geigen,
Es hat die Schwüle jeden Hauch erschlafft;
Und wie des Lebens Räderwerk auch schafft,
Nur scheu noch tanzt die Luft den alten Reigen.
Der Geist des Volkes ist
hinabgestiegen
In seine eignen Tiefen, sinnt und baut;
Drum liegt Gewitterluft auf allen Gründen.
Denn durch die Lüfte wird als
Wetter fliegen,
Was jetzt noch in der Tiefe gärt und braut;
Und nicht nur donnern wird es, nein, auch zünden!
1821 - 1894
,,Zu euch, ihr Inseln!
bringt mich vielleicht, zu euch,
Mein Schutzgott einst -"
Hölderlin
Ja, treulich hat der
Schutzgott dein gedacht,
Du Griechenseele in des Nordens Banden!
Du ringender Pilot nach sel'gen Landen!
Zertretner Kämpfer in des Lebens Schlacht!
Mit leiser Hand hat er dich
losgemacht
Aus Schmerzen, die wie Schlangen dich umwanden;
Als alle Tage dich in Tränen fanden,
Gab er dich hin der stillen Tröstrin Nacht.
So hat dein Gott die Wogen dir
geglättet,
Zu deiner Inseln Dichterparadies
Dich, sanft gebracht, in tiefen Schlaf gebettet.
So hat er dich, den selbst die
Hoffnung ließ,
Dem göttlichen Odysseus gleich gerettet,
Der träumend an der Heimat Ufer stieß.
1821 - 1894
Wohl manch Gebet klopft an des
Himmels Pforte,
Das keinen Einlaß kann am Tor
bekommen,
Weil allen Erdenwust es
mitgenommen,
Um zu erscheinen vor dem
höchsten Horte.
Wohl ist schon oft an einem
stillen Orte
In einer Seele wie ein Blitz
entglommen
Ein Lichtgedanke, heiliger als
der Frommen
Gebete und der Priester
heilige Worte.
Der Andacht Werk ist keine
Sklavensitte,
Es holt nicht erst, es trägt
in sich den Segen
Und sagt sich los von jeder
feigen Bitte.
Das Beten ist der Seele
Flügelregen,
Die frei zum Äther steigt aus
dumpfer Mitte,
Der ewigen Schönheit sich ans
Herz zu legen.
1821 - 1894
Wie lieblich ist’s! wenn
strebende Gedanken
Wie Frühlingsweihrauch aus der
Seele steigen,
Wie rege Blumen, welche mit
den Zweigen
Lichtdurstig in des Himmels
Klarheit ranken.
Wie traurig ist’s! wenn Gier
und Wahn sich zanken,
So daß der Wahrheit reine
Lippen schweigen;
Wenn all die Triebe, all die
niedern, feigen,
Im Staub der Erde
lichtverdrossen schwanken.
Ein solcher Busen ist ein
schlimmer Garten,
Auf den der Weltgeist seinen
Segen gießet,
Und der nur Dornen trägt in
allen Beeten.
Wie lange soll der treue
Gärtner warten,
Bis aus dem Grund ein armes
Blümlein sprießet?
Das freie Denken ist das
höchste Beten.
1821 - 1894
Der Wandler sinnt, wohin den
Schritt er richte,
Das Herz verstummt, weiß
nicht, wofür es schlage:
Kein Jubel bebt in ihm und
keine Klage,
Sein Glauben und sein Hoffen
ward zunichte.
Wo eine Heimat sich die
Sehnsucht dichte,
Auf jeder Lippe steht die
stille Frage,
In jedem aug der Durst nach
einem Tage,
Der diese Nacht mit seiner
Klarheit lichte.
So brütet Schwüle auf des
Lebens Wogen,
Wenn eine alte Zeit
hinabgegangen,
Und noch die neue nicht
heraufgezogen.
Wann wirst du schwinden,
ahnungsschweres Bangen?
Man sieht ja längst am dunkeln
Himmelsbogen
Der neuen Sonne erste Strahlen
prangen!
1821 - 1894
O Poesie, du heimatlose, arme!
Wie senkst du trüb dein blaues
Auge nieder!
Umsonst hebst du dein
schimmerndes Gefieder
Nach einem Port aus diesem
Drang und Harme.
Wo du auch pilgerst, in dem
gierigen Schwarme
Der Trachtenden gedeihn jetzt
keine Lieder:
Drum nach vergangnen Zeiten,
fromm und bieder,
Streckst du oft sehnend deine
weißen Arme.
Du irrst umher und kehrst aus
fernen Zonen,
Wie ein verwaistes Kind zum
Elternhause,
Das liebelose Fremde jetzt
bewohnen.
Man beut dir keinen Platz zum
Abendschmause,
Kein Blick mag deiner treuen
Liebe lohnen,
Und nirgens winkt dir eine
stille Klause.
1821 - 1894
Da kein Asyl das Leben dir
will zeigen,
Was bleibt dir, als des Todes
Hand zu fassen
Und so im Herzen nieder dich
zu lassen,
Das dir zu kurzem Wohnen ward
zu eigen.
Da tanzt du nun den wilden
Sehnsuchtsreigen,
Des Lebens Schätze jubelnd zu
verprassen,
Bis auf die Züge, auf die todesblassen,
Du dich verklärend kannst als
Engel neigen.
Drum weh! dem Herzen, das dich
jetzt muß tragen:
Es schwankt und treibt in
Kämpfen und in Schmerzen,
Ein übervolles Schiff das
Stürme jagen –
Bis das die letzte Welle mit
dem Herzen
Sich am Gestad der Ewigkeit
zerschlagen;
Dann wachst du sinnend bei den
Totenkerzen.
1821 - 1894
In tiefer Nacht ging ich mit
Liebesbangen
Zum teuern Hause, neuen Mut zu
trinken;
Ich sprach zu mir: Wenn dort
noch Lichter winken,
Dann soll dein Wunsch sein
holdes Ziel erlangen.
Kein Schimmer mehr! – wie
blaßten mir die Wangen!
Da sah ich einen Stern vom
Himmel sinken,
Der auf das Haus herniederfuhr
mit Blinken –
Und weit war mir der Himmel
aufgegangen.
Ich sprach zum Lieb: Nie hat
ein Stern gelogen;
Wie preis’ ich dieses
himmlische Orakel!
Schon seh’ ich durch die
Wolken heitre Ferne.
Doch sie sprach neckend:
Freund, du bist betrogen!
Das war kein Strahl der
ird’schen Hochzeitsfackel –
Sieh, unsrer Liebe leuchten
nur die Sterne.
1821 - 1894
Beklag es nicht, mein Lieb,
daß wir mit Beben
Der goldnen Jugend süße Frucht
genossen,
Daß tausend Thränen kamen
nachgeflossen
Für einen Strahl, den uns das
Glück gegeben.
Der thränenfeuchte Boden macht
es eben,
Daß unsre Liebe herrlich
aufgeschossen,
Gleich einer Palme, breitend
ihre Sprossen,
Wie Segensarme, übers ganze
Leben.
Willkommen denn, ihr
wirkungsreichen Schmerzen!
Ihr habt der Liebe diese Kraft
verliehen
Des stolzen Wachstums, das die
Welt besieget –
Bis sie das Haupt so hoch im
Himmel wieget,
Daß unter ihr die dunkeln
Wetter ziehen,
Und über ihr die heitern Lüfte
scherzen.
1821 - 1894
O fühltest du, wie Hoffen neu
und Streben
Mein Herz beseligt bis zum
tiefsten Grunde,
Wenn mir ein Kuß von deinem
lieben Munde
Ein Glück beschert, so schön
wie keins im Leben;
O fühltest du, wie mir die
Pulse beben
Und neu sich öffnet meine
Liebeswunde,
Wehrst grausam du der Lippen
süßem Bunde –
Gewiß, du währest nicht so
karg im Geben.
Ja fühltest du dies
sehnsuchtsvolle Bangen,
O Herrin meines Wehs und
meiner Wonne,
Dich selbst ergreif, zu
lindern, ein Verlangen;
Du neigtest dich zu mir in
holder Güte,
Wie über den beraubten Zweig
die Sonne
Sich neigt, daß neu entspringe
Blüt’ um Blüte.
1821 - 1894
Sind denn die Blumen nicht
gemacht zu düften?
Sind denn die Früchte nicht
gemacht zu laben?
Und du willst bergen holder
Schöpfung Gaben,
Die mächtig drängen aus den
seidnen Grüften?
Wie zärtlich schwellen diese
runden Hüften!
Das Zwillingspaar – viel süßer
als zwei Waben,
Die reinen Honigs goldne Fülle
haben –
Wie quillt’s empor und will
den Schleier lüften!
Sind denn zum Fühlen nicht
gemacht die Sinne?
So laß mich huld’gen diesem
Götterleibe
Und reiche mir den Kelch der
edlen Minne.
Ja! gleiche der Natur, dem
größten Weibe:
Die weiß es, daß sie gebend
nur gewinne
Und ewig schön nur im
Gewährten bleibe.
1821 - 1894
Proserpina, hinweggeführt vom
Gatten
Aus Lenz und Licht zur
Unterwelt, zur dunkeln,
Auf ihrem Thron, umgeben von
Homunkeln,
Sehnt sich zurück zu den
besonnten Matten.
Da will ihr Zeus von Frist zu
Frist gestatten,
Emporzusteigen, wo die
Goldranunkeln,
Die Purpurrosen aus dem Grünen
funkeln,
Daß sie genese von dem Reich
der Schatten.
Nun wandelt sie getrost durch
Nacht und Schweigen;
Abwechselnd zwischen Freude
und Entsagen,
Weiß sie mit Huld ihr
Doppellos zu tragen –
Willst nicht auch du aus
deinem Orkus steigen?
Ich bin kein Zeus, doch weiß
ich deinem Leben
Von Frist zu Frist die Sonne
heimzugeben.
1821 - 1894
Die Glocke bebt und spricht
mit lautem Dröhnen,
Wird sie gerührt von Freuden
oder Klagen;
So klang auch meine Brust, an
die geschlagen
Des Lebens Hammer – hier
verhallt ihr Tönen.
Der letzte Ton, vom Tode
angeschlagen,
Rührt schon die Schwingen –
und er sei kein Stöhnen!
Wird auch kein Kranz die
stille Stirne krönen,
Wird all mein Singen auch der
Wind verjagen.
Auch ich war eine Welt im
Kreis der Welten;
Was ich gelebt, es wird doch
ewig leben,
Was ich gestrebt, es muß doch
ewig gelten.
Mein Schwererrungnes werden
andre erben,
Mein kleines Gut darf ich zum
Ganzen geben,
Daß schönres Leben sprieße aus
dem Sterben.
1821 - 1894
„Ergehst
du dich im Abendlicht –
Das ist
die Zeit der Dichterwonne –
So
wende stets dein Angesicht
Zum
Glanze der gesunknen Sonne.“
Uhland.
Zur stillen Feier deiner
Dichterstunde
Laß mich im Glanz der
Sonnenrüste kommen;
Schon ist der Himmel wonnefarb
entglommen,
Und Lichtgebilde wallen in der
Runde.
Aus goldnen Äthers unermessnem
Grunde
Kommt sel’ge Zukunft siegreich
hergeschwommen;
Dies hohe Lied, kein Ohr hat
es vernommen,
Doch solche Glut braucht nicht
des Wortes Kunde.
So lodert dir ein Lichtheer
stummer Gluten,
Die deines Liedes Flammen
hinterließen,
In tausend Herzen, dir nicht
zu vermuten.
In des Sonetts kristallne
Schale schließen
Laß mich sie all, die schönen
Liebesfluten,
Und dir aufs Haupt als
Abendglorie gießen.
1821 - 1894
Die Dichterseele gleichet
einem Kinde,
Deß Mutter starb, da es zur
Welt gekommen;
Nun hat die Not es an die
Brust genommen,
Ach! eine karge Amme, eine
blinde.
Da weint das Kind: daß es die
Mutter finde,
Streckt es die Ärmchen aus so
schmerzbeklommen!
Doch nachts, wenn alles
schläft und nur die frommen
Weltaugen wachen, naht der
Genius linde.
Der hält das Kind hoch in des Himmels
Prangen;
Da beugt die große Mutter mild
sich nieder
Und küßt es zärtlich auf die
bleichen Wangen.
O süßes Träumen, seliges
Umfangen!
Da lallt das Kind die
wunderbaren Lieder
Und bleibt zuletzt am Hals der
Mutter hangen.
1821 - 1894
Der wandrer sinnt, wohin den
Schritt er richte,
Das Herz verstummt, weiß nicht
wofür es schlage;
Kein Jubel bebt in ihm und
keine Klage,
Sein Glauben und sein Hoffen
ward zunichte.
Wo eine Heimat sich die
Sehnsucht dichte,
Auf jeder Lippe steht die
stille Frage;
In jedem Aug’ der Durst nach
einem Tage,
Der diese Nacht mit seiner
Klarheit lichte.
So brütet Schwüle auf des
Lebens Wogen,
wenn eine alte Zeit
hinabgegangen
Und noch die neue nicht
heraufgezogen.
Wann wirst du schwinden, ahnungsvolles
Bangen?
Man sieht ja längst am dunkeln
Himmelsbogen
Der neuen Sonne erste Strahlen
prangen.
1821 - 1894
Oft sprichts in mir – und
meine Glieder schauern -:
O magst du dich in alle Tiefen
wagen,
Und magst du, Thor, in alle
Fernen jagen,
Dein Feld umgrenzen doch die
Kirchhofmauern.
Du ringst und ringst! wie
lange wird es dauern?
Dann werden sie dich stumm von
dannen tragen!
Und was dann weiter? – magst
die Toten fragen!
Und meines Lebens beste Kräfte
trauern.
Soll ich mit treuem
Künstlermut vergebens
An meiner eignen Seele liebend
bilden
Und nie mein Werk mit höhrer
Kraft vollenden?
Da möcht’ ich oft vom Gipfel
alles Strebens
In des Genusses Wogen, in die
wilden,
Mich häuptlings stürzen,
stille zu verenden.
1821 - 1894
Du schöne Welt! du sänftigst
meine Mühen,
Bis dir mein Herz wie eine
Harfe klinget;
Ich fühle, ein gewalt’ger
Pulsschlag dringet
Durch all die Leben, die im
Schoß dir glühen.
Und in dem reichen Keimen,
Singen, Sprühen
Kein Strahl, kein Ton umsonst
die Flügel schwinget;
Drum, was auch deine hohe
Ordnung bringet,
Still will ich dir wie eine
Blume blühen.
Du läßt auch mich in dem
lebend’gen Schwarme
Der Wesen all an deiner
Schöpfung bauen;
Lind weht um mich dein Hauch,
der segenswarme.
Dir leg’ ich mich mit
kindlichem Vertrauen,
O Welt, du große Mutter! in
die Arme:
Laß deinen ew’gen Himmel ob
mir blauen.
1821 - 1894
Des Menschen Mutter ist Natur,
die milde,
Sein rauher Pflegevater ist
der Staat.
Die Mutter giebt dem Kinde Kuß
und Rat,
Der Vater waffnet es mit
Schwert und Schilde.
Er reißt das Kind hinweg, zu
Kampf und That,
Vom Mutterbusen und vom
Heimgefilde;
Es wandert, mit dem teuern
Mutterbilde
In tiefer Brust, den fremden
Dornenpfad.
Der Vater treibt es fort mit
wildem Jagen,
Die Mutter sucht mit Rufen und
mit Klagen
Ihr Kind auf allen Wegen
ruhelos.
Ach! endlich naht es – wie
gebleicht vom Harme!
Sie öffnet liebend ihm die
treuen Arme –
Da sinkt es tot der Mutter in
den Schoß.
1821 - 1894
Ihr sagt, das Paradies sei
euch verloren,
Und sucht und sucht auf weitem
Erdenrunde;
Vom schönen Lande wird euch
keine Kunde,
Da glaubt ihr euch mit einem
Fluch geboren.
Fürwahr! ihr gleicht dem unverständ’gen
Thoren,
Der einen Demant, unbeglückt
vom Funde,
Den Kindern gab und dann zur
Geisterstunde
Nach Schätzen wühlte in der
erde Poren.
Wo schweift und sucht ihr
denn, ihr Ewigblinden?
O wollt doch nur in euren
Busen greifen,
Hier oder nirgends müsset ihr
es finden.
Tragt ihr den Himmel nicht im
eignen Herzen,
Mögt ihr zum Himmel aller
Himmel schweifen,
Auch dort begrüßen euch die
alten Schmerzen.
1821 - 1894
Du Glaube wohnest nicht in
Kirchenhallen,
Und an Altären bist du nie
gediehen;
Du schüchtern Kind willst dem
Gedräng entfliehen
Und unbelauscht dein einsam
Sprüchlein lallen.
Du suchst die Wälder, wo die
Wasser fallen,
Du liebst die Himmel, wo die
Sterne ziehen;
Die Brust nur, der des
Zweifels Kraft verliehen,
Magst du, ein stiller
Friedenshauch, durchwallen.
Wo Priester drohn und Gift und
Galle sprühen,
Da stehst du traurig an des
Tempels Pforte;
Da nahst du nicht, wo feige
Knechte beben.
Wo freie Seelen für die
Wahrheit glühen,
Schwebst du daher und sagst
mit festem Worte:
Wer Ew’gem lebt, der wird auch
ewig leben.
1821 - 1894
Es webt und rauscht ein uralt
heil’ger Hain,
Die Kräfte steigen schaffend
auf und nieder,
Die ew’gen Wasser stürzen aus
dem Stein,
Und aus den Lüften tönen
Frühlingslieder.
Die Blumen sprießen schön und
farbenrein,
Die Wipfel breiten aus ihr
Laubgefieder –
Doch immer dringt der Priester
Rotte ein
Und fällt das freie
Gottesleben wieder.
Sie fügen aus den Bäumen sich
ein Haus
Und jagen Liebe, Lenz und
Licht hinaus:
Hier muß der Gott nach ihrem
Willen leben!
Dem Geist, der sich sein
Wohnhaus selber schafft,
Erbauen sie die enge
Kerkerhaft –
Ein Totenhaus, dem Leben Raum
zu geben!
1821 - 1894
Wer sind die Priester, so die
Welt veredeln?
Sind’s die Geschornen, die den
Segen geben,
Die Hände fromm, die Augen frömmer
heben
Und, wie entmannt, in
Weiberröcken wedeln?
Sind’s die Gescheitelten mit
Muckerschädeln,
Die Demut pred’gen und in
Hochmut leben? –
wenn das die Priester sind, so
kann man eben
Auch ein Kamel in eine Nadel
fädeln.
Nein! die getrunken vom
Erlösungstranke
Am Quell der Freiheit, die,
ein Sterngedanke,
Hell durch der Völker dunkeln
Himmel zieh’n.
Sie gehn verlassen und
verfolgt durchs Leben,
Das ew’ge Licht der blinden
Schar zu geben,
Und Menschheit heißt der
Tempel, drin sie knie’n.
1821 - 1894
Es braust die zeit heran auf
ehrnen Speichen,
Da wankt und zittert euer
falscher Thron;
Die holde Liebe floh euch
lange schon,
Kein Brot des Lebens habt ihr
mehr zu reichen.
Was soll uns euer blut’ges
Kreuzeszeichen?
In Gottes Lichtwelt ragt es
wie ein Hohn:
Fort! sät nicht länger in das
korn den Mohn
Und euer Tollkraut unter unsre
Eichen!
Glaubt, eurer Märchen leere
Trostgesänge
Und eurer Worte hohle
Klapperklänge,
Die können keines Menschen
Herz mehr letzen.
Zum Geiste schrieen wir, zum
höchsten Horte –
Und ob ihr drohend stündet an
der Pforte:
Er will die Wahrheit in den
Tempel setzen.