August Graf von Platen          An Rückert

1796 -  1835 

Kaum noch verschlang ich deines Buchs ein Drittel,
Das von der Kunst Hariris zeugt und deiner,
Und schon erschein ich der Entzückten einer,
Der's ohne Hehl bestaunt und ohne Krittel.

 

Wenn das Genie so ganz auf eigne Mittel
Die Welt durchbetteln muß, bewährt sich's reiner
Als je, vergöttlichter und ungemeiner,
Wenn auch verkappt in einen Gaunerkittel.

 

Mit einem andern aber soll ich losen,
So willst du, statt zu schicken uns ein Pärchen,
Um deines Ebu Seids Metamorphosen?

 

Darüber wachse mir kein graues Härchen:
Nie trenn ich mich von deinem Virtuosen,
Drum sende lieber noch ein Exemplärchen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen         

1796 -  1835 

Anstimmen darf ich ungewohnte Töne,

Da nie dem Halben ich mein Herz ergeben:

Der Kunst gelobt ich ganz ein ganzes Leben,

Und wenn ich sterbe, sterb ich für das Schöne.

 

Doch wünsch ich, daß man Bessere bekröne,

Mich aber ziehen lasse, wo ich neben

Dem Höchsten lernen kann nach Hohem streben,

Ja, daß man mir mein Vaterland verpöne!

 

Ich lieb es drum in keinem Sinne minder,

Da stets ich mich in seinem Dienst verzehre,

Doch wär ich gern das fernste seiner Kinder.

 

Geschieh’s daß je den innern Schatz ich mehre,

So bleibt der Fund, wenn längst dahin der Finder,

Ein sichres Eigentum der deutschen Ehre.

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen          An Winkelmann

1796 -  1835

Wenn ich der Frömmler Gaukelein entkommen,

So sei der Dank dafür an dich gewendet:

Wohl fand dein Geist, was nie beginnt noch endet,

Doch fand er’s nicht im Predigtbuch der Frommen.

 

Dir ist das Licht des Göttlichen entglommen

Im Werk der Heiden, die es reich gespendet;

Denn himmlisch ist, was immer ist vollendet,

Und Christus selbst gebietet: Seid vollkommen!

 

Zwar möchten gern gewisse schwarze Röcke

Den Geist verwickeln, der sich will befreien,

Wo nicht, uns stellen in der Zahl der Böcke.

 

Doch laßt nur ab, die Heiden zu beschreien!

Wer Seelen hauchen kann in Marmorblöcke,

Der ist erhaben über Litaneien.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen         

1796 -  1835 

Des Glückes Gunst wird nur durch dich vergeben,

Schön ist die Rose nur, von dir gebrochen,

Und ein Gedicht nur schön, von dir gesprochen:

Tot ist die Welt, du bist allein am Leben.

 

In diesen Lauben, die sich hold verweben,

Wird ohne dich mir jeder Tag zu Wochen,

Und dieser Wein, den warme Sonnen kochen,

Kann nur aus deiner Hand mein Herz beleben.

 

Von dir geschieden, trenn ich mich vom Glücke,

Das Schönste dient mir nur, mich zu zerstreuen,

Das Größte füllt mir kaum des Innern Lücke.

 

Doch drückst du mich an deine brust, den Treuen,

Dann kehrt die Welt in meine Brust zurücke,

Und am Geringsten kann ich mich erfreuen.

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

Es sehnt sich ewig dieser Geist ins Weite,
Und möchte fürder, immer fürder streben:
Nie könnt' ich lang an einer Scholle kleben,
Und hätt' ein Eden ich an jeder Seite.

 

Mein Geist, bewegt von innerlichem Streite,
Empfand so sehr in diesem kurzen Leben,
Wie leicht es ist, die Heimat aufzugeben,
Allein wie schwer, zu finden eine zweite.

 

Doch wer aus voller Seele haßt das Schlechte,
Auch aus der Heimat wird es ihn verjagen,
Wenn dort verehrt es wird vom Volk der Knechte.

 

Weit klüger ist's, dem Vaterland entsagen,
Als unter einem kindischen Geschlechte
Das Joch des blinden Pöbelhasses tragen.

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

Es sei gesegnet, wer die Welt verachtet,
Denn falscher ist sie, als es Worte malen:
Sie sammelt grausam unsern Schmerz in Schalen,
Und reicht zum Trunk sie, wenn wir halb verschmachtet.

 

Mir, den als Werkzeug immer sie betrachtet,
Mir preßt Gesang sie aus mit tausend Qualen,
Läßt ihn vielleicht durch ferne Zeiten strahlen,
Ich aber werd als Opfertier geschlachtet.

 

O ihr, die ihr beneidetet mein Leben,
Und meinen glücklichen Beruf erhobet,
Wie könnt in Irrtum ihr so lange schweben?

 

Hätt' ich nicht jedes Gift der Welt erprobet,
Nie hätt' ich ganz dem Himmel mich ergeben,
Und nie vollendet, was ihr liebt und lobet.

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen          Grabinschrift

1796 -  1835 

Ich war ein Dichter und empfand die Schläge
Der bösen Zeit, in welcher ich entsprossen;
Doch schon als Jüngling hab ich Ruhm genossen,
Und auf die Sprache drückt' ich mein Gepräge.

 

Die Kunst zu lernen, war ich nie zu träge,
Drum hab ich neue Bahnen aufgeschlossen,
In Reim und Rhythmus meinen Geist ergossen,
Die dauernd sind, wofern ich recht erwäge.

 

Gesänge formt' ich aus verschiednen Stoffen,
Lustspiele sind und Märchen mir gelungen
In einem Stil, den keiner übertroffen:

 

Der ich der Ode zweiten Preis errungen
Und im Sonett des Lebens Schmerz und Hoffen
Und diesen Vers für meine Gruft gesungen.

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

Hier, wo von Schnee der Alpen Gipfel glänzen,
Gedenk ich still vergangner Mißgeschicke,
Zurück nach Deutschland wend ich kaum die Blicke,
Ja, kaum noch vorwärts nach Italiens Grenzen.

 

Vergebens hasch ich nach geträumten Kränzen,
Daß ich die Stirne, die mich brennt, erquicke,
Und Seufzer wehn, die selten ich ersticke,
Als könnten Seufzer das Gemüt ergänzen!

 

Wo ist ein Herz, das keine Schmerzen spalten?
Und wer ans Weltenende flüchten würde,
Stets folgten ihm des Lebens Truggestalten.

 

Ein Trost nur bleibt mir, daß ich jeder Bürde
Vielleicht ein Gleichgewicht vermag zu halten
Durch meiner Seele ganze Kraft und Würde.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

Ich möchte, wenn ich sterbe, wie die lichten
Gestirne schnell und unbewußt erbleichen,
Erliegen möcht' ich einst des Todes Streichen,
Wie Sagen uns vom Pindaros berichten.

 

Ich will ja nicht im Leben oder Dichten
Den großen Unerreichlichen erreichen,
Ich möcht', o Freund, ihm nur im Tode gleichen;
Doch höre nun die schönste der Geschichten!

 

Er saß im Schauspiel, vom Gesang beweget,
Und hatte, der ermüdet war, die Wangen
Auf seines Lieblings schönes Knie geleget:

 

Als nun der Chöre Melodien verklangen,
Will wecken ihn, der ihn so sanft geheget,
Doch zu den Göttern war er heimgegangen.

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

O süßer Tod, der alle Menschen schrecket,
Von mir empfingst du lauter Huldigungen:
Wie hab ich brünstig oft nach dir gerungen,
Nach deinem Schlummer, welchen nichts erwecket!

 

Ihr Schläfer ihr, von Erde zugedecket,
Von ew'gen Wiegenliedern eingesungen,
Habt ihr den Kelch des Lebens froh geschwungen,
Der mir allein vielleicht wie Galle schmeckst?

 

Auch euch, befürcht ich, hat die Welt betöret,
Vereitelt wurden eure besten Taten,
Und eure liebsten Hoffnungen zerstöret.

 

Drum selig alle, die den Tod erraten,
Ihr Sehnen ward gestillt, ihr Flehn erhöret,
Denn jedes Herz zerhackt zuletzt ein Spaten.

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen          Shakespeare in seinen Sonetten

1796 -  1835 

 

Du ziehst bei jedem Los die beste Nummer,
Denn wer, wie du, vermag so tief zu dringen
Ins tiefste Herz? Wenn du beginnst zu singen,
Verstummen wir als klägliche Verstummer.

 

Nicht Mädchenlaunen stören deinen Schlummer,
Doch stets um Freundschaft sehn wir warm dich ringen:
Dein Freund errettet dich aus Weiberschlingen,
Und seine Schönheit ist dein Ruhm und Kummer.

 

Bis auf die Sorgen, die für ihn dich nagen,
Erhebst du alles zur Apotheose,
Bis auf den Schmerz, den er dich läßt ertragen!

 

Wie sehr dich kränken mag der Seelenlose,
Du lässest nie von ihm, und siehst mit Klagen
Den Wurm des Lasters in der schönsten Rose.

 

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen 

1796 -  1835 

Daß Hafis kühn sei, darf ich nicht verschweigen,
Und daß ein Geist wie seiner schwer zu zügeln,
Dem Adler gleicht er, der mit breiten Flügeln
Im Äther schlägt den lichten Sternenreigen.

 

Ihr mögt ihm nachschaun oder mit ihm steigen
Zu seinen blühend unbewölkten Hügeln,
Wo nicht, ihn tadeln oder ihn beklügeln:
Er wird sich keinem, als nur einem, neigen.

 

Im Guten mögt ihr schwelgen oder Schlimmen,
Doch nur Gestalt entzücke den Gestalter,
Und jeder soll sein eignes Ziel erklimmen.

 

Kein Mißverstehender vermag mit kalter
Beschränktheit einen Busen zu verstimmen,
Der frei sich fühlt durch alle Lebensalter.

 

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen          Das Sonett an Goethe

1796 -  1835 

Dich selbst, Gewalt'ger, den ich noch vor Jahren
Mein tiefes Wesen witzig sah verneinen,
Dich selbst nun zähl ich heute zu den Meinen,
Zu denen, welche meine Gunst erfahren.

 

Denn wer durchdrungen ist vom innig Wahren,
Dem muß die Form sich unbewußt vereinen,
Und was dem Stümper mag gefährlich scheinen,
Das muß den Meister göttlich offenbaren.

 

Wem Kraft und Fülle tief im Busen keimen,
Das Wort beherrscht er mit gerechtem Stolze,
Bewegt sich leicht, wenn auch in schweren Reimen.

 

Er schneidet sich des Liedes flücht'ge Bolze
Gewandt und sicher, ohne je zu leimen,
Und was er fertigt, ist aus ganzem Holze.

 

 

 

 

 

 

August Graf von Platen         

1796 -  1835 

Nie hat ein spätres Bild dein Bild vernichtet,

Das fühlt’ ich stets vielleicht und fühl’ es heute

Da sich’s nach langen Jahren mir erneute,

Nachdem ich manchen Wahn der Welt gesichtet.

 

O Zeit, in der ich noch für dich gedichtet,

Was, außer mir, sich keiner Leser freute!

Noch war mein Name nicht der welt zur Beute,

Die selten fühlt und oft so lieblos richtet!

 

Noch unbekannt mit meinen eignen Trieben,

Zu ernst, zu schüchtern, allzusehr verschlossen,

Bin ich dir fremd durch eigne Schuld geblieben.

 

Da wieder nun ich deines Blicks genossen,

Empfind’ ich wieder jenen Drang zu lieben;

Doch meine schönste Jugend ist verschlossen.