1837 – 1907
Europa, du bist alt und
kindisch fast
An deinem Witz und Aberwitz
geworden,
Dich hetzt dein
Bücherskorpionenorden
Entgöttlicht fort in
ahnungsloser Hast.
Ja du bist alt und blöd und
kindisch fast,
Erst müssen wieder
Völkerwandrungshorden
Mit Städtebränden und mit
Massenmorden
Dir helfen von des Wissens
Überlast.
Wenn Abgrund über Abgrund
aufgewühlt,
Im Wirbelsturme rasend
fortgespült
Fabriken, Schulen, Kirchen und
Kanzleien,
Mit Schutt bedeckt der alte,
kranke Grund,
Mag aus den Trümmern wieder
kerngesund
In Gottesfurcht ein frischer
Geist gedeihen.
1837 – 1907
In dem Land der Professoren,
Präsidenten, Exzellenzen,
Seh ich dir im Auge glänzen
Eine Träne, traumverloren.
Wärst du fern im Süd geboren,
Wo bei Tarantellatänzen
Sich mit Rebenlaub umkränzen
Riesenhafte Weinamphoren!
Ach, in seinen Liedern findet
Man zuweilen Tropfen Blutes, -
Ob ein Genius erblindet
In Germanien, was tut es?
Und sich als Direktor schindet
Eines Töchterinstitutes!
1837 – 1907
In allen Tälern
Obstbaumblütenduft,
aus den Gehängen Buchenwälder streben,
darüber hoch die Felskolosse
schweben,
und Lerchen steigen jubelnd in
die Luft.
Der Efeu schlingt sich dicht
von Kluft zu Kluft,
um jede Klippe einen Kranz zu
weben,
und in der Tiefe, welch
geheimes Leben
in guelldurchrauschter Höhlen
kühler Gruft!
Vor dem Gebirg die Einzelberge
ragen,
das kahle Haupt verklärt vom
Abendlichte
und schön umrauscht von alten
Heldensagen.
Von ihren Burgen, jetzt in
Staub zerschlagen,
ward einst im Sturmeslauf die
Weltgeschichte
bis in das ferne Morgenland
getragen.
1837 – 1907 VII.
Die Raben krächzen, Wodans
Krone sinkt
Langsam zu Boden, alle Asen
schreien,
Aus Feld und Meer die Drachen
Flammen speien,
Und blutrot überm Pol das
Nordlicht blinkt.
Zum letztenmale meine Harfe
klingt:
„Nichts kann auf Erden
fürderhin gedeihen,
Errichtet werden zahllose
Pfarreien,
Womit man in das Joch die
Völker zwingt!“
„Nicht mehr mit Run’ und
Stäben wird geliedet,
Gesangbuchverse werden jetzt
geschmiedet,
Und Helden gehn mit Kreuz und
Skapulier“;
„Wohlan, du Zwerg, lass uns
die Barke rüsten,
Wir stoßen ab von Nordlands
Felsenküsten,
Noch heute nacht verbrenn’ ich
mich mit dir!“
1837 – 1907
Ich sehe schaudernd, über Blut
und Leichen
Geht meines Volkes Weg ins
bessre Licht,
Ihm ist’s verhängt noch
manches Strafgericht
Von Hungersnot, von Kriegen
und von Seuchen.
Dann aber werden alle Schatten
weichen,
Und eines neuen Glaubens Sonne
bricht
Durch manches gottverklärte
Angesicht
Es kommt ein Geistesfrühling
ohnegleichen.
Dann schüttert auch durch
meine armen Knochen
Dann längst in Staub vermodert
und zerbrochen,
Des neuen Leens
Auferstehungshauch.
Mein Volk erinnert sich
uralter Lieder,
Uralt vergessener – es blühet
wieder
Auf meinem grab der wilde
Rosenstrauch.