Friedrich Rückert                   Geharnischte Sonette

1788-1866                                                                Vorklänge

 

 

I.

 

II.

 

III.

 

Des tröst ich mich, daß zwar, wenn zu den Toren

Des Todes fuhr der Mensch, der einzle, nieder,

Er dann sowenig, als die Blume wieder

Heraufgebracht kann sein vom Tanz der Horen;

 

Daß aber wohl, gleichso wie kahlgeschoren

Ein Baum von neuem treibet seine Glieder,

Ein Vogel treibt von neuem sein Gefieder,

So auch ein Volk kann werden neugeboren.

 

Du Volk der Deutschen, Phönix sonder gleichen,

Du bist mit Ruhm gealtert ein Jahrtausend,

Doch niemand soll mit Hohn sehn deine Leichen.

 

Besteig den Holzstoß, nicht vorm Tode grausend!

In Flammen soll dir Schwäch’ und Alter weichen,

Und du hervorgehn, neu in Jugend brausend!

 

 

 

IV.

 

Du blühestest, die schönste aller Eichen,

Germania, im tiefsten Kern gesunde;

Als dir der Römer gegenüberstunde,

Konnt an die Äste dir sein Speer nicht reichen.

 

Da schlug ein andrer Feind mit listigen Streichen

Dir von der Westseit’ eine schwere Wunde,

Hieb von den Ästen manche dir zum Grunde,

Und zimmerte daraus sich Siegeszeichen.

 

Nun will er gar den ganzen Stamm zerhauen,

Und tröstet dich: „Ich will euch wilde Äste

Zu einem wohlgefugten Haus verbauen.“

 

Er baue dich zum schönsten der Paläste,

Doch wird dir kein lebendiger Lenz mehr tauen,

Nicht rauschen wirst du mehr im freien Weste.

 

 

 

V.

 

Ihr Deutschen von dem Flutenbett des Rheines,

Bis wo die Elbe sich ins Nordmeer gießet,

Die ihr vordem ein Volk, ein großes hießet,

Was habt ihr denn, um noch zu heißen eines?

 

Was habt ihr denn noch großes Allgemeines?

Welch Band, das euch als Volk zusammenschließet?

Seit ihr den Kaiserzepter brechen ließet

Und euer Reich zerspalten, habt ihr keines.

 

Nur noch ein einziges Band ist euch geblieben,

Das ist die Sprache, die ihr sonst verachtet;

Jetzt müßt ihr sie als euer einziges lieben.

 

Sie ist noch eur, ihr selber seid verpachtet;

Sie haltet fest, wenn alles wird zerrieben,

daß ihr noch klagen könnt, wie ihr verschmachtet.

 

 

 

VI.

 

 

 

VII.

 

Du Sprachbegabter, o Erzeugter Maias,

Und all’ ihr, in Olympos Kronenträger,

Du o Alkid, Herakles, Löwenjäger,

All’ ihr Heroen Gräcias und Achaias!

 

Und ihr Erlesene vom Volk Judaias,

O Moses, steinernen Gesetzes Präger,

O David, auf dem Thron ein Harfenschläger,

Und du, in Nacht ein Gottesblitz, Jesaias!

 

Und, hohe Namen aus Thuiskons Hainen,

Ihr Lieder eurer Barden, o Hermanne,

Ihr Flammen eurer Krieger, o Thusnelden!

 

Euch alle ruf ich, daß ihr sollt erscheinen,

Damit mein Volk zu Helden sich ermanne,

Und ich, daß ich ein Sänger sei der Helden.