1788 – 1866 ein
Sommer auf dem Lande
I.
Wenn ich, o du mein Liebling,
dich betrachte,
O Amaryllis, meiner Kunst
Gebilde,
Ist’s oft, als ob ich fast der
Dichtergilde
Anzugehören für was Rechtes
achte.
Denn, wenn ich dich mit in
Gesellschaft brachte,
Wo seinen Rang sonst jeder
führt im Schilde,
Dich, die erzeugte ländlicher
Gefilde;
Wer war’s, der da dich zu
verachten dachte?
Zu zweifeln schien man nicht
an deinem Adel,
Schien nicht zu ahnden oder
nicht zu ahnen,
Daß du gekommen bist von Hürd’
und Stadel.
Wer ist’s nun, der dir so
ersetzt die Ahnen?
Das ist der Dichter, der drum
ohne Tadel
Sich selbst wohl als ein Pfalzgraf
mag gemahnen.
II.
Der Frühling kocht sich aus
des Winters Reifen
Den Tau, den seine Kinder
sollen trinken;
Er stimmt zum Morgenlied die
muntern Zinken
und schmückt sein grünes Haus
mit Blütenschleifen.
Wohlauf, mein Herz, laß deine
Blicke schweifen
Nach Blumen, die auf allen
Fluren Winken!
Landmädchen sind’s, zur
Rechten und zur Linken
Stehn sie geputzt; nach
welcher willst du greifen?
Ach weh! statt zu ergreifen,
selbst ergriffen
Bist du von einer jungen
wilden Hecke,
Die scheint, sie wolle künftig
Rosen tragen.
Jetzt trägt sie Dorne nur für
dich geschliffen.
Ach, armes Herz, mir ahnt, es
wird die kecke
Dir bitter dieses Sommers Lust
zernagen.
III.
Ich wollt’ daß Berge starr von
Wäldern grausend,
Und Felsenhöhn von nie gesprengten
Härten,
Und Sandeswüsten mir den
Zugang sperrten,
Und Meeresfluten wild im
Sturme brausend;
Und Riesen, wie vor
Zauberschlössern hausend,
Und Drachen, wie vor
Hesperidengärten,
Scharwächter mit entblößten
tausend Schwertern,
Zuchthüter auch mit offnen
Augen tausend:
So könnt ich doch bei aller
Not noch hoffen,
Durch Mut, durch List, am Ende
zu bemeistern
Den Trotz der einen und der
andern Schlauheit;
Statt daß mir jetzo Tür und
Tor ist offen,
Und sie sitzt da, mehr als von
tausend Geistern
Bewacht, von nichts als ihrer
eignen Rauheit.
IV.
Ich seh’ es wohl, was hilft
mir, daß ich’s sehe?
Das Vater, Mutter, alle deine
Leute,
Wohl wissend, was mein Gehn
und Kommen deute,
Doch freundlich drein sehn,
wenn ich komm’ und gehe.
Doch seh ich auch, o weh mir,
daß ich’s sehe,
Daß du, viel schlauer zwar,
als all die Leute,
doch nicht willst wissen, was
mein Kommen deute,
Und freundlich drein siehst
stets nur, wann ich gehe.
Ich wollt’, ich könnt es ihnen
all erlassen,
Daß, wenn ich künftig käme, mir
Willkommen
Niemand mehr rief’, als du im
Herzensgrunde.
Wenn du mich liebtest, möchten
siemich hassen;
Wenn du mich hassest, kann
mir’s wenig frommen,
Ob all die Welt mich lieb hat
in die Runde.
V.
Herein von draußen in
verworrnem Schwalle
Verletzt mein Ohr ein
Schwirren und ein Summen,
Ein Flattern, Schnattern,
Krächzen, Blöken, Brummen,
Geflügel in dem Hofe, Vieh im
Stalle.
Und innen her die Tisch’ und
Bänke alle
Besetzt mit viel Gesichtern,
matten, dummen,
Bepflanzt mit viel Gestalten,
trägen, krummen;
Das Aug ist mit dem Ohr im
gleichen Falle.
Da tritt herein im
schlankgeschnürten Mieder
Ein Mädchen, das mit einem
Gruß mich kirret,
Von allen Sinnen fällt es mir
wie Schuppen.
Der Wirtschaft Witzlaut
schmilzt in sanfte Lieder,
Sowie sie spricht; und wie sie
blickt entwirret
Sich rings der Knäuel in wohl
gefällige Gruppen.
VI.
Thessalierin, obgleich mit
keinem Laute
Du von Thessalien je gehört im
Traume;
Thessalierin! von welchem
Zauberbaume,
Von welcher Zauberwurzel,
Zauberkraute,
Nahm deine Hand die Stoffe,
draus sie braute
Das bittere Getränk, in dessen
Schaume
Verborgen ist, was jevom
Wolkensaume
Der Mitternächte Gift’ges
niedertaute?
Daß Gift es ist, muß ich ja
wohl erkennen
Daraus, weil du aus den
gefüllten Scherben,
Wie sehr ich flehe, nicht
zuvor willst nippen.
Drum statt zu löschen macht es
Durst entbrennen,
Und weh! wenn du nicht bald
mir statt des Herben
Das Süße reichst im Becher
deiner Lippen.
VII.
O könnt ich doch mit einem
Schlag zerbrechen
All das Geräte, das zu meinem
Schaden
Ersonnen ist, die Hacken,
Hauen, Spaten,
Die Schaufeln, Gabeln, Sensen,
Sicheln, Rechen,
Die plumpen, die sich jetzt so
oft erfrechen,
Die Arme meines Mädchens zu
beladen,
Wo draußen Regenström’ ihr
Haar bald baden,
Des Mittags Gluten bald ihr
Antlitz stechen;
Derweil ich traurig sitze, wie
im Bauer
Der Gimpel, der entbehrt sein
täglich Futter,
Weil’s Nacht wird, und ich sie
noch nicht gesehen.
Und kommt sie, ach, so kommt
erst meine Trauer,
Weil sie nun müd’ und gähnend
fragt die Mutter,
Ob sie nicht gleich, weh’ mir,
zu Bett darf gehen.
VIII.
Du magst doch sonst gern was
Besonders haben,
Magst gerne, wenn die andern
in den Pfuhle
Der Wirtschaft wühlen, sitzen
auf den Stuhle,
Und etwa stricken, wenn die
andern graben.
Sprich, kann’s denn nicht dein
eitles Herzchen laben,
Daß dir auch werde ein
besondrer Buhle,
Dem Zufall und Geschick von
ihrer Spule
´nen feinern Rock, als hier
den andern gaben?
Und ist der Rock dir so
verhaßt, der feine,
So will ich unterm Rock das
Herz dir weisen;
Nimm hin und gib dafür ein
Schäferwammes.
Ein tücht’ger Schäfer müßt’
ich sein, ich meine,
Und mit dem Blick wollt’ ich
den Wolf zerreißen,
Der dein begehrte, meines
einzigen Lammes.
IX.
Ich kleide dich mit einem
schönen Kleide,
Darin du sollst wie eine
Fürstin prangen;
Lieb’ ist das Kleid, das rings
dich soll umfangen;
Wen Liebe schmückt, bedarf der
Gold und Seide?
Ich schmücke dich mit
köstlichem Geschmeide,
Das um dich soll in goldner
Windung hangen;
Das Goldgeschmeid’ ist
Hoffnung und Verlangen,
Sie sind der Liebe goldne
Kettlein beide.
Ich bau’ dir eine
sanftgewölbte Hütte,
Verschlungen aus dem Schatten
dreier Äste,
Die drei sind Treue,
G’nügsamkeit und Sitte.
Und wenn du mit mir willst zum
stillen Feste
Einziehn und wohnen in des
Hüttleins Mitte,
So wird es uns zum schönsten
der Paläste.
X.
O daß du doch nur wüßtest jene
Sagen
Von Göttern die entstiegen
ihrem Reiche,
Um unterm Schatten der
arkard’schen Eiche
An Kronen-Statt den Schäferhut
zu tragen;
Du würdest nicht den Blick so
niederschlagen,
Daß einer jetzt auch – nicht
vom Himmelsreiche –
Zu deiner Tür auf Liebespfaden
schleiche,
Nicht würdest du halb trotzen
so, halb zagen.
Geberdest du dich doch, als ob
ein Sperber
Mit blutgen Krallen ich
hernieder stieße,
Dich zu zerfleischen,
scheueste der Tauben,
Als ob ein nächt’ger Blitz
ich, ein Verderber,
Aus Wolken zuck, und meinen
Strahl nur schieße,
Um anzuzünden hier dein Dach
von Schauben.
XI.
Komm, setz' dich, laß dir 'mal
ins Antlitz schauen,
Laß deine Hand 'mal friedlich ruhn in meiner;
Ich will einmal als Zimmerer und Schreiner,
So gut ich kann, im Geist ein Hüttchen bauen.
Ganz schlecht und recht soll's sein, nicht viel behauen,
Ganz klein von außen, innen doch viel kleiner,
Nur groß genug mir einem und noch einer,
Die eine ist - was furchst du denn die Brauen?
So klein soll's Hüttchen sein, daß all vorüber
Ein jeder Wind geht, ohn' ans Dach zu hauchen,
Ein jeder Lärm zieht, ohn' ans Tor zu pochen.
Durchaus kein Platz, kein Raum im Hüttchen über,
Als nur so viel zwei jetzt zum Bette brauchen,
Ein drittes dann zur Wieg' in Jahr und Wochen.
XII. Antwort
„Mein Vater ist ein reicher
Mann im Lande,
Und seine Äcker liegen
allerorten,
Hier steht sein Haus mit
Hallen, Hof und Pforten,
Hier kann ich wohnen, dächt
ich ohne Schande.
Auch sonst noch hat er, nicht
gebaut auf Sande,
Ein Haus im Grund hier, eins
im Grunde dorten;
Und wär’ mir keiner recht von
den drei Orten,
so kommt noch leicht ein
vierter Kauf zu Stande.
Und will ich in kein fertig
Haus mich setzen,
So hat er einen Wald mit
manchem Baume,
Und mancher Berg mit
Steinbruch ist ihm eigen.
Dann gibt es Zimmerleut’ hier
und Steinmetzen,
Die baun ein Haus mir mit
Gelaß und Raume,
Drin man auch tanzen kann den
Hochzeitsreigen.“
XIII.
Wo Mittagsgluten brüten auf
den Talen
Und ohne Regung stehn des
Berges Eichen,
Am Weg der Kirsche Wangen rot
sich malen,
Und sanft am Abhang
Sommersaaten bleichen,
Heb’ ich mich hin zu meiner
Liebe Reichen
Auf alten Pfaden aber-abermalen,
Stets hoffend auch mit meiner
Inbrunst Qualen
Mein Ziel als wie der Sommer
zu erreichen.
Doch eh’ ich auch nur eines
Keimchens Schimmer
Entlocken kann, ist mir der
Tag zerronnen,
Kalt geh ich mit der kalten
Nacht von hinnen.
Und schwörs beim blassen Mond:
Nun kehr’ ich nimmer!
Doch ach! schon morgen sehn
die glühnden Sonnen
Den neuen Kreislauf glühend
mich beginnen.
XIV.
Bald, wenn dein Blick mir Mut
ins Herz gegossen,
Ergießt sich meine Zung’ in
luftgen Wogen,
Bald, wenn dein Wort mir drauf
den Mut entzogen,
Schließt sich das Herz, die
Rede fließt verdrossen.
Bald spornt dein Zorn mich,
daß gleich störrigen Rossen
Der Witz sich bäumt in keckem
Sprung und Bogen;
Bald, wenn du wieder scheinen
willst gewogen,
Schweig’ ich verstockt, dir
und mir selbst zum Possen.
Wohl klagst du: o der Art
nicht zu entschuld’gen!
Wer fort und fort so schön
gleich unbeständigem
April sich ziert, was ist mit
dem zu machen?
Doch klag auch ich: dich
selbst mußt du beschuld’gen,
Wenn ich April bin, da du zu beständ’gem
Mai mich, wenn du mich
liebtest, könntest machen.
XV.
Die tausend Schritte, die ich
täglich schreite,
Seitdem der tolle Wahn mein
Herz besessen,
Stets auf dem Weg, den ich
nicht kann vergessen,
Bald in der Sonne, bald des
Monds Geleite;
Wenn ich im Geiste sie
zusammenreihte,
Wieviel des Landes hätt’ ich
wohl durchmessen,
Wie vieles hätt’ ich sehen
wohl indessen
Und hören können in der Fern’
und Weite!
Meinst du, daß du versammelst
alle Strahlen
Der Schönheit habet so an
deinem Bette,
Daß all die Welt dagegen leere
Schalen?
Die Berge, Wälder, Ströme,
Menschen, Städte!
Womit willst du das Leben mir
bezahlen,
Das ich versitz an deiner
Liebe Kette?
XVI.
Wenn all die Schar von Monden,
Wochen, Tagen,
Stund’, Augenblick, Minuten
und Sekunde,
Die mir durch dich
verschmachteten als Wunde,
Die mir durch dich
verjammerten als Klagen;
Wenn alle sie aus ihren
Sarkophagen
Erstünden und sich stellten in
die Runde
Um dich, und hüben an aus
einem Munde,
Als ihre Mörderin dich zu
verklagen:
„Wir alle waren einst zur Lust
geboren,
Berechtigt unser Dasein zu
genießen;
Durch dich ging Dasein uns und
Lust verloren!“
Wenn so sich all die Stimmen
hören ließen,
Wer weiß, ob du dann würdest
noch die Ohren
Vor ihnen, wie vor meiner
einen, schließen.
XVII.
Feindsel’ge Fee, die du mit
Zaubertraum
Luft, Himmel, Erd’ und Fluten
hälst umsponnen,
So daß, wie du mir zürnt das
Licht der Sonnen
Nicht lächeln kann, und grünen
nicht der Raum,
Der Wind nicht kühlen,
schatten nicht der Baum,
der Strauch nicht duften,
rauschen nicht der Bronnen;
O hälst du, um die letzte mir
der Wonnen
Zu wehren, nun den Traumgott
auch am Zaum?
Daß, so wie du dich wachend
mir versagtest,
Er dich mir auch versagen muß
im Schlafe,
Mir nie dein süßes Antlitz
läßt erscheinen:
Als ob du ihm gedroht: Wenn du
es wagest
Auf seinen Augen je zu ruhn,
zur Strafe
Sollst du hinfort nie ruhen
mehr auf meinen.
XVIII.
Und wills so ganz und gar
nicht denn vom Platze,
O Herz, mit deinem Flehen,
Seufzen, Lallen;
Sieh’, ob das Spiel ihr besser
wird gefallen,
Wenn du’s versuchtest aus dem
Gegensatze.
Auf, sei aus Inbrunst zänkisch
gleich dem Spatze,
Es half nich zärtlich sein
gleich Nachtigallen;
Es kommt nicht frommen Lämmern
gleich zu wallen,
Versuch’ es denn mit scharfer
Tatz’ und kratze.
Sei ganz an Art und Laun’ und
List ein Kätzchen,
Dräng dich an sie mit Häkeln
und mit Schmeicheln,
Lern’ art’ge Ungezogenheiten
treiben.
Die Katzenfreundin gönnt dir
dann ein Plätzchen
Auf ihrem Schoß, um, wo nicht
dich zu streicheln,
Doch mindestens mit Bosheit
dich zu reiben.
XIX.
Du bist nicht schön, kann ich
dir redlich sagen,
Du bist nicht schon, ob rot
gleich ist die Wange,
Und blau das Aug und braun das
Haar, das lange,
Viel schönre sah ich schon in
meinen Tagen.
Und daß ich so in Wohl- und
Wehbehagen,
Nicht zu- nicht abwärts
könnend, an dir hange,
Nicht deine Schönheit ist die
goldne Spange;
Die eherne, die ich muß
küssend nagen,
Dein Trotz ist es, dein
starrer Sinn und steifer,
Rauh, dornig, wild, verhöhnend
die Bezwinger,
Wie Wälder von – du kennst es
nicht – Hyrkanien.
Das hält mich fest an dir mit
Toreneifer,
Dem Knaben gleich, der klaubt
mit wundem Finger
Die Stachelfrucht des Baumes
der Kastanien.
XX.
Drum wenn du nun, wie du mit
jedem Blicke,
Mit jedem Laut es gibst mir zu
erkennen,
Gern dieses Handels Fäden
möchtest trennen,
So tu’s, du kannst es ja im
Augenblicke.
Sag’ nur dem Aug’, daß sanft
es einmal blicke,
Laß deinen Mund nur einmal
sanft mich nennen,
Der Lippen Kuß nur einmal
sanft mir brennen,
So fällt das Band von selbst
mir vom Genicke.
Denn da die Zauber, die mich
halten, Dorne
Nur sind des Stolzes und des
Trotzes Nesseln;
Laß Stolz und Trotz, so fliehn
die Zaubereien:
Du müßtest denn, so wie mit
Groll und Zorne,
Mit Huld und Lächeln auch
verstehn zu fesseln,
Dann kann dich weder Zorn noch
Huld befreien.
XXI.
Amara,
bittre, was du tust ist bitter,
Wie du
die Füße rührst, die Arme lenkest,
Wie du
die Augen hebst, wie du sie senkest,
Die
Lippen auftust oder zu, ist’s bitter.
Ein jeder
Gruß ist, den du schenkest, bitter,
Bitter
ein jeder Kuß, den du nicht schenkest;
Bitter
ist, was du sprichst und was du denkest,
Und
was du hast und was du bist, ist bitter.
Voraus
kommt eine Bitterkeit gegangen,
Zwo
Bitterkeiten gehn dir zu den Seiten,
Und
eine folgt den Spuren deiner Füße,
O du
mit Bitterkeiten rings umfangen,
Wer
dächte, daß mit all den Bitterkeiten,
Du
doch mir bist im innern Kern so süße!
XXII.
Du
standst in dich verhüllt gleich einem jungen
Frühlinge,
der sich selbst noch nicht empfunden;
Ich
kam und brachte deines Lenztums Kunden
Dir
erst durch meiner Blicke Flammenzungen.
Aufwachtest
du aus deinen Dämmerungen,
Und
stehest jetzt, in freier Blüt’ entbunden,
Siegatmend
da. – Was hab ich Lohn gefunden,
Daß
ich zuerst den Lenz dir angesungen?
Die
Lerche darf ins Saatfeld, wo sie schwirrte,
Die
Nachtigall ins Buschwerk, wo sie lockte,
Die
Schwalbe, wo sie sang, ans Dach von Moose
Ihr
Nest sich baun. O du, um die ich girrte,
Mir
Dach und Busch und Saatfeld, o verstockte,
Wo
soll ich nisten, als in deinem Schoße?
XXIII.
So
manchen Lufthauch hast du schon gespüret,
Im
offnen Feld um Stirn und Brust und Wange,
Daß
nun kein Seufzerhauch, wie er auch bange
Mag
hauchen, Unempfindliche, dich rühret.
So
mancher Stoff hat deine Hand berühret
Mit
rauhem druck in deiner Wirtschaft Gange,
Daß
nun die Hand der Liebe Druck schon lange,
Wie
sanft er auch mag drücken, nicht mehr spüret.
So
manches Täubchen hast du sonder Leide
Schon
abgewürgt, daß du nun mit Ergetzen,
Mein
Taubengirren hörst, ohn’ es zu fühlen;
So
manches Hälmchen mit der Sichel Schneide
Gemähet
schon, daß du auch ohn Entsetzen
Den
Stahl des Todes in mein Herz kannst wühlen.
XXIV.
O daß
doch eine Fee den bunten Flitter
Zu
tausendlei Verwandlungen mir böte,
Daß
mich als blanken Hirt die Morgenröte,
Das
Abendrot mich säh als braunen Schnitter;
Daß
ich als Spielmann heute mit der Zither
Das
Land durchzög’ und morgen mit der Flöte,
Als
Waidmann heute meinen Speer erhöhte,
Und
morgen mich erhöht’ aufs Roß als Ritter.
Ich
wollte so mit wechselndem Gepränge
Darstellen
deinem Blicke mich, und ringen
Um
deine Gunst in so viel Lustgestalten,
Daß es
in einer endlich mir gelänge:
Und
welcher es gelang, dich zu bezwingen,
die hielt
ich fest; und würd’ ich fest dich halten?
XXV. Antwort
„Ich
will sonst keinen als den schönsten haben,
(Die
Liebste hat’s gesprochen unverholen)
Wenn
nicht der Schönste kommt mich heimzuholen,
So laß
ich mich als Jungfräulein begraben.
Der
Schönste ganz, mit allen Schönheitsgaben
Gerüstet
von der Scheitel bis zur Sohlen;
Und
daß er sei der Schönste, unverstohlen
Soll’s
auf der Stirn ihm stehn mit Goldbuchstaben;
Daß
ich auch sicher bin, daß keiner Dirne
Im
Grunde hier und auf der ganzen Erden
Ein
Schönerer zu teil werd’ als der meine,
Find
ich geschrieben das an seiner Stirne,
So
will ich mich nicht länger stolz geberden,
Da,
will ich sprechen, nimm mich, ich bin deine.“
XXVI.
Und
weil du dich so stolzen Sinns erhoben,
Daß du
vom Schönsten nur willst sein gefreiet;
So
wünsch ich dir, daß eigens die geweihet
Die
Englein einen bringen her von droben,
Aus
allem Frühlingsduft zusammgestoben,
Aus
allem Perlentau zusammgereihet,
Aus
allem Blütenschnee zusammgeschneiet,
Aus
aller Herrlichkeit zusammgewoben.
Und
wenn du dann die goldne Schrift entdecktest
An
seiner Stirn: Ich bin der Schönst’ von allen,
Und
für dich Schönste bin ich hergesendet;
Und
wenn du dann nach ihm die Hand ausstrecktest,
So
soll der Duftmann dir in Duft zerwallen,
Und
dir die Sehnsucht bleiben, die nicht endet.
XXVII.
O die
du lebest mir mit deinem Grolle,
Wie
ich mit meiner Liebe dir, zur Plage;
Nun
geh ich schon um dich so lange Tage,
Und
glaubst du noch nicht, daß ich wohl dir wolle?
„Wer weiß.“
Wer weiß? Ei, du sollst wissen, Tolle!
Nun
sage das nur, ob dir’s denn behage,
Daß du
mich um dich gehen siehst? „Das sage
Ich
nicht.“ So sag’ denn, daß ich’s lassen solle.
„Das
sag ich auch nicht.“ Nun beim Flor des Sarges!
Du
tötest mich; so sage doch nur, was du
Denn
überhaupt mir sagest? „Gar nichts sag’ ich.“
Bei
Gott! So wollt’ ich, daß du doch recht Arges
Mir
sagtest, statt so nichts zu sagen. Das du
So gar
nichts sagend mir so viel sagst, klag’ ich.
XXVIII.
Da
steht sie nun, o daß ihr stehn sie sähet,
Wie
meine Hand sich fest in ihre drucket,
Sie
drüber keine Miene nur verzucket,
Und
unbekümmert ringshin horcht und spähet.
Der
Hund, der draußen bellt, der Hahn, der krähet,
Das
Mäuschen, das still in der Erde spuket,
Der
Sperling, der durcht offne Fenster gucket,
Nichts
so gering, so klein, daß sie’s verschmähet.
Denn
sie muß alles mit den Augen sehen,
Denn
sie muß mit den Ohren alles hören,
Denn
mit den Sinnen muß sie alles wissen.
Nur
eines scheint sie stets zu übersehen,
Nur eines
stets scheint sie zu überhören,
Nur
stets von einem scheint sie nichts zu wissen.
XXIX.
Ich
bracht ihr Blumen; als ich nun immer
An
ihrer Brust nicht sah und drüber klagte,
Versetzte
sie getrost: Weil mir’s behagte,
Recht
lang sie blühn zu sehn, blühn sie im Zimmer.
Band
kauft ich ihr, und als ich das auch nimmer
An
ihrem Arm erspäht, und spitzig fragte:
Wo
blüht nun das, sprach sie: Im Schrank; ich zagte,
Die
Sonne bleich’ ihm den zu feinen Schimmer.
Nun
spräche jemand, der das nicht verstünde:
O
welche Liebe, die mit solcher Treue
Bewahrt
solch ein vergänglich Angedenken.
Ich
aber spreche, der ich’s wohl ergründe:
O daß
dich selber solche Lieb erfreue,
Die,
was ans Herz soll, niederlegt in Schränken.
XXX.
Dein Blick
ist matt, wie wenn mit blöden Augen
Die
Sonne drein sieht in die Winterstunde;
Dein
Kuß ist welk, wie wenn das todeswunde
Herbstblatt
den letzten Tropfen Tau will saugen.
„Kann
ich davor, wenn Aug’ und Mund nicht taugen?“
Ach,
nicht am Auge liegt es, noch am Munde,
Die
sind ein tot Gefäß, wenn nicht am Grunde
Die
Seele steigt herauf in Mund und Augen.
„So
werd ich keine Seel’ im Grunde haben.“
Ja
wohl, entweder hast du keine Seele,
Oder
du hast zu Blick und Kuß mir keine.
Heil
ihm, der einst daqmit dich wird begaben,
Und
daß ihn ja dann Eifersucht nicht quäle
Auf
den, der einst gekost mit einem Steine.
XXXI.
O
Wonneschau, Lustanblick, Augenweide!
So hab
ich sie, die Schönste, denn gesehen
Vor
meinen Blicken so verschönert stehen,
Wie’s nur
die Schönheit werden kann vom Kleide.
O
schmeichelhaftes Kleid! Ich sah die Seide
Von
ihrem Busen mir entgegen wehen,
Ich
sah die Blumen dort nach mir sich drehen,
Die
Seid’ und Blumen, meine Gaben beide.
So
sieht der Frühlingstag mit Morgenstrahlen
Herab
auf der geliebten Erde Glieder,
Die er
mit seinen Farben sieht geschmücket,
Fühlt
schauend Lust, und fühlt auch schon die Qualen,
Daß er
am Abend muß vom Himmel nieder,
Und
ihm die Nacht entzieht, was ihn entzücket.
XXXII.
Wenn
ich dir könnte, wie ich möchte, geben
Die
Schätz’ aus meiner Liebe vollem Schreine,
So
wär’ auf Erden und im Himmel keine
Geschmückt
wie du, o du mein süßes Leben!
„Wie
war das?“ Hör es recht, mein süßes Leben!
Geschmückt
in Erd und Himmel wäre keine
Wie du,
wenn dir aus meiner Liebe Schreine
Die
Schätz ich, wie ich möchte, könnte geben.
Geschmückt
wärst du mit mehr als Königsglanze,
Und
wenn du schöner dann zu prangen wähntest,
Würdest
du schöner doch als jetzt nicht prangen. –
Das
ward gesprochen Abends unterm Tanze,
Als
du, nicht tanzend, sanft dich an mich lehntest,
Und
littest, daß mein Arm dich hielt umfangen.
XXXIII.
Mein
Kind, ein seltsam Spiel hast du begonnen
Hier
mit dem wehrlos ausgestreckten Linnen;
Und
wahrlich, wenn es hätte Menschensinnen,
Müßt’s
ihm ein Spiel sein recht zu Weh und Wonnen;
Wie du
ihm bald gebietest sich zu sonnen,
bald
kalte Fluten drüber lässest rinnen,
Bald
wieder sonnst das Flutennaß von hinnen,
Bald
wieder tilgst die Glut mit neuen Bronnen.
Mein Kind,
wenn Sonnen gleich sind deine Blicke,
Und
deines Mundes Grüße gleich den Fluten,
So
weiß ich, daß ich selbst dem Linnen gleiche;
Da du
mich sonnend glühst auf Augenblicke,
Dann
ach, durch kaltes Wort mir kühlt die Gluten,
So
daß, wie jenes bleicht, ich selbst erbleiche.
XXXIV.
Du
ziehst, nicht sag’ ich’s zum wievielten Male,
O
Mond, am Himmel deine alten Kreise,
Derweil
mich selber hier im alten Gleise
Du
ziehen siehst durch diese süßen Tale.
Das
Fenster aber dort, das blinkt, das schmale,
Ist noch
vergittert nach der alten Weise;
Und
kannst du, Freund, die Gitter mir nicht leise
Zerbrechen,
ach, mit einem deiner Strahle?
Kannst
du, wie ohne Widerstand die Scheiben
Du
selbst durchdringst, nich mich auch werden lassen,
Hinein
zu dringen, ganz in Licht zergangen?
Umsonst,
ich muß am dunklen Boden bleiben;
Du
gehst allein, Freund, Feind, den ich muß hassen,
Hin,
wo du bleich willst ruhn auf roten Wangen.
XXXV.
Ich
habe dir in heißer Ernte Tagen
(Sahst
du den Schweiß, der deinethalb mich näßte?)
Die
Frucht geschüttelt deiner reichen Äste,
Doch
keine Früchte hat es mir getragen.
Ich
habe dir des Flachses duftge Lagen
Gereicht,
als deine Hand sie bosselnd preßte,
Doch
wird kein Weber draus zum Fest der Feste
Das
Hochzeitskleid für mich zusammenschlagen.
Ich
habe mich gegeben dir zum Knechte,
Ich
bin für dich, zum Trotz den Stundenzeigern,
Des
Tages und des Nachts gerannt, gesprungen.
Wohl
einen Lohn hätt’ ich verdient, ich dächte,
Doch
kannst du freilich mir den Lohn auch weigern,
Denn,
(kannst du fragen:) wer hat dich gedrungen?
XXXVI.
So oft
schon bin ich über deine Schwellen
Geschritten
und geschlichen spat und fruhe,
Daß es
der Hund, ihr Hüter, sieht in Ruhe,
Und
nicht der Müh’ es wert hält, noch zu bellen.
Wohl hab
ich auch in Kammern und in Zellen
Erforscht
schon jeden Schrank und jede Truhe,
Wo
deine Hauben und wo deine Schuhe,
Wo
deine dunklen Tücher, deine hellen.
Nur
eines hab’ ich noch nicht können, leider,
mir
auskundschaften, wo im Schrein verborgen
Du aufbewahrst
den Vorrat deiner Launen,
Die du
viel öfter wechselst als die Kleider,
Da ich
dich oft schon zwischen heut und morgen
Bald
in der sos’gen sah, bald in der braunen.
XXXVII.
O die
du mich in deine Fesseln zwangest,
Wie
würde mir der Zwang, den ich empfinde,
In
Lust sich wandeln, wenn du stets so linde
Die
Fesseln schlängest, wie du heut sie schlangest,
Da du
mir fesselnd Hand und Arm umrangest
Mit
diesem Kranz, dem letzten Spätlingskinde
Der
Sommerflur, und zu dem Angebinde
Mit süßen
Blicken redetest, nein, sangest.
Den
Blick, die Rede und des Kranzes Nelken
Will
ich nach hause tragen, und bewahren
Den
Kranz im Schrank, den Blick, die Red’ im Herzen.
Und
wenn der schöne Kranz wird müssen welken,
So
soll die Rede und der Blick nach Jahren
Mir
blühn und glühn noch wie zwei ew’ge Kerzen.
XXXVIII.
Ich
wollte, daß ich wär’ – o süßes Neiden!
Dein
Spiegel mit dem blanken Angesichte;
So
würd’ ich doch an deines Auges Lichte
Viel
öfter mich als jetzo können weiden.
Ich
wollte, daß ich wär’ – o bittres Leiden!
Dein
Schatten, der vor deinem Glanz zunichte
Nie
wird; so würd ich, gleich dem dunklen Wichte,
Von
deinem Leibe brauchen nie zu scheiden.
Ich
wollte, daß ich nur dein Lämmchen wäre,
So
würd ich doch nicht sehen, daß du bangtest
Und
flöhst vor mir, wie vor dem Wolf, nicht besser.
So
gäb’ ich dir die Wolle, wenn die Schere
Du
führetest, und, ob du es verlangtest,
Das
Leben, wenn du führetest das Messer.
XXXIX.
Ich
will den Sonnstrahl mit der Hand zerbrechen,
Ich will
den Lufthauch bei dem Fittig fangen,
Eh’
dieser kalt dir rühren soll die Wangen,
Eh’
jener heiß die Stirne dir soll stechen.
Die
Vögel will ich zauberisch besprechen,
Daß
sie dir singen nichts als dein Verlangen,
Die
Büsche, daß sie, wo du kommst gegangen,
Zu dir
von nichts als deiner Schönheit sprechen;
Die
Bienen, daß sie dir auf deine Lippen
Den
Honig tragen, Blumen an die Hände
Dir
blühn, und Tauben brüten dir im Schoße;
Ja,
daß dir sei die Erde ohne Klippen,
Der
Himmel ohne Wolken, ohne Ende
der
Lenz, und ohne Dornen jede Rose.
XL.
O süße
Göttin von der heil’gen Myrte
Wo du
magst weilen unter Paphos’ Bäumen,
Hieher
gelenket sei an goldnen Säumen
Dein
Wagen, der von Tauben angeschirrte.
Und
jeder Zephyr, der durch Blumen schwirrte,
Soll deinen
Spuren folgen ohne Säumen,
Zu
dieses Tales dir geweihten Räumen
Wo
seine Hirtin heut’ umfängt ihr Hirte.
Ein
Tempe sei der Wiesengrund, der feuchte,
Pindus
und Ossa jener Hügel Kette,
Peneios’
Silber dieses Baches Welle;
Ein
jeder Glühwurm eines Amors Leuchte,
Ein
jeder Schmetterling ein Amorette,
Und
Nymphe jede flatternde Libelle.
XLI.
Komm,
schöne, glatte, kalte, goldne Schlange,
Auf
die ich starker Schlangenwürger passe;
Du
hast mit buntem Spiel um meine Straße
Dich
zierlich schlängelnd hergewunden lange.
Komm,
schmeidige, daß ich mit ehernem Zwange
Dich
faß und halt und nicht sobald dich lasse;
Wind du dich nur und krümm
dich, giftig blasse,
Mir ist vor deinem süßen Gift
nicht bange!
Wohlauf, mit allen deinen
Schlangenkünsten,
Unbändig um des Feindes Leib
dich ringelnd,
Mit Zähnen blinkend, sprühend
mit den Zungen:
Laß sehn, wer von uns beiden
hier mit Brünsten
Das andre wird bestehn, es so
umzingelnd,
Daß es bekennen muß: ich bin
bezwungen.
XLII.
Sieh
um dich, meine schöne, scheue Taube,
Es
steht der Wald in seinen bloßen Haaren,
Läßt
mutig Windund Sonnschein drüber fahren,
Und
birgt nicht seinen Schmuck in einer Haube.
Was
willst du deines Hauptes Blütenlaube,
Den
jungen Wald im Saft von sechzehn Jahren,
Noch
unter einem andern Dach verwahren?
Gib
mir dein Dach, das Haar dem Wind zum Raube!
Ich
träumte jüngst, ich sähe zartgewoben
Als
goldnes Hemde wallen dein Gelocke
Vom
Haupt zum Fuß dir hüllend alle Glieder.
Wird das
zur Hälfte wahr, so will ich’s loben,
Wenn
du das Haargeweb’, wo nicht zum Rocke,
Dir
lässest dienen mindestens zum Mieder.
XLIII.
Beglückt,
wer, wenn des Winters Stürme schnauben,
Und
Schauer durch die öden Räume zucken,
Froh
flüchten darf und heimlich unterducken
Wohl
unter eines Strohdachs warme Schauben.
Wenn
näher dann in ihrem Nest die Tauben,
Weil’s
draußen stürmet, aneinander rucken,
Rückt
näher auch die Spinnerin, der schmucken,
Der
Knab’, und sie darf sich darum nicht strauben.
Du
sitzest, süßeste der Spinnerinnen,
Wohl
jetzt im Kämmerlein beim leisen Rade,
Ziehst
still die stillen Fädelein vom Rocken.
Leb
wohl! Du sollst hinfort nicht mehr mir spinnen,
Mein
süßes Weh; es treibt auf rauhe Pfade
Mich
fort, und meines Lebens Räder stocken.
XLIV.
Ich
hab’ es wohl gefühlt, daß eine Binde
Von
Amors Zaubern um mein Antlitz hange;
Ich
hab es wohl gemerkt, daß eine Spange
Von
seinen Täuschungen den Geist umwinde.
Ich
aber wollte selber meine blinde
Glückseligkeit
nicht stören in dem Gange;
Ach,
dem Geschick währt bald ein Glück zu lange,
Und
weise ruft es meiner Thorheit: Schwinde!
Ich
hab es ja gewußt, daß ich geträumet,
Doch
wollt ich selbst nicht meinen Traum zerschlagen,
Denn
nur in Träumen wohnt das Glück der Erde.
Jetzt
hat die Kraft des Schlaftrunks ausgeschäumet,
Wach
zieh’ ich ab, und meine Seufzer fragen:
Ob ich
so süß noch einmal träumen werde?
XLV.
Ich
schäme mich der schwachen Augenblicke,
Wo ich
mir selbst der Knechtschaft Band gesponnen,
Wo es mir
galt die höchste meiner Wonnen,
Vor
ihr im Staub zu beugen mein Genicke.
Ich
schäme mich, daß ich an ihre Blicke
Gefesselt
hing, als wären sie nur Sonnen,
An
ihren Kuß, als wär’ nur er ein Bronnen,
An ihr
Gebot, als wär’ nur es Geschicke.
Ich
schäme mich so mancher Tränenmienen,
Ich
schäme mich so mancher Seufzertöne,
So
manches Schmeichelworts voll Lobgebräme.
Mich
schäm’ ich, wie sie mir so schön geschienen,
Daß
ich nicht längst mich schämt’, und noch so schöne
Mir
scheint, daß ich fast all der Scham mich schäme.
XLVI.
Ich
hatte dich in Sammet und in Seide
Gehüllt,
dich angetan mit Purpurzonen;
Ich
hatte dir aufs Haupt gesetzet Kronen,
Dir um
die Brust geleget Goldgeschmeide.
Tu von
dir den geborgten Schmuck, entkleide
Der fremden
Pracht dich, steige von den Thronen
Zu
denen nieder, die im Dunkel wohnen,
Und
treibe nackt die Lämmer auf die Weide.
Ich
hatte dich mit Himmelstau gewaschen,
Ich
hatte dich gesalbt mit Götterschminke,
Ich
hatte Manna dir zur Kost erlesen.
Geh’ schminke
wieder dich mit Staub und Aschen,
Geh’
wieder hin an deinen Bach und trinke,
Und
sag es niemand, daß du mein gewesen.
XLVII.
Nicht
doch! Sie steht in ihrer stillen, schönen,
Gleichgültgen
Unbefangenheit noch immer!
O lern
von ihr, nimm ohne Klaggewimmer
Den
Abschied, geh’ und nimm ihn ohne Höhnen.
Sprich
ruhig: Uns zusammen zu gewöhnen
Auf
längre Zeit in deinem engen Zimmer,
Nie
ging es gut, nun geht es immer schlimmer;
Leb
wohl! und laß die Trennung uns versöhnen.
Ich habe
dir einmal ein Lied gegeben,
Behalt’s
und denk dabei zuzeiten meiner,
Wenn
du einst einen hast, der keine singet.
Du
gabest mir nach kurzem Widerstreben
Einst
diesen Ring; gedenken will ich deiner,
Wenn
ich damit so anstoß’, und er klinget.
XLVIII.
Statt
Blatt und Blüten, die vom nackten Leibe
Der
Nordwind abgeschüttelt hat den Bäumen,
Statt
Blum’ und Gras, die von des Rockes Säumen
Herbst
hat entpflückt Natur, dem armen Weibe;
Sät
jetzt der Winter an des Fensters Scheibe
Frostblumen
aus, und auf den öden Räumen
Schneeblüten,
daß damit, als blassen Träumen
Vom
Lenz, ihr Spiel des Lenzes Sehnsucht treibe.
Die
Sehnsucht aber sitzt bei mir im Zimmer,
Blickt
aus nach dem von ihr getrennten Lenze,
Den
sie dort sitzen sieht in einem Stübchen;
Dort
sitzt er hell im eignen Sonnenschimmer,
Auf
seinen Locken alle Liebeskränze,
Und
alle Rosen um der Wange Grübchen.
IL.
Ach,
es ist keine Kunst, wenn Wald und Heiden,
Und
Berg’ und Ströme, die dazwischen rollen,
Und
Meeresfluten, die, im Sturm erschwollen,
Dazwischen
brausen, dich von Liebe scheiden;
Doch
eine Kunst ist’s, eine Kunst zu leiden
Ist’s,
wenn von ihr nichts als dein eignes Wollen
Dich
scheidet, und die stillen Wünsche sollen
Die
Scheidewand zu überspringen meiden.
Ja,
eine Kunst ist’s über alle Künste,
In
also frei gewählter Selbstverdammung,
So
fern von ihr zu sein in slcher Nähe,
In
solcher Nähe, daß, wenn diese Brünste
Mein
Haus hier setzen könnten in Entflammung,
Ganz
gut aus ihrem obern Stock sie’s sähe.
L.
Du denkst
vielleicht, ich habe dich vergessen,
Weil
du nicht mehr mich siehest, daß ich wanke
Hinaus
nach dem von dir kredenzten Tranke
Der
Liebestorheit, wie ich’s tat vordessen.
Nicht
denken würdest du es, wenn ermessen
Du
könntest, wie noch täglich mein Gedanke
Ausfliegend
Kost mir holt aus deinem Schranke,
Wie
Raben einst dem Seher holten Essen.
Nicht
denken würdest du es, wenn du wüßtest,
Wie
oft ich nächtlich hinter deinem Rücken
Veranstaltet
mit dir Zusammenkünfte,
Ja wie
du eben jetzt hier einziehn müßtest,
Da ich
dich deinem Lager zu entrücken,
Hab
ausgesendet meiner Geister Zünfte.
LI.
Was
hülf’ es, ob den Maler in die Wände
Des
Kerkers sorgsam man verschlossen hätte,
Wenn
man ihm Pinsel mitgäb und Palette,
Ja ihm
auch mitgäb’ Augen nur und Hände.
Ob er
kein andres Werkgerät auch fände,
So
würd er machen seiner Steinwand Glätte
Zur
Leinwand, und zum Griffel seine Kette,
Und
drauf eingaben seine Gegenstände.
Was
hülf es, daß auch ich den Kerker schlösse,
Wenn
doch ja meiner Malerkunst Geräte
Mir
blieb’, an Farben satt, Gedank’ und Töne?
Und ob
kein Strahl des Tags durchs Gitter schösse,
So
wüßt’ ich, daß im Dunkel vor mich träte
Ein
Bild im Lichtglanz seiner eignen Schöne.
LII.
Im
Sommer draußen, als durch Busch und Hecken
Auf
deinen Fußtritt meiner sich erpichte,
Beklagt
ich deine Schönheit, daß zunichte
Daran
ein Teilchen ward durch Sommerflecken.
Jetzt
wie dich die Erinnerungen wecken
Vor
meinem Geiste, staun’ ich wie im Lichte
Du
dastehst mit so reinem Angesichte,
Daß
ich kein einzges Fleckchen kann entdecken.
Was
ist das! ist es wohl der keusche Winter,
Der
mit dem Schneeglanz deine Flecken sauber
Gemacht
hat, daß du strahlst als wie die Lilien?
O
nein! Ein Quell ist das, aus Himmeln rinnt er,
Der trägt
von Ewigkeit in sich den Zauber,
Das er
kann irdscher Schönheit Flecken tilgen.
LIII.
Des
Sommers, als ich unter bunten Scherzen
Dich
vor mir gaukeln sah in Hütt’ und Triften,
Vergaß
ich nicht ein Denkbuch mir zu stiften,
Beschreibend
manches Blatt von meinem Herzen,
Nun
sitzend hier bei der Erinnrung Kerzen.
Still
blätternd in den aufgerollten Schriften;
So wie
die Biene Honig saugt aus Giften,
Saug
ich Erquickung selbst aus meinen Schmerzen.
O hier
sind wunderbar verschlungne Chiffern,
Und
Amor, der die Rätsel zu entsiegeln
Bestellt
ward, ist ein trügrischer Dolmetscher.
was
herb daran ist, will er nicht entziffern,
Das
süße aber weiß er abzuspiegeln
So
lieblich, daß vor Lust zerschmölzen Gletscher.
LIV.
Glück,
Heil und Segen dir und jeder Quelle
An
dir, daraus ich sog Genusses Wogen,
Berauschung
in des Armes offnem Bogen,
Entzückung
aus des offnen Auges Helle.
Glück,
Heil und Segen dir und jeder Stelle,
Wo du
mich in dein süßes Netz gezogen,
Wo du
beglückt mich, wo du mich betrogen,
Denn
Trug ist ja der Liebe Spielgeselle.
Ich
weiß nicht, ob ein Blick, der je ins Leben
Mir
ging, aus deinem Leben sei gekommen,
Aus
deinem Geist zu meinem ein Gedanken;
Ich
weiß nicht, ob du etwas mir gegeben;
Doch
daß ich etwas mir von dir genommen,
Das
weiß ich und will dir auch dafür danken.
LV.
Wann
still die Nacht auf dunklen Pfaden schreitet,
Die
unterm Mantel trägt die goldnen Sterne,
Und im
Gewölk gleich heimlicher Laterne
der
Mond sein wachsend Silberlicht bereitet,
Denk
ich, und meines Auges Träne gleitet,
Zurück
in jener Nächte schöne Ferne
Wo er
mit seinem lieberglühten Kerne
Auf
meinen Liebesgängen mich geleitet
Wozu,
o Mond, mit deinem Strahlenschimmer
Hat
dich ein Gott in Lüften aufgehangen,
Als
das die Lieb in deinem Licht soll wallen?
Die
Liebe wallt in deinem Lichte nimmer,
Der
Docht in deiner Lamp ist ausgegangen,
und
deine Scherben laß vom Himmel fallen.
LVI.
Welch
rasches Tönen wundersanfter Glocken,
Das
widerklingt in meines Herzens Mitten!
Die
Liebste kommt, verhüllt, im leichten Schlitten
Daher
geflogen durch den Tanz der Flocken.
Die
stolzen Hengste schütteln ihre Locken,
Und
drehn das Haupt rückwärts mit artigen Sitten
Zuwiehernd:
Lieber als am Zügel schritten
An einem
Fädlein wir von deinem Rocken.
Hast
du den Rocken lassen können, Fleißige?
Wenn
nun indes ihn mützig sieht ein Freier?
Doch
sieh’, für deine Hand spinnt eine fremde,
Der
Winter selber spinnt für dich, eisige;
Schneeweben
wird er bald zum Hochzeitsschleier
Gesponnen
haben und zum Hochzeitshemde.
LVII.
Was
hilft’s dem Hochmut, daß er sich verstocke?
Die
Macht der Liebe wird ihn doch erfassen;
Und
ist kein andres Mittel ihr gelassen,
So
wählt sie sich den Hammer einer Glocke.
Die
Glocke draußen in dem höchsten Stocke
Des
Turms, an dem vorbei sonst meine Straßen
Zum
Hause gingen, das ich jetzt will hassen,
Dringt
ein zu mir, daß sie mich wieder locke.
O die
du nur die christliche Gemeinde
Berufen
sollest zu des Tempels Stufen,
Hat
statt der Andacht Liebe dich gedungen?
Wer
schützt mich gegen so verbundne Feinde,
Wenn
ferne Liebe, wo ihr selbst zum Rufen
Nicht
reicht die Stimme, borgt Gebetes Zungen?
LVIII.
Die du
mir, Glocke, zuträgst deine Klänge,
Warum
denn hast du in des Sommers Schimmer
Bei
mir dich hier vernehmen lassen nimmer,
Und
tust im Winter jetzt so weite Gänge?
„Im
Sommer war vom Turme wo ich hänge,
Bis
hierher, wo du wohnst im stillen Zimmer,
Auf
Gass’ und Straßen solch ein Leben immer,
Daß
ich nicht kommen konnte durchs Gedränge.
Blumen
und Gräser waren lauter Ohren,
An
Strauch und Bäumen lauschten alle Sprossen,
Und
alle Felsen horchten auch, die schroffen.
Da
ging mein Reden unterwegs verloren;
Jetzt
sind die Ohren draußen all geschlossen,
Nur
deins hier steht der Lieb’ auch ewig offen.“
LIX.
Wer
bist du, der du anklopfst gar nicht leise
An
meine Fenster mit dem Flügelschlage,
O
ungestümer Nachtdurchwandler, sage,
Der du
die Locken mir behauchst mit Eise?
„Ein
Nordwind bin ich, und bin auf der Reise;
Ein Gruß
an dich ist, was ich mit mir trage,
Den
mir dein Liebchen auftrug, als am Tage
Ich
draußen um ihr Haus zog meine Kreise.“
Weh’
mir, das Blut erstarrt in meinen Adern.
Kann
sie mir keinen andern Boten senden,
Als
einen, dessen rauhe Grüße morden?
„Mein
Freund, da mußt du mit dem Himmel hadern,
Der
eure Häuser legt’ an solche Enden,
Gen
Süden deins und ihres gegen Norden.“
LX.
Auf,
Südwind, komm’ heran zu mir und schaue,
Wie
hier, erblüht in schönsten Farbentinten,
Im
Winterfenster stehn drei Hyazinthen,
Rot
eine, eine weiß und eine blaue.
Schüttel
ihre duftgen Glocken und trag laue
Gewürze
hin zu meiner Kaltgesinnten,
Dort
wo sie schläft, in ihrer Kammer hinten,
Rühr
ihr bereiftes Fenster an, und taue.
Tau
dich hinein bis hin zu ihrem Schlafe,
Und
findest du ihr Herz, wie es umstricket
Ein
Band von Eis, so sprenge du die Kruste,
Und
hauch’ ihr duftend in den Mund: zur Strafe
Daß du
ihm Winterkälte schickest, schicket
Er
Odem dir aus glühendem Auguste.
LXI.
O
Blumen, die ihr, weil der Winter schauert,
Schnee
auf der Au und Eis liegt auf dem Bronne,
An
eines Ofens Wärm’ anstatt der Sonne
Euch
müßt erschließen, o wie ihr mich dauert;
Die
ihr vergebens auf Erlösung lauert,
Wie
hinterm Klostergitter eine Nonne;
Dürft
ich euch pflücken, euch wie mir zur Wonne
An
einem Busen stürbt ihr unbetrauert.
Nichts
sind die Ding’, es ist die Lieb’ in ihnen;
Um
Liebe drehen sich der Sterne Reihen,
Um
Liebe wälzen sich des Himmels Achsen.
Und
kann die Blume nicht der Liebe dienen,
Und kann
das herz sich nicht der Liebe weihen,
So ist
so Blum’ als Herz umsonst gewachsen.
LXII.
O du
mein gar zu fleiß’ges Spinnermädchen,
Im
schönen, selbstgesponnenen Gewändchen,
Die
rührig mit dem Füßchen und dem Händchen,
Du
sitzest Tag und Nacht am Spinnerrädchen.
Wieviel
gesponnen hast du deine Fädchen,
Und
ausgesponnen sie zu festen Bändchen;
O
wieviel hast du angesponnen Ständchen,
Am
Türchen oft und oft am Fensterlädchen.
O
wieviel haben Vetterchen und Bäschen
Verworrene
Gespinste dir ins Häuschen
Getragen,
mit umsponnen dich beim Tänzchen.
Dann
hat sich oft aus Hälmchen und aus Gräschen
Entsponnen
zwischen uns ein Hadersträußchen
Doch
oftmals auch gewebt ein Liebeskränzchen.
LXIII.
Ich
träumt’, ich wär ein Vögelein und flöge
Hinaus
zu ihr mit einer Schar von Ammern,
Die
draußen jetzt vor ihrem Fenster jammern,
Bis
sie mit Lächeln ihnen füllt die Tröge.
Und
wenn der Schwarm gesättigt weiter zöge,
Blieb’
ich, um an ihr Kleid mich anzuklammern,
Bis
sie, sich mein erbarmend, in die Kammern
Mich
mit sich nähme und mich drinnen pflöge.
Dann
tät ich so erfroren und erstarret
Daß
sie aus Mitleid in den Busen nieder
Mit
Haut und haar mich schöb’, um zu erwarmen.
Dann,
wenn ich erst ein Weilchen so verharret,
besänn’
ich mich auf meine Menschenglieder,
um
sie, statt zu umflügeln zu umarmen.
LXIV.
Mir
träumt’ ich säße droben an der Eiche,
Zu der
ich Sommers lenkte meine Bahnen,
Wo
ich, ein König ohne Untertanen,
Oft
blickt’ ins Tal auf meine Liebesreiche.
Und plötzlich
war es jetzt, als überschleiche
Den
starren Winter laues Frühlingsahnen;
Vom
Turme drunten knatterten die Fahnen,
Und
drüben krachte dumpf das Eis vom Teiche.
Und
als ich niederschaute nach dem Hause,
Von
Läden grün und rosenblaß von Wänden,
Da stieg
der dunkle Rauch vom Giebel wieder.
Anfaßt’
es mich als wie mit Sturmwindsbrause;
Am
Eichstamm hielt ich mich mit beiden Händen,
Sonst
riß der Wirbel mich zum Hause nieder.
LXV.
Nun
steht sie drinnen in der Hexenküche
Und
bläst mit ihres Odems falschem Hauche
Die
Kohlen an, daß von dem Zauberrauche
Bis
hieher mich umwittern die Gerüche.
Aufschichtet
sie geknickte Reisigbrüche
Am
Herde kreuzweis nach gelerntem brauche;
Und
murmelt über dem Wacholderstrauche,
Der in
der Lohe knistert, ihre Sprüche.
Sie
rasselt mit dem aufgehängten Kessel,
Sie
klappert mit den aufgespülten Schalen,
Sie
rührt mit raschem Querl für mich im Topfe;
Sie
rückt für mich im Kämmerchen den Sessel,
Und
weiß die Stunde schon genau in Zahlen,
Wo ich
muß kommen, und ans Türchen klopfe.
LXVI.
Gleich
wie der Kibitz, der unbänd’ge Schreier,
Um zu
verhüten, daß nicht seine Läger
Durch
seine Schuld an den verschmitzten Jäger
Verraten
werden, oder an den Geier,
Von
weitem scheu um den geliebten Weiher,
Wo er
sein Nest hat, streitend, zieht in schräger
Umkreisung
seinen Flug, bis ins Geheg er
Sich
senkt auf seine Jungen oder Eier;
So
kreist im Zauberwirbel hingezogen,
Mein
Geist mit sehnsuchtmüden Flügelspitzen
Ums Haus
der Lieb’ an stillen Wasserborden,
Stets
näher rückend in stets engern Bogen,
Bis
unaufhaltsam er sich stürzt gleich Blitzen
Heiß
auf das Nest, das kaum erst kalt geworden.
LXVII.
Wie
ich eröffne mit geheimem Schauer
Die
mir solang’ entwöhnte Tür und stöhne,
Fällt
in die Augen mir sogleich der schöne
Kanarienvogel
im geflochtnen Bauer.
Sein
gelbes Hälschen recket er mit schlauer
Bedeutsamkeit,
als ob er mich verhöhne,
Und
singt, als wären’s klare Menschentöne:
„So
lang ist also dieser Freiheit Dauer?
Klug
ist der Vogel, und der Mensch ist töricht,
Ich
hab’ in der Gefängnis Lustgemache
Indes
hier fortgesungen meine Lieder,
Als
fäß’ ich frei in Teneriffas Röhricht;
Du
bist der Haft entflohn mit einem Ache,
Und
kehrst zur Haft mit einem Ach jetzt wieder.“
LXVIII.
Wer
bist du, knäbchen, klingend mit dem Sporne,
Und
mit dem tönereichen Horn am Munde,
Hier
ruhend auf der Liebsten Tisch? Gib Kunde!
„Ich
bin der Knabe mit dem Wunderhorne.
Hier
ließest du mich ja, als du im Zorne
Damals
von hinnen gingst; und seit der Stunde
Hat
sich dein einsam Lieb von Herzensgrunde
Gar
oft erquickt aus meinem Liederborne.“
So
bist du also, seit ich aus gewesen,
Geblieben,
Glücklicher, am alten Platze?
Da
weißt du wohl recht viel jetzt zu erzählen.
„Ich
weiß gar nichts, als daß, wenn sie was lesen
Seit
vierzehn Tagen will aus meinem Schatze,
Sie
meistens Hochzeitslieder pflegt zu wählen.“
LXIX.
Du
weiße, schöngewaschne Hemdenkrause,
Zur
Trocknung hier am Ofen aufgehangen,
Du siehst
mir eben aus, als ob zu prangen
Du
habest Lust bei einem Hochzeitsschmause.
„Ja,
Hochzeit gibt’s auch nächtens hier im Hause.“
Weh
mir, zum Eintritt machst du schlimm mich bangen.
„Nicht
doch! der gilt’s die dich nichts angegangen;
Die
jüngre bleibt vorerst noch in der Klause.“
Weh’
mir, auch so verlier ich eine Schanze.
„Wie
so da?“ Ach! vorm wüsten Freierhaufen
Tat
die mir gute Dienste allerwegen
Als
Augenmerk; ist das weg, wird der ganze
Verwegne
Schwarm mir nun ans Hauptwerk laufen.
„Da
mußt du denn zwiefach ins Zeug dich legen.“
LXX.
Wo ist
sie denn, die ich mit Blicken suche,
Und
mit des Herzens Schlägen, den geschwinden,
Mich
unterhaltend, weil sie nicht zu finden,
Mit
Vogel, Spitzenkraus und Liederbuche?
Wo ist
sie denn, daß sie mit einem Spruche
Nach
ihrer Art nach meinem Wohlbefinden
Frag’
und sich Mühe gebe, zu verwinden
Die
Freud’ an ihres spröden Gasts Besuche?
Wo ist
sie denn? Ach, aus der Kammer dorten
Tritt
sie so strahlend, als ob meine Musen
Selbst
hätten ihr das Kleid mit Licht besäumet,
So
wunderseltsam ach in Blick und Worten,
Als ob
sie all das wüßt’ in ihrem Busen,
Was
meiner all die Zeit von ihr geträumet.
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