Friedrich Rückert                   Geharnischte Sonette

1788-1866                                           Erste Abteilung

 

 

 

I

 

Der Mann ist wacker, der, sein Pfund benutzend,

Zum Dienst des Vaterlands kehrt seine Kräfte:

Nun denn, mein Geist, geh auch an dein Geschäfte,

Den Arm mit den dir eignen Waffen putzend.

 

Wie kühne Krieger jetzt, mit Glutblick trutzed,

In Reihn sich stellend, heben ihre Schäfte;

So stell’ auch Krieger, zwar nur nachgeäffte,

Geharnischter Sonette ein paar Dutzend.

 

Auf denn, die ihr aus meines Busens Ader

Aufquellt, wie Riesen aus des Stromes Bette,

Stellt euch in eure rauschenden Geschwader!

 

Schließt eure Glieder zu vereinter Kette,

Und ruft, mithadernd in den großen Hader,

Erst: Waffen! Waffen! und dann: Rette! Rette!

 

 

 

II

 

O daß ich stünd auf einem hohen Turme,

Weit sichtbar rings in allen deutschen Reichen,

Mit einer Stimme, Donnern zu vergleichen,

Zu rufen in den Sturm mit mehr als Sturme:

 

Wie lang willst du dich winden gleich dem Wurme,

Krumm unter deines Feinds Triumphrads Speichen?

Hat er die harte Haut noch nicht mit Streichen

Dir g’nug gerieben, daß dichs endlich wurme?

 

Die Berge, wenn sie könnten, würden rufen:

Wir selber fühlten mit fühllosem Rücken

Lang g’nug den Druck von eures Feindes Hufen.

 

Des Steins Geduld bricht endlich auch in Stücken,

Den Götter zum Getretensein doch schufen –

Volk mehr als Stein, wie lang darf man dich drücken?

 

 

 

III

 

Was schmiedst du, Schmied? » Wir schmieden Ketten, Ketten!«
Ach, in die Ketten seid ihr selbst geschlagen.
Was pflügst du, Bau'r? » Das Feld soll Früchte tragen!«
Ja, für den Feind die Saat, für dich die Kletten.

Was zielst du, Schütze? »Tod dem Hirsch, dem fetten.«
Gleich Hirsch und Reh wird man euch selber jagen.
Was strickst du, Fischer? »Netz dem Fisch, dem zagen.«
Aus eurem Todesnetz wer kann euch retten?

Was wiegest du, schlaflose Mutter? »Knaben.«
Ja, daß sie wachsen und dem Vaterlande,
Im Dienst des Feindes, Wunden schlagen sollen.

Was schreibest, Dichter, du? » In Glutbuchstaben
Einschreib' ich mein und meines Volkes Schande,
Das seine Freiheit nicht darf denken wollen.«

 

 

 

IV

 

Ihr, die ihr klebt an eurem Werkgerüste,

Um Holz und Stein nach eurem Maß zu hauen.

Damit nur jeder laß ein Werklein schauen,

Sich jeder nur als kleiner Schöpfer brüste!

 

Wann lasset ihr das törichte Gelüste,

Ein grundlos Nichts auf euren Sand zu bauen?

Ihr bauet Hüttlein, und es sinkt mit Grauen

Indes die Beste, Vaterland, in’s Wüste.

 

O sammlet, sammlet euch, zerstreute Haufen,

Legt euer kleines Werkgerät bei Seiten,

Wollt nicht euch um die Mörtelsteine raufen!

 

Erst gilt’s den Mittelpunkt euch zu erstreiten,

Der Freiheit Grundstein erst gilts zu erkaufen

Mit Blut; dann baut drauf eure Einzelheiten.

 

 

V.

 

Ihr, die der Himmel hat bestellt, als Lichter

Zu leuchten denen, die im Finstern klimmen,

Wie habt ihr also euer Amt zum schlimmen

Mißbraucht, ihr Lehrer, Denker, Forscher, Dichter!

 

Den Schlaf der Trägheit, aller Kraft Vernichter,

Drin aufgelöst ihr euer Volk seht schwimmen,

Statt es zu wecken draus mit euren Stimmen,

Wiegt ihr’s noch meht in eitle Traumgesichter.

 

Eins ist uns Not! Wach sein zum Kampfgewitter,

Wollt ihr nicht mehren selbst der Kämpfer Summe,

Schmelzt sie nur nicht durchs Klimpern eurer Zither.

 

Hört wohl ein Gott eu’r loses Wortgesumme?

Er hört’s daß er die Lei’r euch schlag’ in Splitter,

Und euch schlag’ auf den Mund, daß er verstumme.

 

 

 

VI.

 

Ihr, ernsthaft tummelnd eure Steckenpferde,

Ihr, streitend in der Spiegelfechter Trosse,

Ihr, zielend mit nie treffendem Geschosse,

Ihr, Streiche führend mit papiernem Schwerde!

 

Und ihr, die ihr euch von der sichern Erde

Auf eurer Musen fabelhaftem Rosse

Gen Himmel spornt, ihr treibt die ärgste Posse,

Ihr seid die räudigsten der ganzen Herde.

 

Werft von euch euer Torheit bunte Wappen,

Womit ihr prunkt, und greift zu den wahren Waffen,

Statt eurer Steckenpferde zäumet Rappen;

 

Setzt Helme auf statt eurer Narrenkappen,

Seid wahre Männer statt der Götter Affen,

Und wenn ihr nicht könnt Ritter sein, seid Knappen!

 

 

VII.

 

Ihr Ritter, die ihr haust in euren Forsten,

Ist euch der Helmbusch von dem Haupt gefallen?

Versteht ihr nicht den Panzer mehr zu schnallen?

Ist ganz die Rüstung eures Muts zerborsten?

 

Was sitzet ihr daheim in euren Horsten,

Ihr alten Adler, habt ihr keine Krallen?

Hört ihr nicht dorther die Verwüstung schallen?

Seht ihr das Untier nicht mit seinen Borsten?

 

Schwingt eure Keulen! denn es ist ein Keuler;

Er wühlt, er droht, voll Gier nach schnödem Futter,

Stürzt er den Stamm, nicht bloß des Stammes Blätter;

 

Es ist ein Wolf, ein nimmersatter Heuler,

Er frißt das Lamm, er frißt des Lammes Mutter;

Helft, Ritter, wenn ihr Ritter seid, seid Retter!

 

 

 

VIII.

 

Wenn nicht ein Zaubrer mit Medeas Künsten

das matte Haupt’ euch schneidet ab vom Rumpfe,

Eh’ es in Altersschwäche gar verschrumpfe,

Und neu es füllt mit jungen Lebensdünsten!

 

Wenn nicht ein Alchimist mit Feuersbrünsten

Ganz eur Geschlecht einschmelzt mit Stiel und Stumpfe;

So wächst euch nie aus eurem toten Sumpfe

Die Kraft! denn faul von euch sind selbst die grünsten.

 

O daß ein schlagender Gewitterfunken,

Vom Einfluß schwanger aller Kraftgestirne,

Euch träfe, die ihr kraftlos seid versunken,

 

Euch zuckte so durch euer schlaff Gehirne,

Daß ihr neulebend stündet, oder trunken

Ganz niedertaumeltet mit toter Stirne!

 

 

IX.

 

Sprengt eure Pforten auf, ihr Kaukasusse,

Und speiet Waffen! brecht durch eure Dämme,

Ihr Wolgaströme, macht aus Felsen Schwämme,

Braust über Deutschland hin in Siegsergusse! –

 

Was will auf deinen Feldern denn der Russe,

Deutschland? dir beistehn! Hast du keine Stämme

Im eignen Wald mehr, dich zu stützen? Memme,

Daß du nicht stehen kannst, als auf fremdem Fuße.

 

Du, die du liegst am Boden ausgestrecket,

Du stehst nicht auf in kräft’ger Selbstaufraffung,

Ein fremder Retter hat dich aufgeschrecket.

 

Wird er durch seines nordschen Armes Straffung

Dein Siechtum kräftgen, oder angestecket

Auch selbst von dir heimtragen die Erschlaffung?

 

 

X.

 

Du kalte Jungfrau mit der Brust von Schnee,

Auf, Russia, schüttle deine starren Röcke,

Daß Frost davon stieb’ auf die Bienenstöcke

Dort und ertränke sie in kaltem See!

 

Und du, Hispania, Schäfrin Galatee,

Treib’ aus zur Trift den kühnsten deiner Böcke

Durchs Tor der Pyrenäen, daß er blöke

Und sich ersätt’ge dort im fetten Klee!

 

Fruchtgarten Gallien, blühendstes Hesperiden,

Wähl’, willst du unter ungeheuren Flocken

Sein eingeschneit? die sendet dir Siberien.

 

Wähl’, willst du von versengenden Chirokken

Sein ausgedorrt? Die sendet dir Iberien.

Frost oder Glut, was wählst du? Beids macht trocken.

 

 

XI.

 

Vom Himmel laut ruft Nemesis Urania:

Auf, denn heut soll die Löwenjagt beginnen;

Das Frührot blutet! Auf, ihr Jägerinnen,

Auf, erste Schützin meines Hains, Germania!

 

Auf, Russia! auf, Borussia!, auf Hispania!

Doch nein, euch ruf ich nicht, ihr steht schon drinnen;

Du Austria, schau nicht müßig von den Zinnen!

Was säumst du Suecia? was entweichst du Dania?

 

Auf, Jägerinnen, in vereintem Heere!

Der Löw’, der meine Heerden frißt, soll bluten;

Mischt euer Feldgeschrei, mischt eure Speere!

 

Fortgeißeln sollen heut ihn eure Ruten

Vom festen Land, und will er fliehn zum Meere,

So treff’ ihn Albions Dreizack aus den Fluten!

 

 

 

XII.

 

Seejungfrau, spielende mit Aeols Schlauche,

Die du des Kontinents getürmte Flotten

Von deines Meeres Antlitz wegzuspotten

Vermagst mit einem deiner stolzen Hauche;

 

Dein Odem schürt, wie unterm Kesselbauche,

Von Heklas Klüften bis zu Aetnas Grotten,

Ein Feu’r, das siedet, wie noch keins gesotten,

Und du, zusehend, freuest dich am Rauche.

 

Denn du bist sicher zwischen Felsenzacken,

Nicht sorgend, daß durch deine Ozeane

Des Feuers Gluth ein Haar dir seng’ am Nacken.

 

Nur zu! Rühr’ mit dem ungeheuren Spane

Den Kessel um! Blas drein mit vollen Backen!

Wirf holz in unsern Brand aus deinem Kahne!

 

 

 

XIII.

 

Der blutdurchtränkte Vorhang ist gehoben,

Das Schicksal geht an seine Trauerspiele;

Der ernsten Spieler sind berufen viele,

Vielfach an Art, und bunt an Garderoben.

 

Denkt ihr, den Kämpfern auf der Bühne droben

So anzusehn, von eurer niedern Diele?

Mit Stirn und Händen ohne Schweiß und Schwiele

So anzusehn, zu tadeln und zu loben?

 

Mit nichten! Ihr seid auch zum Spiel berufen;

Wer Arme hat, hinauf, sie drein zu mischen!

Braucht ihr Zuschauer? die auch sind gerufen.

 

Der Väter Geister schauen aus den Nischen

Walhallas drein, und werden Beifall rufen

Dem braven Spieler, und dem schlechten zischen.

 

 

 

XIV.

 

Es steigt ein Geist, umhüllt von blankem Stahle,

Des Friedrichs Geist, der in der Jahre sieben

Einst tat die Wunder, die er selbst beschrieben,

Er steigt empor aus seines Grabes Male,

 

Und spricht: „Es schwankt in dunkler Hand die Schale,

Die Reiche wägt, und meins ward schnell zerrieben.

Seit ich entschlief, war Niemand wach geblieben;

Und Roßbachs Ruhm ging unter in der Saale.

 

„Wer weckt mich heut und will mir Rach’ erstreiten?

Ich sehe Helden, daß mich’s will gemahnen,

Als säh’ ich meine alten Zieten reiten.

 

„Auf, meine Preußen, unter ihre Fahnen!

In Wetternacht will ich voran euch schreiten,

Und ihr sollt größer sein als eure Ahnen.“

 

 

 

XV.

 

Nennt es, so lang’s euch gut dünkt, nennt’s Verschwörung,

Wenn Männer schwören, Männer sein zu wollen;

Wenn Liegende, was sie längst hätten sollen,

Empor sich endlich raffen, nennt’ Empörung!

 

Ich nenn’s an euch die tiefste Selbstbetörung,

Die tollste Tollheit nenn’ ich`s aller Tollen,

Das ihr könnt eurem eignen Volke grollen,

Das sich und euch will ziehn aus der Zerstörung.

 

Euch müsse funkeln weder Stern noch Sonnen,

Des Himmels Flammen leck’ euch weg wie Mücken,

Der Abgrund schling euch ein in seine Tonnen.

 

Krumm geht auf ewig mit dem knechtschen Rücken,

Und hat eu’r Volk sein Diadem gewonnen,

Solls eure Stirn mit einem Brandmal schmücken.

 

 

 

XVI.

 

Nicht schelt ich sie, die mit dem fremden Degen

Zerfleischen meines Busens Eingeweide;

Denn Feinde sind’s, geschaffen uns zum Leide,

Wenn sie uns töten, wissen sie, weswegen.

 

Allein, was sucht denn ihr auf diesen Wegen?

Was hofft denn ihr für glänzend Ruhmgeschmeide,

Ihr Zwitterfeinde, die ihr eure Schneide,

Statt für das Vaterland, sie hebt dagegen!

 

Ihr Franken und ihr Bayern und ihr Schwaben!

Ihr, Fremdlingen Verdungene zu Knechten!

Was wollt ihr Lohns für eure Knechtschaft haben?

 

Eur Adler kann vielleicht noch Ruhm erfechten,

Doch sicher ihr, sein Raubgefolg’, ihr Raben,

Erfechtet Schmach bei kommenden Geschlechten.

 

 

 

XVII.

 

Bei Gott! Wenn euch nicht ganz die Sinne blenden,

Nicht Mord und Gier das Aug’ euch ganz umfloren;

So tut es auf, seht, wo ihr steht, ihr Toren,

und wendet euch, weil’s noch ist Zeit zu wenden.

 

Nach wem wollt ihr die gift’gen Pfeile senden?

Wen wollt ihr mit dem blut’gen Schwert durchbohren?

Uns! Welche Mutter hat denn uns geboren,

Und welche trug denn euch in ihren Lenden?

 

Nicht eine? Wolltihr Bruderblut verspritzen?

O haltet ein, seht unsre Arme offen,

Seht euch sich senken unsrer Schwerter Spitzen.

 

Trefft nicht, wo’s euch muß reun, wenn ihr getroffen.

O wollt ihr treffen, trefft mit uns gleich Blitzen

Dort die, von deren Fall ihr Ruhm könnt hoffen.

 

 

 

 

XVIII.

 

Habt ihr gehört von jenem Pfahl der Schande,

(Hast, ihn zu stürzen, Himmel, keine Blitze?)

Den euer Feind in seines Babels Sitze

Hat aufgerichtet an der Seine Strande?

 

Von jenem Obelisk, an dessen Rande,

Vom Fußgestell bis hoch an seine Spitze,

In stein’ren Feldern alle Austerlitze

Stehn, alle Schmachen eurem Vaterlande?

 

Auf, Deutsche, auf, aus allen euren Gauen!

Was säumet ihr, mit wütendem Geheule

Zu stürmen, mit verzweifeltem Vertrauen?

 

Schwingt wie die alten Väter eure Keule,

Und schlagt, daß sie kein Gott kann wieder bauen,

In Stücken eure Schmach und ihre Säule!

 

 

 

XIX.

 

Dich möcht ich sehn, der du in dumpfem Zorne

Jetzt, alter Rhein, ziehst deine Flutenbahnen

Meerniederwärts, da dich zum Untertanen

Dem Fremdling zwang das Schicksal, das verworrne;

 

Dich möcht ich sehn, wann über deinem Borne

Du einst des ersten deutschen Heerzugs Fahnen

Siehst wieder flattern, und im Freiheitsahnen

Dich richtest auf mit neugewachsnem Horne;

 

Und rufst mit lautem Ruf aus deinem Schilfe

Den Deinen zu, ein weitvernommner Rufer:

Auf, ihr Tritonen, auf, ihr Knechtschaftsdulder!

 

Herbei ihr alle zu vereinter Hilfe!

Siegjauchzend tragt mir an das linke Ufer

Das erste deutsche Schiff auf eurer Schulter!

 

 

 

XX.

 

Es stieg ein trüber Nebelwind vom Rheine,

Auf dessen Fitt’gen kam herangeflogen

Ein Nachtgewölk am deutschen Himmelsbogen,

Darob verfinstert wurden alle Haine.

 

Die Freiheit, die im Maiensonnenscheine

Lustwandeln ging an den krystallnen Wogen,

Sah’s und erschrak, und flüchtee betrogen

Zur tiefsten Grotte, daß sie einsam weine.

 

Nun hat ein starker Nordwind sich erhoben,

Und hat mit scharfem Grimm das nebelgraue

Gewölk zurück vom Horizont geschnoben.

 

Nun auf, o Freiheit, deutsche Jungfrau, schaue

Getrost du wieder, wie vordem, nach oben,

Aus blauem Aug’ empor zum Himmelsblaue.

 

 

XXI.

 

Frau’n Preußens, nehmt für eure Opfergaben

Das Opfer an des Lieds, das ich euch bringe,

Ihr, die ihr gabt vom Finger eure Ringe,

So wie ihr gabt vom Busen eure Knaben

 

Dem Vaterland! in Erzschrift sei gegraben

Eu’r Preis, daß ihn kein Mund der Zeit bezwinge!

Des Ruhms, den eurer Männer blut’ge Klinge

Erfechten wird, sollt ihr die Hälfte haben.

 

Denn wenn sie selbst, im Sturm des Feindes, Wunden

Erbeuteten, so habt ihr mit dem Kleide

Von euren Schultern ihnen sie verbunden;

 

- Und wenn der Freiheit Tempel aus dem Leide

Neu steigt durch sie, so soll’s die Welt erkunden,

Daß, ihn zu schmücken, ihr gabt eu’r Geschmeide.

 

 

 

XXII.

 

Nicht mehr das Gold und Silber will ich preisen:

Das Gold und Silber sank herab zum Tande,

Weil würdiglich vom ernsten Vaterlande

Statt Golds und Silbers ward erhöht das Eisen.

 

Wer Kraft im Arm hat, geh’, sie zu beweisen,

Ein Eisenschwert zu schwingen ohne Schande,

Es heim zu tragen mit zerhaunem Rande,

Und dafür zu emphahn ein Kreuz von Eisen.

 

Ihr goldnen, silbren Ordenszeichen alle,

Brecht vor dem stärkeren Metall in Splitter,

Fallt, denn ihr rettet uns nicht vom Falle;

 

Nur ihr, zukünf’ge neue Eisenritter,

Macht euch hinfort zu einem Eisenwalle

Dem Vaterland, das Kern jetzt sucht statt Flitter.

 

 

 

XXIII.

 

Wir schlingen unsre Händ’ in einen Knoten,

Zum Himmel heben wir die Blick’ und schwören;

Ihr alle, die ihr lebet, sollt es hören,

Und wenn ihr wollt, so hört auch ihr’s, ihr Toten.

 

Wir schwören: Stehn zu wollen den Geboten

Des Lands, des Mark wir tragen in den Röhren;

Und diese Schwerter, die wir hier empören,

Nicht eh’r zu senken, als von Feind zerschroten.

 

Wir schwören, daß kein Vater nach dem Sohne

Soll fragen, und nach seinem Weib kein Gatte,

Kein Krieger fragen soll nach seinem Lohne,

 

Noch heimgehn, eh der Krieg, der nimmersatte,

Ihn selbst entläßt mit einer blut’gen Krone,

Daß man ihn heile, oder ihn bestatte!

 

 

 

XXIV.

 

“Der ich gebot von Jericho den Mauern:

Stürzt ein! und sie gedachten nicht zu stehen;

Meint ihr, wenn meines Odems Stürme wehen,

Die Burgen eurer Feinde werden dauern?

 

„Der ich ließ über den erstaunten Schauern

Die Sonne Gibeons nicht untergehen;

kann ich nicht auch sie lassen auferstehen

Für euch aus eurer Nacht verzagtem Trauern?

 

„Der ich das Riesenhaupt der Philistäer

Traf in die Stirn, als meiner Rache Schleudern

Ich in die Hand gab einem Hirtenknaben; -

 

„Je höh’r ein Haupt, je meinen Blitzen näher!

Ich will aus meinen Wolken so sie schleudern,

Daß fällt, was soll, und ihr sollt Friede haben.

 

 

 

XXV.

 

Der du noch jüngst durch deines Ruhms Posaunen

Ausrufen ließest vor Europas Ohre:

„Gehört nun haben Asias Felsentore

Meines Geschützes Donner auch mit Staunen!“

 

Nun da du dein Geschütz mit abgehau’nen

Gesträngen lässest stehn in Eis und Moore,

Dein Donnerwerkzeug bricht gleich schwachem Rohre!

Statt Donners blitze nun mit Augenbraunen!

 

Du hast gedacht die Erde zu erschüttern,

Wie Zeus den Himel, wenn er regt die Locken;

Ich aber will es sagen deutschen Müttern,

 

Daß sie, wenn sie sich setzen an den Rocken,

Es sagen, oder wenn sie Kinder füttern:

Der große Donnrer ist nun auch erschrocken!

 

 

 

XXVI.

 

Hoch auf des Nordens schneebedeckten Wachten,

Im altergrauen Reich der Moskowiter,

Stand ein Phantom, der Ruhm, der seine Flitter

Dir hielt entgegen, die dich lüstern machten;

 

Daß du, gewohnt nicht Widerstand zu achten,

Aufbietend deines Heeres Ungewitter,

Dorthin dich spornend, brachest durch die Gitter

Der Feinde, die für jetzt zu weichen dachten;

 

Aus Leichen bauend deine Siegesbrücke,

Von Stadt zu Stadt fort und von Strom zu Strome,

Nur vorwärts schauend immer, nie zurücke;

 

Umnebelt immer von dem Trugphantome;

Bis es schwand plötzlich, und des Schicksals Tücke

Hell vor dir stand im Brand von Moskaus Dome.

 

 

 

XXVII.

 

Von Moskau nach Paris ist manche Meile,

Wie viele? mögt ihr zählen und mir sagen;

Dann sag ich euch auch, wie in wenig Tagen

Den Weg man macht, wenn man ihn macht in Eile,

 

Wie der Gewalt’ge, der gleich einem Pfeile

Vom Glück geschnellt, auf seinem Siegeswagen

Ihn erst hinein macht’, und zurückgeschlagen

Dann ihn heraus macht’ in noch kürzrer Weile.

 

Denn statt im Wagen, macht’ er ihn im Schlitten,

Der unterwegs ihm wär’ angefroren,

Wenn er nicht wäre gar so schnell geglitten.

 

So kam er dann zu seiner Hauptstadt Toren,

Um selbst allda in seines Rates Mitten

Es kund zu tun, wie er sein Heer verloren.

 

 

 

XXVIII.

 

Hast du gedacht im alten Reich der Zaren,

Weil lang kein Zar dort saß auf seinem Throne,

Selbst darauf sitzend, dich zu ihrem Lohne

In neuer Pracht zu zeigen deinen Scharen?

 

Die aber dachten dir den Gang zu sparen,

Die, da du Zepter, Purpurkleid und Krone

Schon richtetest, anzündeten zum Hohne

Die eigne Stadt, dafür sind sie Barbaren!

 

Ihr mögt nur schelten ihre Barbareien;

Ich weiß nicht, ob euch selbst wohl klein mag deuchten,

Was groß euch traf, doch will ich prophezeien:

 

Brandstätten kann der Himmel wieder feuchten,

Doch Moskaus Brand, Flammbeispiel allen Freien,

Wird fort durch alle Weltgeschichten leuchten.

 

 

 

XXIX.

 

 

Ja freilich nicht allein vom Menschenwitze

Ist solches Machwerk ausgeführet worden;

Ja anzurichten solch ein großes Morden,

hat nicht genüget irdscher Krieger Spitze.

 

Es hat der Herr von seines Himmels Sitze

Selbst seinen Grimm herabgesandt zum Norden,

Der dort durch Kälte fressen mußte Horden,

Wie er ein andersmal es muß durch Hitze.

 

Lobsingt, ihr Steppen, menschenblutgerötet!

Ihr, die gedrängte Feindesleichen stopfen,

In euren Röhren, Berezinen, flötet!

 

Laß, Russia, höher deine Schneebrust klopfen,

Und zähl’, wie viel der Feinde du getötet,

An deiner weißen Kleider roten Tropfen.

 

 

 

XXX.

 

Horch auf, Berlin, horch auf mit deinen Ohren,

Die lang schon hörten keine Freudenkunde;

Ein andrer Tag bringt eine andre Stunde,

Die Freudenbotschaft steht vor deinen Toren.

 

Wer sie dir bringt, ist fern von dir geboren,

Doch, wenn du’s willst, ist er mit dir im Bunde.

Horch! hören könntest du schon in der Runde

Sein Sporngeklirr, ritt’ er nicht ohne Sporen’.

 

So kannst du hören doch sein Roßgewieher,

Und wenn dein Aug’ ihn noch, den Freund, nicht sähe,

So kann es doch schon sehn den Feind, den Flieher.

 

Auf, feiert betend höchster Rettung Nähe!

Sie kommt, und macht euch, staubgebückte Knieer,

Zu Stehern unter Waff’ und auf Trophäe.

 

 

 

XXXI.

 

Wir haben lang mit stummem Schmacherröten

Geblickt auf uns und unsres Landes Schande,

Zu dir aufbebend unsres Armes Bande!

„Wie lang, Herr, willst du sie noch fester löten

 

Jetzt willst du dich, o Retter in den Nöten,

Erbarmen wieder über deinem Lande;

Die Rettung kommt, sie kommt im Städtebrande

Von dir, sie kommt in blut’gen Morgenröten.

 

O Herr, vom Schweren kann nur schweres lösen,

Und wir sind schwergebückt in unserm Staube;

O eile du die Kraft uns einzufloßen;

 

Zum Auferstehn! Laß nicht den Sturm zum Raube

Uns werden in der Rettung Sturmgetösen;

Panier sei Hoffnung, unser Schild dein Glaube!

 

 

 

XXXII.

 

Borussia! gelegt in schwere Stricke

Ward du, als dich der Herr im Zorn gerichtet;

Jetzt hat er seinen Zorn mit dir geschlichtet,

Und deine Bande schlottern am Genicke.

 

Borussia! in diesem Augenblicke

Ist Deutschlands ganzes Aug’ auf dich gerichtet;

Denn nicht ist zwischen dir und ihm vernichtet

Das alte Blutband, deins ist sein Geschicke.

 

Borussia! du hast einst deutschen Ländern

Ein Beispiel selbstverschuldten Unterliegens

Gegeben, preisgegeben dich den Schändern.

 

Jetzt gib ein Beispiel Fallens oder Siegens!

Auf, und greif’ nach des Kriegsglücks dunklen Pfändern

Keck mit dem Wahlspruch: Gottes Hände wiegen’s!

 

 

 

XXXIII.

 

Der Himmel schlägt die Feinde selbst mit Blindheit,

Daß sie mit bloßem Auge nicht erkennen,

Wie bald gereift sein wird für blut’ge Tennen

die Saat, die jetzt noch sproßt in stiller Kindheit.

 

Wie bald ein Feu’r das jetzt noch mit Gelindheit

In Asche glimmt, wird offnen Mutes brennen,

Sich spannen werden schon gezuckte Sennen

In furchtbar einverstandner Gleichgesinntheit.

 

Es wühlt im Dunkeln, wie’s gewühlt schon lange,

Es gärt gewaltig, wies noch nie gegoren,

Und bis zum hellen Ausbruch ist’s nicht lange.

 

Das Kind des Schreckens ruft, noch ungeboren,

Aus Mutterleib: Ich bin bereit zum Gange!

Wer ist’s, wer bringt mich zu des Lebens Toren?

 

 

 

XXXIV.

 

Der alte Fritz saß drunten in den Nächten,

Auf einem Thron aus Tatenglanz gewoben,

Und dachte, weil den Busen Seufzer hoben,

An sein einst freies Volk, das ward zu Knechten.

 

Da kam, solange von des Schicksals Mächten

Im ird’schen Stand des Lebens aufgehoben,

Sein alter Bruder kam jetzt her von droben,

Den sah’ er und hub an: Will Preußen fechten?

 

Der aber sprach mit Siegesglanz im Blicke:

Ich komme dir als Bote, daß erschienen

nun ist die Stunde, wo es bricht die Stricke.

 

Da sprang der alte König auf mit Mienen,

Als ob er selbst zu neuem Kampf sich schicke,

Und sprach: „Jetzt will ich wieder sein mit ihnen.“

 

 

 

XXXV.

 

 

Wer sind die Jünglinge, die mit unwill’gen

Glutblicken über ihren Feind, den Buben,

Von ihren Sitzen plötzlich sich erhuben,

Dem Vaterland sich bietend zu Freiwill’gen?

 

Sie kommen, o ein Tausch jetzt hoch zu bill’gen

Sie kommen, aus der Musen stillen Stuben,

Wo sie in ernster Weisheit Schachten gruben,

Und wollen jetzt im Feld sich pflücken Lil’gen.

 

O würd’ges Schauspiel, o erhabene Szenen,

O wahrhaft feierliche Katastrophe,

Wie nur sie sah das Land einst der Hellenen!

 

Mit in die Reihn gestellt gehn Philosophen,

Und vor den Reihn, trunken von Hippokrenen,

Gehn auch die Dichter her, und wirbeln Strophen.

 

 

 

XXXVI.

 

Bei Gott! Kein Nichts ist’s, des ihr euch verwegnet,

Ein Etwas ist’s, wofür den Arm ihr hobet,

Ein Etwas, das die Welt und Nachwelt lobet,

Ein Etwas, dem der Himmel Gnade regnet.

 

Drum eh ihr auszieht und dem Feind begegnet,

Steht erst vor dem, deß Aug’ die Herzen probet,

Nicht eh’r zieht, als dem Höchsten anverlobet,

Nicht eh’r zieht, als vom Priester eingesegnet.

 

Der Feinde Lanzen müssen vor euch splittern,

Und seine Donner müssen ihm versagen,

Wenn für euch selbst Gott spricht aus den Gewittern.

 

Ja, Gottes Flügel, um euch hergeschlagen

Muß, ob ihr fallet, selbst den Tod entbittern,

Daß ihr sein Antlitz sehn könnt ohne Zagen.

 

 

 

 

 

XXXVII.

 

“Das Schwert, das Schwert, das ich in meinen Tagen

Geschwungen, ich vergaß in wieviel Schlachten,

Das Schwert, ob dessen Klang nicht Feinde lachten,

Als sie bei Roßbach und bei Lissa lagen!

 

„Das Schwert! Wer nahm’s von meinen Sarkophagen?

Weß sind sie Hände, die so keck sich machten,

Daß sie von dort zu seiner Schmach es brachten

Dahin, wo Niemand ist, der es kann tragen?

 

„Ihr Söhne Preußens aus dem West und Oste!

Wieviel der Schwerter könnt ihr aus dem Frieden

noch ziehen, die nicht gefressen sind vom Roste?

 

„Und könnt ihr Schwerter eilig gnug nicht schmieden,

So nehmt nur Hack’ und Sens’, und, was es koste,

holt mir mein Schwert her von den Invaliden!“

 

 

 

XXXVIII. Die Drommete spricht:

 

Die ihr vom Morgen bis zur Abendröte

Lang habt geführet eure bunten Reigen,

Hoboen! Klarinetten! Zimbeln! Geigen!

Schalmeien! Laute! Zither! Leier! Flöte!

 

Ich, heut’ zu eurer Herrscherin erhöhte,

Gebiet’ euch jetzo, daß ihr sollet schweigen;

Nur mir allein ist heut’ das Feld hier eigen,

Und auf dem Felde ruf’ ich: Töte! Töte!

 

Mir zu Gesellen wähl ich Pauk’ und Trummeln,

Her vor mir ziehe des Geschützes Donner,

Und Siegsgeschrei mir nach auf meinen Pfaden.

 

Den Krieg nun will ich, bis er satt ist, tummeln;

Bricht aus dem Sturm dann Friede, der Besonner,

Dann seid mir schön zum Siegsfest eingeladen!

 

 

 

XXXIX.

 

Ihr deutschen Wälder rauscht in euren Frischen,

Und schüttelt eure Locken unverwirret;

Die Taub’ ist’s, die in eurem Schatten girret;

Der Geier, der sie scheucht, hat ausgekrischen.

 

Und ihr, o deutsche Ströme, braust dazwischen;

Ihr dürft die Silbergleise unbeirret

Nun wieder ziehn; die Rosse sind entschirret,

Die streitig machten eure Flut den Fischen.

 

Ihr deutschen Auen, künftig unzertreten,

Ihr sollt jetzt Scharen tragen dichter Ähren,

Nicht starre Saaten mehr von Speer und Spießen;

 

Und nicht der Tod als Schnitter sei gebeten,

Und nicht die Ernte soll von Blut und Zähren,

Vom Tau des Friedens soll sie überfließen.

 

 

 

XL.  Theodor Körner

 

Die Geister der gefallnen Freiheitshelden,

Laut rufen sie hernieder aus Walhalle:

„Viel Sänger sind auf Erden, die mit Schalle

Von unserm Preis den Nachgebliebnen melden.

 

Auf, holt von ihnen zu des Himmels Felden

Herauf uns Einen, der uns sei für alle,

Daß er uns finge, was uns wohlgefalle,

Beim Male zwischen Hermann und Thusnelden.“

 

Da sank im Kampfgewühl ein Held vom Rosse,

Den hoben auf das ihre zwei Walküren,

Und führten ihn empor samt Schwert und Leier.

 

Nun sitzt er droben im kristallnen Schlosse,

Wo ich ihn sehe goldne Saiten rühren,

Wann Geister mir vom Auge ziehn den Schleier.

 

 

 

XLI.  Papst Pius

 

O Märtyrer, der Herr des Himmels schreibe

Ins Buch des Lebens dich, nebst dem Johannes,

Der kühn einst sprach ins Antlitz des Tyrannes:

„Nicht recht ist’s, daß du diese hast zum Weibe.“

 

Er, der dir nichts ließ außer deinem Leibe,

Wenn er auch den dir nehmen will, er kann es;

Doch brechen kann er nicht den Strahl des Bannes,

Der zielt und zielt, und endlich trifft die Scheibe.

 

Das heil’ge Oel, das du aufs Haupt ihm gossest,

Wird unterm Fluch zum Strom von Feuergluten,

Und sengt ihm die Besinnung aus dem Hirne.

 

Die Krone, die du um die Stirn ihm schlossest,

Zerschlagen wird sie von des Himmels Ruten,

Und samt der Krone die gefluchte Stirne.

 

 

 

XLII.  Die Viktoria in Paris

 

Viktoria, Schiedsrichterin der Kriege,

Du auf Berlin einst als Torhüt’rin prangend;

Hast du, zur Fremdlingstadt hieher gelangend,

Treulos vergessen uns und deine Wiege?

 

Viktoria, wenn du hast Flügel, fliege!

Horch! Waffenschall! Es hört Paris erbangend,

Du aber höre freudig, luftverlangend,

Denn was du hörst, sind deine eignen Siege.

 

Viktoria! es naht dein Bundsgenosse;

Kennst du die Stimmen nicht in deinem Ohre?

Mit deinemAuge nicht die Fahnentücher?

 

Laß nach dem Rheine wiehern deine Rosse!

Denn dorther kommt, zum Brandenburger Tore

Dich heimzuholen, den du kennst, dein Blücher.

 

 

 

XLIII.

 

Es ist vor uns in einer ungeheuern

Geburt der Zeit ein Werk emporgesprossen,

Ein Riese gleich dem rhodischen Kolossen,

Durch dessen Füß’ einst Schiffe konnten steuern.

 

Wir haben wohl gesehn, bei welchen Feuern

Das Erz geschmelzt, das Bildnis ward gegossen;

Doch ist sein Wuchs so hoch emporgeschossen,

Daß seinen Blick ihr nicht erreicht mit euern.

 

Ihr seid, im Schiff der Gegenwart befangen,

Noch eingeschlossen zwischen seinen Beinen,

Stets sorgend, daß uns nicht der Ries’ erdrücke.

 

Wird erst das Schiff ein Weilchen sein gegangen,

Dann aus der Ferne wird es recht erscheinen,

Welch hohes Wunder diesen Schauplatz schmücke.

 

 

 

XLIV.

 

Gleichwie die Juden, die ins Joch gebeugten,

Ausziehend aus Ägypti Knechtschaftsstande,

Nicht selbst anlangten im verheißnen Lande,

Sondern nur erst von ihnen die Erzeugten;

 

So laße sich auch dies Geschlecht nicht deuchten,

Freiheit zu finden, weil es bricht die Bande;

Es muß verbrennen in dem Läutrungsbrande,

Das reine Licht wird erst den Enkeln leuchten.

 

O dürft’ ich nur wie du Mann Gottes, Mose,

Dort da du von Sinais Wolkenspitze

Das Land, das du auch durftest nicht betreten,

 

Von Ferne sahest, so im dunklen Schoße

Der Zukunft ich, hell von prophetischem Blitze,

Sehn deutscher Freiheit Land, und stumm anbeten

 

 

 

XLV.

 

Welch wundersam verschlungnes Gewebe

Vielfältig sich durchkreuzender Gewalten

Läuft von des Harzes bis zu Böhmens Spalten,

Und Niemand noch kann sagen, was es gebe.

 

Germania, die du es siehest, bebe

Du nicht, doch sorge, wie sich’s soll entfalten,

Ich, spricht der Herr, ich, dessen Händ’ es halten,

Gut machen will ich es, sowahr ich lebe.

 

Nicht ein Gewirr ist’s, angelegt im Wahne,

Ich sehe jeden einzlen Faden schlagen,

Ich höre gehen jede einzle Spule.

 

Und alles geht nach einem großen Plane,

Daß, wenn das Werk ist fertig, ihr sollt sagen:

Das ward gewirkt auf Gottes Weberstuhle.

 

 

 

XLVI.

 

Ja, ja, gelingen muß, ja ist gelungen,

Was so, als wie aus Eines Herzens Mitte,

In alle Glieder und in alle Tritte

Von Einem Geist des Lebens ist durchdrungen;

 

Daß fremde Blätter, von so fremden zungen,

So fremder Abkunst und so fremder Sitte,

Doch so verkittet sind von Einer Kitte,

Doch so in Einem Einklang sind erklungen.

 

O Wunder! Nein! kein Wunder; denn wir alle

Wir beten ja zu Einem Gott im Himmel,

Der alle unsre Sprachen kann vereinen,

 

Der gibt den Geist der Eintracht unsrem Schwalle,

Daß so in Freuden unser bunt Gewimel

Zusammenwirkt, noch besser, als wir’s meinen.

 

 

 

XLVII.

 

Die Hand des Herren müsse dich verstocken,

Tyrann, wie einst dem Pharao geschehen,

Als er das Volk nicht ließ in Frieden gehen,

Vor dessen Fuß das Meer des Bluts ward trocken.

 

Die Hand des Herren müsse dich verstocken,

Daß du nicht hörest unser Friedensflehen,

Auf daß an dir du müssest Wunder sehen

Noch größre, als die du schon sahst erschrocken.

 

Der Herr müß’ einen Moses dir erwecken,

Zu schlagen dich mit allen sieben Plagen,

Zu treffen dich mit allen Sieben Schrecken.

 

Wenn deines Landes Erstgeburt erschlagen,

Dein Reich gefressen sein wird von Heuschrecken;

Dann soll man dich, ob du willst Friede? fragen!

 

 

 

XLVIII.

 

Du denkst nur, das sind noch die alten Scharen,

Die alten Völker sind es, deren Schwiele

Noch zeugt, wie ich sie geißelte zum Spiele;

Nein! neue sind es, und du sollst’s gewahren.

 

Es ist vom Himmel aus ein Geist gefahren,

Der hat ans Firmament mit einem Kiele

Geschrieben flammend, was schon lasen viele,

Und all die andern werden’s auch erfahren.

 

Ein Wort des Glaubens, das im hohen Norden

Vom Mund des Herrn zuerst ward ausgesprochen,

Ist jetzt gehört in allen Himmelsstrichen.

 

Die Blindheit unsres Augs ist sehend worden,

Der Helm des Wahns auf deinem Haupt zerbrochen,

Und deine Schrecken sind von dir gewichen.

 

 

 

IL.

 

„O ihr drei Herrscher in dem Reich der Lüfte,

In angestammter Hoheit Machtbesitze,

Ihr Aare, jeglicher aus seinem Sitze

Versammelt hier in Böhmens Felsenklüfte!

 

Der Herr, der eurer Fitt’ge Schwungkraft prüfte,

Und stark befunden eure Flügelspitze,

Gab euch in eure Krallen feine Blitze,

Gab seine Donner euch auf eure Hüfte.

 

O ihr lebend’gen wahren Gottesaare,

Die ihr auf Flügeln tragt das Weltgeschicke,

Fliegt aus in eures Kampfs vereinten Wettern!

 

Und jeder Adler eures Feinds erfahre,

Daß er ist Erz, das schmilzt vor eurem Blicke,

Ihr aber lebt und könnt den Tod zerschmettern.“

 

 

 

L.

 

Des Tages, wo du deines Schlachtviehs Herde

Zusammen treiben wirst mit ehrnem Stabe,

Müß’ über dir vom Hochgericht ein Rabe

Herkrächzen, daß es dir ein Schauder werde.

 

Zur Stunde, wann du zürnend deinem Pferde

Den Sporn willst geben, daß zur Schlacht es trabe;

Müß’ es hinstraucheln über einem Grabe

Und keuchend stürzen unter dir zur Erde.

 

Dein Schlachtschwert müßest du, vor Blut erbittert,

Statt in die Scheid’, in Gottes Boden stecken,

Und wenn du’s ausziehst, müß es sein zersplittert.

 

Dann müsse kommen über dich ein Schrecken,

Und müssest sein von Ahnungen durchzittert,

Und einer Niederlage Vorschmack schmecken.

 

 

 

LI.

 

Nun, Deutschland, horch’ mit hunderttausend Ohren,

Nun schau’ mit hunderttausendfachem Blicke,

Hierher, wo gegenwärtig dein Geschicke

Im Kampfe blut’ger Wehen wird geboren.

 

Tritt hier hervor aus den verschloßnen Toren

Ein Kind des Siegs, so schüttle dein Genicke,

Denn du bist frei; ja! doch zur Knechtschaft schicke

Auf ewig dich, geht die Geburt verloren.

 

Wirf nieder in den Staub all deine Glieder,

All deine Kinder, Väter, Mütter, Bräute,

Und zwing’ Erhöhrung von dem Himmel nieder.

 

Denn deines Lebens Lose wirft man heute!

Knie und steh’ auf vom Staub nicht eher wieder,

Als bis du tönen hörest Siegsgeläute.

 

 

 

LII.

 

Tritt auf, Gigant, mein Lied und schlage Saiten,

Daß Deutschlands Busen jauchzend wiederklinge,

Denn es sind ausgeführet worden Dinge,

Dergleichen niemals sahen Ort noch Zeiten.

 

Europas Weltleib hat aus allen Weiten

Geschwellt die Adern, daß ihr Blutstrom springe

In Deutschlands großes Herz, und es durchdringe

Mit neuem Leben aus des Todes Streiten.

 

Spiel auf, o Herz, in hellen Melodien

Der Rettung Dank, daß du bist neugeboren

Durch tausend, tausend, die ihr Blut dir liehen.

 

Ruf, daß du lebst, laut in des Himmels Ohren,

Und bleich vor deinem Antlitz müsse fliehen

Der Fürst des Tod’s, in Korsika geboren.

 

 

 

LIII.

 

Laßt, Himmel, tönen eure Morgensterne,

Tu deinen Mund auf, Erd’, und juble Lieder,

Daß es erschalle bis zum Abgrund nieder,

Und ihn erzittern mach’ in seinem Kerne;

 

Daß er des großen Sieg’s Bedeutung lerne,

Wie Gottes Kraft der nachentstammten Hyder

Durch diesen Schlag zerschmettert hat die Glieder,

Und für ihr Haupt ist auch der Schlag nicht ferne.

 

Ihr Engel fingt’s, daß es der Himmel wisse!

Wie Nacht und Tag im Anfang einst gerungen,

So rangen heute Licht und Finsternisse.

 

Hör’s, Himmel, daß den Sieg das Licht errungen!

Und daß die Erde nicht die Kunde misse,

Sag’s ein Tedeum ihr in tausend Zungen.

 

 

LIV.

 

Weh, Leipzig, dir! So weit die Blicke reichen,

Die du von deinen öden Zinnen schickest,

Ist alles, was du in der Rund erblickest,

Ein großes Feld voll Trümmern und voll Leichen.

 

Man kommt herein, und bringt die Siegeszeichen,

Daß du an ihrem Anblick dich erquickest;

Du aber siehst sie seufzend an, erschrickest,

Todwund noch von den kaum empfangnen Streichen;

 

Denn durch des großen Weltgeschicks Verkettung

Ist unser Glück für dein Weh eingetauchet,

Du bist für uns zur Märtyrin geworden;

 

Sodaß, derweil im Freudenwein der Rettung

Sich ringsum jubelnd eine Welt berauschet,

Du Blut dir schöpfst von deiner Pleiße Norden.

 

 

 

LV.

 

Du Volk des Zorns, das du hast unterm Beile

Erst lassen deinen eignen König bluten,

Dann deine Heilande, die unbeschuhten,

Ausgehen über uns wie gift’ge Pfeile.

 

Wir mußtens fühlen eine feine Weile,

Wie du kannst zücht’gen, und mit was für Ruten:

Doch nimmer konnten wir uns des vermuten,

Daß werden sollt’ uns diese Zucht zum Heile.

 

Verkündet hast du zwar von Anbeginne,

Daß du berufen seist, uns zu beglücken,

Wir aber sahn’s nur nicht mit dumpfem Sinne

 

Ja, ja, berufen warst du, zu zerdrücken

Die schlaffe Zeit, damit sie Kraft gewinne

Durch Druck, zu stehn von neuem ohne Krücken.

 

 

 

LVI.

 

Gepriesen sei der Herr in seinem Zorne,

Der ausgesendet hat ein fressend Feuer

All über mich, der ich ein ungetreuer

Saatacker wucherte mit taubem Korne.

 

Das Feuer hat die Disteln und die Dorne

Verzehrt, die nicht sind für des Herren Scheuer;

Und jetzo hat der Herr, dem ich bin teuer,

Es ausgelöscht mit seinem Gnadenborne.

 

Jetzt will ich wieder tüchtig sein und wacker,

Ein gutes Feld, und tragen gute Saat,

Denn du, o Herr, sollst selber mich besamen.

 

Doch nun umfried’, o Herr, auch deinen Acker,

Vorm argen Feuer meiner Übeltat,

Und schließ es ein im ew’gen Abgrund, Amen!

 

 

 

LVII. Dienerin Poesie

 

Ich, die bin frei nach aller Welt Berichten,

Nichts über mich erkennend, das mich zwinge,

Ward hier im wunderbaren Lauf der Dinge

Zur Magd, und schäme dessen mich mit nichten;

 

Ja, rechne mir zum Ruhm die Dienstespflichten,

Der Herrin wegen, welcher ich sie bringe,

Die wert ist, daß ein Gott sich ihr verdinge,

Und Geister ihr Gebot gehn auszurichten.

 

Politik heißt, die ich zur Herrin wähle,

Für die ich will durch Markt und Straßen laufen,

Bestellend alles, was sie mir befiehlet;

 

Nur daß zu streng sie mit der Magd nicht schmäle

Wenn ich irr’ geh’ einmal im wilden Haufen,

Und etwas anders treff’, als sie gezielet.

 

 

 

LVIII.  Der Friede im Kriegskranze

 

Der Friede sprach: Warum willst du mich höhnen?

Du kommst zu meiner Wieg’ und bringt mir Lieder

Nur kriegrische und kriegrische nur wieder;

Willst du mich mit Gewalt mit Dornen krönen?

 

Ich sprach: du warst geboren unter Stöhnen,

Und unter Krämpfen wuchsen dir die Glieder:

Mein Kind, zum Lustflug fehlt dir noch Gefieder,

Man kann noch nicht der Mühsal dich entwöhnen.

 

Nimm an, was ich dir singe, nicht zum Schlummer!

Bis du aus harter Wieg’ ins Brautbett steigest

Als Mann und deine Braut, die Freiheit, freiest;

 

Dann will ich Honigseim ohn’ allen Kummer

Zum Hochzeitslied dir singen, daß du schweigest,

Jetzt sing’ ich Wermut dir, ob du auch schreiest.

 

 

 

LIX.  Siegsbogen und Joch

 

O daß mit meiner Hand ich könnt’ erheben,

Zum Himmel hoch, aus lauter Demantstücken,

Siegbogen, um mit ungebeugtem Rücken,

Ihr Helden, Einlaß drunter euch zu geben!

 

O daß ich fügen könnte gleich daneben

Ein Joch der Schmach, gebaut aus zweien Krücken,

Darunter euer Feind sich müßte bücken,

Um nie hinfort in Hochmut aufzustreben!

 

O daß ihr selbst nicht ihn durch Ehrenpforten

Zu eurer Schmach noch immer ließet schreiten,

Und duldetet das Joch auf eurem Rumpfe!

 

Dann säng’ ich lautren Sieg in reinen Worten;

Doch jetzt, wie Brauch sonst war in Römerzeiten,

Mischt sich das Spottlied unter die Triumphe.