M. R. Frauenberuf
– Zwei Sonettenkränze
um 1850
Dir, theure Mutter, bring’ ich
diese Lieder,
Sie spiegeln Frauen-Glück und Leiden wieder.
1. Sonettenkranz
I.
An meinem Fenster fremde
Blumen prangen,
Aus ferner Zone, mühsam
auferzogen;
Der Spiegelscheiben schön
gewölbte Bogen,
Sie sind von Loorbeerzweigen
grün verhangen.
Orangenblüthen, zart wie
Mädchenwangen,
Wie Flocken, die sich leicht
im Laub verflogen,
Daraus des Südens Lüfte Balsam
sogen,
Sie trauern tief, in
Zimmerlust gefangen.
Reseda, rosige Hortensien
blühen,
Cypresse steht versunken in
Gedanken,
Die Aloe beim Palmenbaum, dem
schlanken,
Und der Granate Feuerblüthen
glühen.
Die Blumen all, beseelt von
Heimathsehnen,
Sie plaudern abendlich in
leisen Tönen.
II.
Sie plaudern abendlich in
leisen Tönen,
Die armen Blumen, die am
Fenster schmachten,
Die nur nach einem
Windeshauche trachten
Und nach des Himmels vollem
Anblick sehnen.
Eh’ Menschen noch, ihr Zimmer
zu verschönen,
Die duft’gen Blumen in’s
Gefängniß brachten,
Da sie noch frei in grüner
Erde lachten,
Bedurften sie der Sprache
nicht, der Thränen.
Doch als in das Gemach man sie
geschlossen,
Da gab der Himmel ihnen eine
Sprache,
Daß nun die Blume es der Blume
sage
Wann Leid sie quält, wann sie
ein Glück genossen.
Man hört, was sie gesehn vom
Edlen, Schönen,
Aus Worten, die sie nicht
verstanden wähnen.
III.
Aus Worten, die sie nicht
verstanden wähnen,
Hab ich erlauscht, was die
Gefang’nen denken.
Sie wollen Menschen kein
Vertrauen schenken,
Verhüllen uns ihr glühend
Heimathsehnen.
Sie wollen gern zu glauben uns
gewöhnen,
Daß sie zum Himmel stumm die
Blicke lenken;
Nur wenn zum Schlummer sie die
Blüthe senken,
Dann gleichen sie
gesangesreichen Schwänen.
Der Dichter mit dem liebenden
Gemüthe,
Der mit der Blumenwelt so tief
Vertraute,
Versteht die wundersüßen
Blumenlaute,
Das klagen, Plaudern, Kosen
jeder Blüthe.
Aus Blumenworten, die
verständlich klangen,
Ist mir ein Bilderreichthum
aufgegangen.
IV.
Ist mir ein Bilderreichthum
aufgegangen,
Soll Jedermann ihn froh mit
mir genießen;
In Liedern will ich ihn der
Welt erschließen,
Und bunte Märchen sollen
lustig prangen.
Ihr sollt mein Herz in dem
Gedicht empfangen!
Mit Blüthen, die in meinem
Geiste sprießen,
Schmückt ich die Lieder, die
im Wohllaut fließen
Der Töne, die durch meine
Seele klangen.
Und mögen sie ihr Leben auch
verträumen,
Mög’ ihre Spur Vergessenheit
zerstören,
Ich singe fröhlich fort! Ihr
werdet hören,
Was Blumen plaudern, die in
Zimmerraumen,
Entfernt von ihrer Heimath,
sind gefangen. –
Reseda spricht von Mädchens
heiß Verlangen.
V.
Reseda spricht von Mädchens
heiß Verlangen,
Des Mädchens, die da lebt im
engen Kreise,
Der ihre Tage fliehn im
stillen Gleise,
Die ihrer Pflicht geräuschlos
nachgegangen,
Die der Reseda gleichet, ohne
Prangen
Der Andern Herz erfreut, so
sanft und leise,
Mit Seelendurst in anspruchsloser
Weiser,
Im Geben froh und dankbar im
Empfangen.
Doch oftmals die Gedanken
weiter schweifen,
Es schwellt die Brust ein
Sehnen und ein Ringen
Nach Ruhm und Pracht und nach
erhab’nen Dingen!
Sie fühlt sich klein, kann
ahnen, nicht begreifen.
So spricht Reseda von des
Mädchens sehnen,
Granate von der
ballgeschmückten Schönen.
VI.
Granate von der
ballgeschmückten Schönen
Erzählt; von ihr, der Holden
ohne Gleichen,
Die durch die Halle schwebt im
leichten Reigen,
Gelockt von heitern Klängen,
flücht’gen Tönen.
An ihren Wangen schwarze
Locken lehnen,
Gekränzt mit der Granate
dunklen Zweigen,
Vor ihrem Reiz muß aller Glanz
erbleichen,
Und jede Fest wird sie als
zierde krönen.
Doch sagt ihr Gleichmuth, ihre
kalten Blicke,
Daß reiche Pracht und tausend
Schmeichelworte
Nicht dringen zu des Herzens
stiller Pforte;
Leer bleibet ihr Gemüth im
eitlen Glücke
Und Täuschung wär’s,
befriedigt sie zu wähnen.
Orange spricht von einer Braut
in Thränen.
VII.
Orange spricht von einer Braut
in Tränen;
Die Jungfrau, von dem Schleier
klar umwebet,
Gleicht einem Engel, den die
Wolke hebet
Zum Himmel auf, der Heimath
alles Schönen.
Die Orgel rauscht in vollen
mächt’gen Tönen,
Der heil’ge Klang der Kirche
Raum durchschwebet,
Und Treue schwört die Braut,
die leise bebet,
Dem Liebsten unter allen
Erdensöhnen.
Auf den Orangenstrauß viel
Thränen flossen,
Dem Schmerz geweint; sie muß
aus Freundesarmen
Von ihrer Eltern Brust, der
liebewarmen,
Von dem, was sie daheim in’s
Herz geschlossen.
So spricht Orange von der
Trennung Bangen,
Der Lorbeer von geschminkten
Künstlerwangen.
VIII.
Der Lorbeer von geschmückten
Künstlerwangen
Erzählt: wie rings die Menge
harrend schweiget,
Bis der Tragödin Holdgestalt
sich zeiget,
Um sie, den Liebling, jubelnd
zu empfangen.
Und wie dann Alles lauscht im
stummen Bangen
Dem wunderbaren Spiel, wie
unerreichet
Die Künstlerin zu der
Vollendung steiget;
Im Geist der Dichtung scheint
sie aufgegangen.
Ob Lorbeerkränze ihr zu Füßen
fallen,
Ist, wenn der Vorhang fällt,
ihr Glück zerstoben.
Die Lampen löschen, die, was
Schein gewoben,
Der Täuschung bunte
Flitterwelt bestrahlen.
Der Lorbeer zeigt ein glänzend
Leid im Bilde,
Die Aloe gedenkt der Schwester
Milde.
IX.
Die Aloe gedenkt der Schwester
Milde,
Die keine Opfer scheut und
Müh’ verdrießet,
Die Alles, was vom Schmerz
gequält, umschließet
Mit Liebe, die da macht zu
Gottes Bilde.
Wie ihr Verband die Wunden
sanft umhüllte,
Ihr Wort in kranke Seelen
Trost ergießet,
Ihr Gott geweihtes, reines
Leben fließet
Gleich wie der klare Bach durch
Saatgefilde.
Doch bei der Aloe in stiller
Zelle,
Da darf in Einsamkeit die
Schwester trauern.
Verlockend strahlet durch die
düstern Mauern
Die Welt mit ihrer Pracht und
Freudenhelle!
Der Blume klagt die Maid, die
junge, bleiche.
Hortensia preist die Fürstin
mächt’ger Reiche.
X.
Hortensia preist die Fürstin
mächt’ger Reiche,
Ihr Diadem glänzt durch des
Landes Gauen,
Sie überraget alle andern
Frauen
Gleich wie den Wald die
hoheitsvolle Eiche.
Allein die Königin, die
strahlenreiche,
Wird Schmeichler, keine
Freunde um sich schauen;
Der Lieblingsblume schenkt sie
ihr Vertrauen,
Hortensia ist’s, die ros’ge,
sammetweiche.
Auf stolzer Höh’ die Fürstin
einsam lebet,
Ob sie auch Hermelin und
Purpur schmücket,
Ein schweres Los die zarten
Schultern drücket.
Sie scheut das Schwert, das
von der Decke schwebet,
Daß heimlich Unheil ihren
Thron umschleiche.
Cypresse spricht von einer
jungen Leiche.
XI.
Cypresse spricht von einer
jungen Leiche
Im weißen Kleid, den
Myrthenkranz im Haare,
Der Schleier sie umfließt, der
zarte, klare,
So ruhet die entschlaf’ne,
Engelgleiche.
Cypresse neigt auf sie die
dunkeln Zweige,
Und ihre Lieben trauern an der
Bahre
Und klagen laut, weil sie im
Blühn der Jahre
Von ihnen ging in unbekannte
Reiche.
O weinet nicht, denn sie hat
ausgelitten,
Der Erde Weh, der Tod ist
überwunden!
Den Weg zur Heimath hat sie
schon gefunden
Und wohnt, ein Engel, in den
ew’gen Hütten.
An Edens Pforte kündet,
rauschend milde,
Der Palmbaum von dem
himmlischen Gefilde.
XII.
Der Palmbaum von dem
himmlischen Gefilde
Weht Kund’ herüber aus dem
sel’gen Eden.
Der Himmel öffnet sich, wie
den Propheten,
Der Wolkenschleier sinkt, der
ihn verhüllte.
Den Palmenhain durchfließt ein
Lichtglanz milde,
Dort wandeln Sel’ge, Engel
knien und beten,
Sie winden sich zu Kränzen,
reichen Ketten,
Der Himmelsblumen duftge
Gebilde.
Und Weltenkörper, Säulen
gleichend, bauen
Sich strahlenvoll empor zum
Himmelsthrone,
Dort sitzt in Majestät Gott
mit dem Sohne,
Und Sphärenklang durchrauscht
die sel’gen Auen!
Bei Dir allein die Macht und
Gnade stehen,
Du theilst die Gaben, Gott in
ew’gen Höhen!
XIII.
Du theilst die Gaben, Gott in
ew’gen Höhen,
Der Kronen auf der Einen
Stirne drücket;
Der gabst Du kleinen Kreis,
die Andre schmücket
Die Myrthe, Jene prangt im
Reiz der Feen.
Der Einen Leben muß im Dienst
vergehen,
Der Andern gabst Du Kunst, die
uns entzücket, -
Vollkommen wurde Keine hier
beglücket,
Vollendung winkt, wo Deine
Palmen wehen!
So gieb denn, was wir auch
erwählen mögen,
Daß war in Liebe treu die
Pflicht erfüllen,
Nicht murren, wenn die Leiden
uns umhüllen,
Im Glauben wirken, mit Geduld
und Segen;
Laß sanft uns sterben, und in Edens Höhen
Laß uns vor Dir einst mit der
Palme stehen!
XIV
Laß uns vor Dir einst mit der
Palme stehen!
Ich bin noch jung, und was Du
mir beschieden,
Ich weiß es nicht, doch sei
von mir gemieden
Die Sünde, Gott, Du willst es
also sehen.
Laß Engelsflügel schützend
mich umwehen,
Wenn mich die Welt verlocken
will hienieden,
Und nimm mich endlich auf in
Deinen Frieden
Da droben! Amen, also soll’s
geschehen! –
Schon naht die Nacht, in
blauen Aetherräumen
Die Sterne sich in vollem
Glanze zeigen;
Auch meine Blumen schon
verstummend neigen
Das Haupt. Nun, gute Nacht!
Ich werde träumen
Von Euch, wie leise plaudernd
und gefangen
An meinem Fenster fremde
Blumen prangen.
Meistersonett
An meinem Fenster fremde
Blumen prangen,
Sie plaudern abendlich in
leisen Tönen,
Aus Worten, die sie nicht
verstanden wähnen,
Ist mir ein Bilderreichthum
aufgegangen.
Reseda spricht von Mädchens
heiß’ Verlangen,
Granate von der
ballgeschmückten schönen,
Orange spricht von einer Braut
in Thränen,
Der Lorbeer von geschminkten
Künstlerwangen.
Die Aloe gedenkt der Schwester
Milde,
Hortensia preist die Fürstin
mächt’ger Reiche,
Cypresse spricht von einer
jungen Leiche,
Der Palmbaum von dem
himmlischen Gefilde.
Du theilst die Gaben, Gott in
ew’gen Höhen;
Laß uns vor Dir einst mit der
Palme stehen!
2. Sonettenkranz
I.
O, könnte ich der Kunst mein
Leben weihn!
Wär’ ich erwählte Priesterin
des Schönen!
So ruft in meiner Brust ein
lautes Sehnen,
Denn Vollgenuß giebt nur die
Kunst allein.
Sie wiegt in Lustgefühl die
Seele ein,
Sie lockt in’s Auge edler
Rührung Thränen,
Die Seligkeit, die wir im
Himmel wähnen,
Vermag sie uns im Abbild zu
verleihn.
O wär es mir gegeben, zu
entfalten
Den schaffenden, den
künstlerischen Geist
Harmonisch in vollendeten
Gestalten,
Die noch die Nachwelt mit
Bewundrung preist!
Könnt’ ich Ideen, welche in
mir leben,
Den Geist in dichterischen
Formen geben.
II.
Den Geist in dichterischen
Formen geben,
Verklärt die Welt zu zeigen
wie im Spiegel,
Die Seele auf den
goldgewirkten Flügel
Der Zauberin, der Phantasie,
zu heben;
Durch Himmel und durch Hölle
kühn zu schweben,
Frei, ohne Schranke, ohne
läst’gen Zügel
Zu schwingen mich auf
morgenhelle Hügel,
Das ist mein Traum, mein
sehnlichstes Bestreben.
Und wie ich der Gedanken bunte
Fülle
Erschließen möchte in dem
Wortgefüge,
So sehn’ ich mich, daß eine
and’re Hülle
Sich noch um sie mit leichter
Anmuth schmiege:
Könnt’ ich den reichen Schatz
des Klanges heben,
Manch liebliches Gebilod aus
Tönen weben.
III.
Manch liebliches Gebild aus
Tönen weben
Das möcht ich wohl! Der Wehmuth
bange Klagen,
Die aller Erdenfreude will
entsagen,
Die sollten leis’ durch meine
Klänge beben.
Und jubelnd sollte sich mein
Lied erheben,
Von flammender Begeisterung
getragen,
Und alle Herzen sollten höher
schlagen,
Wenn meine Töne stolz vorüber
schweben!
Ja könnt’ ich Dich mit solcher
Meisterschaft,
Musik, Du Liebling meiner
Seele, üben!
Du Himmelstrost voll
wunderbarer Kraft,
Du schöner Hauch aus jenem
sel’gen Drüben! - -
Doch steht mein Sehnen nicht
nach Dir allein:
Könnt’ ich dem Marmor warmes Leben
leihn.
IV.
Könnt’ ich dem Marmor warmes
Leben leihn!
Wüßt’ ich mit Künstlerhänden
zu entfalten
Die schönen Linien
menschlicher Gestalten
Aus rohem Block, aus
ungestümem Stein.
Die Götter steigen nieder in
den Schein,
in Meisterwerken, welche nie veralten,
Prägt in den todten Marmor, in
den kalten,
Sich treu die Gluth bewegten
Lebens ein.
Was wir an Herrlichem und
Großem haben,
Ihm würde meine Kunst ein
Denkmal bringen;
Was in dem Schooß der Erde
längst begraben,
Im Marmor sollte es sich neu
verjüngen.
O könnt’ ich also zaubern aus
dem Stein,
Und wär’ die schöne Kunst der
Farben mein!
V.
Und wär’ die schöne Kunst der
Farben mein,
Dann, in der Hand den Pinsel,
die Palette,
Böt’ ich mit Kühnheiot der
Natur die Wette,
Wer von uns schafft die schönern
Malerei’n
Und sorgsam würd ich meine
Arbeit weihn
Dem Hoch und Niedern in der
Wesen Kette,
Dem Strom, der stolz sich
stürzt vom Felsenbette,
Dem Blümchen auf der Haide,
schlicht und klein.
Aus weltlicher und heilger
Geschichte
Entnähm’ ich die bedeutungsvollsten
Züge,
Und zeigte sie in eignem,
neuen Lichte.
Doch Alles giebt der Sehnsucht
nicht Genüge,
Ein and’rer Wunsch will sich
in mir erheben:
Erschafft’ ich Bauten, die zum
Himmel streben.
VI.
Erschafft’ ich Bauten, die zum
Himmel streben,
Paläste, Kirchen, Thore oder
Brücken,
Die schlanke Säulen, kühne
Bogen schmücken,
Auf denen Kuppeln, Thürme sich
erheben;
Die manch Jahrhundert sehn
vorüber schweben,
Das keinen Stein vermochte
fortzurücken
Die stumm und unbewegt
herniederblicken
Auf nichtiges und lautes
Menschenleben.
Ja, hätt’ ich Alles dieses
schön vollendet,
Es gäbe meiner Sehnsucht keine
Ruh’;
Vom Mächt’gen und von dem
Erhab’nen wendet
Sie sich dem heitern Reich der
Grazie zu.
O welche Wonne würde mich
beleben,
Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll
zu schweben!
VII.
Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll
zu schweben,
Als ob mich trügen unsichtbare
Schwingen,
und könnt’ ich also zur
Erscheinung bringen
Ein reizend Bild von harmlos
heiterm Leben.
Dem Ernste selbst ein leicht Gewand
zu geben,
Den Schmerz mit Rosenketten zu
umschlingen,
Möcht’ es in frohem Tanze mir
gelingen,
Darin die Lust und Grazie sich
verwehen!
Und würde sich, ihn herrlich
zu vollenden,
An holder Schwestern schön
gefügten Kranz,
Die Doppelmaske tragend in den
Händen,
Verklärend überstrahlt von
Lichterglanz,
Die letzte von den schönen
Künsten reihn,
Könnt’ eine Heldin ich der
Bühne sein!
VIII.
Könnt’ eine Heldin ich der
Bühne sein,
Ihr würdet durch mein Spiel
dahin gebracht,
Daß Ihr mit mir erhebt und mit
mir lacht,
Ihr würdet Jubel mir und
Thränen weihn.
Für treue Wahrheit hieltet ihr
den Schein;
Ihr würde den Gestalten, die
erdacht
Von dichterischen Geiste,
durch die Macht
Des Spieles erst das volle
Leben leih’n.
Und wenn ich also in dem Reich
des Schönen
Erklärte Königin und Herrin
wäre,
So würde ferne meine Seele
sehnen
Nach ernster Wissenschaft
geweihter Sphäre.
Dort auf die höchste aller
Höh’n zu dringen,
Würd’ sich mein Geist bis zu
den Sternen schwingen.
IX.
Würd’ sich mein Geist bis zu
den Sternen schwingen,
In unermess’ne, ungeahnte
Weiten
Des Weltalls die erstaunten
Blicke leiten,
Und in den Riesenplan der
Schöpfung dringen!
Die Bahn der Sterne, die sie
voller Klingen
Seit unausdenkbar, ewig langen
Zeiten
In ihrer wunderbaren Ordnung
schreiten,
O, möcht’ es sie zu messen mir gelingen!
Und könnt’ ich auf des Himmels
blauem Grunde
Die Flammenschrift der
Gottesallmacht sesen,
Der überraschten Menschheit
gäb ich Kunde
Von ferner Weltenkörper Form
und Wesen.
Von meinem Wissen würd’ ich
Andern künden,
könnt’ ich die Wunder der
Natur ergründen.
X.
Könnt’ ich die Wunder der
Natur ergründen,
Die Kräfte, welche schlummernd
sich verstecken,
Zu nie geahntem, reichem Leben
wecken,
Und neue Quellen für die
Forschung finden;
Gestalten, die dem bloßen Aug’
entschwinden,
Mit Hülfe kühner Wissenschaft
entdecken,
Dem Elemente nehmen seine
Schrecken,
Es dienstbar machen und in
Fesseln binden.
Doch würd’ ich nicht allein
das Reich durchstreifen
Der lebensvollen, sichtbaren
Natur,
es würde der Gedanke weiter
schweifen,
In’s Land des Geistes sucht er
sich die Spur,
Dort würde er sich stolz zur
Höhe schwingen,
Die Tiefen der Ideenwelt
durchdringen.
XI.
Die Tiefen der Ideenwelt
durchdringen,
Des Lebens innersten Gehalt ergründen
Und seiner schwersten Rätsel
Lösung finden, -
Dem Werke möcht’ ich jedes
Opfer bringen!
Nach Wahrheit möcht ich
unablässig ringen,
Ein neues Licht der
Wissenschaft entzünden,
Und vor mir sollten alle
Zweifel schwinden
Und alle Schranken würd’ ich
kühn bezwingen!
Nichts wäre dem Gedanken fremd
und neu,
Er suchet, daß ihm eine Lösung
werde,
Er forschet nach dem Höchsten
ohne Scheu,
Das in dem Himmel ist und auf
der Erde! -
Ich träume stolz, allein die
Bilder schwinden –
Dein Wunsch ist eitel! will
mein Herz mir künden.
XII.
Dein Wunsch ist eitel! will
mein Herz mir künden,
Denn du bist eine Frau, und
willst es wagen,
Den Weg der weisen Männer
einzuschlagen?
Den Geist des Weibes ew’ge
Schranken binden.
Ihr möget es im Leben öfter
finden,
Das Frauenstirnen
Künstlerlorbeer tragen,
Doch könnt ihr wohl von keiner
einz’gen sagen,
Die neue Wissenschaft vermag zu gründen.
Das stille Haus, es ist des
Weibes Platz,
Es ziemt ihr nicht das
öffentliche Leben,
Sie birgt in ihrem Herzen
schönern Schatz,
Als alle Kunst und
Wissenschaft ihr geben.
Nach andern Dingen mag ihr
Sehnen stehn,
Nicht nach der Kunst, nicht
nach des Wissens Höh’n.
XIII.
Nicht nach der Kunst, nicht
nach des Wissens Höh’n
Steh’ Dein Begehr! Mag sie der
welt zum Segen,
Der Mann erklimmen auf den
steilsten Wegen,
Du bleib und schmücke deine
Hütte schön!
Dort soll der Duft von Deiner
Seele wehn,
Des Heerdes Feuer sittsam dort
zu pflegen,
Die Blume holder Weiblichkeit
zu hegen,
Darauf zuerst soll all’ Dein
Sinnen gehn.
Ein solch Daheim voll Anmuth
zu gestalten,
Sei Deine höchste Wissenschaft
und Kunst;
Dort mag die Freude, mag der
Frieden walten,
Und alles Edle spende seine
Gunst!
Nach Himmelsgütern, welche nie
vergehn,
Nach Lieb’ und Glauben soll
Dein Sehnen stehn!
XIV
Nach Lieb und Glauben soll
dein Sehnen stehn’!
Nur wenig Tropfen sel’gen
Lebens tranken
Wir aus der Kunst, dem Glauben
aber danken
Wir ew’ge Seligkeit in
Himmelshöh’n.
Die Kunst und alle
Wissenschaft vergehn,
Denn Stückwerk ist das Wissen,
ew’ge Schranken,
Sie thürmen sich empor vor dem
Gedanken,
Doch wird die Liebe ewiglich
bestehn!
Es weben Lieb’ und Glauben um
das Haupt
Die stille Glorie, welche
schöner schmücket,
Als alle Lorbeerkränze, stolz
belaubt,
Die auf die Künstlerstirne man
gedrücket.
Nicht deine höchste Sehnsucht
soll es sein:
O, könnte ich der Kunst mein
Leben weih’n!
Meistersonett
O, könnte ich der Kunst mein
Leben weihn!
Den Geist in dichterischen
Formen geben,
Manch liebliches Gebild ans
Tönen weben;
Könnt’ ich dem Marmor warmes
Leben leihn,
Und wär die schöne Kunst der
Farben mein!
Erschafft’ ich Bauten die zum
Himmel streben,
Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll
zu schweben,
Könnt’ eine Heldin ich der
Bühne sein!
Würd’ sich mein Geist bis zu
den Sternen schwingen,
Könnt’ ich die Wunder der
Natur ergründen,
Die Tiefen der Ideenwelt
durchdringen! –
Dein Wunsch ist eitel! will
mein Herz mir künden,
Nicht nach der Kunst, nicht
nach des Wissens Höh’n,
Nach Lieb’ und glauben soll
dein Sehnen stehn!