M. R.                                      Frauenberuf – Zwei Sonettenkränze

um 1850

 

Widmung

 

Die Bilder, die in abendlichen Stunden

Vor meiner Seele auf- und niederstiegen,

Die in mir ruhten, heimlich und verschwiegen,

Sind nun zum bunten Liederkranz gewunden.

 

Er soll der Frauen Glück und Schmerz bekunden,

Schmerz, der die Schwingen lähmt, die aufwärts fliegen,

Der nicht entweicht selbst an des Thrones Stiegen

Und mit dem letzten Hauche erst entschwunden.

 

Dir, die Du oft mit Mühen und mit Leiden

Voll Glauben einen schweren Kampf geführet,

Die mich gelehrt, mit Weiblichkeit gezieret,

 

Die Tugend suchen und das Böse meiden,

Dir, theure Mutter, bring’ ich diese Lieder,

Sie spiegeln Frauen-Glück und Leiden wieder.

 

 

 

Die Frauen und die Blumen

1. Sonettenkranz

 

I.

 

An meinem Fenster fremde Blumen prangen,

Aus ferner Zone, mühsam auferzogen;

Der Spiegelscheiben schön gewölbte Bogen,

Sie sind von Loorbeerzweigen grün verhangen.

 

Orangenblüthen, zart wie Mädchenwangen,

Wie Flocken, die sich leicht im Laub verflogen,

Daraus des Südens Lüfte Balsam sogen,

Sie trauern tief, in Zimmerlust gefangen.

 

Reseda, rosige Hortensien blühen,

Cypresse steht versunken in Gedanken,

Die Aloe beim Palmenbaum, dem schlanken,

 

Und der Granate Feuerblüthen glühen.

Die Blumen all, beseelt von Heimathsehnen,

Sie plaudern abendlich in leisen Tönen.

 

 

 

II.

 

Sie plaudern abendlich in leisen Tönen,

Die armen Blumen, die am Fenster schmachten,

Die nur nach einem Windeshauche trachten

Und nach des Himmels vollem Anblick sehnen.

 

Eh’ Menschen noch, ihr Zimmer zu verschönen,

Die duft’gen Blumen in’s Gefängniß brachten,

Da sie noch frei in grüner Erde lachten,

Bedurften sie der Sprache nicht, der Thränen.

 

Doch als in das Gemach man sie geschlossen,

Da gab der Himmel ihnen eine Sprache,

Daß nun die Blume es der Blume sage

 

Wann Leid sie quält, wann sie ein Glück genossen.

Man hört, was sie gesehn vom Edlen, Schönen,

Aus Worten, die sie nicht verstanden wähnen.

 

 

III.

 

Aus Worten, die sie nicht verstanden wähnen,

Hab ich erlauscht, was die Gefang’nen denken.

Sie wollen Menschen kein Vertrauen schenken,

Verhüllen uns ihr glühend Heimathsehnen.

 

Sie wollen gern zu glauben uns gewöhnen,

Daß sie zum Himmel stumm die Blicke lenken;

Nur wenn zum Schlummer sie die Blüthe senken,

Dann gleichen sie gesangesreichen Schwänen.

 

Der Dichter mit dem liebenden Gemüthe,

Der mit der Blumenwelt so tief Vertraute,

Versteht die wundersüßen Blumenlaute,

 

Das klagen, Plaudern, Kosen jeder Blüthe.

Aus Blumenworten, die verständlich klangen,

Ist mir ein Bilderreichthum aufgegangen.

 

 

IV.

 

Ist mir ein Bilderreichthum aufgegangen,

Soll Jedermann ihn froh mit mir genießen;

In Liedern will ich ihn der Welt erschließen,

Und bunte Märchen sollen lustig prangen.

 

Ihr sollt mein Herz in dem Gedicht empfangen!

Mit Blüthen, die in meinem Geiste sprießen,

Schmückt ich die Lieder, die im Wohllaut fließen

Der Töne, die durch meine Seele klangen.

 

Und mögen sie ihr Leben auch verträumen,

Mög’ ihre Spur Vergessenheit zerstören,

Ich singe fröhlich fort! Ihr werdet hören,

 

Was Blumen plaudern, die in Zimmerraumen,

Entfernt von ihrer Heimath, sind gefangen. –

Reseda spricht von Mädchens heiß Verlangen.

 

 

V.

 

Reseda spricht von Mädchens heiß Verlangen,

Des Mädchens, die da lebt im engen Kreise,

Der ihre Tage fliehn im stillen Gleise,

Die ihrer Pflicht geräuschlos nachgegangen,

 

Die der Reseda gleichet, ohne Prangen

Der Andern Herz erfreut, so sanft und leise,

Mit Seelendurst in anspruchsloser Weiser,

Im Geben froh und dankbar im Empfangen.

 

Doch oftmals die Gedanken weiter schweifen,

Es schwellt die Brust ein Sehnen und ein Ringen

Nach Ruhm und Pracht und nach erhab’nen Dingen!

 

Sie fühlt sich klein, kann ahnen, nicht begreifen.

So spricht Reseda von des Mädchens sehnen,

Granate von der ballgeschmückten Schönen.

 

 

VI.

 

Granate von der ballgeschmückten Schönen

Erzählt; von ihr, der Holden ohne Gleichen,

Die durch die Halle schwebt im leichten Reigen,

Gelockt von heitern Klängen, flücht’gen Tönen.

 

An ihren Wangen schwarze Locken lehnen,

Gekränzt mit der Granate dunklen Zweigen,

Vor ihrem Reiz muß aller Glanz erbleichen,

Und jede Fest wird sie als zierde krönen.

 

Doch sagt ihr Gleichmuth, ihre kalten Blicke,

Daß reiche Pracht und tausend Schmeichelworte

Nicht dringen zu des Herzens stiller Pforte;

 

Leer bleibet ihr Gemüth im eitlen Glücke

Und Täuschung wär’s, befriedigt sie zu wähnen.

Orange spricht von einer Braut in Thränen.

 

 

VII.

 

Orange spricht von einer Braut in Tränen;

Die Jungfrau, von dem Schleier klar umwebet,

Gleicht einem Engel, den die Wolke hebet

Zum Himmel auf, der Heimath alles Schönen.

 

Die Orgel rauscht in vollen mächt’gen Tönen,

Der heil’ge Klang der Kirche Raum durchschwebet,

Und Treue schwört die Braut, die leise bebet,

Dem Liebsten unter allen Erdensöhnen.

 

Auf den Orangenstrauß viel Thränen flossen,

Dem Schmerz geweint; sie muß aus Freundesarmen

Von ihrer Eltern Brust, der liebewarmen,

 

Von dem, was sie daheim in’s Herz geschlossen.

So spricht Orange von der Trennung Bangen,

Der Lorbeer von geschminkten Künstlerwangen.

 

 

VIII.

 

Der Lorbeer von geschmückten Künstlerwangen

Erzählt: wie rings die Menge harrend schweiget,

Bis der Tragödin Holdgestalt sich zeiget,

Um sie, den Liebling, jubelnd zu empfangen.

 

Und wie dann Alles lauscht im stummen Bangen

Dem wunderbaren Spiel, wie unerreichet

Die Künstlerin zu der Vollendung steiget;

Im Geist der Dichtung scheint sie aufgegangen.

 

Ob Lorbeerkränze ihr zu Füßen fallen,

Ist, wenn der Vorhang fällt, ihr Glück zerstoben.

Die Lampen löschen, die, was Schein gewoben,

 

Der Täuschung bunte Flitterwelt bestrahlen.

Der Lorbeer zeigt ein glänzend Leid im Bilde,

Die Aloe gedenkt der Schwester Milde.

 

 

IX.

 

Die Aloe gedenkt der Schwester Milde,

Die keine Opfer scheut und Müh’ verdrießet,

Die Alles, was vom Schmerz gequält, umschließet

Mit Liebe, die da macht zu Gottes Bilde.

 

Wie ihr Verband die Wunden sanft umhüllte,

Ihr Wort in kranke Seelen Trost ergießet,

Ihr Gott geweihtes, reines Leben fließet

Gleich wie der klare Bach durch Saatgefilde.

 

Doch bei der Aloe in stiller Zelle,

Da darf in Einsamkeit die Schwester trauern.

Verlockend strahlet durch die düstern Mauern

 

Die Welt mit ihrer Pracht und Freudenhelle!

Der Blume klagt die Maid, die junge, bleiche.

Hortensia preist die Fürstin mächt’ger Reiche.

 

 

X.

 

Hortensia preist die Fürstin mächt’ger Reiche,

Ihr Diadem glänzt durch des Landes Gauen,

Sie überraget alle andern Frauen

Gleich wie den Wald die hoheitsvolle Eiche.

 

Allein die Königin, die strahlenreiche,

Wird Schmeichler, keine Freunde um sich schauen;

Der Lieblingsblume schenkt sie ihr Vertrauen,

Hortensia ist’s, die ros’ge, sammetweiche.

 

Auf stolzer Höh’ die Fürstin einsam lebet,

Ob sie auch Hermelin und Purpur schmücket,

Ein schweres Los die zarten Schultern drücket.

 

Sie scheut das Schwert, das von der Decke schwebet,

Daß heimlich Unheil ihren Thron umschleiche.

Cypresse spricht von einer jungen Leiche.

 

 

XI.

 

Cypresse spricht von einer jungen Leiche

Im weißen Kleid, den Myrthenkranz im Haare,

Der Schleier sie umfließt, der zarte, klare,

So ruhet die entschlaf’ne, Engelgleiche.

 

Cypresse neigt auf sie die dunkeln Zweige,

Und ihre Lieben trauern an der Bahre

Und klagen laut, weil sie im Blühn der Jahre

Von ihnen ging in unbekannte Reiche.

 

O weinet nicht, denn sie hat ausgelitten,

Der Erde Weh, der Tod ist überwunden!

Den Weg zur Heimath hat sie schon gefunden

 

Und wohnt, ein Engel, in den ew’gen Hütten.

An Edens Pforte kündet, rauschend milde,

Der Palmbaum von dem himmlischen Gefilde.

 

 

XII.

 

Der Palmbaum von dem himmlischen Gefilde

Weht Kund’ herüber aus dem sel’gen Eden.

Der Himmel öffnet sich, wie den Propheten,

Der Wolkenschleier sinkt, der ihn verhüllte.

 

Den Palmenhain durchfließt ein Lichtglanz milde,

Dort wandeln Sel’ge, Engel knien und beten,

Sie winden sich zu Kränzen, reichen Ketten,

Der Himmelsblumen duftge Gebilde.

 

Und Weltenkörper, Säulen gleichend, bauen

Sich strahlenvoll empor zum Himmelsthrone,

Dort sitzt in Majestät Gott mit dem Sohne,

 

Und Sphärenklang durchrauscht die sel’gen Auen!

Bei Dir allein die Macht und Gnade stehen,

Du theilst die Gaben, Gott in ew’gen Höhen!

 

 

XIII.

 

Du theilst die Gaben, Gott in ew’gen Höhen,

Der Kronen auf der Einen Stirne drücket;

Der gabst Du kleinen Kreis, die Andre schmücket

Die Myrthe, Jene prangt im Reiz der Feen.

 

Der Einen Leben muß im Dienst vergehen,

Der Andern gabst Du Kunst, die uns entzücket, -

Vollkommen wurde Keine hier beglücket,

Vollendung winkt, wo Deine Palmen wehen!

 

So gieb denn, was wir auch erwählen mögen,

Daß war in Liebe treu die Pflicht erfüllen,

Nicht murren, wenn die Leiden uns umhüllen,

 

Im Glauben wirken, mit Geduld und Segen;

Laß sanft uns  sterben, und in Edens Höhen

Laß uns vor Dir einst mit der Palme stehen!

 

 

XIV

 

Laß uns vor Dir einst mit der Palme stehen!

Ich bin noch jung, und was Du mir beschieden,

Ich weiß es nicht, doch sei von mir gemieden

Die Sünde, Gott, Du willst es also sehen.

 

Laß Engelsflügel schützend mich umwehen,

Wenn mich die Welt verlocken will hienieden,

Und nimm mich endlich auf in Deinen Frieden

Da droben! Amen, also soll’s geschehen! –

 

Schon naht die Nacht, in blauen Aetherräumen

Die Sterne sich in vollem Glanze zeigen;

Auch meine Blumen schon verstummend neigen

 

Das Haupt. Nun, gute Nacht! Ich werde träumen

Von Euch, wie leise plaudernd und gefangen

An meinem Fenster fremde Blumen prangen.

 

 

Meistersonett

 

An meinem Fenster fremde Blumen prangen,

Sie plaudern abendlich in leisen Tönen,

Aus Worten, die sie nicht verstanden wähnen,

Ist mir ein Bilderreichthum aufgegangen.

 

Reseda spricht von Mädchens heiß’ Verlangen,

Granate von der ballgeschmückten schönen,

Orange spricht von einer Braut in Thränen,

Der Lorbeer von geschminkten Künstlerwangen.

 

Die Aloe gedenkt der Schwester Milde,

Hortensia preist die Fürstin mächt’ger Reiche,

Cypresse spricht von einer jungen Leiche,

 

Der Palmbaum von dem himmlischen Gefilde.

Du theilst die Gaben, Gott in ew’gen Höhen;

Laß uns vor Dir einst mit der Palme stehen!

 

 

 

Die Frauen und die Kunst

2. Sonettenkranz

 

 

I.

 

O, könnte ich der Kunst mein Leben weihn!

Wär’ ich erwählte Priesterin des Schönen!

So ruft in meiner Brust ein lautes Sehnen,

Denn Vollgenuß giebt nur die Kunst allein.

 

Sie wiegt in Lustgefühl die Seele ein,

Sie lockt in’s Auge edler Rührung Thränen,

Die Seligkeit, die wir im Himmel wähnen,

Vermag sie uns im Abbild zu verleihn.

 

O wär es mir gegeben, zu entfalten

Den schaffenden, den künstlerischen Geist

Harmonisch in vollendeten Gestalten,

 

Die noch die Nachwelt mit Bewundrung preist!

Könnt’ ich Ideen, welche in mir leben,

Den Geist in dichterischen Formen geben.

 

 

II.

 

Den Geist in dichterischen Formen geben,

Verklärt die Welt zu zeigen wie im Spiegel,

Die Seele auf den goldgewirkten Flügel

Der Zauberin, der Phantasie, zu heben;

 

Durch Himmel und durch Hölle kühn zu schweben,

Frei, ohne Schranke, ohne läst’gen Zügel

Zu schwingen mich auf morgenhelle Hügel,

Das ist mein Traum, mein sehnlichstes Bestreben.

 

Und wie ich der Gedanken bunte Fülle

Erschließen möchte in dem Wortgefüge,

So sehn’ ich mich, daß eine and’re Hülle

 

Sich noch um sie mit leichter Anmuth schmiege:

Könnt’ ich den reichen Schatz des Klanges heben,

Manch liebliches Gebilod aus Tönen weben.

 

 

III.

 

Manch liebliches Gebild aus Tönen weben

Das möcht ich wohl! Der Wehmuth bange Klagen,

Die aller Erdenfreude will entsagen,

Die sollten leis’ durch meine Klänge beben.

 

Und jubelnd sollte sich mein Lied erheben,

Von flammender Begeisterung getragen,

Und alle Herzen sollten höher schlagen,

Wenn meine Töne stolz vorüber schweben!

 

Ja könnt’ ich Dich mit solcher Meisterschaft,

Musik, Du Liebling meiner Seele, üben!

Du Himmelstrost voll wunderbarer Kraft,

 

Du schöner Hauch aus jenem sel’gen Drüben! - -

Doch steht mein Sehnen nicht nach Dir allein:

Könnt’ ich dem Marmor warmes Leben leihn.

 

 

IV.

 

Könnt’ ich dem Marmor warmes Leben leihn!

Wüßt’ ich mit Künstlerhänden zu entfalten

Die schönen Linien menschlicher Gestalten

Aus rohem Block, aus ungestümem Stein.

 

Die Götter steigen nieder in den Schein,

in Meisterwerken, welche nie veralten,

Prägt in den todten Marmor, in den kalten,

Sich treu die Gluth bewegten Lebens ein.

 

Was wir an Herrlichem und Großem haben,

Ihm würde meine Kunst ein Denkmal bringen;

Was in dem Schooß der Erde längst begraben,

 

Im Marmor sollte es sich neu verjüngen.

O könnt’ ich also zaubern aus dem Stein,

Und wär’ die schöne Kunst der Farben mein!

 

 

V.

 

Und wär’ die schöne Kunst der Farben mein,

Dann, in der Hand den Pinsel, die Palette,

Böt’ ich mit Kühnheiot der Natur die Wette,

Wer von uns schafft die schönern Malerei’n

 

Und sorgsam würd ich meine Arbeit weihn

Dem Hoch und Niedern in der Wesen Kette,

Dem Strom, der stolz sich stürzt vom Felsenbette,

Dem Blümchen auf der Haide, schlicht und klein.

 

Aus weltlicher und heilger Geschichte

Entnähm’ ich die bedeutungsvollsten Züge,

Und zeigte sie in eignem, neuen Lichte.

 

Doch Alles giebt der Sehnsucht nicht Genüge,

Ein and’rer Wunsch will sich in mir erheben:

Erschafft’ ich Bauten, die zum Himmel streben.

 

 

VI.

 

Erschafft’ ich Bauten, die zum Himmel streben,

Paläste, Kirchen, Thore oder Brücken,

Die schlanke Säulen, kühne Bogen schmücken,

Auf denen Kuppeln, Thürme sich erheben;

 

Die manch Jahrhundert sehn vorüber schweben,

Das keinen Stein vermochte fortzurücken

Die stumm und unbewegt herniederblicken

Auf nichtiges und lautes Menschenleben.

 

Ja, hätt’ ich Alles dieses schön vollendet,

Es gäbe meiner Sehnsucht keine Ruh’;

Vom Mächt’gen und von dem Erhab’nen wendet

 

Sie sich dem heitern Reich der Grazie zu.

O welche Wonne würde mich beleben,

Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll zu schweben!

 

 

VII.

 

Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll zu schweben,

Als ob mich trügen unsichtbare Schwingen,

und könnt’ ich also zur Erscheinung bringen

Ein reizend Bild von harmlos heiterm Leben.

 

Dem Ernste selbst ein leicht Gewand zu geben,

Den Schmerz mit Rosenketten zu umschlingen,

Möcht’ es in frohem Tanze mir gelingen,

Darin die Lust und Grazie sich verwehen!

 

Und würde sich, ihn herrlich zu vollenden,

An holder Schwestern schön gefügten Kranz,

Die Doppelmaske tragend in den Händen,

 

Verklärend überstrahlt von Lichterglanz,

Die letzte von den schönen Künsten reihn,

Könnt’ eine Heldin ich der Bühne sein!

 

 

VIII.

 

Könnt’ eine Heldin ich der Bühne sein,

Ihr würdet durch mein Spiel dahin gebracht,

Daß Ihr mit mir erhebt und mit mir lacht,

Ihr würdet Jubel mir und Thränen weihn.

 

Für treue Wahrheit hieltet ihr den Schein;

Ihr würde den Gestalten, die erdacht

Von dichterischen Geiste, durch die Macht

Des Spieles erst das volle Leben leih’n.

 

Und wenn ich also in dem Reich des Schönen

Erklärte Königin und Herrin wäre,

So würde ferne meine Seele sehnen

 

Nach ernster Wissenschaft geweihter Sphäre.

Dort auf die höchste aller Höh’n zu dringen,

Würd’ sich mein Geist bis zu den Sternen schwingen.

 

 

IX.

 

Würd’ sich mein Geist bis zu den Sternen schwingen,

In unermess’ne, ungeahnte Weiten

Des Weltalls die erstaunten Blicke leiten,

Und in den Riesenplan der Schöpfung dringen!

 

Die Bahn der Sterne, die sie voller Klingen

Seit unausdenkbar, ewig langen Zeiten

In ihrer wunderbaren Ordnung schreiten,

O, möcht’ es sie zu  messen mir gelingen!

 

Und könnt’ ich auf des Himmels blauem Grunde

Die Flammenschrift der Gottesallmacht sesen,

Der überraschten Menschheit gäb ich Kunde

 

Von ferner Weltenkörper Form und Wesen.

Von meinem Wissen würd’ ich Andern künden,

könnt’ ich die Wunder der Natur ergründen.

 

 

X.

 

Könnt’ ich die Wunder der Natur ergründen,

Die Kräfte, welche schlummernd sich verstecken,

Zu nie geahntem, reichem Leben wecken,

Und neue Quellen für die Forschung finden;

 

Gestalten, die dem bloßen Aug’ entschwinden,

Mit Hülfe kühner Wissenschaft entdecken,

Dem Elemente nehmen seine Schrecken,

Es dienstbar machen und in Fesseln binden.

 

Doch würd’ ich nicht allein das Reich durchstreifen

Der lebensvollen, sichtbaren Natur,

es würde der Gedanke weiter schweifen,

 

In’s Land des Geistes sucht er sich die Spur,

Dort würde er sich stolz zur Höhe schwingen,

Die Tiefen der Ideenwelt durchdringen.

 

 

XI.

 

Die Tiefen der Ideenwelt durchdringen,

Des Lebens innersten Gehalt ergründen

Und seiner schwersten Rätsel Lösung finden, -

Dem Werke möcht’ ich jedes Opfer bringen!

 

Nach Wahrheit möcht ich unablässig ringen,

Ein neues Licht der Wissenschaft entzünden,

Und vor mir sollten alle Zweifel schwinden

Und alle Schranken würd’ ich kühn bezwingen!

 

Nichts wäre dem Gedanken fremd und neu,

Er suchet, daß ihm eine Lösung werde,

Er forschet nach dem Höchsten ohne Scheu,

 

Das in dem Himmel ist und auf der Erde! -

Ich träume stolz, allein die Bilder schwinden –

Dein Wunsch ist eitel! will mein Herz mir künden.

 

 

XII.

 

Dein Wunsch ist eitel! will mein Herz mir künden,

Denn du bist eine Frau, und willst es wagen,

Den Weg der weisen Männer einzuschlagen?

Den Geist des Weibes ew’ge Schranken binden.

 

Ihr möget es im Leben öfter finden,

Das Frauenstirnen Künstlerlorbeer tragen,

Doch könnt ihr wohl von keiner einz’gen sagen,

Die neue Wissenschaft  vermag zu gründen.

 

Das stille Haus, es ist des Weibes Platz,

Es ziemt ihr nicht das öffentliche Leben,

Sie birgt in ihrem Herzen schönern Schatz,

 

Als alle Kunst und Wissenschaft ihr geben.

Nach andern Dingen mag ihr Sehnen stehn,

Nicht nach der Kunst, nicht nach des Wissens Höh’n.

 

 

XIII.

 

Nicht nach der Kunst, nicht nach des Wissens Höh’n

Steh’ Dein Begehr! Mag sie der welt zum Segen,

Der Mann erklimmen auf den steilsten Wegen,

Du bleib und schmücke deine Hütte schön!

 

Dort soll der Duft von Deiner Seele wehn,

Des Heerdes Feuer sittsam dort zu pflegen,

Die Blume holder Weiblichkeit zu hegen,

Darauf zuerst soll all’ Dein Sinnen gehn.

 

Ein solch Daheim voll Anmuth zu gestalten,

Sei Deine höchste Wissenschaft und Kunst;

Dort mag die Freude, mag der Frieden walten,

 

Und alles Edle spende seine Gunst!

Nach Himmelsgütern, welche nie vergehn,

Nach Lieb’ und Glauben soll Dein Sehnen stehn!

 

 

XIV

 

Nach Lieb und Glauben soll dein Sehnen stehn’!

Nur wenig Tropfen sel’gen Lebens tranken

Wir aus der Kunst, dem Glauben aber danken

Wir ew’ge Seligkeit in Himmelshöh’n.

 

Die Kunst und alle Wissenschaft vergehn,

Denn Stückwerk ist das Wissen, ew’ge Schranken,

Sie thürmen sich empor vor dem Gedanken,

Doch wird die Liebe ewiglich bestehn!

 

Es weben Lieb’ und Glauben um das Haupt

Die stille Glorie, welche schöner schmücket,

Als alle Lorbeerkränze, stolz belaubt,

 

Die auf die Künstlerstirne man gedrücket.

Nicht deine höchste Sehnsucht soll es sein:

O, könnte ich der Kunst mein Leben weih’n!

 

 

Meistersonett

 

O, könnte ich der Kunst mein Leben weihn!

Den Geist in dichterischen Formen geben,

Manch liebliches Gebild ans Tönen weben;

Könnt’ ich dem Marmor warmes Leben leihn,

 

Und wär die schöne Kunst der Farben mein!

Erschafft’ ich Bauten die zum Himmel streben,

Wüßt’ ich im Tanze anmuthsvoll zu schweben,

Könnt’ eine Heldin ich der Bühne sein!

 

Würd’ sich mein Geist bis zu den Sternen schwingen,

Könnt’ ich die Wunder der Natur ergründen,

Die Tiefen der Ideenwelt durchdringen! –

 

Dein Wunsch ist eitel! will mein Herz mir künden,

Nicht nach der Kunst, nicht nach des Wissens Höh’n,

Nach Lieb’ und glauben soll dein Sehnen stehn!