Oskar von Redwitz

1823 – 1891

Du wundergroße Zeit, die wir erleben!

Wer faßt dich in das Herz, so eng und klein? –

In wenig Monden langer Jahre Reih’n

Ereignisschwer an uns vorüberschweben.

 

Der deutsche Name macht die Welt erbeben,

Von Pol zu Pol flammt unsrer Siege Schein.

Es schaun voll Neid und Furcht die Völker drein.

Wer wagt noch gegen uns das Schwert zu heben?

 

O Wunder über Wunder! – Sagt mir doch,

Wann gleiche Zeit der Völker Auge sah?

An Ruhm solch überreichen heil’gen Krieg?

 

Doch aller Wunder segensreichstes noch,

Ist’s jenes nicht, das zu Versailles geschah? –

O größte Kriegstat! – Aller Siege Sieg!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Oskar von Redwitz                  Chismondens Sonette

1823 – 1891                                                 Aus „Amaranth“

 

 

Ha! Was beginn’ ich? – In das Knie gebrochen?

Die Hände starr wie zum Gebet gefaltet!

Wie Marmorstein mein ganzer Leib erkaltet!

O Wahn! Es hat mein Mund doch Nichts gesprochen? -

 

Ich ließ’  ein Feigling  neu mich unterjochen

In Litanei’n verfinsternd und veraltet? –

Erbleicht ihr Lippen, wenn ihr betend lalltet!

Was hätt’ ich meinem Geist den Staar gestochen? –

 

Der da bei Weihrauch und bei Kerzenscheine

Sich gängeln läßt durch Murmeln und durch Bücken,

Der wandelbare Gott ist nicht der meine.

 

Den Willen meines Gott’s kann Nichts verrücken,

Mein Gott ist das Gesetz, das ewig Eine:

Zerschellt, ihr des Gebetes morsche Krücken

 

 

 

 

Was kommt mir vor der Nacht geheim ein Schauer?

Was macht mich beben vor des Mondes Scheine?

Was quält mich so das Lied vom Lorbeerhaine?

Was kömmt im Blattgeflüster mir die Trauer? –

 

O daß ich wähnt’ des Götzentempels Mauer,

Sie sei zertrümmert bis zum letzten Steine,

Das Crucifix verbannt aus meinem Schreine!

Der alte Wahn hält immer noch die Lauer.

 

Gieb Kraft zum Sieg, du ewiger Gedanke!

Ich hab’ so kurz mich erst vom Wahn gerungen;

Noch weht der Staub von der durchbrochnen Schranke.

 

Gewiß! Ich halt’ dein Banner treu umschlungen;

Vergieb! Wenn in der Wahrheit noch ich wanke;

Noch lebt die Lüge der Erinnerungen.

 

 

 

 

Ich hab’ mich aus der Mährchen Arm gerissen;

Und doch, ich hab’ so sanft darin geschlafen.

So süße Klänge an das Herz mir trafen,

Es war so friedlich in den Finsternissen.

 

Den Frieden tauscht’ ich ein mit Schlangenbissen,

Mit wilder Brandung meinen stillen Hafen.

Du sagst mir, du erließest all das Strafen, -

Halt’ Wort, du Geist! Erlaß mir das Gewissen!

 

Denn ob ich auch den Berg des Lichts erklimme,

Der Mährchen Geister mich zur Tiefe heben,

Daß ich zerschellt im Meer des Dunkels schwimme;

 

Du nahmst in deinen Dienst mein ganzes Leben,

So nimm denn auch des Herzens letzte Stimme!

Du mußt – Sonst muß ich ewig vor dir beben!

 

 

 

 

Es war mein Herz ein See mit klaren Wogen;

Ein junger Knab’ mit Rosen in den Haaren

Kam drauf in goldner Gondel hergefahren,

Er war so kindesfroh hinausgebogen.

 

Nur lächelnd kam er immer hergezogen,

Erfreute mich mit Liedern, wunderbaren;

Und trauter Vöglein lichtbeschwingte Schaaren

In muntern Frühlingsscherzen ihn umflogen.

 

Nun treibt zerschellt der Kahn, es starb sein Knabe;

Er liegt im trüben See mit blut’ger Wunde,

Schaut bleich und starr aus seinem feuchten Grabe.

 

Und ich muß ewig schauen nach dem Grunde,

Und Thränen, bittre Thränen nur ich habe –

Möcht’ todt beim Knaben liegen jetzt zur Stunde.

 

 

 

 

 

Ja sterben möcht’ ich! – Sterben? – Ich? – Chismunde?

O Lüge! Wie du mir dieß Wort entliehen!

So listig wolltest du mich niederziehen

Zum lauernden, zu kurz gemiednen Schlunde!

 

Glaubst du, ich würde von des Lichtes Funde

In deine dunklen Arme wieder fliehen?

Nein! Mein Erkennen ist zu weit gediehen,

Zu lang gelauscht hab’ ich der andern Kunde.

 

Und muß ich auch entgegen deinen Nächten

Noch fort und fort für’s Licht die Waffen schwingen,

Ich laß nicht ab, und stehe deinen Mächten.

 

Das Licht muß doch die Nacht im sieg durchdringen,

Ob ihre Schatten hundertmal es schwächten.

Die ew’ge Kraft, sie schmiedet mir die Klingen.

 

 

 

 

 

Gewissen sagt’ ich? – Schwäche will ich’s heißen,

Die Ammenstube hemmt mich noch im Streite.

Doch still! Auch diese weinerliche Saite,

Ich will auch sie aus meiner Harfe reißen!

 

Wie wollt’ ich triumphierend dich umkreisen,

Hätt’ ich den Quälgeist ewig im Geleite,

Der stets mich fesselt, kaum ich mich befreite,

Und mir verstümpert meine kühnsten Weisen?

 

Ja ja! `S ist eine kindische Chimäre!

Und ich konnt’ dich darum so hart verklagen,

Als ob durch mich sie nicht zu tilgen wäre.

 

Vergieb! Ich werde sie zum Weichen schlagen

Mit Schwert und Fackel deiner Hochaltäre,

Und dann erst recht zum Flug den Fittig tragen.

 

 

 

 

 

Triumph! Triumph! Den lichten Flug zu wagen,

Und Niemand unterthan einherzufliegen!

Triumph! Die Macht des Dunkels zu besiegen,

Und frei einherzugehn im ew’gen Tagen!

 

Vom Licht herabzusehn, wie all’ die Zagen

In düstern Tempeln auf den Knieen liegen,

Sich an die todten Götzenbilder schmiegen,

Und ihnen anvertrau’n und ihnen klagen!

 

Harrt nur geduldig aus in euern Banden,

Und hofft, daß der Messias euch errettet!

Ihr lügt euch an! Er macht euch doch zu Schanden.

 

Ich hoffe nicht, ich hab’ mich schon entkettet,

Bin selber mein Messias auferstanden,

Hab’ fest mein Reich in die Natur gebettet.

 

 

 

 

Mein Bräutigam! Wie muß ich dich beklagen,

Wie Liebe du mit Glauben magst vereinen!

Ich gehe meinen Weg, geh’ du den deinen.

Was hat der Glaube zu der Lieb’ zu sagen?

 

Werd’ ich ein christlich Haupt denn anders tragen?

Wird denn mein Auge dann noch heller scheinen?

Werd’ ich dann anders lieben, küssen, weinen? –

Und sei es auch! – Du bist einmal geschlagen!

 

Und machtest allen Zweifel du zerrinnen,

Und ließest mir leibhaftig Ihn erscheinen,

Wie Er gen Himmel fährt ob Zions Zinnen:

 

Ich würf’ Ihn dennoch mit des Leugnens Steinen,

Ich ließ’ dir dennoch nicht den Sieg gewinnen!

O stolze Wollust ewig zu verneinen! –

 

 

 

 

 

Du glaubst sie selber nicht, die Gottgeschichten,

Denn du hast Geist vom ew’gen All’ empfangen!

Und dieser Geist, er kann daran nicht hangen,

Er kann so abergläubig sich nicht richten.

 

Ich glaub’ es gern von armen hohlen Wichten,

Sie mögen wohl in ihres Elends Bangen

Nach solcher Ammenmärchen Trost verlangen,

Doch dein Geist muß, er muß den Wahn zernichten,

 

O Walther! Glaube mir, das ich dich ahne:

Du glaubst sie nicht, dein Selbst muß dir es wehren.

Und du gebrauchst sie nur zu deinem Plane!

 

Denn in den Sagenbüchern stehn die Lehren:

Es sei das Weib des Mannes Unterthane;

Nur darum willst du mich zur Christin kehren!

 

 

 

 

Ja! ja! Zur Magd sollt’ ich mich dir bequemen,

Und knechtisch an den feilen Rocken sitzen,

An Hand und Herzen mir die Adern schlitzen,

Bis ich verblutet wär’ zum müden Schemen.

 

Du aber wolltest dich bediademen,

Und dir der Herrschaft einzig Scepter schnitzen,

Zu dräuen stets bereit mit deinen Blitzen,

Wollt’ ich dir nicht des Purpurs Schleppe nehmen.

 

Sö wär’s; du tränkst den Schaum der Freudenschalen,

Ich dürft’ die Hefe schlürfen aus dem Grunde,

Dürft’ sonnen mich in deiner Gnaden Strahlen.

 

Nicht wahr? Ich wär’ die Zweite nur im Bunde?

Mein Bräutigam! Du rechnest falsche Zahlen!

Herr Walther! Euer Weib heißt einst Chismunde!

 

 

 

 

 

Wie lächerlich! Wie mag ich mich nur grämen!

Er muß sich doch nach meinem Willen fügen,

Und wenn ihn noch so starke Flügel trügen,

Ein einzig süßes Lächeln wird sie lähmen.

 

Ich will den wilden Knaben schon bezähmen,

Ich laß’ ihm jetzt des süßen Wahns Vergnügen,

Als blieb’ er Herr. Wozu schon jetzt ihn rügen?

Die Zeit wird’s lehren, und er wird sich schämen.

 

Lieb’ ich ihn nicht? – Was kann er mehr begehren,

Als daß ich unter Allen ihn erkiese,

Den Becher meiner Wonnen auszuleeren?

 

Ruht er nicht ganz in meinem Paradiese?

Ha! Wenn er doch nur wollt’ den Rücken kehren? –

Weh mir, wenn er auf immer mich verließe! –

 

 

 

 

Verlassen? Mich? – Er könnte mich entbehren? –

Nein! Nie! Wer hat mir solches vorgelogen?

Wie, mich, von der der Fürsten Söhne zogen,

Verhehlend der verschmähten Lieb’ Verzehren?

 

Und wollt’ er schmollend mir den Rücken kehren,

Ich schläng’ den Arm um ihn in weichem Bogen,

Und zög’ ihn schmeichelnd an des Busens Wogen:

Es sollt’ mein Kuß den Knaben schmollen lehren!

 

Ja, ja! So lange mir die Locke dunkelt,

So lang’ zum Kuß mir blühen Mund und Wangen,

So lang’ mein Geist im Aug’ bezwingend funkelt;

 

So lang’ mein Zauberwort ihn kann umfangen;

So lang’, was auch die Furcht des Weibes munkelt,

So lange bleibt er mein. Wie kann mir bangen?

 

 

 

Oskar von Redwitz                  Des Vaters Trost

1823 – 1891

Wie lange währt es? Weht nur Herbsteswind,

So ziehst du hin zu dem, der dich erkoren!

Doch ach, ich weiß: du bleibst doch unser Kind!

Dein Herz, es geht uns dennoch nicht verloren.

 

An Liebe wir nicht ärmer worden sind;

Das ist mein Trost; denn, der als Mann geschworen

Die Treue dir zum ew’gen Angebind’,

Der ward für uns als neuer Sohn geboren.

 

Ich weiß von ihm: in höchsten Ehren halten

Wird er die neuen Eltern, wie die alten –

Und du mein Kind, tu es darin ihm gleich!

 

O kostet dann dein Abschied auch viel Zähren:

So soll sie heil’ge Freude doch verklären;

Nicht ärmer sind wir ja – doch doppelt reich.

 

 

Oskar von Redwitz                  Vom Schönen Tale

1823 – 1891

Es liegt vor mir aus Kurfürst Erthals zeiten

Des „schönen Tales“ wundertrauter Hain.

Um malerisch zerfallenes Gestein

Auf stiller Flur zwei prächt’ge Schwäne gleiten.

 

Wie liebt’ ich’s doch, hier sinnend durchzuschreiten!

Und auch vom Fenster schaut’ ich gern herein,

Sah märchenhaft ich oft im Abendschein

die Silberflügel dort sich flatternd spreiten.

 

Jetzt freilich ist es duftlos, stumm und kahl.

Doch liegt mein Zauberstab’ nicht stets bereit? –

So schwing’ ich ihn – so werd’ es Maienzeit!

 

Und sieh, wie grünt und blüht mein liebes „Tal“!

Welch duft’ge Pracht im Wipfel wie im Hag! –

Und hört ihr auch den Nachtigallenschlag?

 

 

O daß doch neidlos prächtig immerdar

Die deutschen Stämme grünten so wie hier!

Sie alle nur des einen Waldes Zier,

Gar stolz umkreist vom kaiserlichen Aar!

 

Und friedlich, wie die Schwäne silberklar

Durchschwimmen hier dies blühende Revier –

Auf deutscher Geistesflut ohn“ Neidbegier

Sei Nord und Süd ein lechtend Schwanenpaar!

 

Des heil’gem Krieges Opfer, Not und Schmerz,

werd’ einstens, wie ein Bild aus Heldensagen,

Der lenzumdufteten Ruine gleich!

 

Der Nachtigall Gesang sei Deutschlands Herz

Und in dies Herz, sowie mir’s aufgetragen,

Senk’ ich dies Lied vom neuen Deutschen Reich.