1823 – 1891
Du wundergroße Zeit, die wir
erleben!
Wer faßt dich in das Herz, so
eng und klein? –
In wenig Monden langer Jahre
Reih’n
Ereignisschwer an uns
vorüberschweben.
Der deutsche Name macht die
Welt erbeben,
Von Pol zu Pol flammt unsrer
Siege Schein.
Es schaun voll Neid und Furcht
die Völker drein.
Wer wagt noch gegen uns das
Schwert zu heben?
O Wunder über Wunder! – Sagt
mir doch,
Wann gleiche Zeit der Völker
Auge sah?
An Ruhm solch überreichen
heil’gen Krieg?
Doch aller Wunder
segensreichstes noch,
Ist’s jenes nicht, das zu
Versailles geschah? –
O größte Kriegstat! – Aller
Siege Sieg!
1823 – 1891 Aus
„Amaranth“
Ha! Was beginn’ ich? – In das Knie
gebrochen?
Die Hände starr wie zum Gebet
gefaltet!
Wie Marmorstein mein ganzer
Leib erkaltet!
O Wahn! Es hat mein Mund doch
Nichts gesprochen? -
Ich ließ’ ein Feigling neu mich unterjochen
In Litanei’n verfinsternd und
veraltet? –
Erbleicht ihr Lippen, wenn ihr
betend lalltet!
Was hätt’ ich meinem Geist den
Staar gestochen? –
Der da bei Weihrauch und bei
Kerzenscheine
Sich gängeln läßt durch
Murmeln und durch Bücken,
Der wandelbare Gott ist nicht
der meine.
Den Willen meines Gott’s kann
Nichts verrücken,
Mein Gott ist das Gesetz, das
ewig Eine:
Zerschellt, ihr des Gebetes
morsche Krücken
Was kommt mir vor der Nacht
geheim ein Schauer?
Was macht mich beben vor des
Mondes Scheine?
Was quält mich so das Lied vom
Lorbeerhaine?
Was kömmt im Blattgeflüster
mir die Trauer? –
O daß ich wähnt’ des
Götzentempels Mauer,
Sie sei zertrümmert bis zum
letzten Steine,
Das Crucifix verbannt aus
meinem Schreine!
Der alte Wahn hält immer noch
die Lauer.
Gieb Kraft zum Sieg, du ewiger
Gedanke!
Ich hab’ so kurz mich erst vom
Wahn gerungen;
Noch weht der Staub von der
durchbrochnen Schranke.
Gewiß! Ich halt’ dein Banner
treu umschlungen;
Vergieb! Wenn in der Wahrheit
noch ich wanke;
Noch lebt die Lüge der
Erinnerungen.
Ich hab’ mich aus der Mährchen
Arm gerissen;
Und doch, ich hab’ so sanft
darin geschlafen.
So süße Klänge an das Herz mir
trafen,
Es war so friedlich in den
Finsternissen.
Den Frieden tauscht’ ich ein
mit Schlangenbissen,
Mit wilder Brandung meinen
stillen Hafen.
Du sagst mir, du erließest all
das Strafen, -
Halt’ Wort, du Geist! Erlaß
mir das Gewissen!
Denn ob ich auch den Berg des
Lichts erklimme,
Der Mährchen Geister mich zur
Tiefe heben,
Daß ich zerschellt im Meer des
Dunkels schwimme;
Du nahmst in deinen Dienst
mein ganzes Leben,
So nimm denn auch des Herzens
letzte Stimme!
Du mußt – Sonst muß ich ewig
vor dir beben!
Es war mein Herz ein See mit
klaren Wogen;
Ein junger Knab’ mit Rosen in
den Haaren
Kam drauf in goldner Gondel
hergefahren,
Er war so kindesfroh
hinausgebogen.
Nur lächelnd kam er immer
hergezogen,
Erfreute mich mit Liedern,
wunderbaren;
Und trauter Vöglein
lichtbeschwingte Schaaren
In muntern Frühlingsscherzen
ihn umflogen.
Nun treibt zerschellt der
Kahn, es starb sein Knabe;
Er liegt im trüben See mit
blut’ger Wunde,
Schaut bleich und starr aus
seinem feuchten Grabe.
Und ich muß ewig schauen nach
dem Grunde,
Und Thränen, bittre Thränen
nur ich habe –
Möcht’ todt beim Knaben liegen
jetzt zur Stunde.
Ja sterben möcht’ ich! – Sterben?
– Ich? – Chismunde?
O Lüge! Wie du mir dieß Wort
entliehen!
So listig wolltest du mich
niederziehen
Zum lauernden, zu kurz
gemiednen Schlunde!
Glaubst du, ich würde von des
Lichtes Funde
In deine dunklen Arme wieder
fliehen?
Nein! Mein Erkennen ist zu
weit gediehen,
Zu lang gelauscht hab’ ich der
andern Kunde.
Und muß ich auch entgegen
deinen Nächten
Noch fort und fort für’s Licht
die Waffen schwingen,
Ich laß nicht ab, und stehe
deinen Mächten.
Das Licht muß doch die Nacht
im sieg durchdringen,
Ob ihre Schatten hundertmal es
schwächten.
Die ew’ge Kraft, sie schmiedet
mir die Klingen.
Gewissen sagt’ ich? – Schwäche
will ich’s heißen,
Die Ammenstube hemmt mich noch
im Streite.
Doch still! Auch diese
weinerliche Saite,
Ich will auch sie aus meiner
Harfe reißen!
Wie wollt’ ich triumphierend
dich umkreisen,
Hätt’ ich den Quälgeist ewig
im Geleite,
Der stets mich fesselt, kaum
ich mich befreite,
Und mir verstümpert meine
kühnsten Weisen?
Ja ja! `S ist eine kindische
Chimäre!
Und ich konnt’ dich darum so
hart verklagen,
Als ob durch mich sie nicht zu
tilgen wäre.
Vergieb! Ich werde sie zum
Weichen schlagen
Mit Schwert und Fackel deiner
Hochaltäre,
Und dann erst recht zum Flug
den Fittig tragen.
Triumph! Triumph! Den lichten
Flug zu wagen,
Und Niemand unterthan
einherzufliegen!
Triumph! Die Macht des Dunkels
zu besiegen,
Und frei einherzugehn im
ew’gen Tagen!
Vom Licht herabzusehn, wie
all’ die Zagen
In düstern Tempeln auf den
Knieen liegen,
Sich an die todten Götzenbilder
schmiegen,
Und ihnen anvertrau’n und
ihnen klagen!
Harrt nur geduldig aus in
euern Banden,
Und hofft, daß der Messias
euch errettet!
Ihr lügt euch an! Er macht
euch doch zu Schanden.
Ich hoffe nicht, ich hab’ mich
schon entkettet,
Bin selber mein Messias
auferstanden,
Hab’ fest mein Reich in die
Natur gebettet.
Mein Bräutigam! Wie muß ich
dich beklagen,
Wie Liebe du mit Glauben magst
vereinen!
Ich gehe meinen Weg, geh’ du
den deinen.
Was hat der Glaube zu der
Lieb’ zu sagen?
Werd’ ich ein christlich Haupt
denn anders tragen?
Wird denn mein Auge dann noch
heller scheinen?
Werd’ ich dann anders lieben,
küssen, weinen? –
Und sei es auch! – Du bist
einmal geschlagen!
Und machtest allen Zweifel du
zerrinnen,
Und ließest mir leibhaftig Ihn
erscheinen,
Wie Er gen Himmel fährt ob
Zions Zinnen:
Ich würf’ Ihn dennoch mit des
Leugnens Steinen,
Ich ließ’ dir dennoch nicht
den Sieg gewinnen!
O stolze Wollust ewig zu
verneinen! –
Du glaubst sie selber nicht,
die Gottgeschichten,
Denn du hast Geist vom ew’gen
All’ empfangen!
Und dieser Geist, er kann
daran nicht hangen,
Er kann so abergläubig sich
nicht richten.
Ich glaub’ es gern von armen
hohlen Wichten,
Sie mögen wohl in ihres Elends
Bangen
Nach solcher Ammenmärchen
Trost verlangen,
Doch dein Geist muß, er muß
den Wahn zernichten,
O Walther! Glaube mir, das ich
dich ahne:
Du glaubst sie nicht, dein
Selbst muß dir es wehren.
Und du gebrauchst sie nur zu
deinem Plane!
Denn in den Sagenbüchern stehn
die Lehren:
Es sei das Weib des Mannes
Unterthane;
Nur darum willst du mich zur
Christin kehren!
Ja! ja! Zur Magd sollt’ ich
mich dir bequemen,
Und knechtisch an den feilen
Rocken sitzen,
An Hand und Herzen mir die
Adern schlitzen,
Bis ich verblutet wär’ zum
müden Schemen.
Du aber wolltest dich
bediademen,
Und dir der Herrschaft einzig
Scepter schnitzen,
Zu dräuen stets bereit mit
deinen Blitzen,
Wollt’ ich dir nicht des
Purpurs Schleppe nehmen.
Sö wär’s; du tränkst den
Schaum der Freudenschalen,
Ich dürft’ die Hefe schlürfen
aus dem Grunde,
Dürft’ sonnen mich in deiner
Gnaden Strahlen.
Nicht wahr? Ich wär’ die
Zweite nur im Bunde?
Mein Bräutigam! Du rechnest
falsche Zahlen!
Herr Walther! Euer Weib heißt
einst Chismunde!
Wie lächerlich! Wie mag ich
mich nur grämen!
Er muß sich doch nach meinem
Willen fügen,
Und wenn ihn noch so starke
Flügel trügen,
Ein einzig süßes Lächeln wird
sie lähmen.
Ich will den wilden Knaben
schon bezähmen,
Ich laß’ ihm jetzt des süßen
Wahns Vergnügen,
Als blieb’ er Herr. Wozu schon
jetzt ihn rügen?
Die Zeit wird’s lehren, und er
wird sich schämen.
Lieb’ ich ihn nicht? – Was
kann er mehr begehren,
Als daß ich unter Allen ihn
erkiese,
Den Becher meiner Wonnen
auszuleeren?
Ruht er nicht ganz in meinem
Paradiese?
Ha! Wenn er doch nur wollt’
den Rücken kehren? –
Weh mir, wenn er auf immer
mich verließe! –
Verlassen? Mich? – Er könnte
mich entbehren? –
Nein! Nie! Wer hat mir solches
vorgelogen?
Wie, mich, von der der Fürsten
Söhne zogen,
Verhehlend der verschmähten
Lieb’ Verzehren?
Und wollt’ er schmollend mir
den Rücken kehren,
Ich schläng’ den Arm um ihn in
weichem Bogen,
Und zög’ ihn schmeichelnd an
des Busens Wogen:
Es sollt’ mein Kuß den Knaben
schmollen lehren!
Ja, ja! So lange mir die Locke
dunkelt,
So lang’ zum Kuß mir blühen
Mund und Wangen,
So lang’ mein Geist im Aug’
bezwingend funkelt;
So lang’ mein Zauberwort ihn
kann umfangen;
So lang’, was auch die Furcht
des Weibes munkelt,
So lange bleibt er mein. Wie
kann mir bangen?
1823 – 1891
Wie lange währt es? Weht nur
Herbsteswind,
So ziehst du hin zu dem, der
dich erkoren!
Doch ach, ich weiß: du bleibst
doch unser Kind!
Dein Herz, es geht uns dennoch
nicht verloren.
An Liebe wir nicht ärmer
worden sind;
Das ist mein Trost; denn, der
als Mann geschworen
Die Treue dir zum ew’gen
Angebind’,
Der ward für uns als neuer
Sohn geboren.
Ich weiß von ihm: in höchsten
Ehren halten
Wird er die neuen Eltern, wie
die alten –
Und du mein Kind, tu es darin
ihm gleich!
O kostet dann dein Abschied
auch viel Zähren:
So soll sie heil’ge Freude
doch verklären;
Nicht ärmer sind wir ja – doch
doppelt reich.
1823 – 1891
Es liegt vor mir aus Kurfürst
Erthals zeiten
Des „schönen Tales“
wundertrauter Hain.
Um malerisch zerfallenes
Gestein
Auf stiller Flur zwei prächt’ge
Schwäne gleiten.
Wie liebt’ ich’s doch, hier
sinnend durchzuschreiten!
Und auch vom Fenster schaut’
ich gern herein,
Sah märchenhaft ich oft im
Abendschein
die Silberflügel dort sich
flatternd spreiten.
Jetzt freilich ist es duftlos,
stumm und kahl.
Doch liegt mein Zauberstab’
nicht stets bereit? –
So schwing’ ich ihn – so werd’
es Maienzeit!
Und sieh, wie grünt und blüht
mein liebes „Tal“!
Welch duft’ge Pracht im Wipfel
wie im Hag! –
Und hört ihr auch den
Nachtigallenschlag?
O daß doch neidlos prächtig
immerdar
Die deutschen Stämme grünten
so wie hier!
Sie alle nur des einen Waldes
Zier,
Gar stolz umkreist vom
kaiserlichen Aar!
Und friedlich, wie die Schwäne
silberklar
Durchschwimmen hier dies
blühende Revier –
Auf deutscher Geistesflut ohn“
Neidbegier
Sei Nord und Süd ein lechtend
Schwanenpaar!
Des heil’gem Krieges Opfer,
Not und Schmerz,
werd’ einstens, wie ein Bild
aus Heldensagen,
Der lenzumdufteten Ruine
gleich!
Der Nachtigall Gesang sei
Deutschlands Herz
Und in dies Herz, sowie mir’s
aufgetragen,
Senk’ ich dies Lied vom neuen
Deutschen Reich.