Friedrich Wilhelm Riemer             Glück des Neides

1774 – 1845       

Im Ernste, wie? du könntest mich beneiden

Um ein Talent, wie du es gütigst nennst?

Du denkst von deinem Werte so bescheiden:

Sieh nur, wie du dich selbst und mich verkennst!

 

Ein wahr Gefühl in wahren Ausdruck kleiden,

Daß Füll und Tiefe sich im Maß begrenzt –

Bist du’s nicht selbst, die du mir stets zu beiden

Gehalt und Form aus deiner Anmut gönnst?

 

Und bin ich beneidenswert zu nennen –

Denn Glückliche macht erst der Neider kund –,

So muß ich doppelt mich dafür bekennen:

 

Denn doppelt glücklich macht mich heut dein Mund;

so wie du selbst mich findest zu beneiden,

Muß jeder mich noch um den Neid beneiden.

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Wilhelm Riemer             Zufriedenheit

1774 – 1845       

Wie man das Glück, das Einzige, erjage,

Ist aller Menschen sinnen und Beginnen;

Doch wird ein Jeder anders sich besinnen,

Was Glück denn sei, gilt’s Antwort auf die Frage.

 

Und Einer denkt sich endlos goldne Tage,

Ein Andrer Ehr’ und Geld und Gut gewinnen;

Der Vollgenuß im Taflen und im Minnen,

Dem schon genügt Erlaß von Not und Plage.

 

Ich denke doch das Wahre zu entdecken:

Denn schon des Volkes Stimme meint in Glücklich

So etwas wie von Frieden und Zufrieden.

 

Da haben wir’s! Befriedigung ausdrücklich

Der Wünsche, darin ist das Glück beschieden! –

Ja ja, Befried’gung wie von Zaun und Hecken!

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Wilhelm Riemer                 Cotillon         

1774 – 1845

Der Tanz beginnt! In feierlicher Weise

Wallt Paar und Paar sich schlängelnd auf und nieder,

Zur Kette dann entfalten sich die Glieder,

Erwartend stehn sie da im weiten Kreise.

 

Da reißen sich schwingend, wie Gland’rer auf Eise,

Los einzelne Tänzer und wirbeln hinwieder

Geraubte Schönen und stellen sie wieder;

Stets andre verfolgen die ledigen Gleise.

 

Und rauschender diese und andere leise

Sich wieder ins Ganze des Kreises verweben,

Durch alle erneut sich dieselbige Reise;

 

Bis endlich entzündet sich alle erheben –

Umschlungne Hälften mit den Hälften schweben,

Der ganze Kreis sich dreht im eignen Kreise.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Wilhelm Riemer             Weltwirtschaft

1774 – 1845

Ein guter Wirt muß fein zu Rate halten,

Den halben Nagel, selbst die tote Kohle;

Zum Dünger taugt noch die zerriss’ne Sohle,

Der Abgang, so das Ganze zu erhalten.

 

So sehn wir auch die Weltwirtschaft verwalten:

Des Einen Sturz wirkt zu des Andern Wohle;

So geht’s von einem zu dem andern Pole,

Die Industrie des Herrn weiß zu gestalten.

 

Drum bleibe man in seinem tun und Dichten

Um Endbestimmung ohne Frag’ und Sorgen,

Wohin man geht, woher man ist und kam:

 

Bilanz des Ganzen bleibt uns doch verborgen,

Das weiß der Herr schon nützlich einzurichten,

Und auch ein Lump, er taugt in seinem Kram.

 

 

 

 

 

 

 

Friedrich Wilhelm Riemer          Herzlieb

1774 – 1845       

Herz ist das Allerliebste was wir kennen:

Herz ist der liebe Quell von Lieb und Leben;

Von Herzen nur läßt sich das Liebste geben

Und Herz allein kann Liebe nur erkennen.

 

Lieb ist des Herzens inniglich Entbrennen,

Von Herzen kommt, zu Herzen geht ihr Streben,

Das Herz des Herzens ist der Liebe Leben;

Dem Herzen – welch ein Schmerz! dies Herz zu trennen!

 

Herzlieb ist alles was ins Herz geschrieben:

Herzlieb sind Gott und Gatte, Ahn und Kind,

Herzlieb der Liebe stillgehegte Schmerzen.

 

Herzlieb ist auch noch ein besondres Kind,

Die alle wir so recht von Herzen lieben,

und einer auch – wär’ ich’s! darf sie liebherzen.