Karl Simrock                          An Ludwig Uhland

 

Einst sangest du, wie Nachtigellen schlagen,

Manch’ ernstes Wort, manch’ holde Liebeskunde;

Nun du verstummtest, fragt man nach dem Grunde,

Warum du uns nicht singen willst und sagen.

 

Doch Thoren sind’s, die dich darum verklagen,

Das Schweigen rügend deinem Liedermunde:

Du wirkest mehr in einer Mußestunde

Als sie an ihren thatenreichsten Tagen.

 

Die Sänger alter Zeit belebst du wieder;

Schon stieg aus Nacht, von dir heraufbeschworen,

Dein Meister Walter von der Vogelweide.

 

Der sprach ein Wort, das sag’ ich jenen Thoren:

Man singet nicht der Welt im Winterkleide;

Kommt Sangestag, so kannst auch du noch Lieder.

 

 

 

 

Karl Simrock                          Einladung

 

Ein Wundergarten steht euch aufgeschlossen,

An Stauden reich, an Blumen und an Blüthen;

Aus tausend Kelchen, so die Bienen hüten,

Sind süße Düfte schmeichlerisch ergossen.

 

Nicht Pflanzen nur und Moos und Kräuter sprossen,

Es prangt ein Hain, d’rin Aar und Taube brüten,

Und wenn die letzten Sonnenstrahlen glühten,

Kommt Ariost mit Tasso, dem Genossen.

 

Petrarka wallt entzückt durch Lorbeergänge,

Um Dante’s Auge strahlet Himmelswonne,

Auf neue Scherze scheint Boccaz zu sinnen.

 

O kommt in’s Reich der Lieder und Gesänge,

Wo alle Träume reift die milde Sonne

Und alle Frauen heißen Königinnen.

 

 

 

 

Karl Simrock                          Der Einsiedler

 

Wo der Montblanc im ew’gen Lichte schimmert,

Willkommner Nachbar himmlischer Gestirne,

Lawinen stürzen von gezackter Firne,

Da hab’ ich mir ein kleines Haus gezimmert.

 

Ob unten tief das Menschlein jauchzt und wimmert,

Ob dem Verrath, ob einer hohlen Stirne

Die Laune Kronen fügt, die lockre Dirne,

Was kümmert’s mich, so lang’ sein Schnee noch flimmert?

 

Der Menschen Umgang hab’ ich abgeschworen,

Mich aufzusuchen würde Keinem frommen,

Ich hasse sie, die Weisen wie die Thoren.

 

Es müßte denn die kleine Schwäbin kommen,

Der öffnet’ ich mit flügelweiten Thoren:

Die wär’ allein, o ganz allein willkommen!

 

 

 

 

 

Karl Simrock                          Zum Abschied

 

Uns ist ein Stern im Osten aufgegangen,

Dem jeder Blick von Weitem schon gewogen;

Doch als uns näher seine Strahlen flogen,

Da staunten wir ob seines Lichtes Prangen.

 

Der schönste Tag war hell emporgezogen,

Verscheucht die Nacht, die grauend uns umfangen,

Die Bienen schwärmten und die Vögel sangen,

Als Sonne schien dein Bild vom Himmelsbogen.

 

Nun führen dich kometengleiche Bahnen

Von uns hinweg, auf daß im fernen Westen

Der Franke schwört zu deines Lichtes Fahnen.

 

Und weilst du dort bei neuen Siegesfesten,

So möge dich die inn’re Stimme mahnen:

Der Deutsche kennt des Lichtes Werth am besten.