1772 – 1829
Erster
Wie süße Unschuld kindlich
sich erfreue,
das soll der Blümchen helles
Bunt bedeuten,
Die ach! so gern dein gelbes
Haar umstreuten,
Und demutsvoll dir weih’n die
Kindestreue.
Die Rose nur errötet hold vor
Reue,
Weil sie, da ältre Knospen
noch sich scheuten,
den Kelch geöffnet schon
gleich andern Bräuten,
das lieber Hauch den ihren
sanft erneue.
Und wie sie schüchtern blüht
so bunt umkränzet,
So strebt dein junger Sinn in
heil’ger Demut,
Die innern Reiz’ entfaltend
auszuhauchen.
Drum überrascht dich oft so
süße Wehmut;
Wo solches Aug’ in solchen
Perlen glänzet,
Wird sich ein andres bald in
Wonne tauchen.
Zweiter
Wie Morgensonne dunklem Fels
enthoben,
In Strahlentau erfrischt die
braunen saaten,
so glüh’n auf schwarz
umlocktem Haupt Granaten,
Zu feuerschönem Liebeskranz
gewoben.
Es muß solch heilig Rot der
Seher loben,
Der, was die Farbe glänzt, in
Lieb erraten:
Auf schwarzem Grunde flammende
Granaten,
in Trauernacht das Morgenrot
von oben.
Dir leuchten dunkel ernst die
hohen Augen
Vom Schmerz, der dich ergriff
im Heiligtume,
Sich laut ergießt in heiße
Klagetöne.
Wie immer reiner brennt die
zarte Blume,
Je tiefer den harmon’schen
Glanz wir saugen,
So glühe, liebe traur’ in
dunkler Schöne.
Dritter
Laß weiße Rosen dir die Stirn
umkränzen,
Zum schönen Zeichen, das die
Freud’ erfreue;
Wie in dem milden Herzen reine
Treue
Nie Farbe wechselt vor der
Täuschung Glänzen.
So schwebe heiter mit in
unsern Tänzen,
Daß sich an deiner, unsre
Freud’ erneue,
Erhalte du sie rein und fern
von Reue,
Bis Engel dich mit hellern
Rosen kränzen.
Denn wie der weiße Schmuck der
Seele Zeichen,
Die gern das Wort verhüllt in
stillen Bildern,
Von treuer Lieb’ und Unschuld
nie zu weichen;
So soll, daß wir ungläubig
nicht verwildern,
Uns deine Treue, was wir nie
erreichen,
Das Urbild aller Treu’ im
Abglanz schildern.
Vierter
Wen hat dein Lächen reizend
wohl getroffen,
Der nicht zu kühn zu hoffen
sich erkühne?
Schreckst du ihn gleich, so
sieht er bald zur Sühne
Im süßen Augenspiel die Himmel
offen.
Wer wollte da nicht froh und
freier hoffen,
Wenn froh die Hoffnung schwebt
auf heitrer Bühne,
So hold umkränzt von leichter
Myrten Grüne,
daß ihn, nur ihn der süße
Blitz getroffen?
Wo noch nicht ganz der
Unschuld Reich zerronnen,
Darf leichter Reiz wohl leicht
das Auge reizen,
Das schöner Hoffnung frisches
Grün erquicket;
Wer endlich dann die schöne
Braut gewonnen,
Läßt andre gern mit leichten
Blitzen reizen,
Beglückt, wenn er der Unschuld
Blum’ erblicket.
1772 – 1829
Krank, matt, gebückt, sah ich
den Alten schleichen,
Den Blinden muß die Hand des
Mitleids führen.
Weh! die der Augen süßes Licht
verlieren;
Das könnte wohl den härt’sten
Sinn erweichen!
Ob bald die Nebel vor der Sonne
weichen,
Fragt er, die Strahlen schon
die Berge zieren.
Es hörend, hebt er an zu
triumphieren;
Froh, durch Gesang den Himmel
zu erreichen.
Das war es, was mich mehr als
Tränen rührte;
Ein rechtes Bild des armen
Menschenlebens,
Wie Blind’ auch uns in Nacht
das Mitleid führte.
Die Sonne sucht der dumpfe
Blick vergebens;
Selig, wenn nur das Herz den
Strahl noch spürte,
In Nacht das Licht begrüßend
unsres Strebens!
1772 – 1829
Gern flieht der Geist vom kleinlichen
Gewühle
Der Welt, wo Albernheiten
ernsthaft thronen,
Auf zu des Scherzes heitern
Regionen,
Verhüllt in sich die
heiligsten Gefühle.
Umweht ihn einmal Äther leicht
und kühle,
So kann er nimmer wieder unten
wohnen,
Und schnell wird jenen Scherz der
Ernst belohnen,
Daß er sich neu im eignen
Bilde fühle.
Die Wünsche, die dich hin zur
Dichtkunst ziehen,
Der frohe Ernst, in den du da
versankest,
Das sei dein eigen still
verborgnes Leben;
was du gedichtet, um ihr zu
entfliehen,
Das mußt du, weil du ihr
allein es dankest,
Der Welt zum Scheine scherzend
wiedergeben.
1772 – 1829
Das kleine Haus, es steht noch
an der Stelle,
Wo ich es sonst gesehn vor
vielen Jahren,
Seit ich so manches Leid und
Freud erfahren,
Umhergetragen auf des Lebens
Welle;
Dieselben Tritt und Weg an
selber Stelle,
Die kleinen Dinge, wie sie
ehmals waren;
Bemüht die alte Ordnung zu
bewahren,
Sorgt noch der Diener, wie er
alles stelle.
So bleibt Beschränkung gern im
tiefen Frieden;
Wie draußen auch die wilden
Stürme toben,
Es lockt die stille Welt da zu
verweilen.
Den kühnern Geist hat immer
Ruh vermieden;
Will sinnend auch Gefühl die
Stille loben,
Er muß auf wildem Flügel
weitereilen.
1772 – 1829
Es sieht der Musen Freund die
offne Pforte
Des großen Tempels sich auf
Säulen heben,
Und wo Pilaster ruhn und
Kuppeln streben,
Naht er getrost dem
kunstgeweihten Orte.
Drin tönt Musik dem Frager
Zauberworte,
Daß er geheiligt fühlt
unendlich Leben,
Und muß im schönen Kreise ewig
schweben,
Vergiß der Fragen leicht und
armer Worte.
Doch plötzlich scheints, als
wollten Geister gerne
Den schon Geweihten höh’re
Weihe zeigen,
Getäuscht die Fremden lassen
in der Blöße;
Der Vorhang reißt und die Musik
muß schweigen,
Der Tempel auch verschwand und
in der Ferne
Zeigt sich die alte Sphinx in
Riesengröße.
1772 – 1829
Des Krieges grauser Arm
umschloß die Erde,
Doch seh’ ich wieder froher
Hoffnung Zeichen,
Wie fern in Nacht das Ziel,
das wir erreichen,
Wie Strom auf Strom auch noch
vergossen werde.
Reuvoll, daß der Verrat
belohnt nicht werde,
Hör’ ich der Habsucht Wölfe
heulend keichen;
Nicht mehr verborgen will der
Tiger schleichen,
Zeigt kühn am Tag die blutige
Geberde.
Drob zitternd will die falsche
Brut erzagen,
Die Nacht ist finster, doch
bei stillen Flammen,
Harret der stolze Adler auf
den Morgen.
Der junge Löwe schlummert noch
verborgen;
Wacht er, so stürzt des Tigers
Bau zusammen,
Drum lodert auf, ihr Flammen,
laßt es tagen!
1772 – 1829
Vom trüben Schlaf erwacht zu
lichtem Denken,
Hat sich der Mensch zum Himmel
aufgerichtet,
Kann nun, wo träge Frucht ihn
sonst vernichtet,
Die Wunder des Bewußtseins
schaffend denken.
Zum ersten Lohn, den ihm die
Götter schenken,
Daß innre Kraft den innern
Streit geschlichtet,
Vernimmt er, was vom Äther sie
gedichtet,
Und will mit Liebe sich ins
Lichtmeer senken.
Wie dennoch Eins die Kraft in
allen Schranken,
Und leichter Äther mächtger
als die Masse;
Das lebt und brennt in deinem
kühnen Streben!
Es sinnt der Geist, wie er die
Ewge fasse;
In toter Bildung sieht er
Täuschung schwanken,
Das innre Wesen blitzt im
freien Leben.
1772 – 1829
Der Bildung Strahlen all’ in
Eins zu fassen,
Vom Kranken ganz zu scheiden
das Gesunde,
Bestrebten wir uns treu in
freiem Bunde
Und wollten uns auf uns allein
verlassen:
Nach alter Weise konnt’ ich
nie es lassen,
So sicher ich auch war der
rechten Kunde,
Mir neu zu reizen stets des
Zweifels Wunde,
Und was an mir beschränkt mir
schien, zu hassen.
Nun schreit und schreibt in
Ohnmacht sehr geschäftig,
Als wärs im tiefsten Herzen
tief beleidigt,
Der Platten Volk von Hamburg
bis nach Schwaben.
Ob unsern guten Zweck erreicht
wir haben,
Zweifl’ ich nicht mehr; es
hats die Tat beeidigt,
Daß unsre Ansicht allgemein
und kräftig.
1772 – 1829
Gemahlen und gewalkt mit
muntrem Spiele
Schau hier des Volkes negative
Dichter;
Versteh nur erst den tiefen
Sinn der Mühle,
So fühlst Du Leser! bald im
Haupt dich lichter.
Dem Garten gleicht dies Buch
im Festgewühle:
Maskiert erscheinen neu die
armen Wichter
Warm haucht die Luft, Fontänen
plätschern kühle,
Und ferne schimmern bunte Lichter.
Verkehrt ist alles in den
süßen Possen,
Statt Ya sagt Eslein selber
Ay;
Ergötzlich spielen drein mit
Narrenschwänzen
Theater, Aufklärung und
Nicolai.
So mal denn Tieck!
mal ferner unverdrossen
Der Schriftensteller albernste
Tendenzen.
1772 – 1829
Wie kühn auch andre Quellen
sprudeln, brausen,
Wo sonst die Dichter schöne
Weihe tranken,
Den Kunstberg stets anklimmend
ohne Wanken,
Bis wo die ewig heitern Götter
hausen;
Ich wähle dich, o Rhein, der
du mit Sausen
Hinwogst durch enger Felsen
hohe Schranken,
Wo Burgen hoch am Abhang auf
dich ranken,
An’s Herz dem Wandrer greift
ein ahnend Grausen.
Schnell fliegt in Eil, auf grünlich
hellen Wogen,
Das Schifflein muntrer hin,
des deutschen Rheines.
Wohlauf gelebt! das Schifflein
kehrt nicht wieder;
Muth, Freud’ in vollen Bechern
eingesogen,
Krystallenflüssig Gold des
alten Weines,
Singend aus freier Brust die
Heldenlieder!